HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1283
Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 349/21, Beschluss v. 26.10.2021, HRRS 2021 Nr. 1283
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Münster vom 12. Februar 2021 im Einzelstrafausspruch im Fall II. 2 der Urteilsgründe und im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Einbeziehung der Strafe aus einer Vorverurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung, tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Körperverletzung in zwei (tateinheitlichen) Fällen, mit tätlicher Beleidigung und Beleidigung sowie wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort und Freiheitsberaubung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch sowie zu den Strafaussprüchen in den Fällen II. 1 und II. 3 der Urteilsgründe keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
2. Der Strafausspruch im Fall II. 2 der Urteilsgründe hält hingegen der sachlich-rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat unter Ablehnung eines minder schweren Falls den Strafrahmen des § 224 Abs. 1 StGB von einem Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe angewendet, obgleich es den Angeklagten in diesem Fall nur wegen (zweifacher) Körperverletzung nach § 223 StGB verurteilt hat. Richtigerweise hätte die Strafkammer ihrer Bemessung den Strafrahmen des § 114 Abs. 1 StGB von drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe zugrunde legen müssen (§ 52 Abs. 2 StGB).
Der Senat vermag ungeachtet der maßvollen Einzelstrafe von einem Jahr und vier Monaten ein Beruhen des Urteils auf diesem Rechtsfehler nicht gänzlich auszuschließen. Er setzt sich auch darin fort, dass die Strafkammer dem Angeklagten zugleich angelastet hat, einen Straftatbestand mit erhöhter Mindeststrafe verwirklicht zu haben. In dieser strafschärfenden Berücksichtigung des anwendbaren Strafrahmens des § 114 Abs. 1 StGB liegt ein Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB. Denn das Landgericht wertet damit zu Lasten des Angeklagten, dass er diese Tat überhaupt begangen hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Februar 2021 - 4 StR 495/20 Rn. 9; vom 6. Dezember 2018 - 1 StR 186/18 Rn. 8; vom 25. April 2017 - 3 StR 81/17 Rn. 5; vom 10. Mai 2016 - 1 StR 669/15 Rn. 6 und vom 9. Dezember 2014 - 3 StR 502/14 Rn. 3).
3. Die Aufhebung des Einzelstrafausspruchs zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Der Maßregelausspruch nach den §§ 69, 69a StGB kann bestehen bleiben, weil er an den rechtsfehlerfreien Schuldspruch im Fall II. 3 der Urteilsgründe anknüpft. Zudem verbleibt es bei der abgelehnten Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB).
Die Feststellungen sind von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen und bleiben daher aufrechterhalten (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit diese nicht mit den bisherigen in Widerspruch stehen.
HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1283
Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß