HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 336
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 93/23, Beschluss v. 01.02.2024, HRRS 2024 Nr. 336
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 5. Oktober 2022
dahin klargestellt und ergänzt, dass die Einzelstrafe für Fall 4 der Urteilsgründe drei Jahre beträgt und diejenige für Fall 9 der Urteilsgründe auf vier Jahre und neun Monate festgesetzt ist;
im Ausspruch über die Einziehung dahin geändert, das gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 8.400 Euro angeordnet wird; die weitergehende Einziehung von Wertersatz entfällt.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Ausgenommen davon sind die auf die Einziehung entfallenden notwendigen Auslagen des Angeklagten, diese fallen der Staatskasse zur Last.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Geldwäsche in zwölf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und gegen ihn die Einziehung von Wertersatz in Höhe von über einer Million Euro - als Gesamtschuldner haftend - angeordnet. Sein auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestütztes Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die Entscheidung zu den Einzelstrafen war jedoch in den Fällen 4 und 9 der Urteilsgründe wie geschehen klarzustellen und zu ergänzen. Denn das Landgericht hat „unter Berücksichtigung der Höhe der eingetretenen Schäden“ einerseits für die Fälle 1 und 4 der Urteilsgründe „jeweils eine Einzelstrafe von vier Jahren und neun Monaten“ verhängt und andererseits für die Fälle 3 bis 5 der Urteilsgründe „eine Einzelstrafe von jeweils drei Jahren als tat- und schuldangemessen erachtet.“ Damit hat es für Fall 4 der Urteilsgründe zwei unterschiedliche Freiheitsstrafen - vier Jahre und neun Monate einerseits und drei Jahre andererseits - verhängt. Für Fall 9 der Urteilsgründe ist hingegen nach den Ausführungen zur Strafzumessung keine Einzelstrafe festgesetzt worden.
Die Auslegung der Urteilsgründe ergibt indes, dass dies auf einem Schreibversehen beruht. Denn ausgehend von der Prämisse, dass die Einzelstrafen nach den jeweiligen Schadenshöhen gestaffelt festgesetzt werden sollten, wollte das Landgericht eine Einzelstrafe von vier Jahren und neun Monaten neben Fall 1 der Urteilsgründe (Schadenshöhe über 230.000 Euro) nicht im Fall 4 (Schadenshöhe 24.000 Euro), sondern im Fall 9 der Urteilsgründe (Schadenshöhe über 225.000 Euro) festsetzen. Im Fall 4 der Urteilsgründe hingegen belief sich die Schadenshöhe auf einen Betrag unter 30.000 Euro; für die vergleichbaren Fälle 3, 5, 10 und 12 der Urteilsgründe hat die Strafkammer jeweils Einzelstrafen von drei Jahren festgesetzt, was erhellt, dass dies auch die für Fall 4 der Urteilsgründe vorgesehene Einzelstrafe war.
2. Die Entscheidung über die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 1.055.851,08 Euro hält rechtlicher Nachprüfung nur in geringem Umfang stand. Den Feststellungen und dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich lediglich ein Betrag von 8.400 Euro entnehmen, den der Angeklagte für seine Geldwäschehandlungen im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB erlangte.
a) Das Landgericht hat über § 261 Abs. 7 StGB in der vom 3. Januar 2018 bis zum 17. März 2021 gültigen Gesetzesfassung den Wert von einigen der Geldwäscheobjekte (Bargeld, Nennbeträge von Sparbüchern, Gold- und Silberbarren) nach § 74 Abs. 2, § 74c Abs. 1 StGB eingezogen. Dabei ist es - weil die Strafen aus dem zur neuen Fassung unveränderten Strafrahmen des besonders schweren Falls der Geldwäsche (vgl. § 261 Abs. 4 StGB aF, § 261 Abs. 5 StGB) zuzumessen waren - zutreffend von der Anwendbarkeit des gegenüber § 261 Abs. 10 StGB nF milderen § 261 Abs. 7 StGB aF ausgegangen (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 25. Mai 2021 - 5 StR 62/21, wistra 2021, 360; vom 3. Mai 2023 - 3 StR 81/23 Rn. 4 mwN). Nachdem die Strafkammer die Strafverfolgung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft nach § 154a Abs. 2 StPO auf den (wiedereinbezogenen) Vorwurf der Geldwäsche beschränkt hatte, kam mit Blick auf diese Wertgegenstände auch nur noch die Einziehung der Geldwäscheobjekte oder nach § 74c Abs. 1 StGB ihrer Werte in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 8. August 2022 - 5 StR 372/21, NJW 2023, 460 Rn. 22 mwN).
Bei seiner Entscheidung ist dem Landgericht aber aus dem Blick geraten, dass die Einziehung der Tatobjekte nach § 74 Abs. 2 StGB beim Angeklagten bereits daran gescheitert wäre, dass ihm die Wertgegenstände weder gehörten noch zustanden (vgl. § 74 Abs. 3 StGB); in solchen Fällen scheidet auch die Wertersatzeinziehung aus (st. Rspr.; siehe etwa BGH, Beschluss vom 3. Mai 2023 - 3 StR 81/23 Rn. 5 mwN; LK/Lohse, StGB, 13. Aufl., § 74c Rn. 5 mwN). Dass die Voraussetzungen des § 74 Abs. 3 StGB nicht vorlagen, ergibt sich aus Folgendem:
Die Geschädigten hatten ihr Geld und ihre übrigen Wertgegenstände den vermeintlichen Polizeibeamten lediglich zur sicheren Aufbewahrung ausgehändigt, ohne dass ein Übereignungswille im Sinne des § 929 BGB hervorgetreten wäre. Auch innerhalb der Tätergruppe war nicht beabsichtigt, dem Angeklagten über einen kurzzeitigen Besitz hinausgehende Rechte an den Wertgegenständen einzuräumen; ein gutgläubiger Erwerb gemäß § 932 BGB schied angesichts seines Wissens um die rechtswidrigen Vortaten ohnehin aus. Den Feststellungen ist auch nicht zu entnehmen, dass das vom Angeklagten penibel katalogisierte Bargeld oder die Gold- und Silberbarren im Sinne des § 948 BGB vermengt worden wären.
Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden können, die ein Vorliegen der Voraussetzungen des § 74 Abs. 3 StGB belegen. Daher ist der Ausspruch über die Einziehung von Wertersatz entsprechend § 354 Abs. 1 StPO auf 8.400 Euro zu reduzieren.
b) Denn der Angeklagte erhielt nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen für jede seiner Taten eine Entlohnung in Höhe von mindestens 700 Euro, er erlangte für die Taten im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB also insgesamt 8.400 Euro. Da dieses Geld nicht mehr körperlich beim Angeklagten vorhanden ist, war insoweit die Einziehung des Wertes des Erlangten nach § 73c Abs. 1 StGB anzuordnen.
Eine weitergehende Einziehung von Taterträgen im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB, etwa solchen, die sich aus Begünstigungshandlungen des Angeklagten nach § 257 StGB ergeben könnten, scheidet aus, weil dieser Vorwurf durch die Verfahrensbeschränkung aus dem Verfahren ausgeschieden und die Staatsanwaltschaft keinen Antrag nach § 435 Abs. 1 StPO gestellt hat, im selbständigen Verfahren zu entscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Mai 2023 - GSSt 1/23).
3. Für das weitere Verfahren weist der Senat indes auf Folgendes hin:
Es erscheint möglich, dass der Wert der dem Angeklagten übergebenen Gegenstände gegebenenfalls bei ihm nach entsprechendem Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 435 Abs. 1 StPO noch im objektiven Verfahren eingezogen werden kann. Das ergibt sich aus Folgendem:
a) Es kommt in Betracht, dass der Angeklagte die ihm übergebenen Wertgegenstände durch eine - zu den Taten der Geldwäsche jeweils in Tateinheit stehende (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 1997 - 1 StR 230/97, NStZ-RR 1997, 359) - Begünstigung erlangte (vgl. insoweit auch BT-Drucks. 18/9525, S. 66; BGH, Beschluss vom 27. März 2019 - 2 StR 561/18, NJW 2019, 2182 Rn. 16).
Nach § 257 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer einem anderen, der eine rechtswidrige Tat begangen hat, in der Absicht Hilfe leistet, ihm die Vorteile der Tat zu sichern. Rechtswidrige Vortaten im Sinne dieser Vorschrift hat das Landgericht mit den banden- und gewerbsmäßig begangenen Betrugstaten festgestellt. Die Urteilsgründe legen nahe, dass der Angeklagte insoweit auch mit dem erforderlichen Vorsatz gehandelt haben könnte, denn danach war ihm bewusst, dass die bei ihm eingehenden Gelder aus Straftaten zum Nachteil älterer Menschen stammen; das würde genügen, denn ausreichend ist eine „allgemeine Vorstellung“ von der Vortat, mithin die Annahme irgendeines Verbrechens oder Vergehens sowie irgendeines unmittelbar daraus erlangten Vorteils (vgl. MüKoStGB/Cramer, 4. Aufl., § 257 Rn. 21 mwN).
Durch die Entgegennahme, Erfassung, Bewertung, Dokumentation und Weiterleitung der Beute könnte der Angeklagte den Tätern der Vortaten auch Hilfe geleistet haben. Dadurch und damit „durch“ die Taten dürfte er mithin auch etwas erlangt haben, nämlich den Besitz an den erbeuteten Wertgegenständen. Auf zivilrechtliche Besitz- und Eigentumsverhältnisse kommt es insoweit nicht an, es genügt, wenn der jeweilige Gegenstand dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs - also ab dem unmittelbaren Ansetzen zur Tat (hier spätestens mit der Entgegennahme der Beutestücke) und bis zur Beendigung (hier frühestens mit Abholung der Beute bei ihm zum Transport in die Türkei) derart zugeflossen ist, dass er seiner faktischen Verfügungsgewalt unterliegt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 10. Januar 2023 - 3 StR 343/22 Rn. 5, wistra 2023, 206; Urteile vom 7. März 2019 - 5 StR 569/18, NStZ 2019, 272; vom 29. Oktober 2021 - 5 StR 443/19, NZWiSt 2022, 326, 334 jeweils mwN). Angesichts der festgestellten Dauer und Intensität des Besitzes läge ein Fall des bloß transitorischen Besitzes fern (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 10. Januar 2023 - 3 StR 343/22 Rn. 5, wistra 2023, 206).
Von seinem rechtlichen Standpunkt aus konsequent hat das Landgericht allerdings nicht geprüft und nach der Verfahrensbeschränkung auch nicht festgestellt, ob der Angeklagte mit der erforderlichen Begünstigungsabsicht im Sinne von § 257 Abs. 1 StGB handelte. Nach den Feststellungen war ihm zwar bewusst, dass die Beute in der Türkei verwertet wurde und er eine Schlüsselposition bei der Weiterleitung inne hatte; es erscheint indes zweifelhaft, ob dies genügen würde, denn es muss dem Täter darauf ankommen, im Interesse des Vortäters die Wiederherstellung des gesetzmäßigen, durch die Vortat beeinträchtigten Zustandes zu verhindern oder zu erschweren. Allein das Bewusstsein der Beutesicherung als notwendige Konsequenz seines Handelns reicht hierfür regelmäßig nicht aus (BGH, Beschluss vom 7. April 2020 - 6 StR 34/20 Rn. 5, wistra 2020, 287 mwN). Entsprechende Feststellungen erscheinen dem Senat aber nicht ausgeschlossen.
b) Infolge der Beschränkung der Strafverfolgung auf den Vorwurf der Geldwäsche nach § 154a Abs. 2 StPO unterlag eine mögliche Strafbarkeit nach § 257 StGB - und daran anknüpfend eine Einziehung der gegebenenfalls aus der Begünstigung herrührenden Taterträge nach den §§ 73 ff. StGB - nicht (mehr) der Kognitionspflicht der Strafkammer (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Mai 2023 - GSSt 1/23 Rn. 60 mwN). Die - aufgrund dieses Beschlusses eingetretene - Rechtskraft des angefochtenen Urteils im subjektiven Verfahren und die in diesem Beschluss ausgesprochene weitgehende Ablehnung einer Einziehung der dem Angeklagten übergebenen Vermögenswerte stehen einer selbständigen Einziehung nach § 76a Abs. 3 StGB mithin nicht entgegen. Denn über den sich aus den §§ 73 Abs. 1, 73c Abs. 1 iVm § 257 Abs. 1 StGB ergebenden Einziehungsanspruch des Staates ist infolge der Verfahrensbeschränkung bislang nicht rechtskräftig entschieden worden (vgl. § 76a Abs. 1 Satz 3 Alt. 2 StGB).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 4 StPO. Aufgrund des den Ausspruch über die Einziehung betreffenden weitgehenden Erfolgs wäre es unbillig gewesen, den Angeklagten insoweit mit seinen notwendigen Auslagen zu belasten, zumal die für die Einziehung anfallenden Anwaltsgebühren zusätzlich entstehen.
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 336
Bearbeiter: Christian Becker