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HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 453

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 36/11, Beschluss v. 15.02.2011, HRRS 2011 Nr. 453


BGH 4 StR 36/11 - Beschluss vom 15. Februar 2011 (LG Bielefeld)

Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (angemessene Rechtsfolge nach verfassungskonformer Auslegung).

§ 46 Abs. 3 StGB; § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO

Entscheidungstenor

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 26. Oktober 2010 wird als unbegründet verworfen.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen (besonders) schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und ihm für die Dauer von einem Monat untersagt, Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr zu führen. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision erweist sich im Ergebnis als unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Die Verfahrensrügen sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unzulässig. Der Verteidiger des Angeklagten hätte jedenfalls nach Zustellung des angefochtenen Urteils erneut um Akteneinsicht nachsuchen müssen, um dem Vortragserfordernis des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zu genügen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. April 1992 - 2 StR 119/92, BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 7, und vom 23. Februar 2010 - 4 StR 599/09, NStZ 2010, 530, 531).

2. Soweit die Revision sich gegen den Schuldspruch wendet, ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

3. Das Rechtsmittel führt auch nicht zu einer Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs.

a) Allerdings sind die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts nicht frei von Rechtsfehlern. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt:

"Die Revision rügt allerdings zu Recht, dass das Landgericht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt hat, dieser habe nachhaltig auf die Herausgabe des Geldes bestanden und der Versuch der Zeugin, den Angeklagten von seinem Vorhaben abzubringen, sei gescheitert (UA S. 9). Diese Strafzumessungserwägung verstößt gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB, denn damit wird zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass er die Tat überhaupt begangen hat, anstatt von ihrer Begehung Abstand zu nehmen (vgl. Senat, Beschluss vom 3. Dezember 2009 - 4 StR 507/09, NStZ-RR 2010, 76 m.w.N. und Beschluss vom 22. April 2004 - 4 StR 48/04, NStZ 2004, 500)."

b) Zwar ist nicht auszuschließen, dass die Bemessung der gegen den Beschwerdeführer erkannten Strafe auf diesem Rechtsfehler beruht. Das Urteil hat aber gleichwohl Bestand, weil die vom Landgericht ausgesprochene Strafe angemessen ist (§ 354 Abs. 1a Satz 1 StPO). Insoweit hat der Generalbundesanwalt weiter ausgeführt:

"Der Rechtsfehler zwingt jedoch nicht zur Aufhebung des Urteils im Strafausspruch. Denn die aus dem unteren Drittel des Strafrahmens des § 250 Abs. 3 StGB entnommene Strafe von drei Jahren erscheint mit Blick auf das Gesamttatgeschehen jedenfalls angemessen. Dies gilt namentlich mit Blick auf die Art des Messereinsatzes (geringer Abstand zwischen Messer und Hals), die wegen der erhöhten Verletzungsgefahr das Vorgehen des Angeklagten als besonders gefährlich erscheinen lässt. Der Senat kann gemäß § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO von einer Aufhebung des Strafausspruchs absehen und in der Sache selbst entscheiden, weil es sich hier um einen Fall einer Gesetzesverletzung nur bei der Zumessung der Rechtsfolge handelt und ein zutreffend ermittelter, vollständiger und aktueller Strafzumessungssachverhalt zur Verfügung steht.

Die schriftliche Gegenerklärung gibt dem Beschwerdeführer die Möglichkeit, sich zu diesem Antrag zu äußern und gegebenenfalls weitere, nicht genannte wesentliche Strafzumessungstatsachen, insbesondere solche, die sich erst im Anschluss an die Hauptverhandlung ergeben haben, vorzubringen (BVerfG NJW 2007, 2977)."

Dem tritt der Senat bei; auch er hält die erkannte Strafe mit Blick auf den Unrechtsund Schuldgehalt der Tat auf der Grundlage der nicht von einem Rechtsfehler betroffenen Zumessungserwägungen des Landgerichts für angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO.

c) In seiner Gegenerklärung hat der Beschwerdeführer unter Anderem ausgeführt:

"Soweit die Generalbundesanwaltschaft behauptet, die Strafe bewege sich in einem durchaus vertretbaren Rahmen - was hier jedoch bestritten wird - verkennt sie, dass es auf die Wertung des Tatgerichts ankommt".

Danach ist der Senat an einer Entscheidung nach § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO nicht gehindert (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. August 2006 - 1 StR 293/06, BGHSt 51, 84, 86 f. m.w.N., und vom 11. August 2009 - 3 StR 175/09); eine weiter gehende Begründung der Strafzumessungsentscheidung des Senats ist hier nicht erforderlich (vgl. BVerfG NJW 2007, 2977, 2981).

HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 453

Bearbeiter: Karsten Gaede