HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 361
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 587/14, Beschluss v. 29.01.2015, HRRS 2015 Nr. 361
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Coburg vom 29. August 2014 aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen Untreue in 76 Fällen verurteilt ist und
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in 76 Fällen sowie wegen Betruges in 19 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.
Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Sein Rechtmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
Spätestens in den Jahren 2006/2007 geriet der als Rechtsanwalt tätige Angeklagte in finanzielle Schwierigkeiten. Die Einnahmen, die er durch den Betrieb seiner Einzelkanzlei erzielte, reichten zur Deckung des Lebensunterhaltes nicht mehr aus. Hinzu kam, dass der Angeklagte seinen Mandanten auf die gesetzlich vorgesehenen Rechtsanwaltsgebühren vielfach großzügige Nachlässe gewährte oder auf die Erhebung von Gebühren sogar ganz verzichtete. Finanzielle Engpässe überwand der Angeklagte in den Jahren 2006 und 2007 kurzfristig u.a. durch Privatdarlehen, die ihm aus dem Kreis seiner Familie gewährt wurden. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt war der Angeklagte vielfach mit der Geltendmachung von Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen aus Verkehrsunfällen, aber auch Erbschaftsund Unterhaltsansprüchen beauftragt. Für Geldzahlungen von Mandanten zur Weiterleitung an Dritte wie gleichermaßen zum Empfang von Geldern zur Weiterleitung an Mandanten nutzte der Angeklagte vier verschiedene Geschäftskonten; Anderkonten führte er nicht. Obwohl bei der Einrichtung der Konten keine Kontokorrentabreden getroffen wurden, gewährten die kontoführenden Banken dem Angeklagten im späteren Geschäftsverlauf dennoch nicht unerheblichen Dispositionskredit, was dazu führte, dass er die Konten häufig überzog. Der Angeklagte wusste, dass er berufsrechtlich verpflichtet war, für seine Mandanten eingegangene Gelder an diese bzw. von den Mandanten entrichtete Gelder an den bestimmungsgemäßen Empfänger unverzüglich weiterzuleiten. Gleichwohl entschloss er sich spätestens Ende des Jahres 2008, eingehende Gelder entgegen dieser Pflicht zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts und zur Aufrechterhaltung des Kanzleibetriebs auszugeben. In einer Vielzahl von Fällen verwendete der Angeklagte Gelder, um vordringliche Verbindlichkeiten gegenüber anderen Mandanten und Gläubigern zu erfüllen. Es entwickelte sich hieraus ein Kreislauf, der dazu führte, dass er Gelder entweder erheblich verspätet, unvollständig oder auch gar nicht an den bestimmungsgemäßen Empfänger auskehrte. In sämtlichen Fällen war der Angeklagte, wie er wusste, auch nicht in der Lage, die bestehenden Forderungen aus eigenen Mitteln zu erfüllen. Geldleistungen des Angeklagten erfolgten nur dann, wenn er Geld aus einem für einen anderen Empfänger bestimmten Zahlungseingang oder ein Darlehen eines Verwandten oder Bekannten erhalten hatte.
Die Feststellungen des landgerichtlichen Urteils belegen jeden einzelnen tatbestandsrelevanten Zahlungseingang auf den Geschäftskonten des Angeklagten nebst den zu dem jeweiligen Zeitpunkt bestehenden (Gesamt-) Verbindlichkeiten. Danach sind den Konten des Angeklagten insgesamt 77 Zahlungen zugeflossen, wobei der für den Empfänger bestimmte Gesamtbetrag mitunter in zwei oder auch drei Teilbeträgen geleistet wurde. Nicht festgestellt hat das Landgericht, ob den Zahlungsflüssen Anforderungsschreiben des Angeklagten - und wenn ja wie viele - zugrunde liegen.
Ab dem Jahr 2009 beschloss der Angeklagte, nachdem ihm seine Banken weiteren Kredit nicht mehr gewährten, seine Liquiditätsengpässe durch die Aufnahme von Krediten bei Verwandten, Freunden, Bekannten und Mandanten zu überbrücken. Um diese zur Überlassung von Geld zu bewegen, spiegelte er ihnen vor, er stecke in kurzfristigen Zahlungsschwierigkeiten. Dabei war ihm bewusst, dass er selbst vermögenslos war und auch in absehbarer Zeit nicht 5 6 mit den zur Rückführung nötigen Geldeingängen rechnen konnte. Gleichermaßen wusste er, dass ihm die Darlehen nur wegen seiner Berufsstellung als Rechtsanwalt oder aus freundschaftlicher Verbundenheit im Vertrauen auf seine Rückzahlungsfähigkeit gewährt wurden. Wie das Landgericht hervorhebt, kam es dem Angeklagten "allein darauf an, an die Darlehensbeträge zu gelangen" (UA S. 28), wobei er die Beträge teilweise zur Erfüllung aufgelaufener Verbindlichkeiten gegenüber Mandanten einsetzte. Den Darlehensgebern entstand Schaden in Höhe der jeweils ausgereichten Darlehenssumme; insgesamt belief sich das Darlehensvolumen auf etwa 182.000 Euro.
Die Ahndung der Untreue- und Betrugstaten ist nicht wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung ausgeschlossen (§ 78 Abs. 1 StGB). Die für Untreue und Betrug gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB geltende fünfjährige Verjährungsfrist war in keinem der zur Verurteilung gelangten Fälle abgelaufen.
1. Soweit der Angeklagte wegen Untreue verurteilt wurde (Ziffer C. I. des Urteils) kann dahinstehen, ob die Tatbegehung durch aktives Tun erfolgte und die Beendigung (§ 78a StGB) der Taten mit dem Verwenden der Gelder für eigene Zwecke eintrat oder ob sich dies bei Tatbegehung durch Unterlassen der Weiterleitung der Gelder (§ 13 StGB) jeweils auf denjenigen Zeitpunkt hinausschob, zu dem der Angeklagte den geschuldeten Betrag spätestens an den Berechtigten hätte weiterleiten müssen (vgl. dazu unten III. 2. b. cc.). Die Taten sind in sämtlichen Fällen auch unter Annahme aktiven Tuns als der im Rahmen dieser Prüfung für den Angeklagten günstigeren Begehungsform nicht verjährt, denn der Verjährungslauf wurde durch den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Coburg vom 10. April 2013 rechtzeitig unterbrochen (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB).
Die Unterbrechungswirkung von Untersuchungshandlungen erstreckt sich grundsätzlich auf alle verfahrensgegenständlichen Taten, wenn in einem Verfahren wegen mehrerer Taten im prozessualen Sinn ermittelt wird, es sei denn der - insoweit maßgebliche - Verfolgungswille der Strafverfolgungsbehörden ist erkennbar lediglich auf eine oder mehrere Taten beschränkt. Für die Bestimmung des Verfolgungswillens ist der Zweck der richterlichen Untersuchungsmaßnahme maßgeblich (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2000 - 5 StR 226/99, NStZ 2000, 427, 428 f.; Beschluss vom 27. Mai 2003 - 4 StR 142/03, NStZ 2004, 275 mwN; Urteil vom 22. August 2006 - 1 StR 547/05, NStZ 2007, 213, 215 mwN; Beschluss vom 8. Februar 2011 - 1 StR 490/10, BGHSt 56, 146, 152 f.; Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 StR 524/10, NJW 2011, 2310, 2311). Hier ergibt sich die Unterbrechungswirkung bereits aus dem Wortlaut des Durchsuchungsbeschlusses. Denn dieser erfasste alle Handlungen des Angeklagten, durch welche er unter Verstoß gegen seine Pflichten als Rechtsanwalt von oder für Mandanten vereinnahmte Gelder nicht (rechtzeitig) weitergeleitet oder zweckentfremdet hat. Durch diese zusammenfassend kennzeichnenden Merkmale waren die Verdachtslage und der Umfang der Untersuchung hinreichend bestimmt dargelegt. Die umschriebene Begehungsweise genügt dem Bedürfnis, die von der Unterbrechung betroffenen Taten von denkbar ähnlichen oder gleichartigen Vorkommnissen, auf die sich die Verfolgung nicht bezog, zu unterscheiden (vgl. BGH, Urteile vom 20. Mai 1969 - 5 StR 658/68, BGHSt 22, 375, 385; vom 14. Juni 2000 - 3 StR 94/00, BGHR StGB § 78 Abs. 1 Tat 3; und vom 22. August 2006 - 1 StR 547/05, NStZ 2007, 213, 215 mwN). Die unter Ziffer C. I. des Urteils dargestellten Fälle waren damit alle von der verjährungsunterbrechenden Wirkung erfasst.
2. In den Fällen des Betruges (Ziffer C. II. des Urteils) begann die Verfolgungsverjährung mit der durch den jeweiligen Zahlungseingang beim Angeklagten eintretenden Tatbeendigung (§ 78a StGB). Der Verjährungslauf wurde hinsichtlich der Betrugstaten spätestens durch den - alle Taten erfassenden - Haftbefehl des Amtsgerichts Kronach vom 20. Januar 2014 unterbrochen (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StGB).
Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge teilweise Erfolg.
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges in 19 Fällen erweist sich im Ergebnis als rechtsfehlerfrei.
Soweit das Landgericht bei der Festsetzung der Einzelstrafen den unter Ziffer C. II. 8. festgestellten Fall als Ziffer C. II. 14. bezeichnet hat (UA S. 58), handelt es sich um ein offensichtliches Schreibversehen; tatsächlich hat das Landgericht auch in diesem Fall eine Einzelfreiheitsstrafe von neun Monaten verhängt. Durch die auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht naheliegende Bejahung der Voraussetzungen des § 46a StGB ist der Angeklagte nicht beschwert.
2. Die Verurteilung wegen Untreue in 76 Fällen hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung jedoch nicht stand.
a) Ein in diesem Umfang zur Aufhebung des Urteils führender Rechtsfehler liegt bereits darin, dass sich aus den Urteilsgründen nicht ergibt, welche der dort dargelegten Fälle dem Schuldspruch zugrunde liegen. In der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage wurden dem Angeklagten bei identischer Schilderung des strafrechtlich relevanten Lebenssachverhalts 75 Fälle der Untreue vorgeworfen. Die Anzahl der festgestellten Zahlungseingänge bei dem Angeklagten, welche das Landgericht unterschiedslos als eigenständige Taten bewertet hat, beläuft sich auf 77 Fälle. Verurteilt hat das Landgericht den Angeklagten aber in 76 Fällen. Lässt sich - wie hier - nicht eindeutig erkennen, welche der festgestellten Taten zur Verurteilung geführt haben, führt dies zur Aufhebung des Urteils bereits im Schuldspruch, denn bei der Tenorierung der Anzahl der dem Angeklagten zur Last liegenden Fälle handelt es sich um eine sachlich-rechtliche Aussage, die der Berichtigung nur in Ausnahmefällen zugänglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 16. Oktober 1952 - 5 StR 480/52, BGHSt 3, 245; Beschluss vom 17. März 2000 - 2 StR 430/99, NStZ 2000, 386). Ein solcher Ausnahmefall im Sinne eines offensichtlichen Schreib- oder Zählfehlers liegt hier nicht vor. Auch einer Auslegung, durch welche Klarheit über die abgeurteilten Fälle gewonnen werden könnte, sind die Feststellungen bei der vorliegenden Sachlage nicht zugänglich.
b) Ohnehin hat das Landgericht bei der konkurrenzrechtlichen Bewertung des festgestellten Geschehens einen rechtsfehlerhaften Maßstab angelegt.
aa) Ein Rechtsanwalt, der sich im Rahmen eines bestehenden Anwaltsvertrages zur Weiterleitung bestimmte Fremdgelder auf sein Geschäftskonto einzahlen lässt und weder uneingeschränkt bereit noch jederzeit fähig ist, einen entsprechenden Betrag aus eigenen flüssigen Mitteln vollständig auszukehren, macht sich der Untreue in der Variante des Treuebruchtatbestandes (§ 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB) strafbar (vgl. BGH, Urteile vom 16. Dezember 1960 - 4 StR 401/60, BGHSt 15, 342, 344; und vom 27. Januar 1988 - 3 StR 61/87, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 8; Beschlüsse vom 25. Juli 1997 - 3 StR 179/97, NStZ-RR 1997, 357; vom 30. Oktober 2003 - 3 StR 276/03, NStZ-RR 2004, 54; und vom 24. Juli 2014 - 2 StR 221/14, wistra 2015, 27, 28). Für den Mandanten oder einen von diesem bestimmten Empfänger eingehende Gelder hat er unverzüglich zu übermitteln oder, falls dies ausnahmsweise nicht sofort durchführbar ist, den Mandanten hiervon sofort in Kenntnis zu setzen und dafür besorgt zu sein, dass ein dem Geldeingang entsprechender Betrag bei ihm jederzeit für den Berechtigten zur Verfügung steht (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 1960 - 4 StR 544/59, NJW 1960, 1629 mwN). Hierauf hat das Landgericht auch zutreffend abgestellt. Das verwendete Geschäftskonto des Angeklagten war häufig überzogen, so dass eingehende Fremdgelder unmittelbar mit Eingang auf dem Konto dem Ausgleich des Solls dienten; teilweise verwendete der Angeklagte die Gelder zum Ausgleich anderer Verbindlichkeiten. Beides reicht für die Annahme einer Untreue in der Form des Treuebruchs aus. Die Feststellungen belegen damit allerdings nicht nur, wie das Landgericht meint, den Eintritt einer schadensgleichen Vermögensgefährdung. Mit der Kontokorrentbuchung der Bank oder dem Abfluss des Zahlungseingangs vom Konto ist bei dem Berechtigten bereits ein endgültiger Vermögensschaden eingetreten (vgl. BGH, Urteil vom 29. August 2008 - 2 StR 587/07, BGHSt 52, 323, 336 ff.).
bb) Indes ist auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen die Bestimmung der Anzahl der verwirklichten Taten nicht möglich. Sie belegen nicht, ob die Zahlungen, die in zwei oder drei Teilbeträgen erfolgten und zu unterschiedlichen Zeitpunkten auf den Geschäftskonten des Angeklagten eingingen, auf ein oder mehrere Anspruchsschreiben des Angeklagten zurückgehen. Sollte sich die Tathandlung des Angeklagten in einer einmaligen Zahlungsaufforderung unter Angabe seines Geschäftskontos für zu leistende Zahlungen erschöpfen, würde dies ungeachtet der Anzahl der daraufhin erhaltenen Zahlungen nicht die Annahme von Tatmehrheit rechtfertigen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Juli 1997 - 3 StR 179/97, NStZ-RR 1997, 357; und vom 24. Juli 2014 - 2 StR 221/14, wistra 2015, 27, 28).
cc) Untreue kann durch den Rechtsanwalt durch aktives Tun wie auch durch Unterlassen begangen werden. Verwirklicht er den Tatbestand ausschließlich dadurch, dass er pflichtwidrig dem Mandanten oder einem Dritten zustehende Gelder nicht weiterleitet, sondern auf seinem Geschäftskonto belässt, so ist hierauf die Strafmilderungsvorschrift des § 13 Abs. 2 StGB anwendbar, denn der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit liegt hier in einem Unterlassen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juli 1997 - 3 StR 179/97, NStZ-RR 1997, 357). Die Unterscheidung zwischen den Begehungsformen hat sich daran zu orientieren, ob zu dem bloßen Gelderhalt ein Tätigwerden des Rechtsanwalts (Anfordern des Geldes, Verwenden des Geldes zu eigenen Zwecken, Ableugnen des Zahlungseingangs) hinzutritt oder sich der Vorwurf in dem bloßen Untätigbleiben nach Zahlungserhalt erschöpft.
Die Bewertung der Konkurrenzen bleibt von der Begehungsform allerdings unberührt. Der Verwirklichung des Treuebruchtatbestands (§ 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB) durch Unterlassen stünde die fortgesetzte Leistungsunfähigkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Entstehung der jeweiligen Zahlungspflicht nicht entgegen, denn er ist verpflichtet, für seine Leistungsfähigkeit zu den verschiedenen Zahlungszeitpunkten Sorge zu tragen (Rechtsgedanke der omissio libera in causa, vgl. BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2013 - 1 StR 526/13, NStZ 2014, 158, 159; vgl. im Kontext von § 266a StGB BGH, Beschluss vom 28. Mai 2002 - 5 StR 16/02, BGHSt 47, 318, 320).
c) Die vorstehenden Erwägungen führen zur Aufhebung der Verurteilung wegen Untreue in 76 Fällen und der Gesamtstrafe.
Der Aufhebung der zugrunde liegenden Feststellungen bedarf es nicht, weil sie von dem zur Urteilsaufhebung führenden Rechtsfehler nicht betroffen sind und auch sonst rechtsfehlerfrei getroffen wurden. Der neue Tatrichter ist nicht gehindert, ergänzende Feststellungen zu treffen, soweit diese nicht in Widerspruch zu den bisherigen stehen. Er wird aber auch zu bedenken haben, dass die Umstellung von mehreren auf eine geringere Anzahl an Taten für sich genommen - soweit nicht Unterlassungstaten angenommen werden - den Schuldumfang unberührt lässt. Den auf der Grundlage des neu gefassten Schuldspruchs festzusetzenden Einzelstrafen wären gegebenenfalls höhere Schadensbeträge zugrunde zu legen und bei der Bestimmung der Einzelstrafen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. März 2008 - 5 StR 594/07, NStZRR 2008, 168, 169). An der Erhöhung der Einzelstrafen ist der neue Tatrichter nicht gehindert; das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) steht dem nicht entgegen. Zu beachten ist lediglich, dass jeweils die Summe der bisherigen Einzelstrafen bei der Bemessung der neuen Einzelstrafen nicht überschritten wird (vgl. BGH, Beschluss vom 19. November 2002 - 1 StR 313/02, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12). Ferner darf die neu zu bildende Gesamtstrafe nicht höher sein als die bisherige (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 7. März 1989 - 5 StR 575/88, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 3; Beschlüsse vom 6. Oktober 1995 - 3 StR 346/95, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 7; und vom 19. November 2002 - 1 StR 313/02, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12).
Schließlich bleibt im Hinblick auf die unter C. I. 26. festgestellte Tat im Falle unveränderter konkurrenzrechtlicher Bewertung - und damit dem Fortbestehen der Schadenshöhe von 25 Euro - anzumerken, dass bei der Prüfung der Regelwirkung der § 266 Abs. 2, § 243 Abs. 2, § 248a StGB nicht auf die Höhe des tatsächlichen Schadens, sondern auf die Vorstellung des Angeklagten abzustellen ist (vgl. BGH, Urteil vom 1. Februar 1995 - 2 StR 657/94).
HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 361
Externe Fundstellen: NJW 2015, 1190; NStZ 2015, 517 ; StV 2015, 439
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel