HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1238
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 450/20, Urteil v. 12.08.2021, HRRS 2021 Nr. 1238
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 5. September 2019, soweit es den Angeklagten K. betrifft, im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des den Angeklagten K. betreffenden Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende den Angeklagten K. betreffende Revision der Staatsanwaltschaft, ihre Revision betreffend die Angeklagten Ka. und S. sowie die Revision der Nebenklägerin Manuela P. gegen das vorgenannte Urteil werden verworfen.
Die Kosten des die Angeklagten Ka. und S. betreffenden Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft sowie die notwendigen Auslagen dieser Angeklagten trägt die Staatskasse.
Die Nebenklägerin Manuela P. hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt, den Angeklagten K. zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten, die Angeklagten Ka. und S. jeweils zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren. Die Vollstreckung aller Strafen hat es zur Bewährung ausgesetzt.
Die Staatsanwaltschaft und die Nebenklägerin machen mit ihren auf die Sachrüge gestützten Revisionen Fehler in den Feststellungen und der Beweiswürdigung geltend, deren Vermeidung aus ihrer Sicht zu einer Verurteilung wegen eines Tötungsdelikts hätte führen können. Außerdem wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen die Strafzumessung. Das Rechtsmittel wird vom Generalbundesanwalt vertreten. Es hat in Bezug auf den Angeklagten K. im tenorierten Umfang Erfolg und erweist sich, was die beiden anderen Angeklagten angeht, ebenso als unbegründet wie die Revision der Nebenklägerin.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. Die vormals mitangeklagte Mutter des Angeklagten K. führte seit dem Frühsommer 2017 eine Beziehung mit dem späteren Tatopfer. Die Verbindung war von Aggressionen und massiven körperlichen Übergriffen seitens des später Geschädigten geprägt. Zu mehreren Gelegenheiten würgte und vergewaltigte er die Mutter. Sie erlitt Todesangst und unternahm einen erfolglosen Suizidversuch. Zu einer Trennung sah sie sich nicht in der Lage. Stattdessen gewann sie die Überzeugung, der Geschädigte solle eine „Tracht Prügel“ erhalten. Um die Jahreswende 2017/2018 beauftragte sie ihren Sohn, den Angeklagten K., damit, jemanden zu finden, der diese Aufgabe übernimmt, und übergab ihm 2.500 €. Sie äußerte, sie wolle dem Geschädigten „am liebsten mal einen Stein vor den Kopf hauen“, damit die Quälerei ein Ende habe.
Der Angeklagte K. wandte sich an einen Berufsschulkameraden, den Angeklagten Ka., der wiederum den Angeklagten S. ansprach. Zu dritt beschlossen sie, dass der Geschädigte „aufs Maul bekommen“ solle. Dass er bewusstlos oder krankenhausreif geschlagen wird, wollten die Angeklagten Ka. und S., die weder die Mutter noch ihren Lebensgefährten kannten, dem Angeklagten K. allerdings nicht versprechen; sie sagten vielmehr zu, der Geschädigte werde bekommen, was er verdiene. Als die Frage im Raum stand, ob die Mutter ihrem Lebensgefährten hinterher noch einen Stein auf den Kopf fallen lasse, versicherte der Angeklagte, der mit einem entsprechenden Geschehen nicht rechnete, dass dies mit Sicherheit nicht passieren werde. Das glaubten Ka. und S. Ihre Entlohnung sollte 1.500 € betragen.
Am Abend fuhren alle drei zusammen zu dem Campingplatz, auf dem die Mutter mit dem Geschädigten in einem Wohnwagen lebte. Der Angeklagte K. wies den beiden anderen die Fahrstrecke. S. führte ein Pfefferspray mit sich, Ka. einen Teleskopschlagstock. Alle drei nahmen billigend in Kauf, dass die Gegenstände gegenüber dem Opfer zum Einsatz gelangen. Vor Ort sandte K. seiner Mutter abredegemäß eine verschlüsselte SMS. Daraufhin verließ sie für einen vorgeblichen Toilettenbesuch den Wohnwagen. Während K. am Auto wartete, zeigte die Mutter den Angeklagten Ka. und S. den Weg zu diesem.
Dort angekommen, trat S. die Tür ein und setzte sofort das Pfefferspray ein, um dem Geschädigten die Sicht zu nehmen. Sodann streckte er ihn mit drei Faustschlägen in das Gesicht zu Boden. Er versetzte ihm einen weiteren Schlag gegen den Oberkörper und verließ den Wohnwagen. Anschließend schlug Ka. mindestens zweimal mit seinem Teleskopschlag auf den Geschädigten ein und warf einen Fernseher auf ihn, bevor er sich ebenfalls entfernte. Das Opfer war zu diesem Zeitpunkt nicht lebensgefährlich verletzt, womit beide Angeklagte auch nicht gerechnet hatten; seinen Tod hatten sie weder beabsichtigt noch billigend in Kauf genommen. Gemeinsam mit dem Angeklagten K. fuhren sie davon. Dass seine Mutter die Situation im Folgenden für ein Tötungsdelikt ausnutzen würde, kalkulierten die drei Angeklagten nicht ein.
Die Mutter fand den Geschädigten im Campingwagen kampfunfähig am Boden liegend vor. In Tötungsabsicht schlug sie ihn mehrfach mit einem Pflasterstein auf den Kopf und würgte ihn, bis er verstarb.
2. Die Feststellungen zum äußeren Tatablauf hat das Landgericht im Wesentlichen auf die übereinstimmenden, jeweils weitgehend geständigen Angaben der Angeklagten und der Mutter sowie das von Sachverständigen dargelegte Verletzungs- und Spurenbild gestützt. Danach verstarb das Opfer durch eine Kombination von Erstickungsgeschehen und Schädel-Hirn-Trauma, letzteres hervorgerufen durch stumpfe Gewalteinwirkung auf den bereits auf dem Boden liegenden Kopf. Die zum Tode führenden Tathandlungen hat die Strafkammer der Mutter zugeschrieben, nicht den Angeklagten Ka. und S. Neben den weitgehend geständigen Angaben der Mutter hat das Landgericht dabei unter anderem gewürdigt, dass sich nur an ihrer Kleidung Blutspuren vom Geschädigten befanden, nicht aber an derjenigen der Angeklagten Ka. und S. Andere Verletzungen wie serielle Rippenbrüche, die es keinem der Tatbeteiligten klar hat zuordnen können, waren nicht todesursächlich.
Die Feststellungen zum subjektiven Tatgeschehen hat die Strafkammer ebenfalls auf die Einlassungen gestützt, denen sie geglaubt und die sie durch das objektive Tatgeschehen belegt befunden hat. Von einem Tötungsvorsatz der Angeklagten hat sie sich insbesondere deshalb nicht überzeugen können, weil sie hierfür die Bezahlung von 750 € pro Kopf als zu niedrig und die Tatplanung und Maskierung als für ein Tötungsdelikt zu rudimentär angesehen hat. Außerdem, so das Landgericht, hätte es keinen Sinn ergeben, den Angeklagten K. am Auto warten zu lassen, wenn das Opfer ohnehin hätte getötet werden sollen. Denn dann wäre es folgenlos geblieben, wenn es den Sohn der Lebensgefährtin als Täter erkannt hätte. Die Strafkammer hat sich in diesem Zusammenhang auch mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Angeklagten das spätere Verhalten der Mutter hätten voraussehen und/oder damit rechnen müssen, jedoch dies nach Abwägung unter Würdigung der Einlassungen verneint.
Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht das Tatgeschehen nur für die Mutter als Mord und für die drei Angeklagten als gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4, § 25 Abs. 2 StGB gewertet.
3. Die Strafzumessung hat es für die Angeklagten Ka. und S. im Wesentlichen mit ihren fehlenden einschlägigen Vorstrafen, ihrer aufrichtigen Reue, ihrem Willen zu einem Täter-Opfer-Ausgleich gegenüber den Nebenklägerinnen, ihrem Tatmotiv, der Mutter zu helfen, sowie der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung einerseits, mit der besonders rücksichtslosen, die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers ausnutzenden Tatbegehung andererseits begründet.
Auf den Heranwachsenden K. hat die Strafkammer vor dem Hintergrund seiner problematischen Biographie Jugendstrafrecht angewandt und gemäß § 17 Abs. 2 JGG die Schwere der Schuld bejaht. Sie hat den Strafrahmen des § 18 Abs. 1 Satz 1 JGG zugrunde gelegt und die Höhe der Jugendstrafe am Erziehungsbedarf bemessen.
Den Rechtsmitteln von Staatsanwaltschaft und Nebenklage ist weitgehend der Erfolg zu versagen. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils deckt lediglich auf die Revision der Staatsanwaltschaft beim Strafausspruch für den Angeklagten K. einen Rechtsfehler auf. Im Einzelnen:
1. Die Feststellungen hat das Landgericht rechtsfehlerfrei getroffen. Es stellt insbesondere keinen Widerspruch dar, dass das Tatopfer „kampfunfähig“ und „reglos am Boden lag“, als die Angeklagten Ka. und S. den Wohnwagen verließen, aber gleichwohl nicht lebensgefährlich verletzt war. Kampfunfähigkeit und Reglosigkeit können auf Verletzungen zurückzuführen sein, die nicht lebensgefährlich sind.
2. Der von der Strafkammer festgestellte Sachverhalt beruht auf einer Beweiswürdigung, die nicht zu beanstanden ist.
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts, dem es obliegt, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die revisionsgerichtliche Überprüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denk- oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn das Tatgericht zu hohe Anforderungen an die Überzeugungsbildung stellt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 21. März 2013 - 3 StR 247/12, BGHSt 58, 212 Rn. 6). Liegen solche Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugung hinzunehmen.
Nach diesen Maßstäben ist die Beweiswürdigung auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens rechtsfehlerfrei.
a) Soweit die Staatsanwaltschaft rügt, das Landgericht habe sich nicht hinreichend mit den Verletzungsfolgen durch die Schläge der Angeklagten Ka. und S. und deren möglicher Mitursächlichkeit für den Tod des Opfers auseinandergesetzt, greift dies aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen nicht.
b) Das Landgericht hat sich entgegen der Staatsanwaltschaft auch ausdrücklich mit der Möglichkeit befasst, dass anstatt der Mutter die Angeklagten Ka. und S. das Opfer gewürgt und so einen Beitrag zu seinem Tod geleistet haben könnten (vgl. UA S. 48). Diese Möglichkeit hat es verneint. Soweit der Generalbundesanwalt in der dem zugrundeliegenden Argumentation der Strafkammer, ein Würgen des Geschädigten passe nicht zur Tatausführung der Angeklagten, deren Angriff nur kurz gedauert habe, einen Zirkelschluss erkennt, ist jedenfalls auszuschließen, dass das Urteil hierauf beruht. Denn selbst wenn die Indizienlage den Schluss zuließe, dass auch Ka. und S. das Opfer gewürgt und so einen Beitrag zu dessen Tod geleistet oder gar die wesentliche Ursache für diesen gesetzt haben könnten, müsste zu ihren Gunsten gleichwohl davon ausgegangen werden, dass es die Mutter war, die dem Lebensgefährten die Luft abschnürte und ihn damit und/oder mit dem Pflasterstein umbrachte. In dem aufgezeigten Zirkelschluss liegt damit allenfalls ein - hier nicht zur Überprüfung anstehender - Rechtsfehler zulasten der Mutter, nicht aber zugunsten der Angeklagten.
c) Das Landgericht hat seine Würdigung zur subjektiven Tatseite, insbesondere zum fehlenden Tötungsvorsatz, rechtsfehlerfrei im Wesentlichen auf die ausführlich im Hinblick auf Glaubhaftigkeitskriterien analysierten Einlassungen der Angeklagten gestützt. Soweit es daneben seine Überzeugung anhand von äußeren Kriterien validiert hat, hat es keine nicht existenten Erfahrungssätze zugrunde gelegt. Entgegen dem Generalbundesanwalt hat die Strafkammer der geringen Bezahlung und der unzureichenden Maskierung der Angeklagten Ka. und S. nur indiziellen Charakter für einen nicht vorhandenen Tötungsvorsatz zugesprochen und die Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs - den unmaskiert begangenen Auftragsmord für einen Lohn von 750 € pro Kopf - nicht als ausgeschlossen angesehen.
d) Das Landgericht hat sich schließlich hinreichend mit der Frage befasst, ob die Angeklagten die Gefahr einer nachfolgenden Tötung durch die Mutter erkannt hatten, als sie den Geschädigten im Wohnwagen zurückließen, oder ob sie eine solche Gefahr nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Falles hätten erkennen müssen. Beides hat die Strafkammer verneint. Dabei hat sie alle Umstände bedacht, die auf eine Vorhersehbarkeit des späteren Verhaltens der Mutter hindeuteten; insbesondere deren vorangegangene Aussage, sie würde dem Lebensgefährten am liebsten „mal“ einen Stein vor den Kopf schlagen. Eine Lücke in der Beweiswürdigung liegt diesbezüglich nicht vor. Dass das Landgericht sich in tatsächlicher Hinsicht keine gegenteilige Überzeugung hat verschaffen können, ist, selbst wenn eine andere Würdigung der Beweise möglich oder gar naheliegend gewesen wäre, vom Revisionsgericht hinzunehmen. Welche Umstände innerhalb des Bereichs des Voraussehbaren liegen, ist vorrangig der sachgemäßen tatgerichtlichen Prüfung des Einzelfalles überlassen. Nur soweit die Maßstäbe dafür in Rede stehen, womit nach der Lebenserfahrung generell gerechnet werden kann und muss, handelt es sich auch um eine Rechtsfrage (vgl. BGH, Urteile vom 26. November 2019 - 2 StR 557/18, BGHSt 64, 217 Rn. 50; vom 3. Januar 1957 - 4 StR 440/56, BGHSt 10, 121, 123).
3. Soweit das Landgericht infolgedessen eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen eines vorsätzlichen oder fahrlässigen Tötungsdelikts durch positives Tun oder Unterlassen beziehungsweise wegen Körperverletzung mit Todesfolge gemäß § 227 StGB abgelehnt hat, hat es den von ihm festgestellten Sachverhalt rechtsfehlerfrei gewürdigt. Zwar versetzten die Angeklagten mit der von ihnen geschaffenen Gefahrensituation die Mutter in die Lage, den Lebensgefährten zu ermorden, und begründeten damit eine Kausalreihe für das Tötungsdelikt. Deren eigenverantwortliches Verhalten ist ihnen jedoch nicht zurechenbar.
Bei der mittelbaren Verursachung einer vollverantwortlich begangenen fremden Vorsatztat ist streitig, ob eine Erfolgszurechnung über eine fahrlässige Täterschaft des Hintermannes überhaupt möglich ist (vgl. Schönke/Schröder/ Eisele, StGB, 30. Aufl., vor §§ 13 ff., Rn. 101j mwN). Voraussetzung der Zurechnung ist aber jedenfalls, dass der Erfolgseintritt für die Angeklagten voraussehbar war (vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 2008 - 3 StR 463/07, BGHR StGB § 222 Vorhersehbarkeit 1 Rn. 22). Im Sinne des Fahrlässigkeitstatbestands voraussehbar ist, was der Täter nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten in der konkreten Tatsituation als möglich hätte vorhersehen können. Die Verantwortlichkeit des Täters entfällt deshalb für solche Ereignisse, die so sehr außerhalb der gewöhnlichen Erfahrung liegen, dass der Täter auch bei der nach den Umständen des Falles gebotenen und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen zuzumutenden Sorgfalt nicht mit ihnen rechnen muss. Eingetretene Folgen können insbesondere außerhalb der Lebenserfahrung liegen, wenn sich in den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Täters und dem Erfolg bewusste oder unbewusste Handlungen dritter Personen einschalten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Beitrag anderer Personen zum Geschehen in einem gänzlich vernunftwidrigen Verhalten besteht (BGH, Urteil vom 26. November 2019 - 2 StR 557/18, BGHSt 64, 217, Rn. 52 f. mwN).
Daran gemessen lag der Geschehensablauf, der zum Tod des Geschädigten führte, nach dem vom Landgericht festgestellten Sachverhalt außerhalb der Lebenserfahrung und war für die Angeklagten nicht voraussehbar. Damit, dass die Mutter es einerseits über einen längeren Zeitraum hinnahm, vom Geschädigten misshandelt zu werden, und sie es nicht vermochte, sich von ihm zu trennen, aber andererseits nicht davor zurückschreckte, ihn auf die festgestellte Weise zu töten, mussten die Angeklagten bei Gesamtbetrachtung der Umstände nicht rechnen. Dies gilt auch mit Blick auf den Umstand, dass sie ihm durch angeheuerte Schläger einen „Denkzettel“ (UA S. 22, 24, 27) verpassen wollte. Ausweislich der Urteilsgründe war die Mutter im Tatzeitpunkt 51 Jahre alt und unbestraft; die Angeklagten Ka. und S. kannten sie nicht einmal. Anhaltspunkte dafür, dass sie desorientiert, in ihren geistigen Leistungen vermindert oder aus anderen Gründen nicht im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte war (vgl. zu einer solchen Fallkonstellation etwa BGH, Urteil vom 10. Januar 2008 - 3 StR 463/07, BGHR StGB § 222 Vorhersehbarkeit 1), enthalten die getroffenen Feststellungen nicht.
4. Der Strafausspruch betreffend die Angeklagten Ka. und S. hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung ebenfalls stand. Die Strafzumessung ist Sache des Tatgerichts, dessen Aufgabe es ist, auf Grund der Hauptverhandlung die wesentlichen be- und entlastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Das Revisionsgericht kann nur eingreifen, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen wird oder sich die verhängte Strafe von ihrer Bestimmung eines gerechten Schuldausgleichs so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatgericht eingeräumten Spielraums liegt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349 mwN).
Nach diesen Maßstäben ist ein revisionsrechtlich bedeutsamer Fehler der Strafbemessung für die Angeklagten Ka. und S. nicht ersichtlich. Dass sie die Tat auch deshalb begingen, weil sie dafür bezahlt wurden, hat die Strafkammer als Motiv neben der Hilfe für die Mutter bei der Zumessung ihrer Strafe bedacht. Bei dem Umstand, dass die Angeklagten die gefährliche Körperverletzung in den zwei Qualifikationsvarianten des § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB verwirklichten, handelt es sich nicht um einen für die Strafzumessung bestimmenden im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO. Eine erschöpfende Aufzählung aller für die Strafzumessungsentscheidung relevanten Gesichtspunkte ist weder gesetzlich vorgeschrieben noch in der Praxis möglich (st. Rspr.; s. etwa BGH, Urteile vom 14. März 2018 - 2 StR 416/18, NJW 2018, 2210 Rn. 19; vom 2. August 2012 - 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336, 337).
5. Die Jugendkammer ist jedoch bei der Bemessung der Strafe für den Angeklagten K. von einem falschen Strafrahmen ausgegangen. Sie hat die Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten der Vorschrift des § 18 Abs. 1 Satz 1 JGG entnommen und damit einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Jugendstrafe, während richtigerweise auf den Heranwachsenden K. der Strafrahmen des § 105 Abs. 3 Satz 1 JGG hätte Anwendung finden müssen, der das Höchstmaß der Jugendstrafe auf zehn Jahre bestimmt. Auf dem Fehler beruht das Urteil (§ 337 Abs. 1 StPO). Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Landgericht auf eine höhere Strafe erkannt hätte, wenn es den richtigen Strafrahmen angewendet hätte. Die zugehörigen Feststellungen bleiben von dem Mangel unberührt und können somit bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
6. Rechtsfehler zulasten der Angeklagten (vgl. § 301 StPO) hat die Überprüfung des Urteils nicht ergeben. Es begegnet insbesondere keinen Bedenken, dass die Strafkammer den Angeklagten K. unter Zurechnung der tatbestandlichen Ausführungshandlungen von Ka. und S. gemäß § 25 Abs. 2 StGB als Täter und nicht als Anstifter oder Gehilfen der gefährlichen Körperverletzung verurteilt hat.
7. Die Beschwerdeführer tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel gemäß § 473 Abs. 1 StPO, soweit sie erfolglos sind. Die durch die Revisionen verursachten notwendigen Auslagen der Angeklagten trägt insgesamt allein die Staatskasse (§ 473 Abs. 2 Satz 1 StPO); eine Auferlegung der notwendigen Auslagen der Angeklagten auf Nebenkläger erfolgt nur dann, wenn diese allein erfolglos Revision eingelegt haben, nicht dagegen, wenn auch die Staatsanwaltschaft Rechtsmittelführerin ist (§ 473 Abs. 1 Satz 3 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1238
Externe Fundstellen: NStZ 2022, 163; StV 2022, 171
Bearbeiter: Christian Becker