HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 387
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 228/21, Urteil v. 03.03.2022, HRRS 2022 Nr. 387
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 27. Januar 2021 werden verworfen.
Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt, die Kosten seines Rechtsmittels trägt der Angeklagte.
Die Kostenbeschwerde des Angeklagten wird auf seine Kosten verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 90 Euro verurteilt. Hiergegen richtet sich mit der Sachrüge die vom Generalbundesanwalt vertretene und wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, während der Angeklagte das Urteil mit Verfahrensbeanstandungen und der Rüge einer Verletzung materiellen Rechts sowie der Kostenbeschwerde angreift. Sämtliche Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.
In einem ersten Durchgang hatte das Landgericht Saarbrücken den Angeklagten mit Urteil vom 21. Februar 2019 wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat dieses Urteil mit Beschluss vom 8. Januar 2020 mit den Feststellungen aufgehoben, jedoch die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen mit Ausnahme derjenigen zum Untreueschaden bestehen lassen (vgl. Beschluss vom 8. Januar 2020 - 5 StR 366/19, NJW 2020, 628, in BGHSt 64, 246 teilweise abgedruckt).
Nach den teils bestandskräftigen, teils vom neuen Tatgericht zusätzlich getroffenen Feststellungen war der Angeklagte seit 1. Oktober 2014 verbeamteter Oberbürgermeister der Kreisstadt H. und durfte als solcher eigenständig Aufträge bis zu einer Höhe von 25.000 Euro vergeben. In Umsetzung eines Wahlkampfversprechens und nach Hinweisen auf straf- und arbeitsrechtliches Fehlverhalten von Mitarbeitern des städtischen Baubetriebshofs („Holzmafia“) beauftragte er Anfang Oktober 2015 eine Detektei mit der ab 1. November 2015 beginnenden Überwachung von mehreren verdächtigen Angestellten zu Stundensätzen von 100 bis 150 Euro/netto nebst Zuschlägen; der Vertrag war jederzeit kündbar. Er wurde am 4. November 2015 auf drei Detektive „aufgestockt“.
In einer Besprechung am 3. Dezember 2015 wurden von der Detektei die bisherigen Ermittlungsergebnisse sowie eine Abschlagsrechnung über erbrachte Leistungen in Höhe von 100.000 Euro netto präsentiert und die Fortdauer des Einsatzes empfohlen. Wie der Angeklagte erkannte, ergaben sich aus der umfangreichen bisherigen Überwachung keine tragfähigen Anhaltspunkte für das Bestehen einer „Holzmafia“ und kaum Hinweise auf sonstige arbeitsrechtliche Verstöße. Im Wissen darum, dass er damit seine internen Vergabebefugnisse weit überschritt, und unter billigender Inkaufnahme des Misserfolgs einer weiteren Überwachung sowie der arbeitsrechtlichen Unverwertbarkeit weiterer Informationen wegen datenschutzrechtlicher Unverhältnismäßigkeit ließ der Angeklagte den Vertrag fortlaufen und kündigte nicht sofort am 3. Dezember 2015.
Die weitere Überwachung von vier Mitarbeitern ab dem 4. Dezember 2015 bis zum Vertragsende am 18. Dezember 2015 erbrachte keinerlei Hinweise auf ein erhebliches Fehlverhalten der Überwachten (lediglich Arbeitszeitunterbrechungen von insgesamt 58 Minuten eines Mitarbeiters), weshalb sie - auch wegen Unverwertbarkeit aufgrund datenschutzrechtlicher Verstöße - wirtschaftlich wertlos waren. Für die ab dem 4. Dezember 2015 fortlaufende Überwachung zahlte die Stadt H. letztlich insgesamt 72.920,41 Euro; in dieser Höhe entstand ihr ein Vermögensschaden.
Bei der Strafzumessung ist das Landgericht wegen der Herbeiführung eines Vermögensverlustes großen Ausmaßes und eines Missbrauchs der Amtsträgerstellung vom Strafrahmen des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und 4 StGB ausgegangen. Diesen hat es nach § 13 Abs. 2 und § 46a Nr. 2 StGB, jeweils iVm § 49 Abs. 1 StGB, zweifach verschoben und bei der Strafzumessung im Einzelnen dem Angeklagten insbesondere zu Gute gehalten, dass er durch die Presseberichterstattung hohen psychischen Belastungen ausgesetzt gewesen sei. Die vom Landgericht als schuldangemessen festgesetzte Strafe von vier Monaten Freiheitsstrafe hat es gemäß § 47 Abs. 1 StGB, Art. 12 Abs. 1 EGStGB in eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen umgewandelt und die Tagessatzhöhe nach den Einkommensverhältnissen des Angeklagten mit 90 Euro bemessen.
Die Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.
1. Die Verfahrensbeanstandungen dringen nicht durch.
a) Die Rügen eines Verstoßes gegen § 243 Abs. 4 StPO zeigen keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf.
aa) Die Rüge eines Verstoßes gegen die Mitteilungspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO im Hinblick auf ein zwischen der Vorsitzenden und dem zuständigen Dezernenten der Staatsanwaltschaft am 6. April 2020 geführtes Telefonat ist unbegründet. In dem Telefonat fragte die Vorsitzende den Oberstaatsanwalt, ob er für einen gemeinsamen Besprechungstermin mit der Strafkammer und dem Verteidiger zur Verfügung stehe. Der Oberstaatsanwalt bejahte dies und teilte mit, er wolle bereits jetzt erklären, dass er mit einer Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO, wie vom Verteidiger vorgeschlagen, nicht einverstanden sei. Dies legte die Vorsitzende in einem zu den Akten gebrachten Vermerk nieder, der vor der Hauptverhandlung dem Verteidiger im Wege der Akteneinsicht und dem Angeklagten durch Übersendung einer Kopie des Aktenauszuges bekannt wurde. In der Hauptverhandlung teilte sie den Inhalt dieses Vermerks nicht mit.
Einen Rechtsfehler deckt die Revision damit nicht auf, denn Gegenstand des Telefongesprächs war nicht die Möglichkeit einer Verständigung, so dass es nicht der Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO unterfiel. Die Mitteilungspflicht greift ein, sobald bei außerhalb einer Hauptverhandlung geführten Gesprächen ausdrücklich oder konkludent die Möglichkeit und die Umstände einer Verständigung im Raum stehen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn Fragen des prozessualen Verhaltens in Konnex zum Verfahrensergebnis gebracht werden und damit die Frage nach oder die Äußerung zu einer Straferwartung naheliegt (BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 u.a., BVerfGE 133, 168 Rn. 85; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2020 - 2 BvR 900/19, NJW 2020, 2461; BGH, Beschluss vom 18. August 2021 - 5 StR 199/21, NStZ 2022, 55). So verhält es sich hier nicht.
Die Frage der Vorsitzenden zielte allein auf die Organisation eines gemeinsamen Gesprächs zwischen den Verfahrensbeteiligten hin. Die Äußerung des Oberstaatsanwalts in diesem Zusammenhang stellt lediglich eine einseitige Willensbekundung auf den - wie allseits bekannt (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 8. Januar 2020 - 5 StR 366/19 Rn. 42) - bereits im ersten Durchgang von der Verteidigung formulierten Vorschlag einer Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO dar, die als solche (eine Reaktion der Vorsitzenden hierauf wird auch von der Revision nicht bestimmt behauptet) nicht mitteilungsbedürftig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2020 - 5 StR 366/19 Rn. 42). An der inhaltlichen Richtigkeit des Vermerks der Vorsitzenden bestehen keine Zweifel, zumal nach der Äußerung des Oberstaatsanwalts - anders als möglicherweise in anderen Fällen - auch keine Reaktion der Vorsitzenden hierzu nahelag, denn ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft kommt eine Einstellung nach § 153a Abs. 2 StPO von vornherein nicht in Betracht. Die von der Revision in diesem Zusammenhang behauptete Verletzung von § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO liegt nicht vor, denn das Protokoll gibt den Verfahrensgang zutreffend wieder.
bb) Soweit die Revision das Fehlen einer sogenannten „Negativmitteilung“ nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO rügt, also einer ausdrücklichen Mitteilung der Vorsitzenden, dass keine Verständigungsgespräche stattgefunden hatten, schließt der Senat aus, dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler im Sinne von § 337 Abs. 1 StPO beruht. Denn auch nach dem Vortrag der Revision (insbesondere auch zu dem ausführlich dokumentierten und in der Hauptverhandlung mitgeteilten Erörterungstermin am 9. November 2020) kann der Senat ausschließen, dass es Gespräche über die Möglichkeit einer Verständigung gegeben hat (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 26. August 2014 - 2 BvR 2172/13, NStZ 2014, 592, 594; BGH, Beschlüsse vom 29. Januar 2014 - 1 StR 523/13, NStZ-RR 2014, 115; vom 25. Februar 2015 - 5 StR 258/13, NStZ 2015, 232 mwN).
b) Auch die Rüge eines Verstoßes gegen § 261 StPO, weil im Urteil die Bekundungen in der Hauptverhandlung als Zeugen gehörter Mitglieder des Vergabeausschusses nicht festgestellt und gewürdigt worden seien, bleibt erfolglos. Von seinem rechtlichen Standpunkt aus konsequent hat das Landgericht die Angaben der auf Antrag der Staatsanwaltschaft gehörten Zeugen für unbeachtlich erachtet. Was die Zeugen im Einzelnen ausgeführt haben, ist dem Revisionsgericht verschlossen, da eine Rekonstruktion derartiger Aussageinhalte in der Revisionsinstanz grundsätzlich nicht stattfindet.
Zu einer umfassenden Dokumentation der Beweisaufnahme im Urteil ist das Tatgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung nicht verpflichtet, sondern es soll das Beweisergebnis nur so weit erörtern, wie es für die Entscheidung von Bedeutung ist (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Mai 2018 - 3 StR 486/17). Dies gilt auch für die von der Revision vermisste Erörterung eingeführter Urkundeninhalte.
2. Auch die Sachrüge bleibt ohne Erfolg.
a) Der vom Generalbundesanwalt erwogene Verstoß gegen die Bindungswirkung des § 358 Abs. 1 StPO liegt nicht vor. Es handelte sich bei den Rechtsausführungen im Senatsbeschluss vom 8. Januar 2020 zur Prüfung eines möglichen Entfallens der Kausalität in einer neuen Hauptverhandlung nicht um solche mit Bindungswirkung, die im Sinne von § 358 Abs. 1 StPO der Aufhebung des früheren Urteils zugrunde lagen (vgl. hierzu näher KKStPO/Gericke, 8. Aufl., § 358 Rn. 6 mwN). Mit den Ausführungen musste sich die Strafkammer auch aus anderen Gründen nicht befassen, weil sich diese Frage angesichts der nunmehr neu getroffenen Feststellungen zur objektiven Wertlosigkeit der Überwachung ab dem 4. Dezember 2015 und des Vorsatzes des Angeklagten insoweit erledigt hatte.
b) Die Feststellungen des Landgerichts beruhen auf einer revisionsgerichtlich nicht zu beanstandenden Beweiswürdigung (vgl. zum Maßstab BGH, Beschluss vom 14. April 2020 - 5 StR 14/20, NJW 2020, 2741 mwN).
Dies gilt insbesondere auch, soweit das Landgericht von der erkannten Dürftigkeit der nach einmonatiger Überwachung am 3. Dezember 2015 vorliegenden Beweise gegen die überwachten städtischen Mitarbeiter auf den Eventualvorsatz des Angeklagten geschlossen hat, auch die weitere Überwachung werde nicht mehr erbringen. Die vom Tatgericht gezogenen Schlüsse müssen nur möglich sein; dass - wie von der Revision im Einzelnen aufgezeigt - bei der aufgezeigten Beweislage auch andere Schlüsse möglich gewesen wären, begründet keinen revisionsrechtlich beachtlichen Rechtsfehler (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2021 - 5 StR 236/21 mwN).
c) Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten zutreffend als Untreue durch Unterlassen angesehen.
Nachdem er den Auftrag einmal erteilt hatte, war der für das Vermögen der Stadt H. treupflichtige Angeklagte spätestens am 3. Dezember 2015 verpflichtet, das Vertragsverhältnis mit der Detektei mit sofortiger Wirkung zu kündigen. Denn zu diesem Zeitpunkt war nicht nur seine Zuständigkeit zur Auftragsvergabe überschritten, sondern die Überwachung hatte keine tragfähigen Ergebnisse erbracht; dies hatte der Angeklagte auch erkannt. Diese Treupflichtverletzung des Angeklagten erweist sich - wie das Landgericht zutreffend näher ausgeführt hat - wegen der im Vergleich zum verfolgten Zweck unangemessenen Höhe der Ausgaben, der Verletzung von Informations- und Mitteilungspflichten und der erheblichen Überschreitung seiner Entscheidungsbefugnisse auch als gravierend.
Ein pflichtgemäßes Verhalten hätte zur Folge gehabt, dass ab dem 4. Dezember 2015 keine weitere Überwachung mehr erbracht und abgerechnet worden wäre. Wie das Landgericht näher ausgeführt hat, musste die Stadt H. für die ab dem 4. Dezember 2015 erbrachten Leistungen letztlich insgesamt 72.920,41 Euro zahlen, so dass ihr mangels brauchbarer Kompensation in dieser Höhe ein Vermögensschaden entstanden ist.
Der Senat kann dabei offenlassen, ob sich die Wertlosigkeit der fortdauernden Überwachung aus einer Unverwertbarkeit der ab dem 4. Dezember 2015 erlangten Überwachungsergebnisse wegen Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen ergibt (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 19. Februar 2015 - 8 AZR 1007/13, NJW 2015, 2749). Denn nach den ebenfalls rechtsfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts waren die anschließenden Überwachungsleistungen mangels relevanter Ergebnisse wirtschaftlich wertlos. Der Angeklagte erkannte diese Möglichkeit spätestens am 3. Dezember 2015 und nahm sie billigend in Kauf. Dass der Angeklagte gleichwohl - ohne hinreichende Tatsachengrundlage - gehofft haben mag, die angesichts der bisherigen Abschlagsforderung ersichtlich erhebliche weitere Kosten verursachende Fortdauer des Auftrages werde dessen ungeachtet kompensationsfähige Ergebnisse erbringen, ließe den in dieser Konstellation ausreichenden Eventualvorsatz nicht entfallen (vgl. Fischer, StGB, 69. Aufl., § 266 Rn. 178 mwN).
Die Hinweise der Revision auf besondere Vorsatzanforderungen bei Risikogeschäften wie etwa Kreditvergaben verfangen nicht, da eine solche Konstellation nicht vorlag. Es ging vorliegend auch nicht um die Erteilung eines Überwachungsauftrags, dessen Erfolg im Vergabezeitpunkt naturgemäß ungewiss ist. Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts erkannte der Angeklagte vielmehr nach über einem Monat nahezu erfolgloser Rundumüberwachung mehrerer Mitarbeiter den Misserfolg seines Vorgehens und schritt lediglich deshalb nicht ein, weil er - unter Erfolgsdruck stehend - die nicht näher tatsachenbegründete Hoffnung hatte, doch noch Belege für eine „Holzmafia“ oder ähnliches zu finden, um angesichts der bereits investierten Summen nicht ohne Ergebnisse dazustehen. Urteilsfremdes Vorbringen der Revision in diesem Zusammenhang ist mangels einer zulässig erhobenen Verfahrensrüge ohne Belang (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 2021 - 5 StR 211/20).
d) Die Strafzumessung weist keinen Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten auf.
e) Der von der Revision vorgebrachte Verstoß gegen den Anspruch des Angeklagten auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK) durch die Pressearbeit der Staatsanwaltschaft besteht im Einklang mit den Ausführungen des Generalbundesanwalts nicht.
Die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg. Sie ist - wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat - gemäß ihrer Begründung wirksam auf den Strafausspruch beschränkt.
1. Insoweit gilt (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 2021 - 5 StR 545/20 mwN): Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatgericht eingeräumten Spielraums liegt. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen. In Zweifelsfällen muss das Revisionsgericht die vom Tatgericht vorgenommene Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen. Die Bewertungsrichtung und das Gewicht der Strafzumessungstatsachen bestimmt in erster Linie das Tatgericht, dem hierbei von Rechts wegen ein weiter Entscheidungs- und Wertungsspielraum eröffnet ist.
2. Fehler bei der Anwendung von § 13 Abs. 2 StGB liegen entgegen der vom Generalbundesanwalt geteilten Auffassung der Staatsanwaltschaft nicht vor.
Untreue kann auch durch Unterlassen der pflichtgemäß gebotenen Handlung begangen werden, wenn darin - wie hier vom Landgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt - der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit liegt; in diesem Fall findet § 13 Abs. 2 StGB Anwendung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. Januar 2015 - 1 StR 587/14, NJW 2015, 1190; und vom 3. Dezember 2013 - 1 StR 526/13, NStZ 2014, 158; vgl. zur Untreue durch Unterlassen auch BGH, Urteil vom 14. Juli 2021 - 6 StR 282/20, NStZ 2022, 109 Rn. 22). Bei der Prüfung, ob eine fakultative Strafrahmenverschiebung gemäß § 13 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB stattzufinden hat, ist eine wertende Gesamtbetrachtung aller strafzumessungsrechtlich beachtlichen Gesichtspunkte, insbesondere der wesentlichen unterlassensbezogenen, vorzunehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2013 - 1 StR 526/13 mwN). Welche Gesichtspunkte das Tatgericht dabei berücksichtigt, obliegt seiner wertenden Betrachtung; zu einer erschöpfenden Darlegung ist es nicht verpflichtet (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 2021 - 5 StR 545/20 mwN).
Vor dem Hintergrund der von der Strafkammer aufgeführten gewichtigen Milderungsgründe ist die Strafrahmenverschiebung nicht zu beanstanden. Der Senat besorgt nicht, dass dem Tatgericht dabei das Tatbild aus dem Blick geraten sein könnte, das - auch ohne dass dies nochmals ausdrückliche Erwähnung fand - jedenfalls in der vorliegenden Konstellation (Nichtbeendigung eines bereits laufenden Vertrages) im Vergleich zu einem aktiven Tun einen geringeren Handlungsunwert aufweist.
3. Auch die - vom Generalbundesanwalt nicht angegriffene - Anwendung des § 46a Nr. 2 StGB ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Eine Strafrahmenverschiebung nach § 46a Nr. 2 StGB iVm § 49 Ab.s 1 StGB setzt voraus, dass der Täter in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt. Die Regelung über den Täter-Opfer-Ausgleich knüpft an den Ausgleich der durch die Tat entstandenen materiellen Schäden an. Damit eine Schadenswiedergutmachung ihre friedenstiftende Wirkung entfalten kann, muss der Täter einen über eine rein rechnerische Kompensation hinausgehenden Beitrag erbringen. Dafür genügt die Erfüllung von Schadensersatzansprüchen allein nicht. Vielmehr muss sein Verhalten Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein (vgl. BGH, Urteil vom 9. August 2016 - 1 StR 121/16, wistra 2016, 486). Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll ein Täter-Opfer-Ausgleich dann anzunehmen sein, wenn die vollständige oder wenigstens teilweise Entschädigung des Opfers durch die persönliche Leistung oder den persönlichen Verzicht des Täters möglich geworden ist (BT-Drucks. 12/6853 S. 22).
b) Diese Voraussetzungen hat das Landgericht rechtsfehlerfrei bejaht: Nach seinen Feststellungen hat der Angeklagte einen Betrag in Höhe von 50.193,60 Euro hinterlegt und mit der Stadt H. vereinbart, dass dieser Betrag zur Schadenswiedergutmachung verwendet werden kann. Damit hat er den verursachten Schaden überwiegend wieder gut gemacht. Dies stellte angesichts seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse und der Tatsache, dass ihm aus der Tat kein eigener Vorteil zugeflossen ist, sondern sie im Gegenteil in der Folgezeit zu erheblichen persönlichen finanziellen Einbußen geführt hat, nach der rechtlich nicht zu beanstandenden Wertung des Landgerichts eine erhebliche persönliche Leistung dar. Weitergehende Vergleichsverhandlungen mit der Stadt H. sind noch nicht abgeschlossen. Nach einem bereits weitgehend verhandelten Entwurf will der Angeklagte weitere 30.000 Euro an die Stadt zahlen. In all dem hat die Strafkammer - rechtlich unbedenklich - eine Übernahme von Verantwortung gesehen.
4. Sonstige Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten weist die Strafzumessung nicht auf. Insbesondere ist es angesichts der besonderen Umstände des Einzelfalls entgegen der Auffassung der Revisionsführerin nicht zu beanstanden, dass das Landgericht den Beeinträchtigungen des besonders in der Öffentlichkeit stehenden Angeklagten durch die intensive Medienberichterstattung ein strafmilderndes Gewicht zugemessen hat. Denn auch insoweit ist es Sache des Tatgerichts, die Bewertungsrichtung und das Gewicht dieser möglichen Strafzumessungstatsache innerhalb des ihm zukommenden weiten Entscheidungs- und Wertungsspielraums zu bestimmen (vgl. hierzu allgemein BGH, Urteil vom 24. Juni 2021 - 5 StR 545/20 mwN; vgl. auch speziell zur Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen infolge von Medienberichterstattung im Rahmen der Strafzumessung BGH, Urteile vom 7. September 2016 - 1 StR 154/16, NJW 2016, 3670; und vom 23. August 2018 - 3 StR 149/18, StV 2019, 441 mwN).
Beachtliche Lücken in der Strafzumessung zeigt die Staatsanwaltschaft nicht auf. Entgegen ihrer Auffassung entfernt sich die verhängte Strafe bei Berücksichtigung aller Umstände auch nicht von ihrer Aufgabe, gerechter Schuldausgleich zu sein.
Die zulässig erhobene Kostenbeschwerde des Angeklagten bleibt ohne Erfolg. Das Landgericht hat ihm die Kosten des Verfahrens auferlegt und bestimmt, dass er von den Kosten des Revisionsverfahrens im ersten Durchgang ein Viertel, die Landeskasse dagegen drei Viertel sowie die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen hat. Diese Entscheidung entspricht dem Gesetz (vgl. § 465 Abs. 1, § 473 Abs. 4 StPO).
Dies gilt entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auch, soweit es um die Kosten des im ersten Verfahrensdurchgang erstinstanzlich tätigen Sachverständigen A. in Höhe von knapp 5.000 Euro geht. Ein Verstoß gegen § 465 Abs. 2 StPO liegt nicht vor. Der Sachverständige war vom Landgericht - ausgehend von einem anderen rechtlichen Ansatz - mit der Prüfung der Angemessenheit der mit der beauftragten Detektei vereinbarten Honorare beauftragt worden. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass die vereinbarten Honorare deutlich höher als die marktüblichen waren. Auch dies durfte als Indiz gegen den Angeklagten gewertet werden. Dass das Ergebnis des Sachverständigengutachtens zu Gunsten des Angeklagten ausgegangen sei (vgl. hierzu näher BGH, Urteil vom 7. November 1991 - 4 StR 252/91 aE), lässt sich damit nicht sagen.
HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 387
Bearbeiter: Christian Becker