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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1068

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 283/23, Urteil v. 15.02.2024, HRRS 2024 Nr. 1068


BGH 5 StR 283/23 - Urteil vom 15. Februar 2024 (LG Lübeck)

Keine Gesetzeskonkurrenz zwischen Verbreiten eines Bildnisses und dessen Zugänglichmachen (Konsumtion; Idealkonkurrenz; Rechtsgut); Verletzung des Dienstgeheimnisses (Bekanntwerden als Amtsträger; Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen).

§ 33 Abs. 1 KunstUrhG; § 52 StGB; § 201a Abs. 1 Nr. 5 StGB; § 353b Abs. 1 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Gesetzeskonkurrenz in Form von Konsumtion ist anzunehmen, wenn der Unrechtsgehalt der strafbaren Handlung durch einen der anwendbaren Straftatbestände bereits erschöpfend erfasst wird. Die Verletzung des durch den einen Straftatbestand geschützten Rechtsguts muss eine - wenn nicht notwendige, so doch regelmäßige - Erscheinungsform der Verwirklichung des anderen Tatbestandes sein. Diese Voraussetzungen liegen mit Blick auf die Tatbestände des Verbreitens eines Bildnisses nach § 33 Abs. 1 KunstUrhG einerseits und des Zugänglichmachens nach § 201a Abs. 1 Nr. 5 StGB andererseits nicht vor. Denn § 201a StGB schützt das Recht am eigenen Bild und den höchstpersönlichen Lebensbereich, während § 33 Abs. 1 KunstUrhG auch die vermögenswerten Interessen des Betroffenen an einer kommerziellen Verwertung des Bildnisses schützt.

2. Das Tatbestandsmerkmal der Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen i.S.v. § 353b Abs. 1 Satz 1 StGB ist nicht nur dann erfüllt, wenn die Offenbarung des Geheimnisses selbst öffentliche Belange von einigem Gewicht gefährdet, sondern im Einzelfall auch dann, wenn das Bekanntwerden des Geheimnisbruchs das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität der staatlichen Stelle erschüttern kann. Ob eine solche Gefährdung vorliegt, ist anhand einer Gesamtabwägung im Einzelfall zu ermitteln, bei der Inhalt und Umfang der geheimhaltungsbedürftigen Daten, deren in Aussicht genommene Verwendung und die Person des Amtsträgers Berücksichtigung finden. Hinsichtlich der Person des Amtsträgers sind das ausgeübte Amt und die daran anknüpfende Erwartungshaltung der Öffentlichkeit ebenso in den Blick zu nehmen wie seine persönliche Stellung.

3. Das Tatbestandsmerkmal des Bekanntwerdens in § 353b Abs. 1 StGB setzt - im Unterschied zur Modalität des Anvertrauens - nicht voraus, dass dem Amtsträger das Geheimnis im Vertrauen auf seine Pflicht zur Amtsverschwiegenheit mitgeteilt wird. Ausreichend ist grundsätzlich vielmehr jede Art der Kenntniserlangung. Diese muss lediglich „als Amtsträger“ geschehen, mithin in einem inneren Zusammenhang zur dienstlichen Tätigkeit stehen. Das kann jedoch auch dann der Fall sein, wenn ihm ein Kollege - weil er Amtsträger ist - ein Geheimnis außerhalb der Dienstzeit mitteilt (hier: in einer privaten „WhatsApp-Gruppe“, in der mehrere Beamte Mitglied sind).

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 19. Oktober 2022

aufgehoben im Schuldspruch zu den Fällen II.2 und II.9 der Urteilsgründe;

im Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte in den Fällen II.8 und II.11 der Urteilsgründe jeweils der schweren Verletzung von Privatgeheimnissen, im Fall II.8 in Tateinheit mit Verletzung des Dienstgeheimnisses, schuldig ist.

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil aufgehoben

im Schuldspruch zu den Fällen II.2, II.5 und II.11 der Urteilsgründe und im gesamten Strafausspruch;

mit den zugehörigen Feststellungen, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist.

Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses in sieben Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Verletzung eines Privatgeheimnisses „mit Schädigungsabsicht“ und Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen und in zwei weiteren Fällen in Tateinheit mit Verletzung eines Privatgeheimnisses „mit Schädigungsabsicht“, wegen unerlaubten Verarbeitens personenbezogener Daten in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Verbreiten eines Bildnisses, wegen Verletzung von Privatgeheimnissen und wegen Verletzung von Privatgeheimnissen „mit Schädigungsabsicht“ verurteilt. Von dem Vorwurf der Verletzung des Dienstgeheimnisses in vier weiteren Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Verletzung von Privatgeheimnissen und unbefugter Verbreitung eines Bildnisses, hat es ihn freigesprochen. Es hat eine Gesamtgeldstrafe von 330 Tagessätzen zu je 40 Euro unter Gewährung von Ratenzahlungen verhängt und einen Vollstreckungsabschlag von 30 Tagessätzen bestimmt.

Hiergegen richten sich die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten und vom Generalbundesanwalt teilweise vertretenen Revision die Verletzung materiellen Rechts. Der Angeklagte stützt sein Rechtsmittel auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Revisionen erzielen den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg.

A.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

I.

Der Angeklagte ist Polizeioberkommissar und war Mitglied des Hauptpersonalrats der Landespolizei sowie stellvertretender Landesvorsitzender und Pressesprecher der Deutschen Polizeigewerkschaft. Er sprach regelmäßig mit einem befreundeten Journalisten der K. er Nachrichten über seine berufliche Tätigkeit. Ab Juli 2018 berichtete er diesem dabei Einzelheiten aus den laufenden Ermittlungsverfahren und anderen behördeninternen Vorgängen, von denen er durch seine dienstliche Tätigkeit oder sein Engagement für Personalrat und Gewerkschaft Kenntnis erlangt hatte. Der Angeklagte wollte so zumeist eine bestimmte Presseberichterstattung ermöglichen, insbesondere um auf vermeintliche „Missstände“ und ein „Führungsversagen“ innerhalb der Landespolizei aufmerksam zu machen und dem öffentlichen Ansehen missliebiger Personen zu schaden. Mitunter gab er dem Journalisten vor, „entweder gar nicht, nicht zeitnah oder nur ohne die Nennung bestimmter Einzelheiten [zu] berichten“. Konkret kam es zu den folgenden Taten:

1. Am 20. Juli 2018 berichtete der Angeklagte dem Journalisten durch Chatnachrichten in der Art eines „Livetickers“ über die laufenden Ermittlungen gegen einen psychisch kranken Mann, der in einem Linienbus in L. mehrere Fahrgäste mit einem Messer angegriffen und verletzt hatte. Er informierte ihn insbesondere über am Tatort zurückgelassene Gegenstände sowie über den vollständigen Namen und den Wohnort des Beschuldigten. Er wollte damit die aus seiner Sicht unzureichende Information der Öffentlichkeit durch die Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft anprangern, die keine Angaben zur iranischen Herkunft des Beschuldigten gemacht und sich nicht auf einen islamistischen Terrorakt festgelegt hatte. Er rechnete mit einer entsprechenden Presseberichterstattung der K. er Nachrichten und nahm eine Gefährdung der Ermittlungen billigend in Kauf (Fall II.1).

2. Am 13. August 2018 informierte der Angeklagte den Journalisten über Ermittlungen wegen einer versuchten Vergewaltigung vom Vortag. Er schilderte ihm Einzelheiten zum Tathergang und übermittelte ihm ein polizeilich gefertigtes Lichtbild der Geschädigten, das diese in einem Rettungswagen sitzend mit ihren bei der Tat erlittenen Verletzungen erkennbar abbildete. Darüber hinaus offenbarte er die sudanesische Nationalität und den Wohnort des vermeintlichen Täters, der im weiteren Verlauf der Ermittlungen allerdings entlastet wurde. Die entsprechende Berichterstattung des Journalisten im Hinblick auf die Nationalität des „Täters“ sollte die dienstliche Integrität der Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft in Zweifel ziehen und ihr öffentliches Ansehen herabsetzen, weil sie der Öffentlichkeit diese Information vorenthalten hatte. Die Gefährdung der Ermittlungen nahm der Angeklagte billigend in Kauf. Das Foto der Geschädigten war ausdrücklich nicht zur Veröffentlichung bestimmt (Fall II.2).

3. Am 20. September 2018 gab er Informationen über einen Messerangriff in einer Flüchtlingsunterkunft weiter, um eine entsprechende Presseberichterstattung zu erreichen. Dass die Veröffentlichung über Einzelheiten der vom Opfer erlittenen Verletzungen die noch andauernden polizeilichen Ermittlungen gefährden würde, nahm er billigend in Kauf (Fall II.3).

4. Am 8. November 2018 informierte der Angeklagte den Journalisten über die Flucht eines wegen versuchten Totschlags verurteilten Straftäters aus dem Maßregelvollzug. Er gab die Personalien des Flüchtigen, die Umstände seiner Flucht und Einzelheiten zu den laufenden Fahndungsmaßnahmen weiter. Er nahm dabei billigend in Kauf, dass die Veröffentlichung die noch verdeckt laufenden Fahndungsmaßnahmen gefährden würde (Fall II.4).

5. Nach dem Terroranschlag auf den S. er Weihnachtsmarkt vom 11. November 2018 gab der Angeklagte Informationen aus der Fahndungsausschreibung nach einem Tatverdächtigen weiter. Er nannte Vornamen und Geburtsdatum des Gesuchten sowie Einzelheiten zum Tathergang und übermittelte schließlich das Fahndungsfoto des Verdächtigen, um eine entsprechende Berichterstattung zu ermöglichen. Er ging davon aus, dass die Fahndung hierdurch nicht gefährdet werden würde, weil die entsprechenden Informationen ohnehin bereits Gegenstand umfangreicher medialer Berichterstattung waren (Fall V.1).

6. Am 24. Dezember 2018 erfuhr der Angeklagte aus einer privaten Chatgruppe, in der mehrere Polizeibeamte Mitglied waren, dass in der Justizvollzugsanstalt L. ein Strafgefangener auf ein Gebäude geklettert war. Er trug dabei eine Israel-Flagge um seine Schultern, weil er mit seiner Aktion darauf hinweisen wollte, dass er sich in der Justizvollzugsanstalt ungerecht behandelt fühle. Ein in der Chatgruppe geteiltes Foto des sich an einem Außengitter festklammernden Gefangenen leitete der Angeklagte an den Journalisten weiter. Er informierte diesen zudem über die Hintergründe der „Lage“ und deren friedliche Lösung durch eine Verhandlungsgruppe der Polizei (Fall V.2).

7. Am 7. Februar 2019 erteilte der Angeklagte auf Bitten des Journalisten Auskünfte zu einer am Vortrag eingeleiteten Öffentlichkeitsfahndung nach einer 18-jährigen Frau und ihrer drei Wochen alten Tochter. Er verriet den vollständigen Namen der Gesuchten und erzählte, dass diese nach Ortung ihres Mobiltelefons am Vormittag in Gewahrsam genommen worden sei. Das Kind der drogenabhängigen Frau werde voraussichtlich in die Obhut des Jugendamtes gegeben (Fall II.5).

8. Im Februar 2019 bat der Journalist den Angeklagten um eine Aufstellung der im laufenden Monat in der Gemeinde B. erfassten Straftaten, weil er über die dortige Kriminalitätsentwicklung im Zusammenhang mit einer Flüchtlingsunterkunft berichten wollte. Der Angeklagte übersandte daraufhin eine tabellarische Übersicht der im Vorgangssystem der Polizei hierzu erfassten Verfahren, die jeweils Angaben zu Tatort und -zeit, Delikt, Anlass und Maßnahme sowie Vorgangsnummer und Vorgangsart enthielt. Auf eine weitere Bitte des Journalisten übersandte er entsprechende Tabellen auch für die Monate Dezember 2018 und Januar 2019. Schließlich übermittelte er noch eine Aufstellung derjenigen Verfahren, die mit dem Tatort in der Flüchtlingsunterkunft erfasst worden waren. Der Angeklagte wollte eine kritische Berichterstattung über die Informationspolitik öffentlicher Stellen zu Straftaten von Flüchtlingen ermöglichen (Fall V.3).

9. Im März 2019 wandte sich der Journalist an den Angeklagten, um Informationen über die Disziplinar- und Strafverfahren gegen drei Polizeikommissaranwärter zu erlangen. Sie hatten im Sommer 2018 außerhalb ihres Dienstes Alkohol konsumiert, sich gegenüber drei Jugendlichen als Polizisten ausgegeben und diese unter Anwendung einfacher körperlicher Gewalt durchsucht. Einer der drei Polizeikommissaranwärter war Mitglied der Deutschen Polizeigewerkschaft, die ihm deshalb Rechtsschutz gewährte. Der Angeklagte ließ sich unter einem Vorwand vom Rechtsschutzbeauftragten der Gewerkschaft die diesem vorliegende elektronische Kopie der Personalakte des Polizeianwärters übermitteln und gab diese an den Journalisten heraus. Die Akte enthielt unter anderem den vollständigen Lebenslauf nebst Lichtbild (Fall II.6). Nachdem sich der Journalist am 12. Mai 2019 nach dem Verfahrensstand erkundigt hatte, leitete der Angeklagte ihm eine an die Polizeigewerkschaft gerichtete E-Mail des Verteidigers des Polizeikommissaranwärters weiter, der die gegen alle drei Polizeischüler inzwischen erhobene Anklage und vom Verteidiger vorgefertigte Entschuldigungsbriefe beigefügt waren (Fall II.7). Am 29. Mai 2019 nahm der Angeklagte an einer Sitzung des Hauptpersonalrats der Landespolizei teil. Dieser war ersucht worden, die Zustimmung zu erteilen, den drei Polizeischülern vorläufig die Führung der Dienstgeschäfte zu verbieten. Der Angeklagte erfuhr dabei, dass die Anwärter ihre Entlassung aus dem Dienst beantragen wollten. All dies berichtete er zum Teil in der Art eines „Livetickers“ direkt aus der Sitzung des Hauptpersonalrats. Eine mögliche Störung des Disziplinarverfahrens nahm er billigend in Kauf (Fall II.8). Dem Angeklagten und dem Journalisten kam es in allen drei Fällen darauf an, den ehemaligen Leiter und die kurz zuvor neu ernannte Leiterin der Polizeidirektion für Aus- und Fortbildung, die sie nicht mochten und für ungeeignet hielten, durch kritische Berichterstattung in der öffentlichen Meinung herabzusetzen.

10. In der Sitzung des Hauptpersonalrats der Landespolizei vom 29. Mai 2019 wurde zudem über ein Zustimmungsersuchen beraten, das die Entlassung eines Polizeianwärters betraf, der mit einer Hakenkreuzbinde posiert hatte. Den Entwurf der Entlassungsverfügung, den der Angeklagte als Mitglied des Gremiums erhalten hatte, gab er an den Journalisten heraus, wobei er eine Störung des Disziplinar- und Mitbestimmungsverfahrens in Kauf nahm. Der Polizeianwärter erfuhr durch die Veröffentlichung in den K. er Nachrichten von seiner bevorstehenden Entlassung; die Verfügung wurde ihm erst zwei Wochen später zugestellt (Fall II.9).

11. Am 13. Juni 2019 übermittelte der Angeklagte dem Journalisten eine PowerPoint-Präsentation mit Informationen über von der Landespolizei im Vorjahr angeschaffte Mitteldistanzwaffen. Dieses Dokument hatte er als Verschlusssache aufgrund seiner Mitgliedschaft im Hauptpersonalrat erhalten. Es beinhaltete genaue Angaben zu der Verteilung der Waffen auf die verschiedenen Dienststellen. Er forderte den Journalisten auf, im Falle einer entsprechenden Veröffentlichung nicht auf konkrete Zahlen einzugehen (Fall V.4).

12. Am 15. Juni 2019 leitete er den Entwurf eines Schreibens weiter, das der Vorsitzende des Landesverbands der Deutschen Polizeigewerkschaft an die Leiterin der Polizeidirektion Ausund Fortbildung senden wollte und vorab mit ihm geteilt hatte. Das Schreiben thematisierte Mobbingvorwürfe einer mit vollständigem Namen genannten Polizeiobermeisteranwärterin. Er wollte durch die Informationsweitergabe wiederum eine Berichterstattung ermöglichen, die der ihm missliebigen Leiterin der Polizeidirektion schaden sollte (Fall II.10).

13. Am 31. Juli 2019 erhielt der Angeklagte als Mitglied des Hauptpersonalrats einzelne Kapitel des Berichts eines vom Innenministerium eingesetzten Sonderbeauftragten über Missstände in der Landespolizei (sogenannter Buß-Bericht) als Word-Datei übersandt. Der Sonderbeauftragte berichtete darin über Mobbingvorwürfe von zwei Kriminalbeamten, über ein Ermittlungsverfahren gegen eine Kriminalhauptkommissarin und über das Führungsverhalten der Polizei, nahm Bewertungen vor und sprach Empfehlungen aus. Die Kapitel waren als Verschlusssache eingestuft. Um eine Übersendung zu ermöglichen, hatte das Landesinnenministerium die Namen in der Datei geschwärzt. Nachdem es dem Angeklagten gelungen war, die Namen sichtbar zu machen, versendete er das Dokument noch am selben Tag an den Journalisten, um die Polizeiführung durch eine entsprechende Berichterstattung zu diskreditieren (Fall II.11).

14. Am 7. August 2019 leitete der Angeklagte eine E-Mail vom selben Tag an den Journalisten weiter, in der alle Polizeidienststellen über die bevorstehende Entlassung eines als gefährlich eingestuften Verurteilten aus dem Strafvollzug und zum Schutz von 30 gefährdeten Personen eingeleitete Maßnahmen informiert wurden. Am Folgetag übersandte der Angeklagte ihm zudem die zugehörige Einsatzverfügung der Polizeidirektion L. Der Angeklagte nahm billigend in Kauf, dass eine Berichterstattung den ungestörten Ablauf der Schutzmaßnahmen gefährden würde (Fall II.12).

II.

Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das Landgericht die folgenden rechtlichen Bewertungen vorgenommen:

1. Es hat den Angeklagten jeweils einer Verletzung des Dienstgeheimnisses schuldig gesprochen, weil er in den Fällen II.1 bis II.4 und II.12 ihm als Amtsträger (§ 353b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB) und in den Fällen II.8 und II.9 ihm als Person, die Aufgaben nach dem Personalvertretungsrecht wahrnimmt (§ 353b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB), bekannt gewordene Geheimnisse offenbart habe. Die ungestörte Durchführung der Ermittlungen (Fälle II.1 bis II.3), der Fahndung (Fall II.4), der Disziplinar- und Mitbestimmungsverfahren (Fälle II.8 und II.9) sowie der Schutzmaßnahmen (Fall II.12) hat das Landgericht als wichtige öffentliche Interessen im Sinne des § 353b Abs. 1 Satz 1 StGB angesehen. Es hat in den Fällen II.2, II.8 und II.9 tateinheitlich den Tatbestand der Verletzung von Privatgeheimnissen „mit Schädigungsabsicht“ (§ 203 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 6 StGB) als verwirklicht angesehen. Im Fall II.4 hat es sich hingegen an einem solchen Schuldspruch wegen des Fehlens eines Strafantrags gehindert gesehen. Im Fall II.2 hat es den Angeklagten wegen der Weitergabe des Fotos der Geschädigten tateinheitlich zudem der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (§ 201a Abs. 1 Nr. 5 StGB) schuldig gesprochen. Von einem Schuldspruch auch nach § 33 Abs. 1 KunstUrhG hat es aus konkurrenzrechtlichen Erwägungen abgesehen.

2. In den Fällen II.5 und II.11 hat das Landgericht den Angeklagten jeweils der Verletzung von Privatgeheimnissen schuldig gesprochen und im Fall II.11 zudem eine Qualifikation der Tat nach § 203 Abs. 6 StGB angenommen. Der Tatbestand des § 353b Abs. 1 StGB sei hingegen jeweils nicht erfüllt gewesen, weil die Offenbarungen wichtige öffentliche Interessen nicht gefährdet hätten.

3. Das Landgericht hat den Angeklagten in den Fällen II.6, II.7 und II.10 des unerlaubten Verarbeitens von Daten nach § 42 Abs. 2 BDSG schuldig gesprochen. Im Fall II.6 sei durch die Weitergabe des Lichtbilds tateinheitlich der Tatbestand des § 33 Abs. 1 KunstUrhG erfüllt.

4. Im Übrigen hat es den Angeklagten aus tatsächlichen (Fälle V.1, V.3 und V.4) oder aus rechtlichen Gründen (Fall V.2) von dem jeweils erhobenen Anklagevorwurf der Verletzung des Dienstgeheimnisses, im Fall V.2 zudem der Verletzung von Privatgeheimnissen und der unbefugten Verbreitung eines Bildnisses (§ 33 Abs. 1 KunstUrhG), freigesprochen. In den Fällen V.1, V.3 und V.4 hätten die Offenbarungen keine wichtigen öffentlichen Interessen gefährdet. Im Fall V.2 seien dem Angeklagten die in der privaten Chatgruppe geteilten Informationen nicht als Amtsträger bekannt geworden; zudem habe der Gefangene sich durch sein demonstratives Vorgehen konkludent mit einer Weiterleitung von Bildern an die Presse einverstanden erklärt.

B.

Die Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg.

I.

Die Verfahrensrüge, mit der die Revision die mangelnde Verwertung einer Urkunde beanstandet (§ 261 StPO), hat keinen Erfolg.

1. Nach dem Revisionsvortrag habe die Strafkammer eine psychologische Stellungnahme zum Gesundheitszustand des Angeklagten, deren Verlesung die Verteidigung beantragt habe, nach Einholung einer Stellungnahme des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft im Wege des vom Vorsitzenden angeordneten Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführt. An einem darauffolgenden Hauptverhandlungstag habe der Vorsitzende mitgeteilt, dass die Urkunde „unter dem Gesichtspunkt der Beweisunmittelbarkeit“ nicht verwertet werden solle.

2. Die Revision zeigt keinen Verfahrensfehler auf, denn die Strafkammer hat mit Recht von der Verwertung der Urkunde abgesehen.

Die Voraussetzungen einer Verlesung nach § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO lagen mangels Zustimmung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft nicht vor. Eine Verfahrenssituation, in der eine konkludente Zustimmung in Betracht zu ziehen wäre (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. September 2019 - 3 StR 291/19, NStZ 2020, 94, 95; vom 9. August 2016 - 1 StR 334/16, NStZ 2017, 299 mwN), zeigt die Revision nicht auf. Denn selbst nach ihrem Vortrag haben die Verfahrensbeteiligten die Verlesbarkeit der Urkunde und das Erfordernis einer Zustimmung vor Anordnung des Selbstleseverfahrens nicht thematisiert. Hierzu passt, dass die Anordnung der Verlesung nicht - wie es erforderlich gewesen wäre - durch Beschluss der Strafkammer nach § 251 Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO ergangen ist.

Die psychologische Stellungnahme konnte auch nicht nach § 256 Abs. 1 Nr. 2 StPO zum Gegenstand eines Urkundenbeweises gemacht werden, weil sie kein Zeugnis eines ordnungsgemäß nach dem für ihn geltenden Berufsrecht bestellten Arztes enthält (vgl. BGH, Beschluss vom 7. August 2019 - 1 StR 57/19 Rn. 5; LR/Stuckenberg, StPO, 27. Aufl., § 256 Rn. 46).

II.

Der sachlich-rechtlichen Überprüfung halten die Schuldsprüche wegen des Qualifikationstatbestands der schweren Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 6 StGB) nicht in allen Fällen stand.

1. Im Fall II.2 der Urteilsgründe hat das Landgericht den dahingehenden Schuldspruch rechtsfehlerhaft auf ein Tatgeschehen gestützt, für dessen Verfolgung es an dem nach § 205 Abs. 1 Satz 1 StGB erforderlichen Strafantrag desjenigen fehlt, über den der Täter Auskunft gegeben hat (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2012 - 2 StR 388/12, NJW 2013, 549, 551).

Nach den Urteilsfeststellungen offenbarte der Angeklagte Privatgeheimnisse und ihnen nach § 203 Abs. 2 Satz 2 StGB gleichgestellte Einzelangaben sowohl des Beschuldigten als auch des Opfers der versuchten Vergewaltigung, wollte aber gerade durch die Preisgabe der Nationalität des Beschuldigten dem Ansehen der Pressesprecherin im Sinne des § 203 Abs. 6 StGB schaden. Der Beschuldigte hat - anders als das Opfer - bislang keinen Strafantrag gestellt.

Dies entzieht dem Schuldspruch wegen einer nach § 203 Abs. 6 StGB qualifizierten Tat die Grundlage (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Februar 2012 - 1 StR 586/11, NStZ 2013, 38, 39) und führt insoweit zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache, da nicht auszuschließen ist, dass das derzeit bestehende Verfahrenshindernis noch behoben werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 2002 - 1 StR 150/02, BGHSt 48, 28, 33). Dass der Antragsberechtigte bereits von der Tat und der Person des Täters Kenntnis erlangt hat (§ 77b Abs. 2 StGB), ergibt sich aus den Strafakten nicht.

2. Im Fall II.9 der Urteilsgründe ist eine Schädigungsabsicht nicht ausdrücklich festgestellt. Auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich diese nicht entnehmen. Die äußerst knappen beweiswürdigenden Ausführungen zur Absicht des Angeklagten, mit anderen Offenbarungen die Leitung der Polizeidirektion für Aus- und Fortbildung zu schädigen (Fälle II.6, II.7 und II.8), lassen nicht erkennen, dass die Strafkammer insoweit auch den Fall II.9 im Blick gehabt hat.

3. In den Fällen II.8 und II.11 der Urteilsgründe ist der Schuldspruch sachlich-rechtlich nicht zu beanstanden. Jedoch ist die Verwirklichung des Qualifikationstatbestandes nach § 203 Abs. 6 StGB in der Urteilsformel durch die Bezeichnung als „schwere“ Verletzung von Privatgeheimnissen kenntlich zu machen (vgl. zu dem wortgleichen § 271 Abs. 3 StGB etwa BGH, Beschluss vom 7. Februar 2023 - 3 StR 274/22 Rn. 6). Der Senat fasst den Schuldspruch entsprechend neu.

4. Die Aufhebung der Schuldsprüche in den Fällen II.2 und II.9 erfasst jeweils auch die - für sich rechtsfehlerfreien - tateinheitlichen Verurteilungen des Angeklagten wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses (Fälle II.2 und II.9) sowie wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (Fall II.2) und die verhängten Einzelstrafen. Die den Schuldsprüchen zugrundeliegenden Feststellungen sind von dem Rechtsfehler jeweils nicht betroffen und können bestehen bleiben.

III.

Darüber hinaus hat die sachlich-rechtliche Überprüfung keine den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben. Der Erörterung bedürfen nur die Beanstandungen der Revision im Zusammenhang mit der Feststellung, dass im Jahre 2016 bei dem Angeklagten ein Gehirntumor diagnostiziert worden war:

1. Es begründet kein Erörterungsdefizit, dass das Urteil sich gleichwohl nicht näher mit seiner Schuldfähigkeit auseinandergesetzt hat. Dass die Erkrankung hirnorganische Schäden verursacht hätte, die einem Eingangsmerkmal des § 20 StGB nahekommen, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen und liegt mit Blick auf das Tatbild und die fortlaufend ausgeübte anspruchsvolle dienstliche Tätigkeit des Angeklagten auch nicht nahe. Eine Aufklärungsrüge ist insoweit nicht erhoben.

2. Das Landgericht war auch nicht verpflichtet, die Diagnose aus dem Jahr 2016 ausdrücklich zugunsten des Angeklagten in die Strafzumessung einzustellen. Dass die Erkrankung zu einer Einschränkung der Lebensqualität, einer Herabsetzung der Lebenserwartung oder sonst zu einer besonderen Strafempfindlichkeit des Angeklagten geführt hätte (vgl. dazu BGH, Urteil vom 9. November 1989 - 4 StR 542/89, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 19; Beschluss vom 19. Juni 2007 - 3 StR 214/07 Rn. 3), ist nicht festgestellt.

C.

Die zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft ist in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang begründet.

I.

Der Schuldspruch in den Fällen II.2, II.5 und II.11 und der Strafausspruch beruhen auf den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehlern.

1. Im Fall II.2 der Urteilsgründe hat das Landgericht rechtsfehlerhaft aus konkurrenzrechtlichen Erwägungen von einer Verurteilung wegen unbefugter Verbreitung von Bildnissen nach § 33 Abs. 1 KunstUrhG abgesehen.

a) Das Konkurrenzverhältnis des Verbreitens eines Bildnisses nach § 33 Abs. 1 KunstUrhG zu dem Zugänglichmachen nach § 201a Abs. 1 Nr. 5 StGB ist bislang höchstrichterlich nicht entschieden. Der Gesetzgeber hat bei Einführung des § 201a StGB durch das 36. StRÄndG vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 2012) lediglich ausgeführt, dass die Regelung die Strafvorschrift des § 33 KunstUrhG „ergänzt“ (BT-Drucks. 15/2466, S. 4), und das Verhältnis der Vorschriften auch bei späteren Reformen nicht näher bestimmt (zur Kritik Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 318 f.). In der Literatur werden in der Folge unterschiedliche Auffassungen vertreten. Teilweise wird angenommen, dass § 201a StGB für das Verbreiten von Bildaufnahmen den § 33 KunstUrhG verdränge (SKStGB/Hoyer, 10. Aufl., § 201a Rn. 65; Hoppe, GRUR 2004, 990, 995); überwiegend wird Idealkonkurrenz angenommen (SSWStGB/Bosch, 5. Aufl., § 201a StGB Rn. 34; LK/Valerius, StGB, 13. Aufl., § 201a Rn. 126; Matt/Renzikowski/Altenhain, 2. Aufl., § 201a Rn. 28).

b) Der letztgenannten Auffassung schließt sich der Senat an. Der Tatbestand des § 33 KunstUrhG tritt nicht hinter den Tatbestand des § 201a Abs. 1 Nr. 5 StGB zurück, denn die Voraussetzungen der hier in Betracht kommenden Gesetzeskonkurrenz in Form von Konsumtion liegen nicht vor.

Diese ist anzunehmen, wenn der Unrechtsgehalt der strafbaren Handlung durch einen der anwendbaren Straftatbestände bereits erschöpfend erfasst wird. Die Verletzung des durch den einen Straftatbestand geschützten Rechtsguts muss eine - wenn nicht notwendige, so doch regelmäßige - Erscheinungsform der Verwirklichung des anderen Tatbestandes sein (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Oktober 1992 - GSSt 1/92, BGHSt 39, 100, 108; vom 27. November 2018 - 2 StR 481/17, BGHSt 63, 253, 258 f.).

Daran fehlt es hier, weil die Vorschriften unterschiedliche Schutzrichtungen haben. Die Norm des § 201a StGB schützt das Recht am eigenen Bild und den höchstpersönlichen Lebensbereich, in dem eine Abwägung zwischen dem Interesse der Allgemeinheit und dem Schutzinteresse des Einzelnen, wie sie bei Eingriffen in den sonstigen persönlichen Lebensbereich erforderlich ist, nicht stattfindet (vgl. BT-Drucks. 15/2466, S. 5 und 19/17795, S. 12; MüKoStGB/Graf, 4. Aufl., § 201a Rn. 10). Die Regelung des § 33 Abs. 1 KunstUrhG pönalisiert hingegen Verstöße gegen die §§ 22, 23 KunstUrhG, die das Recht am eigenen Bild als Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person erfassen. Das Schutzbedürfnis ergibt sich hier vor allem aus der Möglichkeit, das Erscheinungsbild eines Menschen in einer bestimmten Situation von diesem abzulösen, datenmäßig zu fixieren und jederzeit unkontrolliert vor einem unüberschaubaren Personenkreis zu reproduzieren (vgl. Erbs/Kohlhaas, KunstUrhG, Vor § 22 Rn. 5). Es schützt damit auch die vermögenswerten Interessen des Betroffenen an einer kommerziellen Verwertung des Bildnisses (vgl. etwa BGH, Urteil vom 1. Dezember 1999 - I ZR 49/97, BGHZ 143, 214, 218 ff.; Erbs/Kohlhaas, KunstUrhG, Vor § 22 Rn. 7; verfassungsrechtlich unbedenklich vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. August 2006 - 1 BvR 1168/04, NJW 2006, 3409, 3410; weitergehend LK/Valerius, StGB, 13. Aufl., § 201a Rn. 126). Deshalb gehören etwa Bildaufnahmen, auf denen die abgebildete Person für Dritte nicht identifizierbar ist, nicht zum Regelungsbereich des Kunsturhebergesetzes (vgl. etwa BGH, Urteile vom 1. Dezember 1999 - I ZR 49/97, BGHZ 143, 214, 228; vom 9. Juni 1965 - Ib ZR 126/63, NJW 1965, 2148, 2149 mwN), können jedoch § 201a Abs. 1 StGB unterfallen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Februar 2015 − 4 StR 328/14, NStZ 2015, 391; NKMedienStrafR/Fritzsche/Müller, KunstUrhG, § 33 Rn. 1; siehe insoweit auch BGH, Beschluss vom 10. Januar 2024 - 6 StR 523/23).

2. In den Fällen II.5 und II.11 der Urteilsgründe hat das Landgericht jeweils mit nicht tragfähiger Begründung von einer tateinheitlichen Verurteilung wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses (§ 353b Abs. 1 Satz 1 StGB) mangels Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen abgesehen.

a) Das Tatbestandsmerkmal ist nicht nur dann erfüllt, wenn die Offenbarung des Geheimnisses selbst öffentliche Belange von einigem Gewicht gefährdet, sondern im Einzelfall auch dann, wenn das Bekanntwerden des Geheimnisbruchs das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität der staatlichen Stelle erschüttern kann (BGH, Urteile vom 19. Juni 1958 - 4 StR 151/58, BGHSt 11, 401, 404; vom 13. Dezember 2012 - 4 StR 33/12, BGHR StGB § 353b Gefährdung, mittelbare 1; vom 9. Dezember 2002 - 5 StR 276/02, BGHSt 48, 126, 132). Ob eine solche Gefährdung vorliegt, ist anhand einer Gesamtabwägung im Einzelfall zu ermitteln, bei der Inhalt und Umfang der geheimhaltungsbedürftigen Daten, deren in Aussicht genommene Verwendung und die Person des Amtsträgers Berücksichtigung finden (BGH, Urteile vom 19. Oktober 2017 - 3 StR 211/17 Rn. 15; vom 13. Dezember 2012 - 4 StR 33/12, BGHR StGB § 353b Gefährdung, mittelbare 1; vom 9. Dezember 2002 - 5 StR 276/02, BGHSt 48, 126, 132; vom 22. Juni 2000 - 5 StR 268/99). Hinsichtlich der Person des Amtsträgers sind das ausgeübte Amt und die daran anknüpfende Erwartungshaltung der Öffentlichkeit (vgl. für Datenschutzbeauftragte BGH, Urteil vom 9. Dezember 2002 - 5 StR 276/02) ebenso in den Blick zu nehmen wie seine persönliche Stellung (vgl. für einen jungen Berufsanfänger BGH, Urteil vom 22. Juni 2000 - 5 StR 268/99) und seine Motive für den Geheimnisbruch. Denn all dies ist bedeutsam für die Frage, welche Folgen das Bekanntwerden seines Tuns für das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität der staatlichen Stelle haben kann.

b) Eine an diesem Maßstab ausgerichtete Prüfung lassen die Urteilsgründe nicht erkennen.

aa) Das Landgericht hat im Fall II.5 seiner in nur einem Satz dargestellten Abwägung die Überlegung vorangestellt, dass die „bloß abstrakte Eignung“ eines Geheimnisbruchs, „das Ansehen der Landespolizei und das Vertrauen der Öffentlichkeit in eine sachgerechte Amtsführung zu erschüttern“ nicht ausreiche, denn man könne „eine solche grundsätzliche Eignung [...] kaum einem Geheimnisbruch eines Polizeibeamten“ absprechen. Dies offenbart die Anlegung eines unzutreffenden Maßstabs. Denn es hat den Umstand, dass Polizeibeamte aufgrund ihrer amtlichen Stellung besonderes Vertrauen genießen, als Begründung dafür herangezogen, höhere Anforderungen an das Vorliegen einer Gefährdung zu stellen als bei anderen Geheimnisträgern im Sinne des § 353b StGB und damit den Tatbestand rechtsfehlerhaft verengt. Es wäre zudem geboten gewesen, die herausgehobene berufliche Stellung des Angeklagten und seine zusätzliche Tätigkeit für Gewerkschaft und Personalrat als gewichtige Umstände in die Abwägung einzustellen, die gerade für eine Gefährdung des Vertrauens der Bevölkerung in die Unparteilichkeit und Professionalität der Landespolizei sprechen könnten.

Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht überdies die vom Angeklagten in Aussicht genommene Verwendung der Daten nicht erwogen. Hier hätte insbesondere Beachtung finden müssen, dass er die internen Informationen mit dem Ziel der Steuerung der öffentlichen Berichterstattung an einen Journalisten weitergab, zu dem er um dieses Ziels willen eine dauerhafte Zweckbeziehung unterhielt.

bb) Dies gilt auch im Fall II.11 der Urteilsgründe. Hier hat das Landgericht keine eigenständige Prüfung der Eignung des Geheimnisbruchs vorgenommen, sondern lediglich auf die Ausführungen im Fall II.5 verwiesen. Es hat bei diesem Fall insbesondere den wichtigen Umstand, dass es sich bei dem weitergegebenen Dokument um eine Verschlusssache, also eine nach Einschätzung der zuständigen öffentlichen Stelle im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsache (§ 5 Abs. 1 LSÜG SH) handelte, nicht erkennbar beachtet.

3. Die Strafzumessung des Landgerichts beruht auf einem den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler. Die Strafkammer hat ihren fallübergreifenden strafzumessungsrechtlichen Erwägungen die Überlegung vorangestellt, dass die Weitergabe von Geheimnissen an einen Journalisten „strafzumessungsrechtlich neutral“ zu bewerten sei, weil sie zwar einerseits das Risiko einer Verbreitung an einen großen Personenkreis erhöhe, andererseits aber eine redaktionelle Kontrolle in Bezug auf den Persönlichkeitsschutz von Verfahrensbeteiligten, „insbesondere Beschuldigten und Tatopfern“, durchgeführt werde, die weder der Journalist noch der Angeklagte „anprangern“ wollten.

Diese Überlegungen erweisen sich als rechtsfehlerhaft. Die Weitergabe von geheimhaltungsbedürftigen Informationen an einen Journalisten kann wegen des damit einhergehenden Risikos der Verbreitung an eine große Öffentlichkeit strafschärfend berücksichtigt werden, worauf das Landgericht im Ausgangspunkt rechtsfehlerfrei abgestellt hat. Bei der Relativierung dieses Aspekts sind ihm jedoch Wertungsfehler unterlaufen. Eine redaktionelle Kontrolle nach dem von der Strafkammer angeführten „Zwei-Quellen-Prinzip“ kann das gesteigerte Verbreitungsrisiko schon deshalb nicht mindern, weil sie lediglich der Verifizierung der Wahrhaftigkeit der Informationen dient. Inwieweit eine etwaige Rücksichtnahme auf Persönlichkeitsrechte überhaupt geeignet sein könnte, die weite Verbreitung der Geheimnisse aufzuwiegen, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Überdies ist das Landgericht selbst davon ausgegangen, dass der Persönlichkeitsschutz nur ausgewählten Personen zugutekam, nicht aber denjenigen, die der Angeklagte durch die Veröffentlichung mit großer Reichweite „anprangern“ wollte.

4. Die Rechtsfehler führen zulasten des Angeklagten zur Aufhebung der Schuldsprüche in den Fällen II.2, II.5 und II.11 der Urteilsgründe und aller verhängter Einzelstrafen. Dies entzieht auch dem Gesamtstrafausspruch die Grundlage. Die zugrundeliegenden Feststellungen sind von dem Rechtsfehler jeweils nicht betroffen und können bestehen bleiben. Die Kompensationsentscheidung wird von der Aufhebung des Strafausspruchs gleichsam nicht erfasst (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2022 - 6 StR 511/21 Rn. 16).

II.

Die Freisprüche halten der sachlich-rechtlichen Nachprüfung ebenfalls nicht stand.

1. In den Fällen V.1, V.3 und V.4 erlauben die knappen Ausführungen im Urteil nicht die revisionsgerichtliche Kontrolle, ob die Strafkammer bei ihrer Prüfung der Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen im Sinne des § 353b Abs. 1 StGB den zutreffenden rechtlichen Maßstab (vgl. oben C.I.2.) zugrunde gelegt hat. Gegenteiliges belegt im Fall V.3 die Erwägung der Strafkammer, sie habe nicht feststellen können, ob „durch die Berichterstattung […] das Ansehen der Landespolizei beeinträchtigt worden war“. Entscheidend sind die möglichen Folgen des Bekanntwerdens des Geheimnisbruchs für das Ansehen der Behörde, nicht aber die Folgen einer Berichterstattung, die sich den Geheimnisbruch zunutze macht. Im Fall V.4 hat das Landgericht zudem die Einstufung der weitergegebenen Informationen als Verschlusssache nicht erörtert. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen hätte es darüber hinaus eine Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen durch eine Beeinträchtigung der Sicherheit der Polizeidienststellen bei Bekanntwerden ihrer Bewaffnung erwägen müssen. Eine solche Gefahr war nicht bereits deshalb auszuschließen, weil eine Änderung der Ausstattung zeitnah geplant gewesen sein soll.

2. Im Fall V.2 der Urteilsgründe hat das Landgericht seine Annahme, es liege keine Verletzung des Dienstgeheimnisses vor, weil dem Angeklagten die offenbarten Informationen außerdienstlich bekannt geworden seien, nicht rechtsfehlerfrei begründet. Es hat seine Prüfung an einem falschen rechtlichen Maßstab ausgerichtet.

Das Tatbestandsmerkmal des Bekanntwerdens setzt - im Unterschied zur Modalität des Anvertrauens - nicht voraus, dass dem Amtsträger das Geheimnis im Vertrauen auf seine Pflicht zur Amtsverschwiegenheit mitgeteilt wird. Ausreichend ist grundsätzlich vielmehr jede Art der Kenntniserlangung. Diese muss jedoch „als Amtsträger“ geschehen, mithin in einem inneren Zusammenhang zur dienstlichen Tätigkeit stehen (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2017 - 4 StR 545/16 Rn. 15, BGHR StGB § 353b Geheimnis 6 mwN). Das kann etwa auch dann der Fall sein, wenn ihm ein Kollege - weil er Amtsträger ist - ein Geheimnis außerhalb der Dienstzeit mitteilt (vgl. LK/Vormbaum, StGB, 13. Aufl., § 353b Rn. 24).

Diesen Maßstab hat das Landgericht verkannt. Es hat lediglich darauf abgestellt, dass der Angeklagte die Informationen „aus einer privaten WhatsApp-Gruppe, in der mehrere Polizeibeamte Mitglied waren“, erhielt und diese kein dienstliches Kommunikationsmittel sei. Da das Landgericht nähere Feststellungen weder zu der Größe und Zusammensetzung der Gruppe noch dazu getroffen hat, wer die Information dort teilte, kann der Senat nicht ausschließen, dass die Kommunikation trotz der gewählten Form in einem inneren Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit des Angeklagten stand.

3. Die Aufhebung der Freisprüche zieht die Aufhebung der zugrundeliegenden Feststellungen nach sich, da der Angeklagte diese nicht mit einem eigenen Rechtsmittel angreifen konnte. Die neu mit der Sache befasste Strafkammer wird im Fall V.2 mit Blick auf eine mögliche Strafbarkeit nach § 203 Abs. 2 StGB und § 33 KunstUrhG Gelegenheit haben, sich unter Berücksichtigung der Einwände der Revision sorgfältiger als bisher geschehen mit der Frage einer konkludenten Einwilligung des Gefangenen in die Weiterleitung des Lichtbilds zu befassen. Im Fall V.3 wird sie zudem eine mehrfache Tatbestandsverwirklichung (§ 53 StGB) zu prüfen haben. Nach den bisherigen Feststellungen gab der Angeklagte die aus dem polizeilichen Vorgangssystem stammenden Daten zu unterschiedlichen Zeitpunkten jeweils aufgrund eines neuen Tatentschlusses an den Journalisten weiter.

III.

Im Übrigen ist die Revision der Staatsanwaltschaft unbegründet. Insbesondere hat sich das Landgericht im Fall II.4 der Urteilsgründe mit Recht durch das Fehlen eines Strafantrags an der tateinheitlichen Verurteilung wegen der Verletzung von Privatgeheimnissen und nach §§ 67, 19 Abs. 2 Nr. 1 LDSG SH gehindert gesehen. Einen solchen hat der Verletzte innerhalb der Frist des § 77b Abs. 2 StGB entgegen der Revision nicht wirksam gestellt.

Ein Strafantrag setzt eine schriftliche Erklärung (§ 158 Abs. 2 StPO) voraus, die den Willen des Antragsberechtigten eindeutig und unmissverständlich zum Ausdruck bringt, eine bestimmte Tat im Sinne der §§ 155, 264 StPO solle strafrechtlich verfolgt werden (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 1990 - 1 StR 538/89, NJW 1991, 367, 370; BGH, Urteil vom 18. Januar 1995 - 2 StR 462/94, NStZ 1995, 353, 354).

Daran fehlt es hier. Der Verletzte hat, nachdem ihm Tat und Täter mündlich bekannt gemacht worden waren, eine Strafantragsstellung zunächst mit seiner Rechtsanwältin beraten wollen. Später sandte er ein von ihm unterschriebenes Formular „Erklärung zum Strafantrag“ zu den Akten, auf dem er von drei vorgedruckten Antwortmöglichkeiten - Stellen eines Strafantrags, Verzicht auf diesen oder Vorbehalt einer späteren Entscheidung - keine angekreuzt hatte. Einen eindeutigen Willen zur Strafverfolgung hat er damit nicht zum Ausdruck gebracht. Dies kann er mit Blick auf die Frist des § 77b Abs. 2 StGB auch nicht mehr nachholen.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1068

Bearbeiter: Christian Becker