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HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 830

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 38/25, Beschluss v. 22.04.2025, HRRS 2025 Nr. 830


BGH 5 StR 38/25 - Beschluss vom 22. April 2025 (LG Itzehoe)

Handeltreiben mit Cannabis und Bestimmens eines Minderjährigen (Begriff des Bestimmens; Konkurrenzen).

§ 34 KCanG; § 52 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Dem Bestimmen einer Person unter 18 Jahren zum Handel mit Cannabis (§ 34 Abs. 4 Nr. 2 KCanG). steht nicht entgegen, dass die zu bestimmenden Personen bereits allgemein zu derartigen Taten bereit waren. Die erforderliche Einflussnahme auf den Willen eines anderen ist in einem solchen Fall gleichwohl gegeben, wenn der Minderjährige erst durch die Übergabe des Rauschgifts mit der Anweisung, dieses zu bestimmten Bedingungen an einem bestimmten Ort zu verkaufen, zu der konkreten Tat des Handeltreibens veranlasst wird.

2. Bestimmt der Täter einer Tat nach § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG bei seinem auf den Umsatz einer Menge gerichteten Handeln zugleich eine Person unter 18 Jahren dazu, mit dieser Menge selbst Handel zu treiben oder das Handeltreiben des Täters zu fördern, so stehen dieses Handeltreiben und das Bestimmen wegen ihres verschiedenartigen Unrechtsgehalts in Tateinheit.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 25. Juli 2024 aufgehoben

im Schuldspruch hinsichtlich der Tat 7 der Urteilsgründe mit den Feststellungen,

im Strafausspruch,

soweit die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist, insoweit mit den zugrundeliegenden Feststellungen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen fünf Fällen des Bestimmens einer Person unter 18 Jahren durch eine Person über 21 Jahren zum Handeltreiben mit Cannabis in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis, wegen Handeltreibens mit Cannabis sowie wegen bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln schuldig gesprochen. Unter Freispruch im Übrigen hat es eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verhängt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Nach den Feststellungen vereinbarte der Angeklagte mit den beiden zur Tatzeit minderjährigen Zeugen Ch. und M., dass diese künftig für ihn und einen an der Vereinbarung ebenfalls beteiligten Mann namens T. Cannabis verkaufen sollten. Beide Zeugen hatten zuvor selbst ihr Interesse an einer solchen Tätigkeit bekundet. Der Zeuge Ch. bekam darauf von dem Angeklagten oder von T. ein Mobiltelefon ausgehändigt, über das er und M. fortan Anweisungen insbesondere zu den Orten erhielten, an denen Kunden zu treffen waren oder Nachschub an Cannabis erlangt werden konnte. Die Anweisungen ebenso wie die zu verkaufenden Cannabisportionen kamen teils vom Angeklagten, teils von T. ; beide beschäftigten die Zeugen parallel als „Läufer“ für ihre jeweilige Handelstätigkeit. Den Zeugen wurde ein am Monatsende auszuzahlender Lohn in Aussicht gestellt.

Auf dieser Basis ließ der Angeklagte jedem der beiden Zeugen im Januar 2023 an mindestens vier Tagen jeweils eine Tüte mit zehn Beuteln zu je einem Gramm Cannabis zukommen, welche die Zeugen für zehn Euro pro Beutel an unbekannte Abnehmer verkauften (Taten 1 bis 4 der Urteilsgründe). Der Angeklagte übergab ihnen die Tüten teils persönlich, teils wies er die Zeugen über das Mobiltelefon an, sich diese selbst aus einem Versteck abzuholen. Die eingenommenen Geldbeträge händigten die Zeugen am Abend des jeweiligen Verkaufstages dem Angeklagten aus. Obwohl sie ihre Tätigkeit sodann beenden wollten, wurden beide Zeugen aus Angst vor Repressalien im Februar 2023 noch ein weiteres Mal in der beschriebenen Weise für den Angeklagten tätig (Tat 5 der Urteilsgründe).

Zwei weitere Taten betreffen unmittelbare eigene Absatzgeschäfte des Angeklagten. So hielt er sich am 20. Juni 2023 in der Wohnung des Zeugen Mo. auf und führte - abgepackt in Portionsbeuteln - insgesamt 12,83 g Cannabisblüten sowie 9,76 g Haschisch mit sich, wovon er jeweils „zumindest einen Teil“ gewinnbringend weiterverkaufen wollte (Tat 6 der Urteilsgründe). Am 29. September 2023 verfügte der Angeklagte in seinem Zimmer über insgesamt 193,39 g Cannabisblüten, die in vakuumierten Beuteln verpackt waren und 28,2 g Tetrahydrocannabinol (THC) enthielten. Dieses zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmte Cannabis befand sich in einer im Kleiderschrank hängenden Jacke. Im selben Schrank lag zudem, wie der Angeklagte wusste, ein Baseballschläger. In einer Umhängetasche befanden sich ferner zwei Eppendorfer Gefäße, gefüllt mit 0,39 g und 0,49 g Kokain, sowie in einem weiteren Tütchen ein Stück Cannabisharz von 1,64 g Gewicht. Das Kokain besaß der Angeklagte zum Zweck des Eigenkonsums (Tat 7 der Urteilsgründe).

2. Der Schuldspruch hat überwiegend Bestand.

a) So ist das Landgericht bei den Taten 1 bis 5 zutreffend davon ausgegangen, dass der Angeklagte als Person über 21 Jahren jeweils Personen unter 18 Jahren zum Handel mit Cannabis bestimmt hat (Qualifikationstatbestand des § 34 Abs. 4 Nr. 2 KCanG). Dem steht nicht entgegen, dass die Zeugen Ch. und M. als Haupttäter bereits allgemein zu derartigen Taten bereit waren, dies gegenüber dem Angeklagten aufgezeigt oder sogar selbst die Initiative zu den Taten ergriffen hatten. Denn die für ein „Bestimmen“ - entsprechend den zu § 26 StGB entwickelten Grundsätzen - erforderliche Einflussnahme auf den Willen eines anderen ist in einem solchen Fall gleichwohl gegeben, wenn der Minderjährige erst durch die Übergabe des Rauschgifts mit der Anweisung, dieses zu bestimmten Bedingungen an einem bestimmten Ort zu verkaufen, zu der konkreten Tat des Handeltreibens veranlasst wird (zur parallelen Wertung in den Fällen des § 30a Abs. 2 Nr. 1 BtMG vgl. BGH, Urteile vom 7. November 2017 - 1 StR 195/17, StV 2018, 519; vom 17. August 2000 - 4 StR 233/00, NStZ 2001, 41, 42; vom 20. Januar 2000 - 4 StR 400/99, BGHSt 45, 373; zur grundsätzlichen Übertragbarkeit der Auslegung der unter Strafe gestellten Handlungsformen des Betäubungsmittelgesetzes auf das Konsumcannabisgesetz vgl. BT-Drucks. 20/8704 S. 94, 130; BGH, Beschluss vom 26. Juni 2024 - 3 StR 40/24 mwN). Die entsprechende Bewertung der Strafkammer wird entgegen der Revision durch die Feststellungen getragen.

Ebenfalls ohne Rechtsfehler hat das Landgericht angenommen, dass der Angeklagte sich jeweils tateinheitlich auch eines eigenen Handeltreibens mit Cannabis nach § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG strafbar gemacht hat. Denn soweit ein und derselbe Güterumsatz Gegenstand der strafrechtlichen Bewertung ist, ist bei Absatzdelikten eine Tat anzunehmen. Bestimmt der Täter bei seinem auf den Umsatz einer Menge gerichteten Handeln zugleich eine Person unter 18 Jahren dazu, mit dieser Menge selbst Handel zu treiben oder das Handeltreiben des Täters zu fördern, so stehen dieses Handeltreiben und das Bestimmen wegen ihres verschiedenartigen Unrechtsgehalts in Tateinheit (vgl. zum entsprechenden Verhältnis von § 29a Abs. 1 Nr. 2 und § 30a Abs. 2 Nr. 1 BtMG BGH, Urteil vom 11. Januar 2018 - 3 StR 482/17, StV 2018, 482). Vorliegend dienten die gegenüber den beiden Zeugen entfalteten Aktivitäten des Angeklagten dem Absatz derselben Mengen an Cannabis, mit welchen der Angeklagte zugleich Handel trieb. Damit verband sich mit letzterem ein über das bloße Bestimmen der beiden Minderjährigen hinausgehender Unrechtsgehalt, da der Angeklagte nach den Feststellungen jeweils auch übergeordnete logistische Aufgaben wahrnahm, indem er etwa für Nachschub an Cannabis sorgte und sein Wissen über Absatzmöglichkeiten einbrachte.

b) Hinsichtlich Tat 6 wird der Schuldspruch wegen Handeltreibens mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG nicht dadurch infrage gestellt, dass das Landgericht nicht festgestellt hat, welcher Anteil des sichergestellten Cannabis für den gewinnbringenden Weiterverkauf und welcher Anteil für den Eigenkonsum des Angeklagten bestimmt war. Dass damit zugleich die Basis fehlte, um hinsichtlich des Eigenkonsumanteils gegebenenfalls einen tateinheitlichen Besitz von mehr als 30 Gramm Cannabis an einem Ort, der nicht der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthalt des Angeklagten ist (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a KCanG), ausurteilen zu können, beschwert den Angeklagten nicht.

c) Jedoch wird bei Tat 7 der Urteilsgründe der tateinheitliche Schuldspruch wegen bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG durch die Feststellungen nicht getragen. Denn der Qualifilkationstatbestand setzt voraus, dass sich die jeweilige Tathandlung, hier das Handeltreiben, auf eine nicht geringe Menge Cannabis bezieht. Dies lässt sich den Urteilsgründen jedoch nicht sicher entnehmen.

Dort wurde zwar eingangs festgestellt, dass der Angeklagte über die in seinem Kleiderschrank aufgefundene Menge von 193,39 g Cannabisblüten mit einem Wirkstoffgehalt von 28,2 g THC „zum gewinnbringenden Weiterverkauf“ verfügte. Im Rahmen der Beweiswürdigung hat das Landgericht jedoch ausgeführt, dass der Angeklagte diese Menge „zumindest zum Großteil“ gewinnbringend habe weiterverkaufen wollen. Dieser Widerspruch wird im Urteil nicht aufgelöst. Sollte das Cannabis, wie vom Angeklagten behauptet, teilweise auch seinem Eigenkonsum gedient haben, so fehlt wie schon bei Tat 6 eine - gegebenenfalls im Wege der Schätzung vorzunehmende - quantitative Bestimmung des betreffenden Anteils. Daher bleibt Raum für die - angesichts des festgestellten erheblichen Konsums von zwei bis drei Gramm Cannabis pro Tag nicht nur theoretische - Möglichkeit, dass lediglich ein unterhalb der nicht geringen Menge liegender Anteil dem Handel diente. Das gilt umso mehr, als die Strafkammer bezogen auf die Gesamtheit der aufgefundenen Cannabisblüten das Maß der Übererfüllung der nicht geringen Menge selbst überschätzt hat, indem sie von deren Überschreitung „um mehr als das Dreifache“ ausgegangen ist, obwohl - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat - die bei 7,5 g THC zu veranschlagende nicht geringe Menge (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 23. April 2024 - 5 StR 153/24; vom 14. Mai 2024 - 3 StR 115/24) bei 28,2 g THC Wirkstoff lediglich um etwas mehr als das Doppelte überschritten ist.

Der Schuldspruch samt den Feststellungen kann daher insoweit keinen Bestand haben. Wegen der tateinheitlichen Verurteilung gilt dies auch für die für sich gesehen rechtsfehlerfreie Annahme einer Strafbarkeit wegen Besitzes von Betäubungsmitteln.

3. Der Strafausspruch unterliegt insgesamt der Aufhebung. Bei Tat 7 entzieht schon die Aufhebung des Schuldspruchs der Einzelstrafe die Basis. Unabhängig hiervon können diese und auch die in den übrigen Fällen verhängten Einzelstrafen aber keinen Bestand haben, weil sie ihrerseits, auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfungsmaßstabs (vgl. BGH, Urteile vom 2. Juni 2021 - 3 StR 21/21 Rn. 54; vom 27. Januar 2016 - 5 StR 387/15, NStZ-RR 2016, 105, 106), Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufweisen.

So hat es das Landgericht insbesondere versäumt, bei den Taten 1 bis 6 den konkreten Wirkstoffgehalt des gehandelten Cannabis festzustellen. Gleiches gilt bei Tat 7 für den Wirkstoffgehalt des zum Eigenkonsum besessenen Kokains sowie des Cannabisharzes. Solcher Feststellungen bedarf es bei einer Betäubungsmittelstraftat jedoch regelmäßig. Auf den Wirkstoffgehalt kommt es neben Art und Menge der gehandelten Betäubungsmittel nicht nur für die Bestimmung einer nicht geringen Menge, sondern auch für die Strafrahmenwahl und die Strafzumessung im engeren Sinne an, weil dadurch der Schuldumfang der Tat und die Schuld des Täters maßgeblich bestimmt werden. Stehen Betäubungsmittel für eine Untersuchung nicht zur Verfügung, muss das Tatgericht die Wirkstoffmenge oder den Wirkstoffgehalt unter Berücksichtigung der anderen hinreichend sicher festgestellten Tatumstände (wie Herkunft, Preis, Aussehen, Verpackung, Beurteilung durch Tatbeteiligte, Handelsstufe), gegebenenfalls unter Berücksichtigung des Zweifelssatzes, zahlenmäßig schätzen. Eine Umschreibung in allgemeiner Form, etwa als „durchschnittliche Qualität“, reicht nicht aus (st. Rspr.; siehe nur BGH, Urteil vom 18. Januar 2023 - 5 StR 343/22 mwN; Beschluss vom 23. März 2021 - 3 StR 53/21, NStZ 2023, 46 f.). Für Straftaten nach dem Konsumcannabisgesetz gilt dies ebenso (vgl. BGH, Urteil vom 29. Mai 2024 - 3 StR 286/23 Rn. 26; Beschluss vom 11. Februar 2025 - 5 StR 620/24 Rn. 8).

Bei Tat 6 kommt hinzu, dass für die dort sichergestellte Cannabismenge lediglich festgestellt wurde, dass „zumindest ein Teil davon“ gewinnbringend verkauft werden sollte. Zwar hat das Landgericht strafmildernd gewertet, dass es sich „nach Abzug eines Teils zum Zwecke des Eigenkonsums um eine sehr kleine Menge Cannabis“ gehandelt habe (zur Notwendigkeit des Abzugs eines Eigenkonsumanteils von der Handelsmenge vgl. BGH, Urteil vom 29. Mai 2024 - 3 StR 286/23 Rn. 26 mwN). Es hat diesen Anteil jedoch nicht wie geboten quantitativ bestimmt. Für das bei Tat 7 aufgefundene Cannabisharz fehlt sogar überhaupt eine Feststellung dazu, für welchen Zweck der Angeklagte es besessen hat.

Das Urteil beruht auf den Rechtsfehlern. Trotz der genannten Zumessungserwägung zu Tat 6 ist bei dieser, erst recht bei den übrigen Taten nicht ausschließbar, dass das Landgericht bei konkreten Feststellungen zu Wirkstoffgehalt und Wirkstoffmenge der Drogen sowie zu unbestimmt gebliebenen Eigenkonsumanteilen niedrigere Strafen zugemessen hätte, sodass die hierfür verhängten Einzelstrafen aufzuheben sind.

Dies entzieht dem Ausspruch über die Gesamtstrafe die Grundlage. Die dem Strafausspruch hinsichtlich der Taten 1 bis 6 zugrunde liegenden Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen sind möglich, sofern sie zu den bereits getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch treten; zu den Wirkstoffgehalten der gehandelten Betäubungsmittel und Cannabismengen sowie zu Eigenkonsumanteilen sind solche wie dargestellt erforderlich.

4. Das Urteil hält rechtlicher Nachprüfung schließlich auch insoweit nicht stand, als eine Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.

Nach den Urteilsfeststellungen konsumierte der Angeklagte seit seinem 16. Lebensjahr bis zu seiner Inhaftierung in der vorliegenden Sache durchgängig Cannabis, regelmäßig größere Mengen Alkohol und an den Wochenenden auch Kokain. Eine Berufsausbildung absolvierte er nicht, sondern arbeitete über eine Zeitarbeitsfirma. Da er seinen Cannabiskonsum noch erheblich steigerte, so dass dieser eine Dosis von zwei bis drei Gramm Cannabis pro Tag überschritt, schaffte er es - nach den allein auf den Angaben des Angeklagten beruhenden Feststellungen - später nicht mehr, zur Arbeit zu gehen. Seitdem war er nicht mehr erwerbstätig und bezieht Bürgergeld.

Angesichts dessen liegt es jedenfalls nicht fern, dass bei dem Angeklagten ein Hang im Sinne des § 64 Satz 1 StGB vorliegt, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Das Landgericht hätte daher die Frage einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt erörtern müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2024 - 5 StR 523/23, NStZ-RR 2024, 171). Durch die weitere Feststellung, wonach der Angeklagte seit seiner Inhaftierung in der vorliegenden Sache keine illegalen Drogen mehr konsumiert, war es hiervon nicht enthoben. Das gilt unabhängig davon, dass die Abstinenz allein durch Angaben des Angeklagten belegt ist, welche durch die Strafkammer nicht erkennbar hinterfragt wurden. Denn der bloße Verzicht auf Konsum über wenige Monate der Untersuchungshaft muss weder dem (Fort-)Bestehen einer Substanzkonsumstörung noch schwerwiegenden und dauerhaften Auswirkungen auf die soziale Leistungsfähigkeit entgegenstehen (BGH, Beschluss vom 13. August 2024 - 5 StR 343/24, NStZ-RR 2024, 370).

Das Urteil beruht auf dem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO), da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die abgeurteilten Taten überwiegend auf den möglichen Hang zurückgingen und eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht. Die Frage der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bedarf somit - unter Heranziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - erneuter Prüfung und Entscheidung.

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 830

Bearbeiter: Christian Becker