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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 450

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 436/21, Beschluss v. 17.02.2022, HRRS 2022 Nr. 450


BGH 4 StR 436/21 - Beschluss vom 17. Februar 2022 (LG Bielefeld)

Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften (Konkurrenzen: Herstellen, Drittbesitzverschaffung); Beschränkung der Verfolgung (Verfolgungsverjährung); Teileinstellung bei mehreren Taten.

§ 184b StGB a.F.; § 154a Abs. 2 StPO; § 154 Abs. 2 StPO

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 16. Juni 2021 wird

a) das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, soweit die Angeklagte in den Fällen II. 2 - 4, 6, 9 - 11, 14 - 17 und 19 der Urteilsgründe verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse zur Last;

b) die Strafverfolgung in Fall II. 5 der Urteilsgründe gemäß § 154a Abs. 2 StPO auf den Tatvorwurf des sexuellen Missbrauchs eines Kindes beschränkt;

c) das vorbezeichnete Urteil

aa) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass die Angeklagte des sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen sowie des sexuellen Missbrauchs eines Kindes in acht Fällen, davon in fünf Fällen in Tateinheit mit Herstellen und mit Drittbesitzverschaffen kinderpornographischer Schriften, schuldig ist; die in den Fällen II. 8, 13, 32 und 33 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen entfallen;

bb) aufgehoben im Ausspruch über die Einzelstrafe in Fall II. 5 der Urteilsgründe und im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision der Angeklagten wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagte ? unter Freispruch im Übrigen ? wegen „sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen sowie wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in 24 Fällen in Tateinheit mit Herstellung kinderpornographischer Schriften in 22 Fällen, dies wiederum in Tateinheit mit Drittbesitzverschaffung kinderpornographischer Schriften in 18 Fällen“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt.

Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit ihrer auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt zu einer teilweisen Einstellung und Beschränkung des Verfahrens und hat im verbleibenden Umfang mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Die Verfahrensrüge ist aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift aufgeführten Erwägungen jedenfalls unbegründet.

II.

1. Auf Antrag des Generalbundesanwalts stellt der Senat das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO aus prozessökonomischen Gründen ein, soweit die Angeklagte in den Fällen II. 2 - 4, 6, 9 - 11, 14 - 17 und 19 der Urteilsgründe wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit Herstellen kinderpornographischer Schriften, in den Fällen 6, 9 - 11, 14 - 17 und 19 der Urteilsgründe außerdem in Tateinheit mit Drittbesitzverschaffen kinderpornographischer Schriften verurteilt worden ist.

2. Im Fall II. 5 der Urteilsgründe beschränkt der Senat ebenfalls aus prozessökonomischen Gründen die Strafverfolgung nach § 154a Abs. 2 StPO mit Zustimmung des Generalbundesanwalts auf den Tatvorwurf des sexuellen Missbrauchs eines Kindes gemäß § 176 Abs. 4 Nr. 2 StGB idF vom 21. Januar 2015. Bei dem tateinheitlich ausgeurteilten Delikt des Herstellens kinderpornographischer Schriften gemäß § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB idF vom 21. Januar 2015 ist Verfolgungsverjährung eingetreten. Den Urteilsgründen ist auch nicht zu entnehmen, dass die Angeklagte die Lichtbilder in unverjährter Zeit noch besaß. Damit war für eine entsprechende Schuldspruchänderung (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 4. Februar 2020 - 5 StR 657/19) kein Raum.

3. Der verbleibende Schuldspruch hält der rechtlichen Überprüfung auf die Sachrüge nicht in vollem Umfang stand.

Die konkurrenzrechtliche Bewertung der Fälle II. 7 und 8 der Urteilsgründe als tatmehrheitliche Vergehen des sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit Herstellen und mit Drittbesitzverschaffung kinderpornographischer Schriften gemäß § 184b Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB idF vom 21. Januar 2015 wird von den Feststellungen nicht getragen. Danach fertigte die Angeklagte die beiden Bilder der Geschädigten, die sie in vergleichbarer Situation zeigen, innerhalb weniger Minuten. Aufgrund des engen situativen und zeitlichen Zusammenhangs ist von einer Tat im materiellrechtlichen Sinne auszugehen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2014 - 4 StR 342/14 mwN). Dies gilt ebenso für die konkurrenzrechtliche Bewertung in den Fällen II. 12 und 13 sowie II. 31 - 33 der Urteilsgründe.

Der Senat ändert den Schuldspruch - über die Teileinstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO und die Beschränkung gemäß § 154a Abs. 2 StPO hinaus - in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO entsprechend ab. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich die insoweit geständige Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

4. Die Teileinstellung des Verfahrens führt zum Wegfall der Einzelstrafen in den Fällen II. 2 - 4, 6, 9 - 11, 14 - 17 und 19; außerdem entfallen aufgrund der geänderten konkurrenzrechtlichen Bewertung die Einzelstrafen in den Fällen II. 8, 13, 32 und 33 der Urteilsgründe. Der Senat hebt ferner im Anschluss an die Beschränkung nach § 154a Abs. 2 StPO die Einzelstrafe im Fall II. 5 der Urteilsgründe auf, denn das Landgericht hat die tateinheitliche Verwirklichung von zwei Tatbeständen ausdrücklich strafschärfend berücksichtigt. Der Wegfall der vorgenannten Einzelstrafaussprüche bedingt die Aufhebung der Gesamtstrafe.

Die Einzelstrafe in Fall II. 5 der Urteilsgründe sowie die Gesamtstrafe müssen daher erneut zugemessen werden. Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen sind insoweit möglich, soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch treten.

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 450

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß