HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 1296
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 319/22, Beschluss v. 12.10.2022, HRRS 2022 Nr. 1296
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 23. Mai 2022 wird als unzulässig verworfen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unzulässig verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten im zweiten Rechtsgang wegen schwerer Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen das am 23. Mai 2022 in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Angeklagte mit am 7. Juli 2022 bei dem Landgericht eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers Revision eingelegt, das Rechtsmittel begründet und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Revisionseinlegung beantragt.
1. Der Wiedereinsetzungsantrag ist unzulässig. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift vom 24. August 2022 ausgeführt:
„a) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auf Antrag demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden gehindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Abs. 1 StPO). Der Antrag ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO). Innerhalb der Wochenfrist muss der Antragsteller, sofern sich - wie hier - die Wahrung der Frist des § 45 Abs. 1 StPO nicht offensichtlich aus den Akten ergibt, auch Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses machen (BGH, Beschlüsse vom 12. Januar 2021 - 3 StR 422/20, juris Rn. 3; vom 13. Januar 2016 - 4 StR 452/15, juris Rn. 2).
An dieser Zulässigkeitsvoraussetzung fehlt es. Der Antrag vom 7. Juli 2022 enthält keine ausreichenden Angaben dazu, wann das Hindernis weggefallen ist, das der Fristwahrung entgegenstand. Entscheidend für den Fristbeginn ist der Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den Angeklagten, auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Verteidigers kommt es hingegen nicht an (Senat, aaO mwN). Dies gilt selbst dann, wenn der Verteidiger ein eigenes Verschulden geltend, das dem Angeklagten nicht zuzurechnen wäre (BGH, Beschlüsse vom 4. August 2010 - 2 StR 365/10, juris Rn. 3; vom 8. Dezember 2011 - 4 StR 430/11, juris Rn. 4). Wann dem Angeklagten die Versäumung der Revisionseinlegungsfrist bekannt geworden ist, wird indes nicht vorgetragen und ergibt sich auch nicht aus dem Inhalt der Akten. Den Sachakten ist vielmehr zu entnehmen, dass der Vorsitzende am 22. Juni 2022 die Übersendung einer Urteilsausfertigung mit Rechtskraftvermerk an den Angeklagten und dessen Verteidiger verfügt hat. Aus dem auf dieser Verfügung angebrachten Erledigungsvermerk ergibt sich, dass die Absendung am 28. Juni 2022 erfolgt ist (Bd. IV, Bl. 868). Bei üblicher Postlaufzeit von einem Werktag (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2012 - 1 StR 341/12; BFH, Urteil vom 21. April 2021 - XI R 42/20, juris Rn. 15; https://www.deutschepost.de/de/q/qualitaet_gelb.html) ist mithin nicht fernliegend, dass der Angeklagte das schriftliche Urteil bereits am 29. Juni 2022 erhalten hat, sodass die Wochenfrist des § 45 Abs. 1 StPO am 6. Juli 2022 abgelaufen wäre. Gegen die Einhaltung der normalen Postlaufzeit spricht vorliegend auch nicht der Vortrag des Verteidigers, er habe erst am 7. Juli 2022 „Kenntnis vom übersandten Urteil mit Rechtskraftvermerk erhalten“ (Bd. IV, Bl. 886 f.). Denn - abgesehen davon, dass es auf die Kenntnisnahme des Verteidigers nicht ankommt - bedeutet dies schon nicht, dass die Urteilsausfertigung dem Verteidiger erst an diesem Tag zugegangen ist.
b) Anhaltspunkte für einen zur Wiedereinsetzung von Amts wegen nötigenden „offenkundigen Mangel“ der Verteidigung (vgl. EGMR, NJW 2003, 1229; BGH, Beschlüsse vom 12. Januar 2021 - 3 StR 422/20, NStZ-RR 2021, 112; vom 7. August 2019 - 3 StR 165/19, NStZ-RR 2019, 349; vom 5. Juni 2018 - 4 StR 138/18, BGHR MRK Art. 6 Abs. 3 Buchst. c Beschränkung 3) liegen nicht vor.“
Dem schließt sich der Senat an. Der Schriftsatz des Verteidigers vom 21. September 2022, mit dem er vorträgt, dass der Angeklagte noch am 8. Juli 2022 keine Kenntnis von der unterbliebenen Revisionseinlegung gehabt habe, vermag hieran nichts zu ändern. Die Angabe des Zeitpunkts, in dem das Hindernis entfallen ist, muss - als Zulässigkeitsvoraussetzung des Wiedereinsetzungsantrags - innerhalb der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO erfolgen und kann nicht nachgeholt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 1. September 2020 - 2 StR 45/20; Beschluss vom 23. April 1996 - 1 StR 99/96).
2. Die Revision des Angeklagten ist als unzulässig zu verwerfen (§ 349 Abs. 1 StPO), da sie nicht innerhalb der Frist des § 341 Abs. 1 StPO und damit verspätet eingelegt worden ist.
HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 1296
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede