HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 512
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 218/22, Urteil v. 18.01.2023, HRRS 2023 Nr. 512
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 25. Januar 2022 wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte des sexuellen Missbrauchs von Kindern und der Verbreitung kinderpornographischer Inhalte in drei Fällen schuldig ist und die im Fall II.2 der Urteilsgründe (Besitz kinderpornographischer Inhalte) verhängte Einzelstrafe entfällt.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern, Verbreitung kinderpornographischer Inhalte in drei Fällen und Besitzes kinderpornographischer Inhalte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Zudem hat es die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. Der an einer pädophilen Störung und einer dissozialen Persönlichkeitsstörung leidende Angeklagte wurde 1988 wegen sexueller Nötigung (Versuch des Eindringens mit den Fingern in den After eines 16-jährigen Jungen gegen dessen Willen), 1990 wegen Mordes in Tateinheit mit sexueller Nötigung und anderen Delikten (Tötung eines 15 Jahre alten, in „Stricherkreisen“ verkehrenden Jugendlichen mit vorangehender sexueller Misshandlung u.a. durch das Einführen eines Böllers in dessen After und der anschließenden Entzündung) sowie 2005 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern (Manipulieren am Penis eines 13-jährigen, schlafenden Jungen) zu teils mehrjährigen Freiheitsstrafen (neun Monate, vierzehn Jahre, vier Jahre und drei Monate) verurteilt. Zugleich mit der Verurteilung im Jahr 2005 wurde seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Im April 2016 wurde die Maßregel zur Bewährung ausgesetzt und der Angeklagte aus dem Maßregelvollzug entlassen, obwohl „eine wesentliche Verbesserung der Persönlichkeitsproblematik“ trotz einer seit 2012 andauernden Psychotherapie nicht erreicht werden konnte. Mit der Entlassung trat für die Dauer von fünf Jahren Führungsaufsicht ein. Dabei wurde ihm die Weisung erteilt, weder Alkohol noch Betäubungsmittel zu konsumieren. Außerdem wurde er angewiesen, die Psychotherapie fortzusetzen; dem kam er bis zum 18. Februar 2020 nach. Im April 2021 wurde die Unterbringung für erledigt erklärt.
Im Februar 2021 meldete sich der Angeklagte bei E. H. und Y. A., die mit einer Ebay-Kleinanzeige nach einem Babysitter für ihr gemeinsames, drei Jahre altes Kind J. H. und den am 6. Juli 2012 geborenen L. H. suchten, für den E. H. als dessen Vater das alleinige Sorgerecht hatte. Das Paar lud den Angeklagten für den 10. Februar 2021 zu einem Treffen in ihrer Wohnung ein, um ihn näher kennenzulernen. Dabei gab der Angeklagte unter der Vorlage eines vermeintlichen Familienfotos vor, mehrere Kinder aus einer geschiedenen Ehe zu haben. Er wollte hiermit das Vertrauen des Paares gewinnen. Seine kriminelle Vergangenheit verschwieg er. Dem Angeklagten ging es in erster Linie darum, durch die Betreuung ein Vertrauensverhältnis zu den Kindern aufzubauen, um sich diesen sexuell nähern zu können. Er erklärte daher, auf eine Entlohnung zu verzichten; E. H. und Y. A. bestanden jedoch auf Zahlung eines Entgelts. Seinem Therapeuten verschwieg er die Betreuungstätigkeit. Nachdem E. H. erfahren hatte, dass der Angeklagte mit seinem Sohn absprachewidrig einen Freund besucht und dabei geraucht und Bier getrunken hatte, beendete er den Kontakt mit dem Angeklagten.
Anfang Mai 2021 teilte der Angeklagte Y. A. in einer Textnachricht mit, die Familie „lieb“ zu haben; sie solle L. H. ausrichten, dass er ihn „nicht vergessen“ habe. Am 11. Juli 2021 meldete er sich erneut und bot sich als Kinderbetreuer an. Infolgedessen nahm ihn die Familie am 20. Juli 2021 erstmals wieder in Anspruch. Am 26. Juli 2021 bat Y. A. den Angeklagten, am nächsten Tag auf die Kinder aufzupassen.
Am 27. Juli 2021 holte der Angeklagte die Kinder vereinbarungsgemäß gegen 11 Uhr ab. Zunächst ging er mit ihnen auf einen in der Nähe ihres Zuhauses gelegenen Spielplatz. Anstatt wie vereinbart mit den Kindern zur Wohnung der Familie zurückzukehren und L. H. anschließend um 14.40 Uhr zu einem Termin bei einem Logopäden zu begleiten, fuhr der Angeklagte unter dem Vorwand, sein Mobiltelefon zuhause vergessen zu haben, mit den Kindern mit U-Bahn und Taxi zu seiner Wohnung in einer H. er Seniorenwohnanlage. Während der Taxifahrt umarmte der Angeklagte die Kinder und küsste sie auf Stirn und Wange. Mit der Mitnahme der Kinder in seine Wohnung verstieß er gegen die Betreuungsabrede. In den folgenden Stunden war der Angeklagte trotz zahlreicher Anrufe für die Eltern der Kinder unerreichbar. Erst um 14.45 Uhr antwortete er auf eine Textnachricht und nahm einen Anruf an, wobei er darauf verwies, sein Mobiltelefon zuhause vergessen zu haben. Die nachfolgenden permanenten weiteren Anrufe von E. H. und Y. A. nahm der Angeklagte nicht entgegen und war deshalb für die Erziehungsberechtigten nicht erreichbar. Diese wussten daher nicht, wo sich ihre Kinder aufhielten.
Am Nachmittag ging L. H. vor das Seniorenheim und zündete Böller, die ihm der Angeklagte gegeben hatte. Gegen 15.45 Uhr gingen der Angeklagte, der währenddessen hinzugekommen war, und der Junge in die Eingangshalle des Seniorenwohnheims, um mit dem Aufzug zu der im zweiten Obergeschoss gelegenen Wohnung zu fahren. Vor dem Fahrstuhl scherzte der Angeklagte mit dem Kind. Sodann schlug er dem neunjährigen Jungen mit der flachen Hand auf das bekleidete Gesäß und küsste ihn sexuell motiviert willentlich für wenige Sekunden auf den Mund, worauf dieser mit einem Kichern reagierte.
Nachdem Y. A. den Angeklagten nach zahlreichen erfolglosen Versuchen erneut telefonisch erreicht hatte, übergab er ihr die Kinder gegen 17 Uhr am H. er Hauptbahnhof.
Am Abend schickte der Angeklagte dem Vater der Kinder im betrunkenen Zustand eine unverständliche Sprachnachricht. Dieser suchte den Angeklagten, der sich aus seiner Wohnung ausgeschlossen hatte, auf und fuhr ihn zu einem Freund. Beim Abschied küsste der Angeklagte ihn mehrfach ins Gesicht und sagte ihm, dass er „eine tolle Familie“ habe. Außerdem sagte er zu E. H., dass er den „Po“ seines Sohnes „gestreichelt“ habe. Er korrigierte sich umgehend dahin, dass er den „Po“ lediglich „abgewischt“ habe.
Nach dieser, etwa sechsten Betreuung nahmen die Erziehungsberechtigten den Angeklagten nicht mehr in Anspruch. Folgeschäden waren bei L. H. nicht festzustellen (Fall II.1).
2. Nachdem die Angestellte des Seniorenwohnheims J., die den Vorfall vor dem Fahrstuhl beobachtet hatte, am 28. Juli 2021 bei der Polizei Anzeige erstattet hatte, wurde noch am selben Tag die Wohnung des Angeklagten durchsucht. Auf seinem Mobiltelefon fanden sich drei „Posing-Bilder“ von jeweils teilweise nackten Kindern. Auf seinem Laptop, seinem Computer und einem USB-Stick hatte der Angeklagte vier ungelöschte kinderpornographische Bilder und 47 ungelöschte kinderpornographische Videodateien gespeichert, die überwiegend schweren sexuellen Missbrauch (etwa Oral- und Analverkehr) von Jungen unter 14 Jahren zeigten. Der Angeklagte wusste, dass die auf den Bild- und Videodateien zu sehenden Jungen durchweg Kinder waren (Fall II.2).
3. Am 30. Juni, 10. und 13. Juli 2021 lud der Angeklagte insgesamt vier kinderpornographische Videodateien über eine Tauschbörse herunter, die er zeitgleich einer unbekannten Zahl anderer Nutzer zur Verfügung stellte. Es handelte sich jeweils um Videos, die den Oralund Analverkehr von Jungen unter 14 Jahren zeigten. Dem Angeklagten war bewusst, dass es sich durchweg um Kinder handelte. Er wusste auch, dass er mit dem Herunterladen der Videodateien der Tauschbörse diese zeitgleich anderen Nutzern zur Verfügung stellte (Fall II.3).
Die Revision des Angeklagten ist weitgehend unbegründet.
1. Die Verfahrensrüge dringt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht durch.
2. In sachlich-rechtlicher Hinsicht hat die Nachprüfung des Urteils lediglich bei der konkurrenzrechtlichen Bewertung einen durchgreifenden Rechtsfehler ergeben, der - wie vom Generalbundesanwalt beantragt - zu einer Änderung des Schuldspruchs und zum Wegfall der im Fall II.2 verhängten Einzelstrafe führt. Im Übrigen ist die Revision des Angeklagten unbegründet.
a) Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hält die Verurteilung des Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern der rechtlichen Nachprüfung stand.
Nach § 176 Abs. 1 Nr. 1 erste Alt. StGB macht sich strafbar, wer sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt. Nach der gesetzlichen Definition des § 184h Nr. 1 StGB sind sexuelle Handlungen nur solche, die im Hinblick auf das jeweils geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit sind. Danach müssen die inmitten stehenden Handlungen einen Sexualbezug aufweisen und dürfen in Bezug auf das von § 176 Abs. 1 StGB geschützte Rechtsgut (Möglichkeit ungestörter sexueller Entwicklung von Kindern) nicht nur unerheblich sein.
aa) Die Sexualbezogenheit der Handlungen des Angeklagten wird von den Feststellungen getragen.
(1) An einem Kind mit Körperkontakt vorgenommene Handlungen sind sexuelle Handlungen, wenn diese bereits objektiv, also allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild die Sexualbezogenheit erkennen lassen. Daneben können aber auch sogenannte ambivalente Tätigkeiten, die für sich betrachtet nicht ohne Weiteres einen sexuellen Charakter aufweisen, tatbestandsmäßig sein. Insoweit ist auf das Urteil eines objektiven Betrachters abzustellen, der alle Umstände des Einzelfalles kennt. Dazu gehören auch die Zielrichtung des Täters und seine sexuellen Absichten. Der notwendige Sexualbezug kann sich mithin etwa aus der den Angeklagten leitenden Motivation ergeben, seine sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen (vgl. BGH, Urteil vom 29. August 2018 - 5 StR 147/18 Rn. 15, NStZ-RR 2018, 341, 342; Beschluss vom 7. April 2020 - 3 StR 44/20 Rn. 13, StV 2021, 363 jeweils mwN).
(2) Gemessen daran hat das Landgericht die Sexualbezogenheit des Verhaltens des Angeklagten zu Recht bejaht.
Die an dem geschädigten Jungen vorgenommenen Handlungen des Angeklagten weisen schon nach dem äußeren Erscheinungsbild einen Sexualbezug auf. Zwar dauerte der Kuss des Angeklagten auf den Mund des Kindes lediglich wenige Sekunden; er währte aber auch nicht nur einen kurzen Moment (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 19. August 2015 - 5 StR 275/15 Rn. 3, 9, StV 2017, 36). Hinzu kommt, dass der Angeklagte dem neunjährigen Jungen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Kuss auf den Mund mit der flachen Hand auf das Gesäß schlug. Jedenfalls in der Zusammenschau lassen die Handlungen objektiv die erforderliche Sexualbezogenheit erkennen, zumal sich das - von einer Augenzeugin bezeichnenderweise als „obszön“ beschriebene - Geschehen nicht in breiter Öffentlichkeit abspielte, sondern in dem der Privatsphäre des Angeklagten unmittelbar vorgelagerten Zugangsbereich im Inneren der von ihm bewohnten Seniorenanlage.
Ungeachtet dessen belegen die folgenden Umstände die sexuelle Motivation der Handlungen des Angeklagten: erhebliche und einschlägige Vorstrafen; bestehendes pädophiles Interesse und Konsum kinderpornographischen Bild- und Filmmaterials im zeitlichen Zusammenhang mit dem Tatgeschehen; Bewerbung als Kinderbetreuer unter Vorspiegelung einer eigenen Familie; Verheimlichen des Kontaktes zu den Kindern vor seinem Psychotherapeuten; kein bestehendes Vertrauensverhältnis zu dem Geschädigten, das den Kuss auf den Mund verbunden mit einem Klaps auf das Gesäß als Ausdruck quasifamiliärer oder freundschaftlicher Zuneigung rechtfertigen könnte. Unter den gegebenen Umständen ist dem Verhalten des Angeklagten nach dem Urteil eines objektiven Betrachters der erforderliche Sexualbezug beizumessen.
bb) Die sexuell motivierten Handlungen des Angeklagten sind in Bezug auf das von § 176 Abs. 1 StGB geschützte Rechtsgut auch von einiger Erheblichkeit im Sinne des § 184h Nr. 1 StGB. Da es sich insoweit um eine Rechtsfrage handelt, unterliegt die Wertung des Landgerichts der umfassenden Prüfung durch den Senat (anders noch BGH, Beschluss vom 22. Januar 2013 - 5 StR 624/12).
(1) Als erheblich im Sinne von § 184h Nr. 1 StGB sind solche sexualbezogenen Handlungen anzusehen, die nach Art, Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des im jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsguts darstellen. Die Feststellung der Erheblichkeit erfordert eine Gesamtbetrachtung sämtlicher Umstände hinsichtlich der Gefährlichkeit der Handlung für das betroffene Rechtsgut. Bei Tatbeständen, die - wie § 176 Abs. 1 StGB - dem Schutz von Kindern und ihrer ungestörten sexuellen Entwicklung dienen, sind an das Merkmal der Erheblichkeit geringere Anforderungen zu stellen als bei Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung Erwachsener. Nur unter diesem Gesichtspunkt belanglose Handlungen wie kurze, flüchtige oder aus anderen Gründen unbedeutende Berührungen reichen insoweit nicht aus (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. Januar 2019 - 2 StR 490/18 Rn. 4, StV 2019, 550; vom 16. Mai 2017 - 3 StR 122/17 Rn. 5 f., NStZ 2017, 527; siehe auch OLG Zweibrücken NStZ 1998, 357 für einen Wangenkuss; LK/Hörnle, StGB, 12. Aufl., § 176 Rn. 9; MüKoStGB/Renzikowski, 4. Aufl., § 176 Rn. 31; Fischer, StGB, 70. Aufl., § 176 Rn. 6; Schönke/Schröder/Eisele, StGB, 30. Aufl., § 176 Rn. 3). In Grenzfällen bedarf es einer Gesamtbetrachtung aller für das gefährdete Rechtsgut wesentlichen Umstände, die insbesondere Art, Dauer und Intensität der Berührungen und den Handlungsrahmen in den Blick nimmt (BGH, Beschluss vom 24. Mai 2022 - 4 StR 72/22 Rn. 13 mwN; vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 20. März 2012 - 1 StR 447/11).
Dass der Gesetzgeber die Straftat des § 176 StGB durch das Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder vom 16. Juni 2021 (BGBl. I S. 1810) zu einem Verbrechen hochgestuft hat, bedingt es nicht, die Erheblichkeitsschwelle höher zu legen. Denn nach den Gesetzesmaterialien soll der Straftatbestand des § 176 StGB Kindern „absolute[n] Schutz“ vor sexuellen Handlungen gewähren (vgl. BT-Drucks. 19/23707, S. 38). Damit er diese Schutzfunktion besser entfalten kann, hat der Gesetzgeber ihn als Verbrechen eingeordnet (BT-Drucks. aaO, S. 2, 22). Stellte man aber im Hinblick auf den Verbrechenscharakter nun höhere Anforderungen an die Erheblichkeit im Sinne des § 184h Nr. 1 StGB, konterkarierte dies den Willen des Gesetzgebers. Aus der Einführung der Absehensmöglichkeit des § 176 Abs. 2 StGB folgt nichts anderes. Denn die Regelung ist mit Blick auf die notwendige sexuelle Entwicklung junger Menschen eingeführt worden und von daher auf Fälle beschränkt, bei denen Täter und Opfer annähernd gleichaltrig sind (BT-Drucks. aaO, S. 38). Die Einführung des Auffangtatbestandes des § 184i StGB wirkt sich ebenfalls nicht auf den Maßstab der Erheblichkeit im Sinne des § 184h Nr. 1 StGB aus (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2017 - 2 StR 574/16, NStZRR 2017, 277, 278).
(2) Danach hat das Landgericht auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu Recht angenommen, dass die sexuellen Handlungen des Angeklagten bezogen auf das von § 176 Abs. 1 StGB geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit im Sinne des § 184h Nr. 1 StGB waren.
Zwar waren die sexualbezogenen Handlungen in Form eines wenige Sekunden währenden Kusses auf den Mund des Kindes verbunden mit einem Schlag mit flacher Hand auf dessen Gesäß lediglich von kurzer Dauer. In ihrem Zusammenwirken gingen die beiden miteinander verknüpften sexuellen Handlungen aber nach Art und Intensität bezogen auf das geschützte Rechtsgut über bloß belanglose - im Sinne flüchtiger oder unbedeutender - Berührungen hinaus. Zudem war der Handlungsrahmen davon geprägt, dass der Angeklagte die Kinder abredewidrig in das von ihm bewohnte Seniorenheim mitnahm und sie dadurch dem Schutz ihrer Eltern entzog. Unter diesen Umständen war der neunjährige Geschädigte einer erheblich höheren Gefährdung durch sexuelle Übergriffe des Angeklagten ausgesetzt als bei der verabredeten Betreuung im öffentlichen Raum. Ob der geschädigte Junge den sexuellen Charakter der Handlungen erkannte, ist für das Merkmal der Erheblichkeit ohne Belang (BGH, Urteil vom 10. März 2016 - 3 StR 437/15, BGHSt 61, 173, 177 f.).
b) Die Verurteilung wegen Besitzes kinderpornographischer Inhalte hat hingegen keinen Bestand.
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift insoweit ausgeführt:
Indessen hat das Landgericht übersehen, dass der zeitgleiche Besitz von öffentlich zugänglich gemachten sowie darüberhinausgehenden kinderpornographischen Inhalten den Besitz von kinderpornographischen Inhalten mit jeder Verbreitungshandlung zu einer einheitlichen Tat verknüpft (hierzu näher BGH, Beschluss vom 15. Januar 2020 - 2 StR 321/19). Vorliegend ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe - insbesondere mit Blick auf den engen zeitlichen Zusammenhang sowie die Menge und den Umfang der aufgefundenen kinderpornographischen Inhalte -, dass der Angeklagte zu den Zeitpunkten, als er die unter II.3 abgeurteilten Dateien herunterlud, bereits über einen Großteil der kinderpornographischen Inhalte verfügte, die kurze Zeit später bei der Durchsuchung aufgefunden wurden. Für eine tatmehrheitliche Verurteilung wegen Besitzes ist deswegen kein Raum (vgl. BGH a.a.O.).
Der Senat schließt sich dem an und ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO ab. Dies zieht den Wegfall der im Fall II.2 verhängten Einzelstrafe nach sich. Im Übrigen ist der Strafausspruch rechtlich nicht zu beanstanden. Die festgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren kann bestehen bleiben, weil das Urteil insoweit nicht auf dem Rechtsfehler beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Das Landgericht hat eine Einsatzfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie für die drei Taten der Verbreitung kinderpornographischer Inhalte Einzelstrafen von zweimal einem Jahr zehn Monaten und zwei Jahren verhängt. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht bei dem Wegfall der für den Besitz kinderpornographischer Inhalte verhängten Einzelstrafe von zwei Jahren und vier Monaten eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe bestimmt hätte, zumal eine andere konkurrenzrechtliche Bewertung den Unrechtsgehalt regelmäßig unberührt lässt. Für die formellen Voraussetzungen der Maßregel hat sich das Landgericht nicht auf den Besitz kinderpornographischer Inhalte gestützt.
c) Der Maßregelausspruch weist keinen Rechtsfehler zuungunsten des Angeklagten auf.
Insbesondere hat das sachverständig beratene Landgericht die materiellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung (§ 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB) zutreffend dargelegt und die Erwartung hangbedingter Straftaten nach § 176 Abs. 1 StGB in Form von pädophilmotivierten „Hands on“-Sexualdelikten nach einer Gesamtwürdigung aller bedeutsamen Umstände rechtsfehlerfrei begründet. Seine Wertung, dass es sich bei den zu erwartenden Taten um erhebliche Straftaten im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB handelt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Erheblichkeit ergibt sich für Straftaten des sexuellen Missbrauchs von Kindern regelmäßig daraus, dass es sich um Verbrechen (§ 12 Abs. 1 StGB) handelt (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 1975 - 1 StR 501/75, NJW 1976, 300; LK/Peglau, StGB, 13. Aufl., § 66 Rn. 145, 157). Dass die Anlasstat die Erheblichkeitsschwelle des § 184h Abs. 1 StGB nur knapp überschritt, hat das Landgericht ersichtlich nicht aus dem Blick verloren; seine tragfähig begründete Erwartung hat es indes nicht auf genau solche Taten beschränkt (vgl. für leichteste Fälle des § 179 StGB aF BGH, Urteil vom 24. Mai 2018 - 4 StR 643/17 Rn. 21 f., BGHR StGB § 66 Abs. 1 Erheblichkeit 8; siehe auch BeckOK StGB/Ziegler, 56. Ed., § 66 Rn. 15). Auch der Umstand, dass bei dem Geschädigten keine Folgeschäden festzustellen waren, steht der Einordnung des sexuellen Missbrauchs von Kindern als erhebliche Straftat im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB nicht entgegen, zumal psychische Beeinträchtigungen typische Folgen sexuellen Missbrauchs von Kindern sind (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2007 31 32 33 - 1 StR 201/07 Rn. 36; vgl. auch BGH, Urteil vom 24. Mai 2018 - 4 StR 643/17 Rn. 20, aaO; Schönke/Schröder/Kinzig, aaO, § 66 Rn. 35).
3. Angesichts des nur geringfügigen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 512
Bearbeiter: Christian Becker