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HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 1142

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 239/18, Urteil v. 25.10.2018, HRRS 2018 Nr. 1142


BGH 4 StR 239/18 - Urteil vom 25. Oktober 2018 (LG Landau)

Besonders schwere Vergewaltigung (Verwenden einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs „bei der Tat“ liegt in zeitlicher Hinsicht; Einsatz der Waffe oder des gefährlichen Werkzeuges gerade als Nötigungsmittel nicht erforderlich; Definition: schwere körperliche Misshandlung); Adhäsionsantrag (Prozesszinsen: Andeutung der Abkehr von bisheriger Rechtsauffassung).

§ 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB; § 404 Abs. 2 Satz 1 und 2 StPO; § 187 Abs. 1 BGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Das Verwenden einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs „bei der Tat“ liegt in zeitlicher Hinsicht vor, wenn das gefährliche Werkzeug zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Versuchsbeginn und Beendigung der Tat eingesetzt wird.

2. Die Erfüllung der Qualifikation setzt nicht voraus, dass die Waffe oder das gefährliche Werkzeug gerade als Nötigungsmittel eingesetzt wird, es reicht der Einsatz als Werkzeug bei der sexuellen Handlung. Dafür genügt es auch, wenn ein „einheitlicher Vorgang mit Sexualbezug“ vorliegt.

3. Der Senat braucht unter diesen Umständen nicht zu entscheiden, ob nach der Neufassung des § 177 StGB durch das 50. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches vom 4. November 2016 nicht jegliche Verwendung einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs im Zeitraum zwischen Versuchsbeginn und Beendigung der Tat auch ohne Nötigungswirkung und sexuellen Bezug ausreicht, die Qualifikation des § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB zu erfüllen.

4. Nach den Feststellungen kommt zudem das Vorliegen des Qualifikationsmerkmals der schweren körperlichen Misshandlung in Betracht. Ausreichend dafür ist es, dass die körperliche Integrität des Opfers „bei der Tat“ in einer Weise verletzt wird, die mit erheblichen Schmerzen verbunden ist.

5. Der Senat neigt unter Aufgabe seiner früher vertretenen Rechtsauffassung dazu, dass gemäß § 404 Abs. 2 Satz 1 und 2 StPO Prozesszinsen ohne Rücksicht auf § 187 Abs. 1 BGB bereits ab dem Tag geschuldet werden, an dem der Adhäsionsantrag bei Gericht eingeht (so auch der 1. und 3. Strafsenat). Dem steht allerdings Rechtsprechung des 5. Strafsenats entgegen.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 1. Dezember 2017 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleibt die Adhäsionsentscheidung bestehen.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorgenannte Urteil im Adhäsionsausspruch hinsichtlich des Zinsausspruchs mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels, die insoweit durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und die der Neben- und Adhäsionsklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt sowie ein Einhandmesser, eine Eisenkette und Kabelbinder als Tatwerkzeuge eingezogen. Darüber hinaus hat es den Angeklagten u.a. verurteilt, an die Nebenklägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. Dezember 2016 zu zahlen. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision gegen den Schuldspruch. Sie beanstandet namentlich, dass das Landgericht den Angeklagten nicht wegen Geiselnahme (§ 239b StGB) und wegen Vergewaltigung in der Qualifikation des § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB verurteilt hat. Während das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft Erfolg hat, führt die auf die allgemeine Sachrüge und die nicht ausgeführte Rüge der Verletzung formellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten nur zu einem geringfügigen Erfolg.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

1. Der Angeklagte überredete die Nebenklägerin, die ihren Lebensunterhalt in der ambulanten Pflege verdiente, für ihn im Wege der Prostitution Geld zu verdienen. Sie begab sich zu diesem Zweck nach H. Am Dienstag, den 13. Dezember 2016, entschied sie sich in den frühen Morgenstunden, in ihren Heimatort G. zurückzukehren und sich endgültig vom Angeklagten zu trennen. Der Angeklagte war über ihre Eigenmächtigkeit sehr erbost und beschloss, sie zu bestrafen. Er kaufte eine Packung Kabelbinder und eine Metallgliederkette und begab sich gegen 18.10 Uhr zur Wohnung der Nebenklägerin. Die Nebenklägerin, die Arbeitskolleginnen erwartet hatte, ließ ihn auf Klingeln ein. Der Angeklagte schloss hinter sich die Wohnungstür ab und versteckte den Schlüssel. Er begab sich ans Bett der Nebenklägerin und zog sie an den Haaren in eine sitzende Position. Unter Schlägen, Anspucken und Ziehen an den Haaren vollzog er erst Oral-, dann vaginalen Geschlechtsverkehr. Auch legte er ihr zeitweise die Hände fest um den Hals.

Der Angeklagte befahl der Nebenklägerin nun, sich in eine Ecke zu stellen. Er zog ihren Kopf an den Haaren nach hinten und hielt ihr ein Einhandmesser mit einer Klingenlänge von acht Zentimeter an den Hals, wodurch er ihr eine kleine Stichverletzung unterhalb des Kinns beibrachte. Er forderte sie auf zu sagen, dass sie ihm gehöre, sie „seine Nutte“ sei und dass sie nie mehr „abhauen“ werde. Die Nebenklägerin entschuldigte sich und äußerte sich wie gefordert. Der Angeklagte fesselte ihre Hände mit Kabelbindern. Er schlug ihr so heftig mit der flachen Hand ins Gesicht, dass sie mit dem Kopf gegen die Wand stieß und kurze Zeit bewusstlos wurde. Der Angeklagte entkleidete die bewusstlose Nebenklägerin und fixierte sie mittels Kabelbindern am Heizungsrohr. Er verknotete einen Schal fest über ihrem Mund. Als die Nebenklägerin das Bewusstsein wiedererlangte, schlug er ihr mit der Metallgliederkette zweimal fest auf die rechte Gesäßhälfte, was ihr heftige Schmerzen verursachte. Auch schlug er ihr mit der Faust mehrmals in den Rücken und trat ihr mit dem nackten Fuß gegen den Oberschenkel. Um die Nebenklägerin für die Zukunft gefügig zu machen und sie für ihr gezeigtes Verhalten zu disziplinieren, strich er ihr die Messerklinge mit leichtem Druck langsam über die rechte Gesichtshälfte, den Hals und den Rücken. Er fragte sie, welches ihrer „Tattoos“ ihr nicht gefalle, da er dieses für sie entfernen könne. Die Nebenklägerin fürchtete um ihr Leben. Der Angeklagte verlangte nun, dass die Nebenklägerin sich gegenüber drei seiner Freunde und Bekannten jeweils am Telefon entschuldige und äußere, dass sie zum Angeklagten gehöre und „seine Nutte“ sei, was sie aus Angst vor weiteren Übergriffen tat. Auch teilte sie ihm wie gefordert die PIN für ihr Mobiltelefon mit, das der Angeklagte daraufhin kontrollierte. Erbost über Text- und Bildnachrichten an einen fremden Mann schlug er sie erneut mit der Metallgliederkette.

Um 20.10 Uhr erinnerte ein Bekannter den Angeklagten telefonisch daran, dass er ihm zugesagt habe, ihn von M. nach Ha. zu bringen. Der Angeklagte strich der Nebenklägerin mit der Metallgliederkette über den Rücken und bot ihr an mitzukommen, wenn sie „brav“ sei. Die Nebenklägerin bestätigte dies. Der Angeklagte entfernte die Kabelbinder und ließ sich nochmals bestätigen, sie werde so etwas nie mehr tun. Anschließend vollzog er mit ihr erneut den Geschlechts- und den Oralverkehr, wobei ihm bewusst war, dass die Nebenklägerin wegen der unmittelbar zuvor erlebten „Züchtigung“ keine Gegenwehr mehr zeigte. Die Nebenklägerin begleitete den Angeklagten dann auf der Fahrt mit seinem Bekannten. Erst nachdem der Angeklagte nach Rückkehr in ihre Wohnung eingeschlafen war, traute sie sich zu flüchten. Gegen 1.30 Uhr traf sie bei der Polizei G. ein.

2. Das Landgericht hat die Tat als schwere Vergewaltigung nach § 177 Abs. 6 Nr. 1, Abs. 7 Nr. 1 StGB bewertet. Das Vorliegen der Qualifikation nach § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB hat es verneint, weil es eine Verwendungsabsicht hinsichtlich des Einhandmessers, der Metallgliederkette und der Kabelbinder nicht habe feststellen können. Das Geschehen zwischen den Vergewaltigungen habe allein dem Zweck gedient, die Nebenklägerin für ihr Verhalten zu bestrafen. Wegen des engen räumlich-zeitlichen und situativen Zusammenhangs stünden beide Vergewaltigungen in Tateinheit, desgleichen die gefährliche Körperverletzung durch Schlagen mit der Metallgliederkette und Ritzen mit dem Einhandmesser (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB), die Freiheitsberaubung durch Fesselung (§ 239 Abs. 1 StGB) und die Nötigung durch die Veranlassung, sich bei drei Personen zu entschuldigen (§ 240 Abs. 1 StGB). Hingegen habe die Kammer keine Bedrohung nach § 241 StGB festzustellen vermocht; dementsprechend komme eine Geiselnahme nach § 239b StGB nicht in Betracht.

II.

Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat in vollem Umfang Erfolg. Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils weist mehrere Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten auf. Die Strafkammer hat den Unrechtsgehalt der von ihr festgestellten Taten nicht ausgeschöpft und ist ihrer Kognitionspflicht nicht nachgekommen.

1. Das Landgericht hat den festgestellten Tatablauf unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Geiselnahme (§ 239b Abs. 1 StGB) unzureichend gewürdigt. Es hat seine Ansicht, es liege keine Bedrohung nach § 241 StGB und damit auch keine Geiselnahme nach § 239b StGB vor, nicht begründet. Dies wäre aber angesichts der festgestellten Tatumstände erforderlich gewesen. Das festgestellte Geschehen erfüllte naheliegend die objektiven Merkmale des § 239b Abs. 1 1. oder 2. Alternative StGB. Das Landgericht musste sich daher notwendigerweise näher mit diesem Straftatbestand auseinandersetzen und insbesondere prüfen, ob der Angeklagte (auch) in subjektiver Hinsicht eine der beiden Alternativen dieser Vorschrift erfüllte:

a) Der Angeklagte hatte sich der Nebenklägerin bereits durch das Abschließen der Wohnung bemächtigt; die Bemächtigungslage hatte sich stabilisiert (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 1994 - GSSt 1/94, BGHSt 40, 350, 359), als er der Nebenklägerin das Einhandmesser an den Hals hielt. Es liegt nahe, dass dies konkludent eine Drohung mit dem Tod beinhaltete (vgl. insoweit BGH, Beschluss vom 27. Mai 2014 - 2 StR 606/13, NStZ 2014, 515). Desgleichen kann das spätere Streichen mit der Messerklinge über ihr Gesicht, den Hals und den Rücken verbunden mit der Frage, welches ihrer „Tattoos“ ihr nicht gefalle, da er dieses für sie entfernen könne, eine konkludente Drohung mit einer schweren Körperverletzung gewesen sein. Die Nebenklägerin fürchtete jedenfalls in dieser Situation um ihr Leben (UA S. 19). Sie musste in dieser Situation drei Bekannte und Freunde des Angeklagten kontaktieren, sich entschuldigen, sagen, dass sie so etwas nie wieder tun werde und dass sie zum Angeklagten gehöre. Ferner gab sie dem Angeklagten auf sein Verlangen die PIN ihres Mobiltelefons preis. Unter diesen Umständen liegt es nicht fern, dass der Angeklagte eine der beiden Alternativen des § 239b Abs. 1 StGB in objektiver und subjektiver Hinsicht vollständig verwirklichte.

b) Beabsichtigte er bereits im Zeitpunkt der Begründung des physischen Herrschaftsverhältnisses über die Nebenklägerin seine weiter gehenden Ziele mittels konkludenter qualifizierter Drohung zu erreichen, so wären allein schon hierdurch die Voraussetzungen der ersten Alternative des § 239b Abs. 1 StGB erfüllt. Der Angeklagte hätte dagegen die zweite Alternative des § 239b Abs. 1 StGB verwirklicht, wenn er zwar nicht bereits zu dem Zeitpunkt, zu dem er sich der Nebenklägerin bemächtigte, diese Absicht hatte, jedoch die von ihm geschaffene Lage aufgrund eines nachträglich gefassten Vorsatzes zu einer solchen Nötigung mittels konkludenter qualifizierter Drohung ausnutzte. Hiermit hätte sich das Landgericht auseinandersetzen müssen.

2. a) Das Landgericht hat den Qualifikationstatbestand der besonders schweren Vergewaltigung (§ 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB) mit unzureichender Begründung verneint.

aa) Das Verwenden einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs „bei der Tat“ liegt in zeitlicher Hinsicht vor, wenn das gefährliche Werkzeug zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Versuchsbeginn und Beendigung der Tat eingesetzt wird (BGH, Urteil vom 4. April 2007 - 2 StR 34/07, BGHSt 51, 276, 278; Beschluss vom 25. Februar 2010 - 5 StR 542/09, BGHR StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1 Verwenden 8). Der Angeklagte setzte das Einhandmesser und die Metallkette ein, nachdem er bereits einmal sexuelle Handlungen vorgenommen hatte und bevor er ein weiteres Mal Oral- und Geschlechtsverkehr mit der Nebenklägerin ausübte. Das Landgericht hat alle sexuellen Handlungen aufgrund des engen zeitlichen, örtlichen und situativen Zusammenhangs zutreffend als tateinheitlich begangen gewertet. Dementsprechend verwendete der Angeklagte das Messer und die Metallkette vor der Beendigung der sexuellen Handlungen, also bei der Tat gegen die Nebenklägerin.

bb) Die Erfüllung der Qualifikation setzt nicht voraus, dass die Waffe oder das gefährliche Werkzeug gerade als Nötigungsmittel eingesetzt wird, es reicht der Einsatz als Werkzeug bei der sexuellen Handlung (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2000 - 4 StR 464/00, BGHSt 46, 225, 228; Beschluss vom 15. April 2014 - 2 StR 545/13, NJW 2014, 2134, 2135). Dafür genügt es auch, wenn ein „einheitlicher Vorgang mit Sexualbezug“ vorliegt (BGH, Urteil vom 6. Februar 2002 - 1 StR 506/01, NStZ 2002, 431, 432). Soweit das Landgericht darauf abgestellt hat, dass der Einsatz des Messers und der Metallkette nicht der Durchführung der sexuellen Handlungen, sondern der Bestrafung der Nebenklägerin gedient hätten, greift diese Erwägung zu kurz. Zum einen hat das Landgericht nicht bedacht, dass der Angeklagte von Anfang an vorhatte, die Nebenklägerin einzuschüchtern und zu bestrafen. Naheliegend dienten auch die sexuellen Handlungen diesem Zweck. Es könnte sich daher bei dem Geschehen in der Wohnung der Nebenklägerin um einen von Anfang an geplanten einheitlichen Vorgang mit Sexualbezug handeln. Zum anderen stand die Nebenklägerin bei den späteren sexuellen Handlungen für den Angeklagten erkennbar (UA S. 23) unter dem Eindruck des „soeben Erlebten“, also auch des Einsatzes von Einhandmesser und Metallkette, und leistete „wegen der unmittelbar zuvor erlebten Züchtigungen“ keine Gegenwehr. Es liegt nahe, dass der Angeklagte eine solche Nötigungswirkung des Einsatzes von Messer und Metallkette im Hinblick auf die Erduldung weiterer sexueller Handlungen zumindest billigend in Kauf nahm. Der Senat braucht unter diesen Umständen nicht zu entscheiden, ob nach der Neufassung des § 177 StGB durch das 50. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches vom 4. November 2016 nicht jegliche Verwendung einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs im Zeitraum zwischen Versuchsbeginn und Beendigung der Tat auch ohne Nötigungswirkung und sexuellen Bezug ausreicht, die Qualifikation des § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB zu erfüllen (vgl. BTDrucks. 18/9097, S. 29).

b) Nach den Feststellungen kommt zudem das Vorliegen des Qualifikationsmerkmals der schweren körperlichen Misshandlung im Sinne des § 177 Abs. 8 Nr. 2 Buchst. a StGB in Betracht. Ausreichend dafür ist es, dass die körperliche Integrität des Opfers „bei der Tat“ in einer Weise verletzt wird, die mit erheblichen Schmerzen verbunden ist (BGH, Urteil vom 9. Dezember 2014 - 5 StR 422/14, NStZ 2015, 152, 153); dies könnte jedenfalls im Hinblick auf die der Geschädigten mit der Metallkette zugefügten Schläge der Fall sein.

3. Das Landgericht hätte schließlich auch prüfen müssen, ob der Angeklagte die Nebenklägerin mit der bei der Tat ausgeübten Gewalt zur Fortsetzung der Prostitution veranlassen wollte (§ 232a Abs. 3, Abs. 4 StGB). Die Nebenklägerin sollte „gefügig“ gemacht werden. Es drängt sich auf, dass der Angeklagte ihren weiteren Einsatz als Prostituierte plante, zumal die Nebenklägerin ihm mehrfach versichern musste, dass sie „seine Nutte“ sei und sich dafür entschuldigen musste, dass sie aus H. weggelaufen sei, und beteuern, dass sie so etwas nie mehr machen werde.

4. Die zu Gunsten des Angeklagten rechtsfehlerhafte rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhalts führt - mit Ausnahme der Adhäsionsentscheidung (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 2007 - 2 StR 477/07, BGHSt 52, 96, 97) - zur Aufhebung des Urteils. Eine Schuldspruchänderung kam nicht in Betracht, denn die bisherigen Feststellungen reichen nicht aus, um dem Senat eine eigene Entscheidung zu ermöglichen.

III.

1. Die Nachprüfung des Urteils hat zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.

2. Zum Adhäsionsausspruch führt die Revision lediglich insoweit zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht, als der Angeklagte zur Zahlung von Zinsen ab dem Tattag verurteilt wurde.

a) Die Urteilsgründe belegen nicht, dass sich der Angeklagte mit seiner Verpflichtung, der Nebenklägerin wegen der Tat eine billige Entschädigung in Geld (§ 253 Abs. 2 BGB) zu zahlen, infolge einer Mahnung in Verzug befand (§ 280 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder es einer Mahnung gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB nicht bedurfte, weil der sofortige Eintritt des Verzugs aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt war (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 14. Mai 2008 - 2 StR 190/08, NStZ 2009, 109; Urteil vom 13. Dezember 2007 - IX ZR 116/06, NJWRR 2008, 918, 919; Palandt/ Grüneberg, BGB, 77. Aufl., § 286 Rn. 25). Die Verzinsung ihrer Schmerzensgeldforderung könnte die Nebenklägerin danach erst ab Rechtshängigkeit ihrer Forderung verlangen (§ 404 Abs. 2 Satz 1 StPO, § 286 Abs. 1 Satz 2 BGB).

Da Feststellungen zu einem früheren Verzugszeitpunkt als dem der Rechtshängigkeit noch getroffen werden können und der neue Tatrichter ohnehin erneut mit der Sache befasst wird, war der Adhäsionsausspruch hinsichtlich des Zinsausspruchs aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. September 2017 - 4 StR 177/17, NStZ-RR 2018, 24, 25 mwN).

b) Für den Fall, dass der neue Tatrichter einen früheren Verzugseintritt nicht feststellen können sollte, weist der Senat auf Folgendes hin: Der Senat neigt unter Aufgabe seiner im Beschluss vom 2. Dezember 2015 - 4 StR 411/15 vertretenen Rechtsauffassung dazu, dass gemäß § 404 Abs. 2 Satz 1 und 2 StPO Prozesszinsen ohne Rücksicht auf § 187 Abs. 1 BGB bereits ab dem Tag geschuldet werden, an dem der Adhäsionsantrag bei Gericht eingeht (so auch BGH, Urteil vom 8. Dezember 2016 - 1 StR 351/16, StV 2017, 321, 322; Beschluss vom 15. April 2014 - 3 StR 69/14, Rn. 2). Dem steht allerdings Rechtsprechung des 5. Strafsenats entgegen (Beschluss vom 19. Juli 2018 - 5 StR 277/18, Rn. 1 mwN).

3. Da die Aufhebung und Zurückverweisung des Adhäsionsausspruchs lediglich die Verzinsung als Nebenforderung betrifft, erscheint es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§§ 472, 472a, 473 Abs. 1 und 4 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 1142

Externe Fundstellen: StV 2019, 545

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner