HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 226
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 367/22, Beschluss v. 16.01.2023, HRRS 2023 Nr. 226
Auf die Revision des Angeklagten D. O. wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 22. April 2022 - auch soweit es den Mitangeklagten A. O. betrifft - im Schuldspruch hinsichtlich der Fälle II.2 und II.4 der Urteilsgründe dahin geändert, dass
der Angeklagte D. O. der Beihilfe zu zwei zueinander in Tateinheit stehenden Fällen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, jeweils in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, schuldig ist,
der Mitangeklagte A. O. des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig ist.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten D. O. wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie in drei Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, und wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Zudem hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg; im Übrigen erweist sie sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Nachprüfung des Urteils hat ergeben, dass das Landgericht hinsichtlich der Fälle II.2 und II.4 der Urteilsgründe von einer unzutreffenden konkurrenzrechtlichen Einordnung ausgegangen ist, aus deren Korrektur die Änderung des Schuldspruchs und der Wegfall einer Einzelstrafe resultieren; im Übrigen hat sie keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen lassen.
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts unterstützte der Angeklagte D. O. den mit Betäubungsmitteln Handel treibenden Mitangeklagten A. O., indem er für ihn Betäubungsmittel an Abnehmer auslieferte sowie deren Zahlungen entgegennahm und an den Mitangeklagten weitergab. Im Fall II.2 wurde in dieser Weise mehrfach Kokain aus einem einheitlichen Vorrat an verschiedene Abnehmer veräußert, darunter am 20. April 2020 200 Gramm Kokain für 6.600 Euro an den EnchroChat-Nutzer „p. “. An diesen wurden zudem im Fall II.4 am 10. April 2020 zwei Kilogramm Haschisch für 8.000 Euro verkauft und übergeben. Das Geld zur Bezahlung beider Lieferungen übergab der EnchroChat-Nutzer „p.“ am 20. April 2020 gegen 16:57 Uhr an den Angeklagten D. O., der den gesamten Betrag dem Mitangeklagten A. O. überbrachte.
b) Entgegen der Annahme des Landgerichts stehen die beiden Handelsgeschäfte zueinander nicht im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 Abs. 1 StGB), sondern der Tateinheit (§ 52 Abs. 1 Alt. 2 StGB). Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt:
Der Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln umfasst nicht nur Handlungen, die unmittelbar der Beschaffung und der Überlassung von Betäubungsmitteln an Abnehmer dienen, sondern auch dem eigentlichen Betäubungsmittelumsatz nachfolgende Zahlungsvorgänge wie die Übermittlung des für eine Betäubungsmittellieferung zu entrichtenden Geldbetrages vom Abnehmer zum Lieferanten oder das Beitreiben des Kaufpreises (vgl. BGH, Beschluss vom 22. April 2020 - 1 StR 641/19 -, Rdnr. 10).
Hiervon ausgehend überschneiden sich die objektiven Ausführungshandlungen der Taten in den Fällen II.2 und II.4 der Urteilsgründe. (…) Die Entgegennahme der beiden Geldbeträge für die Betäubungsmittel und ihre Weitergabe an den Mitangeklagten verbinden als deren insoweit identische tatbestandliche Ausführungshandlungen die beiden Handelsgeschäfte zur Tateinheit (§ 52 Abs. 1 Alt. 2 StGB). Deren bereits zuvor eingetretene Vollendung steht dem nicht entgegen (vgl. BGH, a. a. O., Rdnr. 13).
Die Änderung des Konkurrenzverhältnisses zwischen den Handelsgeschäften zieht wegen des Grundsatzes der Akzessorietät der Beihilfe eine Änderung auch des Konkurrenzverhältnisses der auf sie bezogenen Unterstützungshandlungen des Angeklagten nach sich.
Die Frage, ob bei einer Beihilfe Tateinheit oder Tatmehrheit anzunehmen sei, beurteilt sich nach der Zahl der Beihilfehandlungen und der vom Gehilfen geförderten Haupttaten. Danach liegt Tatmehrheit (§ 53 Abs. 1 StGB) vor, wenn mehreren Haupttaten jeweils eigenständige Beihilfehandlungen zuzuordnen sind; hingegen ist lediglich eine Beihilfe (§ 52 Abs. 1 StGB) gegeben, wenn der Gehilfe mit einer einzigen Unterstützungshandlung zu mehreren Haupttaten eines Anderen Hilfe leistet (vgl. Senat, Beschluss vom 2. Februar 2021 - 5 StR 353/20 -, Rdnr. 6).
Indem der Angeklagte mit ein und derselben Handlung zwei Handelsgeschäfte unterstützte, hat er sich nicht zweier (zueinander in Tatmehrheit stehender) Fälle der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, sondern lediglich eines Falles der Beihilfe zu zwei - hier - zueinander in Tateinheit stehenden Fällen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht.
Der in beiden Fällen zugleich verwirklichte Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge tritt jeweils tateinheitlich neben die Beihilfe (zu den zwei zueinander in Tateinheit stehenden Fällen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge).
Diesen zutreffenden Ausführungen tritt der Senat bei.
c) Der Senat hat deshalb den Schuldspruch wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich geändert. Die Regelung des § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
d) Die Änderung des Schuldspruchs führt zum Wegfall der für Fall II.4 verhängten Einzelstrafe. Der Senat setzt in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO für das Geschehen der Fälle II.2 und II.4 die für Fall II.2 verhängte Strafe als neue Einzelstrafe fest. Der Gesamtstrafausspruch wird hierdurch nicht berührt. Angesichts der damit verbleibenden Einsatzstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe, zweier Freiheitsstrafen von einem Jahr und neun Monaten sowie weiterer zwei Freiheitsstrafen von einem Jahr ist auszuschließen, dass das Landgericht allein aufgrund des Wegfalls einer Einzelstrafe von zehn Monaten auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte, zumal eine unterschiedliche konkurrenzrechtliche Beurteilung bei - wie hier - unverändertem Schuldumfang regelmäßig kein maßgebliches Kriterium für die Strafbemessung ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 28. April 2020 - 3 StR 91/20 Rn. 9 mwN).
2. Die Änderung ist gemäß § 357 Satz 1 StPO auf den nicht revidierenden Mitangeklagten A. O. zu erstrecken, soweit seine Verurteilung ebenfalls auf der unzutreffenden konkurrenzrechtlichen Bewertung der Fälle II.2 und II.4 beruht. Der Schuldspruch gegen ihn ist wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich zu berichtigen. Die Regelung des § 265 Abs. 1 StPO steht dem wie beim Angeklagten D. O. nicht entgegen. Auch bei ihm setzt der Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO für das Geschehen der Fälle II.2 und II.4 die für Fall II.2 verhängte Strafe als neue Einzelstrafe fest, während die für Fall II.4 verhängte Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten entfällt. Damit verbleiben die Einsatzstrafe von vier Jahren und drei Monaten Freiheitstrafe sowie vier weitere Freiheitsstrafen mit einer Dauer zwischen einem Jahr und sechs Monaten und zwei Jahren und neun Monaten, so dass auch beim Mitangeklagten A. O. ein Einfluss auf die Gesamtstrafe auszuschließen ist.
3. Der geringfügige Erfolg der Revision lässt es nicht unbillig erscheinen, den Angeklagten insgesamt mit den Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 226
Bearbeiter: Christian Becker