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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 739

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 365/23, Urteil v. 16.04.2024, HRRS 2024 Nr. 739


BGH 6 StR 365/23 - Urteil vom 16. April 2024 (LG Hannover)

Totschlag (Vorsatz: bedingter Vorsatz); Verletzung der Kognitionspflicht; Mord (sonstiger niedriger Beweggrund: Maßstab, Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland, „Blutrache“, „Kränkung der Familie“, „Familienehre“, ritualisierte Form von Selbstjustiz).

§ 212 StGB; § 211 StGB; § 264 StPO; § 400 Abs. 1 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Der Maßstab für die Bewertung eines niedrigen Beweggrundes (§ 211 Abs. 2 Gr. 1 Var. 4 StGB) ist den Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland zu entnehmen und nicht den Anschauungen einer Volksgruppe, die die sittlichen und rechtlichen Werte dieser Rechtsgemeinschaft nicht anerkennt.

2. Eine Tötung aus „Blutrache“ ist regelmäßig als besonders verwerflich und sozial rücksichtslos anzusehen, weil sich der Täter dabei seiner persönlichen Ehre und der Familienehre wegen gleichsam als Vollstrecker eines von ihm und seiner Familie gefällten Todesurteils über die Rechtsordnung und einen anderen Menschen erhebt.

3. Dies wird in aller Regel ohne Weiteres in Fällen anzunehmen sein, in denen allein die Verletzung eines Ehrenkodex als todeswürdig angesehen wird oder ein Angehöriger einer Sippe als Vergeltung für das Verhalten eines anderen Sippenangehörigen, in dem ihn keine persönliche Schuld trifft, getötet wird. Auch die Tötung als Vergeltung für ein als ehrenrührig bewertetes Verhalten, das indes seinerseits nicht in der Tötung oder zumindest schweren Verletzung einer anderen Person bestand, wird regelmäßig als niedrig zu bewerten sein.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten D. K. wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 13. April 2023, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Auf die Revisionen der Nebenkläger R. und Re. H. wird das Urteil mit den Feststellungen aufgehoben.

3. Die Revision des Nebenklägers H. S. wird als unzulässig verworfen; er hat die Kosten seines Rechtsmittels und die hierdurch den Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

4. Die Revision des Angeklagten Di. K. wird auf seine Kosten verworfen. Er hat die durch sein Rechtsmittel den Nebenklägern entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

5. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel des Angeklagten D. K. sowie der Nebenkläger R. und Re. H., an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

- Von Rechts wegen -

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen verurteilt, den Angeklagten Di. K. zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und den Angeklagten D. K. zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Dagegen wenden sich die Angeklagten und die Nebenkläger R. und Re. H. sowie H. S. mit ihren jeweils auf die Sachbeschwerde gestützten Revisionen. Die Revision des Angeklagten D. K. hat Erfolg. Diejenige des Angeklagten Di. K. ist unbegründet. Die Nebenkläger R. und Re. H. beanstanden mit Erfolg die unterbliebene Verurteilung der Angeklagten wegen Mordes. Die Revision des Nebenklägers H. S. ist hingegen unzulässig.

I.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

1. Der Angeklagte D. K. forderte im April 2022 mehrfach, auch unter Androhung von Gewalt, erfolglos vom später getöteten Rez. H. die Zahlung von 400 Euro als Lohn für von ihm geleistete Arbeit. Am 13. Juli 2022 erschienen er und sein Bruder, der Mitangeklagte Di. K., sowie ihre Mutter an der Wohnung des zu dieser Zeit nicht anwesenden Rez. H. Da ihnen nicht geöffnet wurde, machten sie „lautstark deutlich“, dass jener ihnen noch Geld schulde, und beleidigten dessen Familie. Daraufhin kam es zu „respektlosen“ Erwiderungen durch die Schwester des späteren Tatopfers in Bezug auf die Mutter der Angeklagten. Nachdem Rez. H. vom Erscheinen der Angeklagten unterrichtet worden war, forderte er den Angeklagten D. K. mittels Textnachricht auf, sich zu entfernen, anderenfalls werde er die Polizei benachrichtigen. Hierbei „beleidigte“ er die Mutter der Angeklagten. In einem anschließenden Telefonat mit dem Angeklagten Di. K. verabredeten beide ein Treffen für den späten Abend.

Zuvor erschien die Mutter der Angeklagten abermals an der Wohnung des späteren Tatopfers und führte über die „vermeintlichen Geldschulden“ ein Gespräch mit dessen Mutter. Diese sicherte ihr zu, das Geld nach Rückkehr aus dem Krankenhaus, in das sie sich sofort begeben wollte, zu zahlen.

Obwohl ihre Mutter ihnen hiervon berichtet hatte, verständigten die Angeklagten mehrere Personen. Diese sollten sie bei dem verabredeten Treffen körperlich unterstützen. Beide bewaffneten sich mit Messern und mit einem nicht geladenen Revolver. Sie beabsichtigten, bei dieser Gelegenheit die vermeintlichen Schulden einzutreiben und ihre Forderung gegebenenfalls entweder mittels Drohung mit Messer und Schusswaffe oder gewaltsam durchzusetzen. Zugleich sollte damit die „durch die Weigerung beeinträchtigte Familienehre“ wiederhergestellt und Rez. H. für die Nichtzahlung bestraft werden. Ziel ihres Angriffs sollten auch Personen aus dessen „Lager“ sein, deren Anwesenheit sie ebenso für möglich hielten wie sie schwerwiegende und tödliche Messerstichverletzungen im Falle einer „eskalierenden Situation“ für Rez. H. billigend in Kauf nahmen.

Als dieser gegen 23:50 Uhr am Treffpunkt erschien, traten die in Begleitung mehrerer Unterstützer wartenden Angeklagten auf ihn zu, versuchten, ihn sogleich zur Seite zu ziehen, beleidigten und schlugen ihn. Als sein Bruder, der Nebenkläger Re. H., ihm zu Hilfe eilte, bedrohte der Angeklagte Di. K. ihn mit der Schusswaffe. In der Folge entstand durch das Eingreifen von Unterstützern auf beiden Seiten eine unübersichtliche Situation. Weitere Gewalthandlungen gegenüber dem späteren Tatopfer konnten zunächst abgewehrt werden. Jedoch fügte D. K. dem Nebenkläger R. H. mit einem Messer eine potentiell lebensgefährliche Verletzung im Schulterbereich zu. Re. H. war zwischenzeitlich zu Boden gekommen, „rappelte sich wieder auf“ und flüchtete zum Hauseingang. D. K. rief seinem Bruder zu, dass er „einen gestochen“ habe und sie nun „abhauen“ sollten. Dessen ungeachtet lief der Angeklagte Di. K. dem späteren Tatopfer hinterher. Als sich dessen Vater, der Nebenkläger H. S., ihm in den Weg gestellt und aufgefordert hatte stehenzubleiben, fügte er diesem verschiedene Schnittverletzungen zu; beide gingen bei der entstandenen Rangelei zu Boden. Di. K. richtete sich wieder auf, lief weiter zu Rez. H. und stach diesem wuchtig in den linken Oberarm; der Stich führte in den linken Brustbereich, verursachte unter anderem einen Pneumothorax und eine Lungenblutung. Der Geschädigte verstarb wenig später an einem Regulationsversagen.

2. Das Landgericht hat die Tat zum Nachteil des getöteten Rez. H. rechtlich bewertet als gemeinschaftlich begangenen Totschlag. Die Tat zum Nachteil des Bruders und des Vaters des Getöteten hat es jeweils bewertet als gemeinschaftlich begangene gefährliche Körperverletzung.

II.

1. Während die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils zum Nachteil des Angeklagten Di. K. keine Rechtsfehler ergeben hat, ist die Revision des Angeklagten D. K. begründet. Das Landgericht hat insoweit die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht rechtsfehlerfrei beweiswürdigend belegt.

a) Das Schwurgericht hat ausgeführt, dass durch die Vorbereitung des Treffens mit dem Getöteten, insbesondere durch Bewaffnung und die herbeigeholte Unterstützung, deutlich werde, dass beide Angeklagte einen tödlichen Ausgang durch einen Messereinsatz in Kauf genommen hätten. Hiermit korrespondiere der auf einem Irrtum beruhende Ausruf des Angeklagten D. K., den Nebenkläger Rez. H. durch einen Messerstich getötet zu haben. Schließlich sei dieser Angeklagte auch noch „vor Ort“ geblieben, nachdem er seinen Bruder zur Flucht aufgefordert habe; dabei habe er „bestärkend und absichernd“ mit diesem zusammengewirkt.

b) Der Schluss der Strafkammer auf den bedingten Tötungsvorsatz des Beschwerdeführers aus dessen „fälschlicher Annahme“, den Nebenkläger R. H. durch einen Messerstich getötet zu haben, wird von den Feststellungen nicht getragen. Ob und aus welchen Gründen er irrigerweise von tödlichen Verletzungen ausging, ist nicht mitgeteilt worden. Dies liegt auch eingedenk der übrigen Urteilsgründe, namentlich des insoweit lediglich angenommenen (direkten) Körperverletzungsvorsatzes, nicht nahe. Überdies wird ein absicherndes oder gar bestärkendes Verhalten des Beschwerdeführers unmittelbar vor dem tödlichen Stich nicht belegt. Festgestellt ist insoweit allein, dass dieser seinen Bruder aufforderte „abzuhauen“, weil er jemanden „gestochen“ habe.

2. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Totschlags auf den genannten Rechtsfehlern beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Die Sache bedarf insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung, weil das neue Tatgericht möglicherweise zu Feststellungen gelangt, die eine Verurteilung wegen eines Tötungsverbrechens tragen.

3. Damit hat als rechtlich notwendige Folge auch die - für sich genommen rechtsfehlerfreie - tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil der Nebenkläger R. H. und H. S. keinen Bestand (vgl. BGH, Urteile vom 25. Januar 2024 - 3 StR 157/23; vom 16. August 2023 - 5 StR 434/22; KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 353 Rn. 12); die konkurrenzrechtliche Bewertung als Tateinheit (§ 52 StGB) beschwert den Angeklagten nicht.

III.

1. Die Revision des Nebenklägers H. S. ist unzulässig. Der Nebenkläger hat lediglich die allgemeine Sachrüge erhoben, diese indes nicht näher begründet. Damit ist nicht zu erkennen, ob der Nebenkläger in zulässiger Weise eine Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes oder aber - was unzulässig wäre - lediglich eine höhere Strafe erstrebt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 12. August 2021 - 3 StR 450/20; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 400 Rn. 7, jeweils mwN).

2. Die Revisionen der Nebenkläger R. und Re. H. haben Erfolg.

a) Sie sind zulässig. Insbesondere ist der Senat an die Entscheidung des Landgerichts gebunden, dem Nebenkläger Re. H. Wiedereinsetzung in den Stand vor Ablauf der Revisionseinlegungsfrist zu gewähren, obwohl es dabei übersehen hat, dass einem Nebenkläger das Verschulden seines anwaltlichen Vertreters zuzurechnen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Dezember 1981 - 2 StR 221/81, BGHSt 30, 309, 310; vom 20. Juni 2023 - 2 StR 39/23, NStZ 2024, 124, 125).

b) Die Rechtsmittel sind auch begründet. Hinsichtlich der Tat zum Nachteil des Getöteten Rez. H. ist das Landgericht seiner Kognitionspflicht nicht in vollem Umfang nachgekommen (§ 264 StPO; vgl. BGH, Urteile vom 22. November 2016 - 1 StR 354/16, BGHSt 61, 318, 321; vom 17. August 2023 - 4 StR 29/23, NStZ-RR 2023, 371; Beschluss vom 15. Mai 1963 - 2 ARs 66/63, BGHSt 18, 381, 385 f. mwN), weil es diese nicht auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Mordes aus niedrigen Beweggründen beurteilt hat (§ 211 Abs. 2 Var. 4 StGB).

aa) Die Frage, ob Beweggründe zur Tat „niedrig“ sind, also nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen, mithin in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb als besonders verachtenswert erscheinen, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren zu beurteilen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 11. Oktober 2005 - 1 StR 195/05, NStZ 2006, 284, 285; 11. November 2020 ? 5 StR 124/20, NStZ 2021, 226, 227; Beschluss vom 10. Januar 2006 - 5 StR 341/05, NJW 2006, 1008, 1011). Gefühlsregungen wie Wut, Zorn, Ärger, Hass und Rachsucht kommen nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht, wenn sie nicht menschlich verständlich, sondern Ausdruck einer niedrigen Gesinnung des Täters sind. Dabei ist der Maßstab für die Bewertung eines Beweggrundes den Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland zu entnehmen und nicht den Anschauungen einer Volksgruppe, die die sittlichen und rechtlichen Werte dieser Rechtsgemeinschaft nicht anerkennt (vgl. BGH, Urteile vom 7. Oktober 1994 - 2 StR 319/94, NJW 1995, 602; vom 28. November 2018 - 5 StR 379/18, NStZ 2019, 206, 207 mwN; vom 11. November 2020 ? 5 StR 124/20, NStZ 2021, 226, 227). In subjektiver Hinsicht muss hinzukommen, dass der Täter die Umstände, die die Niedrigkeit seiner Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausführung ins Bewusstsein aufgenommen hat und, soweit gefühlsmäßige oder triebhafte Regungen in Betracht kommen, diese gedanklich beherrschen und willensmäßig steuern kann (vgl. BGH, Beschluss vom 12. September 2019 - 5 StR 399/19, NJW 2019, 3464, 3465 mwN).

bb) Nach den von der Strafkammer getroffenen Feststellungen drängte sich das Tötungsmotiv der „Blutrache“ als niedriger Beweggrund auf.

(1) Das Landgericht hat für beide Angeklagte festgestellt, dass diese zwar die vermeintlich geschuldeten 400 Euro „eintreiben“ wollten, es ihnen aber „in hohem Maße“ darauf ankam, den Getöteten auch für sein vorheriges Verhalten zu bestrafen. Hierdurch sollte die als „Kränkung der Familie“ empfundene „Nichtzahlung“ sanktioniert und zugleich die „Familienehre“ wiederhergestellt werden.

(2) Die damit maßgeblich inmitten stehende ritualisierte Form von Selbstjustiz (vgl. Baumeister, Ehrenmorde, 2007, S. 17 f., 50; Kasselt, Ehre im Spiegel der Justiz, 2016, S. 17; Schorn, Mord aus niedrigen Beweggründen bei fremden soziokulturellen Wertvorstellungen, 2014, S. 92 f.) hätte dem Landgericht Anlass zu einer näheren Erörterung der niedrigen Beweggründe geben müssen.

Denn eine Tötung aus „Blutrache“ ist regelmäßig als besonders verwerflich und sozial rücksichtslos anzusehen, weil sich der Täter dabei seiner persönlichen Ehre und der Familienehre wegen gleichsam als Vollstrecker eines von ihm und seiner Familie gefällten Todesurteils über die Rechtsordnung und einen anderen Menschen erhebt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2006 - 5 StR 341/05, NJW 2006, 1008, 1011; Urteil vom 14. Dezember 2000 - 4 StR 375/00, StV 2001, 228). Dies wird in aller Regel ohne Weiteres in Fällen anzunehmen sein, in denen allein die Verletzung eines Ehrenkodex als todeswürdig angesehen wird oder ein Angehöriger einer Sippe als Vergeltung für das Verhalten eines anderen Sippenangehörigen, in dem ihn keine persönliche Schuld trifft, getötet wird. Auch die Tötung als Vergeltung für ein als ehrenrührig bewertetes Verhalten, das indes seinerseits nicht in der Tötung oder zumindest schweren Verletzung einer anderen Person bestand, wird regelmäßig als niedrig zu bewerten sein (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2006 - 5 StR 341/05, aaO; MüKo/StGB-Schneider, 4. Aufl., § 211 Rn. 108 mwN). Dies gilt insbesondere für Tötungen aus Rache zur vermeintlichen Wiederherstellung der Ehre einer sozialen, etwa familiären Einheit.

Die Urteilsfeststellungen legen nahe, dass nicht die schlichte Verärgerung über die ausgebliebene Zahlung (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 1993 - 3 StR 476/93, StV 1994, 182), sondern gerade die Sanktionierung des vorangegangenen, als ehrwidrig empfundenen Verhaltens des Getöteten der Tat ihr Gepräge verliehen hat (vgl. Nehm in FS Eser, 2005, S. 419, 424). Überdies forderten die Angeklagten nach ihrer Abfahrt zum Treffpunkt am Tattag die vermeintliche Geldschuld nicht mehr ein. Beide begannen vielmehr gerade in Kenntnis der durch andere Familienmitglieder zuvor verabredeten Streitbeilegung „sogleich“ mit den Gewalttätigkeiten. Schließlich ist das Landgericht im Rahmen der Strafbemessung selbst von „der Nichtigkeit des Tatanlasses“ und - damit naheliegend - auch von einem krassen Missverhältnis zwischen dem Stunden zuvor gefassten Tatentschluss und der Tötung ausgegangen (vgl. BGH, Urteile vom 11. November 2004 - 4 StR 349/04, NStZ 2005, 331; vom 11. Januar 2000 - 1 StR 505/99, NStZ-RR 2000, 333).

c) Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei der gebotenen Prüfung des Mordmerkmals zu einer Strafbarkeit nach § 211 Abs. 2 StGB gelangt wäre. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt wegen der Einheitlichkeit der Tat zur Aufhebung des Urteils insgesamt (vgl. vorstehend II.).

3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf § 397b StPO und die Möglichkeit der Bestellung eines gemeinschaftlichen Nebenklägervertreters hin.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 739

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede