HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 333
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 351/16, Urteil v. 08.12.2016, HRRS 2017 Nr. 333
1. Auf die Revision des Angeklagten K. wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 14. Dezember 2015 im Strafausspruch und im Adhäsionsausspruch aufgehoben. Im Übrigen wird die Revision verworfen.
2. Auf die Revisionen der Angeklagten J. und M. wird das vorgenannte Urteil aufgehoben, soweit die Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Der Adhäsionsausspruch hinsichtlich des Angeklagten M. wird aufgehoben. Hinsichtlich des Angeklagten J. bleibt der Adhäsionsausspruch mit der Maßgabe bestehen, dass Zinsen auf den im Wege des Adhäsionsverfahrens dem Nebenkläger zuerkannten Betrag ab dem 16. Oktober 2015 zu entrichten sind. Die weitergehenden Revisionen dieser Angeklagten werden verworfen.
3. Die Revision des Nebenklägers wird verworfen. Der Nebenkläger trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
4. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt, den Angeklagten J. zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten, den Angeklagten M. unter Einbeziehung weiterer Verurteilungen zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und neun Monaten und den Angeklagten K. unter Einbeziehung weiterer Verurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten. Außerdem hat das Landgericht eine Adhäsionsentscheidung getroffen, in der es die Angeklagten verurteilt hat, als Gesamtschuldner an den Geschädigten D. ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.500 € nebst Zinsen zu bezahlen.
Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten J. und K. die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Angeklagten M. und J. beanstanden die unterbliebene Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt; M. wendet sich ausdrücklich auch gegen die Höhe des dem Nebenkläger im Adhäsionsausspruch zuerkannten Schmerzensgeldes.
Der Nebenkläger rügt mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet, dass die Angeklagten, vor allem der Angeklagte J., nicht auch wegen eines versuchten Tötungsdelikts verurteilt worden sind. Die Revisionen der Angeklagten haben teilweise Erfolg; die Revision des Nebenklägers bleibt ohne Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts befand sich der Angeklagte M. am 20. Dezember 2014 mit seiner Freundin L. und seinem Bekannten C. im Zug. Der 18-jährige dunkelhäutige Asylbewerber D. aus Mali ging durch den Waggon und ließ auf Höhe der drei Fahrgäste eine größere Menge Speichels zu Boden tropfen. Der Speichel traf auch den Schuh von L., die zuvor bereits am Bahnhof von einer Gruppe dunkelhäutiger Personen belästigt worden war. M. versuchte, die anderen beiden Angeklagten telefonisch und mit Textnachrichten zu erreichen, erreichte aber nur K. Er bestellte ihn zum nächsten Halt des Zuges, weil er dort D. verprügeln wollte.
Der Angeklagte K. teilte J. telefonisch mit, dass sein Bruder M. „Stress mit Schwarzen“ habe, worauf J. seinen Bruder zurückrief. M. erklärte ihm die Situation und bestellte ihn zum Bahnhof, damit er ihn bei der geplanten Prügelei unterstütze. J. steckte einen roten Nothammer ein, wie er zum Einschlagen von Scheiben in Zügen und Bussen bereitgehalten wird, um ihn bei den zu erwartenden Tätlichkeiten einzusetzen.
Als der Zug hielt, stieg M. aus, rannte zu den beiden wartenden Mitangeklagten und besprach sich kurz mit ihnen. Seine Freundin L. verließ den Zug, um zum Elternhaus der Brüder Ml. zu gehen. Als die Angeklagten M. und J. zum Zug blickten, sahen sie D. im Türbereich des Zuges stehen und obszöne Gesten in ihre Richtung machen. Er fasste sich in den Schritt und simulierte mit dem Mund den Oralverkehr. Dadurch fühlten sich die Brüder Ml. provoziert.
Nun rannten alle drei Angeklagten, die Brüder voraus - K. folgte in einigem Abstand - auf den Zug zu und stiegen ein. Sie drängten D. zurück in den Zug und begannen entsprechend ihrem gemeinsamen Tatplan D. zu dritt mehrfach mit den Fäusten - auch gegen den Kopf - zu schlagen. Dann zogen sie ihm die Kapuze seiner Winterjacke über den Kopf. J. schlug dem Geschädigten mit dem Nothammer mindestens zweimal kräftig auf den von der Kapuze bedeckten Kopf. Dabei war ihm bewusst, dass diese Schläge potentiell dazu geeignet waren, das Leben des Geschädigten in Gefahr zu bringen. Ihm kam es jedoch nur darauf an, ihn durch die Schläge zu verletzen.
M. und K., die von der Mitnahme und dem geplanten Einsatz des Nothammers keine Kenntnis gehabt hatten, billigten dessen Einsatz nicht.
Der Geschädigte ging zu Boden. Als sich der Fahrgast P. näherte, liefen die drei Angeklagten weg, um ihre Identifizierung und Ergreifung zu verhindern. Im Übrigen hatten sie ihr Ziel, den Geschädigten zu maßregeln, nach ihrer Vorstellung erreicht.
Der Geschädigte erlitt durch die Schläge mit dem Hammer zwei stark blutende, sternförmige Riss-Quetschwunden am linken Hinterhaupt und auf der Schädelhöhe, die genäht werden mussten. Zudem zog er sich eine Schwellung hinter dem rechten Ohr und eine linksseitige Schulterprellung zu.
2. Das Landgericht hat den Sachverhalt bei allen Angeklagten als gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, bei J. zusätzlich nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB, bewertet. Von einem Tötungsvorsatz konnte sich die Kammer nicht überzeugen.
Das Rechtsmittel des Angeklagten K. hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen tragen die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB; ergänzend verweist der Senat insoweit auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts.
2. Der Strafausspruch hält dagegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die diesen Angeklagten betreffenden Strafzumessungserwägungen weisen in mehreren Punkten Rechtsfehler auf.
Das Landgericht hat im Rahmen der Strafzumessung das Folgende ausgeführt: „Zu seinen Lasten waren die von ihm verursachten nicht unerheblichen Verletzung[en] des Opfers zu werten. Zum anderen war die Tatsache zu werten, dass die Angeklagten zu dritt auf ein einzelnes Opfer einschlugen…. Darüber hinaus war zu seinen Lasten zu werten, dass er von den vorangegangenen Provokationen des Geschädigten selbst nicht betroffen war.“
a) Hätte das Opfer dem Angeklagten K. durch eine Provokation Anlass zur Tat gegeben, wäre dies ein Umstand, der den körperlichen Übergriff in einem milderen Licht erscheinen lassen könnte. Mit der Erwägung, der Angeklagte sei vom Opfer nicht provoziert worden, wird daher zu Lasten des Angeklagten unzulässig das Fehlen eines Milderungsgrunds in die Strafzumessung eingestellt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. November 2013 - 1 StR 525/13, NStZ 2015, 517; vom 8. Januar 2015 - 2 StR 233/14, NStZ 2015, 333 f. und vom 15. September 2015 - 2 StR 21/15, NStZ-RR 2016, 40).
b) Die Erwägung, dass zu Lasten des Angeklagten K. „die … nicht unerheblichen Verletzungen des Opfers“ strafschärfend berücksichtigt werden müssen, lässt befürchten, dass diesem Angeklagten diejenigen Verletzungen uneingeschränkt zugerechnet worden sind, die auf dem einen Exzess darstellenden Einsatz des Nothammers durch den Mitangeklagten J. beruhen.
c) Nicht unbedenklich erscheint zudem die strafschärfende Erwägung der Kammer, die Angeklagten hätten zu dritt auf das Opfer eingeschlagen; denn eine gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB in der Form der Tatbegehung „mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich“ setzt bereits voraus, dass mindestens zwei Beteiligte am Tatort bewusst zusammenwirken. Das Zusammenwirken mehrerer als solcher darf daher nicht strafschärfend berücksichtigt werden. Dies verstößt gegen § 46 Abs. 3 StGB. Zulässig wäre es freilich, die erhöhte Gefährlichkeit der konkreten Tatsituation infolge einer Beteiligung von mehr als zwei Personen straferhöhend heranzuziehen.
Diese Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die insoweit getroffenen Feststellungen sind von dem Wertungsfehler nicht betroffen und bleiben daher bestehen (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann hierzu ergänzende Feststellungen treffen, soweit diese mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
3. Die Adhäsionsentscheidung hat im Hinblick auf die Bemessung des von dem Angeklagten K. zu leistenden Schmerzensgeldes bereits deshalb keinen Bestand, weil die Kammer hierbei ausdrücklich „die bei der Strafzumessung bewerteten Tatumstände berücksichtigt“ hat, diese Wertungen aber mit Rechtsfehlern behaftet sind.
Der Schmerzensgeldanspruch wäre auch erst ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Adhäsionsantrags zu verzinsen und nicht - wovon die Kammer ausgegangen ist - ab dem Tattag. Die Rechtshängigkeit ist mit dem Eingang der Antragsschrift bei Gericht am 16. Oktober 2015 eingetreten. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 404 Abs. 2 Satz 1 StPO hat die Antragstellung dieselben Wirkungen wie die Erhebung einer zivilrechtlichen Klage (vgl. auch BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2003 - 1 StR 412/03, StraFo 2004, 144).
Die Revision des Angeklagten M. hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg.
1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der allgemeinen Sachrüge hat weder zum Schuldspruch noch zum eigentlichen Strafausspruch einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die Verfahrensrügen haben aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Erfolg.
2. Die Nichtanordnung einer Unterbringung gemäß § 64 StGB hat keinen Bestand.
Das Landgericht hat - sachverständig beraten - angenommen, beim Angeklagten liege aufgrund der Amphetaminabhängigkeit ein Hang im Sinne des § 64 StGB vor; deshalb seien weitere Straftaten, insbesondere Beschaffungskriminalität, zu erwarten. Den symptomatischen Zusammenhang hat es verneint.
Zur Frage des symptomatischen Zusammenhangs hatte der Sachverständige ausgeführt, der Angeklagte habe eine leichte bis mittelgradige Amphetaminabhängigkeit und eine Neigung zu aggressivem Verhalten, die nach seinen eigenen Angaben nach dem Konsum von „Crystal“ gesteigert sei. Zur Tatzeit sei davon auszugehen, dass infolge der konsumierten Drogen noch eine gewisse Wirkung in Gestalt einer Steigerung des Selbstbewusstseins und eine gewisse Enthemmung vorgelegen habe. Daher könne ein partieller Zusammenhang zwischen Tat und Suchterkrankung abgeleitet werden, der aus einer Enthemmung durch die Droge und einer dadurch erhöhten Bereitschaft, sich einer Handgreiflichkeit nicht zu entziehen, herrühre.
Das Landgericht hat dagegen den symptomatischen Zusammenhang verneint und zwar selbst für den Fall, dass bei der Tatbegehung noch eine gewisse Enthemmung vorgelegen haben sollte. Gegen einen enthemmenden Einfluss von Drogen spräche, dass der Angeklagte in der Lage gewesen sei, sich nach der Provokation im Zug durch das Spucken zurückzuhalten und den Geschädigten nicht sofort anzugreifen. Ursache der Tat seien die Provokationen des Geschädigten gewesen. Der Angeklagte neige - wie die Vorahndungen zeigten - auch ohne Drogenkonsum zu aggressivem Verhalten.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt ein symptomatischer Zusammenhang vor, wenn der Hang allein oder zusammen mit anderen Umständen dazu beigetragen hat, dass der Täter eine erhebliche rechtswidrige Tat begangen hat und dies bei unverändertem Verhalten auch für die Zukunft zu erwarten ist (BGH, Beschlüsse vom 6. November 2013 - 5 StR 432/13 und vom 25. Mai 2011 - 4 StR 27/11, NStZ-RR 2011, 309), mithin die konkrete Tat in dem Hang ihre Wurzel findet (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2013 - 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Dieser Zusammenhang liegt bei Delikten, die begangen werden, um Rauschmittel selbst oder Geld für ihre Beschaffung zu erlangen, nahe (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 - 1 StR 693/96, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1; Beschluss vom 28. August 2013 - 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Der geforderte symptomatische Zusammenhang zwischen dem Hang und der Tat sowie der zukünftigen Gefährlichkeit kann allerdings auch dann vorliegen, wenn ein evident gewordener Hang lediglich Einfluss auf die Qualität der bisherigen Straftaten hatte und ihm ein solcher Einfluss auch auf die künftigen zu befürchtenden Straftaten zukommen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 1996 - 2 StR 470/96, BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 1).
Dies hat die Strafkammer nicht ausreichend erwogen, obwohl sie im Urteil den Bericht der Jugendgerichtshilfe mitgeteilt hat. Dort heißt es, der Angeklagte zeige, nicht zuletzt aufgrund seines Drogenkonsums, aggressive Tendenzen. Den Drogenkonsum hätten seine Eltern als Ursache für seine wiederholte Straffälligkeit gesehen, da er zum Verlust der Selbstkontrolle und Enthemmung führe. Der Angeklagte selbst meinte, er sei für die Tat mitausschlaggebend gewesen.
3. Der Senat kann hier ausnahmsweise die verhängte Jugendstrafe trotz § 5 Abs. 3 JGG bestehen lassen. Die Erwägungen zu der rechtsfehlerfrei bemessenen Jugendstrafe lassen es hier ausgeschlossen erscheinen, dass das Tatgericht bei Anwendung des § 64 StGB von der Verhängung einer Jugendstrafe abgesehen oder eine geringere Jugendstrafe verhängt hätte.
4. Soweit sich der Angeklagte M. ausdrücklich auch gegen die Bemessung des Schmerzensgeldes in der Adhäsionsentscheidung wendet, hat er Erfolg.
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes hat die Kammer insbesondere gewertet, dass „der Geschädigte den Faustschlägen dreier Angreifer ausgesetzt war, dass darüber hinaus mit dem Nothammer ein äußerst gefährliches Werkzeug zum Einsatz kam, das zudem zum zweifachen Schlagen auf den Kopf des Geschädigten benutzt wurde. Hierdurch erlitt der Geschädigte zwei Wunden (…) am Kopf, die genäht werden mussten und einen stationären Krankenhausaufenthalt … erforderlich machten.“ Damit hat die Strafkammer ausdrücklich als schmerzensgelderhöhend die durch den Einsatz des Hammers verursachten Verletzungsfolgen herangezogen. Indes hat sich die Strafkammer nicht davon überzeugen können, dass der Einsatz dieses Tatmittels von Anfang an vom gemeinsamen Tatplan umfasst war; vielmehr ist sie davon ausgegangen, dass der Angeklagte J. dem Nebenkläger die Verletzung ohne Kenntnis und Billigung der beiden anderen zugefügt hat. Unter diesen Umständen können dem Angeklagten M. (wie auch dem Angeklagten K.) die entsprechenden Verletzungsfolgen nicht zugerechnet werden (auch nicht unter Berücksichtigung der Grundsätze der sukzessiven Mittäterschaft). Damit kommt eine Zurechnung dieses (exzessiven) Tatbeitrags auch bei der Prüfung der Frage, inwieweit sich der Angeklagte im Sinne des § 830 Abs. 1 BGB als Mittäter an einer die zivilrechtliche Haftung begründenden deliktischen Verhaltensweise beteiligt hat, nicht in Betracht, was wiederum den Umfang seiner gesamtschuldnerischen Haftung nach § 840 Abs. 1 BGB begrenzt. Die Beurteilung richtet sich insoweit nach den für das Strafrecht entwickelten Grundsätzen. Die wechselseitige Zurechnung der einzelnen Tatbeiträge reicht dabei nicht weiter als der gemeinsame Vorsatz und scheidet aus, soweit einer der Mittäter im Exzess Handlungen begeht, die vom gemeinsamen Tatplan und dem Vorsatz der anderen nicht gedeckt sind (BGH, Beschlüsse vom 8. November 2005 - 4 StR 321/05, BGHR StPO § 403 Anspruch 8 und vom 7. Februar 2013 - 3 StR 468/12; Urteil vom 23. März 1999 - VI ZR 53/98, BGHR BGB § 830 Teilnahme 2). Die zur Grundlage des Schmerzensgeldanspruchs gemachten Verletzungsfolgen aus dem Einsatz des Hammers können deshalb nicht zur Begründung dafür herangezogen werden, den Angeklagten M. in gleicher Höhe wie den Mitangeklagten J. zur Schmerzensgeldzahlung zu verurteilen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Februar 2013 - 3 StR 468/12; vom 8. Januar 2014 - 3 StR 372/13, StraFo 2014, 217 und vom 28. April 2015 - 3 StR 52/15, NStZ-RR 2015, 320).
Die Revision des Angeklagten J. hat nur hinsichtlich der Nichtanordnung einer Unterbringung gemäß § 64 StGB Erfolg.
1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der allgemeinen Sachrüge hat weder zum Schuldspruch noch zum Strafausspruch einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Hinsichtlich der Verfahrensrüge wird auf die Stellungnahme des Generalbundesanwalts verwiesen.
2. Die Nichtanordnung gemäß § 64 StGB hat keinen Bestand. Das Landgericht hat - sachverständig beraten - angenommen, beim Angeklagten liege aufgrund seiner Abhängigkeit von Stimulanzien ein Hang im Sinne des § 64 StGB vor. Den symptomatischen Zusammenhang hat es verneint.
Der Sachverständige hatte festgestellt, dass das Tatverhalten zumindest in Teilen auf den Hang zurückgehe, weil eine unmittelbare Wirkung der Stimulanzien in Gestalt einer Reduktion der Angst, Förderung der Aggression und Enthemmung gegeben gewesen sei, wenngleich nicht so ausgeprägt, dass die Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt gewesen oder ein Eingangskriterium der §§ 20, 21 StGB erfüllt worden wäre. Der gesamte Lebensstil des Angeklagten werde in qualitativer wie quantitativer Hinsicht in relevanter Art vom Umgang mit Drogen bestimmt. Der Angeklagte selbst habe seinen Zustand so beschrieben, dass er geglaubt hätte, keine Angst zu haben und „jeden zerlegen“ zu können. In seiner Einlassung in der Hauptverhandlung hatte er berichtet, „drogenbedingt“ sehr aggressiv gewesen zu sein; ihm sei klar gewesen, dass er seinem Bruder nun „beispringen“ müsse.
Die Kammer verneinte dagegen den symptomatischen Zusammenhang und zwar selbst für den Fall, dass bei der Tatbegehung noch eine drogenbedingte Enthemmung vorgelegen haben sollte; denn der Angeklagte hätte seinem Bruder auch ohne vorangegangenen Rauschmittelkonsum geholfen. Die Motivation sei nicht dem Hang entsprungen, Stimulanzien zu konsumieren, sondern seiner falsch verstandenen Bruderliebe und seinem aggressiven Naturell mit dissozialen Zügen.
Diese Erwägungen, die überdies rein hypothetischer Natur sind, halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Angeklagte sah sich erst durch den Drogenkonsum in der Lage, seinem Bruder zu helfen, weil er durch den Drogenkonsum einen Abbau von Angstgefühlen empfand und das Gefühl aufbaute, „jeden zerlegen“ zu können; das zeigt eine drogenbedingte erhöhte Aggressionsbereitschaft. Das Landgericht hat die notwendige Berücksichtigung dieses Umstands unterlassen, so dass es an einer tatsächlichen Grundlage für die hier sich aufdrängende Beurteilung fehlt, ob der evident gewordene Hang nicht wenigstens Einfluss auf die Qualität der Straftat hatte und ob ihm ein solcher Einfluss auch auf die künftig zu befürchtenden Taten zukommen kann.
Die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegte und auf die Sachrüge gestützte Revision des Nebenklägers hat keinen Erfolg. Die Annahme des Landgerichts, dem Angeklagten J. sei ein Tötungsvorsatz nicht nachzuweisen, hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand. Soweit die Kammer hinsichtlich des Einsatzes des Nothammers von einem Exzess des Angeklagten J. ausgeht, ist die Beweiswürdigung revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.
1. Von einem Tötungsvorsatz konnte sich die Kammer nicht überzeugen. Für einen solchen Vorsatz sprächen zwar die Schläge mit dem Nothammer mit einiger Kraft in Richtung des Kopfes. Der Nothammer sei wegen seiner nadelgleichen metallenen Spitze ein besonders gefährliches und selbst bei mit geringer Wucht ausgeführten Schlägen zur Verursachung erheblicher Wunden geeignetes Werkzeug. Für einen solchen Vorsatz sprächen auch das schwer zu beherrschende Verhalten des Opfers, das durch eine unglückliche Ausweichbewegung schlimmer hätte verletzt werden können.
Andererseits sei nicht näher eingrenzbar gewesen, wohin der Angeklagte eigentlich genau hatte treffen wollen. Zu Gunsten des Angeklagten müsse hier davon ausgegangen werden, dass er nicht direkt auf den Kopf, sondern irgendwo auf den Oberkörper einwirken wollte, nicht ausschließbar nur auf Schulter oder Arm des Opfers. Die Kammer geht weiter zu Gunsten des Angeklagten davon aus, dass er subjektiv die Wucht der Schläge nicht als ausreichend empfand, um beim Opfer eine tödliche Verletzung herbeizuführen. Auch sei der Angeklagte nach zwei Hammerschlägen weggelaufen, obwohl ihm weitere Schläge angesichts der Tatsache, dass das Opfer am Boden lag, möglich gewesen wären. Zwar habe der Angeklagte nach der Tat eine SMS an den Angeklagten M. mit der Nachricht geschrieben „Ja Bruder normal für dich töte ich jeden“. Das werte die Kammer aber nicht als Indiz für einen bei der Tat bestehenden Tötungsvorsatz, sondern als Imponiergehabe und Ausdruck falsch verstandener Bruderliebe. Auch das Tatmotiv spräche gegen einen Tötungsvorsatz, der Angeklagte habe den Geschädigten nur für seine vorherigen Provokationen abstrafen und ihm einen Denkzettel erteilen wollen.
2. Diese Erwägungen begegnen keinen durchgreifenden Bedenken.
a) Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Beide Elemente müssen getrennt voneinander geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen (vgl. BGH, Urteile vom 5. Juni 2014 - 4 StR 439/13, Rn. 7; vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444 und vom 27. Januar 2011 - 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 701 Rn. 34 f. mwN). In die Prüfung sind dabei neben der objektiven Gefährlichkeit der Tathandlung und der konkreten Angriffsweise des Täters auch seine psychische Verfassung bei Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen (BGH, Urteile vom 5. Juni 2014 - 4 StR 439/13, Rn. 7 und vom 16. Mai 2013 - 3 StR 45/13, NStZ 2013, 581, 582 mwN).
b) Das Urteil lässt eine getrennte Prüfung des Wissens- und des Willenselements vermissen. Die Überlegung des Landgerichts, der Angeklagte habe ein selbst bei Schlägen mit geringer Wucht besonders gefährliches Werkzeug verwendet und zwar einen Nothammer mit nadelgleicher metallener Spitze und er habe den Treffpunkt wegen möglicher Ausweichbewegungen nicht kontrollieren können, belegt, dass das Landgericht aus der Kenntnis des Angeklagten von der objektiven Lebensgefährlichkeit seines Tuns auf das Wissenselement geschlossen hat. Nach den auf dem Gutachten des Rechtsmediziners beruhenden Feststellungen der Kammer wurden die Schläge gerade auch unter Berücksichtigung des Überziehens der Kapuze des Anoraks mit intensiver Schlagwucht ausgeführt und führten durch das Material der (schützenden) Kapuze hindurch zu zwei eng nebeneinanderliegenden, stark blutenden Verletzungen.
c) Eine Begründung für das Fehlen des voluntativen Vorsatzelements lässt sich dem Urteil noch in ausreichender Weise entnehmen.
(1) Zwar findet die Annahme der Kammer, zu Gunsten des Angeklagten sei davon auszugehen, dass er nicht direkt auf den Kopf, sondern irgendwo auf den Oberkörper des Opfers einwirken wollte, in den Feststellungen keine Grundlage. Diese belegen ein gebückt, mit vorwärts geneigtem und von der heruntergezogenen Kapuze bedecktem Kopf, stehendes Opfer und ein enges Trefferbild auf dem linken Hinterhaupt und der Schädelhöhe (UA S. 24).
(2) Soweit die Strafkammer ausgeführt hat, der Angeklagte sei nach zwei Schlägen mit dem Hammer weggelaufen, obwohl ihm weitere Schläge auf das am Boden liegende Opfer möglich gewesen wären, und einen bedingten Tötungsvorsatz auch aus diesem Grund verneint hat, vermengt es die Prüfung des Tötungsvorsatzes mit der eines etwaigen Rücktrittshorizonts und legt die Flucht des Angeklagten zu seinen Gunsten aus. Zwar kann dem sich der eigentlichen Tatbegehung anschließenden Verhalten indizielles Gewicht zukommen. Jedoch spricht ein Unterlassen weiterer Angriffe - auch unter Berücksichtigung sich nähernder Personen - allein nicht gegen die Billigung des Todes des Opfers (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 192).
d) Entscheidend ist aber, dass nach den Feststellungen der Strafammer der Angeklagte dem Nebenkläger erst dann mit dem Nothammer auf den Kopf geschlagen hatte, als dessen Kopf mit der Kapuze der Winterjacke bedeckt war. Diesem Umstand kommt zu Recht besondere Bedeutung bei der Bewertung des voluntativen Elements zu, weil das vorherige Herunterziehen der Kapuze ersichtlich dadurch begründet war, die Wucht der Schläge zu dämpfen und bei dem Nebenkläger tödliche Verletzungsfolgen gerade nicht eintreten zu lassen. Das Landgericht hat unter Bezugnahme auf diesen Gesichtspunkt, der Verursachung von (nur) zwei sternförmigen Riss-Quetschwunden und mit der von ihm als glaubwürdig erachteten Einlassung des Angeklagten, dem Geschädigten wegen seiner Provokationen „körperlich weh tun“ zu wollen (UA S. 31), das Fehlen des voluntativen Vorsatzelements jedenfalls rechtsfehlerfrei begründet.
HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 333
Externe Fundstellen: NStZ 2017, 277 ; StV 2017, 321
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede