HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 451
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 499/23, Beschluss v. 20.02.2024, HRRS 2024 Nr. 451
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 30. Juni 2023 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger D. im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Das Landgericht Duisburg hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Herstellen von kinderpornographischen Schriften in zwei Fällen, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Herstellen von kinderpornographischen Schriften in acht Fällen und wegen Besitzes von kinderpornographischen Inhalten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt, ihn im Übrigen freigesprochen und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Nach den Feststellungen missbrauchte der Angeklagte in zehn Fällen den im Tatzeitraum zehn- bis 13-jährigen Nebenkläger. Im Fall II. 2. (1) e) der Urteilsgründe manipulierte der Angeklagte zunächst an dem Glied des Geschädigten, was dieser als schmerzhaft empfand. Anschließend forderte der Angeklagte den Jungen zur Vornahme weiterer sexueller Handlungen auf, was dieser ablehnte. Sodann vollzog der Angeklagte an ihm den Oralverkehr. Beim nachfolgenden Tatgeschehen penetrierte der Angeklagte den Nebenkläger anal (Fall II. 2. (1) f) der Urteilsgründe). Bei einer weiteren Gelegenheit manipulierte der Angeklagte an seinem Glied bis zur Ejakulation und ließ das Ejakulat auf das entblößte Gesäß des Nebenklägers heruntertropfen (Fall II. 2. (1) i) der Urteilsgründe).
Die sachlichrechtliche Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Näherer Ausführung bedarf nur das Folgende:
1. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch. Insbesondere ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden, dass die Strafkammer den Angeklagten im Fall II. 2. (1) i) der Urteilsgründe wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 Abs. 1 StGB schuldig gesprochen hat. Denn das Ejakulieren auf den nackten Körper des Jungen stellt den erforderlichen Körperkontakt dar (BGH, Urteil vom 9. Juli 2014 - 2 StR 13/14, BGHSt 59, 263 Rn. 18; Beschluss vom 19. Dezember 2008 - 2 StR 383/08, BGHSt 53, 118 Rn. 8; Urteil vom 20. Mai 1992 - 2 StR 73/92, BGHR StGB § 178 Abs. 1 sexuelle Handlung 4 [zu § 178 StGB aF]; Matt/Renzikowski/Eschelbach, StGB, 2. Aufl., § 176 Rn. 11; BeckOK StGB/Ziegler, 60. Ed., § 176 Rn. 54).
2. Die Strafzumessung ist frei von Rechtsfehlern. Insbesondere war das Landgericht bei der Strafrahmenwahl der beiden abgeurteilten Taten des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern (Fälle II. 2. (1) e) und f) der Urteilsgründe) aus Rechtsgründen nicht zur ausdrücklichen Erörterung des Vorliegens minder schwerer Fälle nach § 176a Abs. 4 StGB (in der Fassung vom 3. März 2020) verpflichtet. Angesichts aller für die Wertung der Taten und des Täters bedeutsamen Umstände, insbesondere mit Blick auf die anale Penetration des damals zwölf- oder 13-jährigen Nebenklägers und den ausgeübten Oralverkehr an dem Jungen, der die geforderten sexuellen Handlungen explizit ablehnte und bei der vorangegangenen Manipulation an seinem Penis Schmerzen verspürte, lag die Annahme von minder schweren Fällen fern.
3. Die auf § 66 Abs. 2 und 3 Satz 2 StGB jeweils i.V.m. § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB gestützte Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Die formellen Voraussetzungen der genannten Vorschriften liegen vor. Die Strafkammer hat auch tragfähig den Hang des Angeklagten zu erheblichen Straftaten belegt. Näherer Erörterung bedarf lediglich die Gefährlichkeit des Angeklagten für die Allgemeinheit im Sinne von § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB:
Die Strafkammer hat diese unter anderem damit begründet, dass beim Angeklagten, der die Missbrauchstaten in der Hauptverhandlung eingeräumt hat, keine Umstände positiv festzustellen gewesen seien, die geeignet seien, die durch den Hang indizierte ungünstige Kriminalprognose zu verbessern. Eine nachhaltige, längerfristige Auseinandersetzung mit seiner Veranlagung, seiner Persönlichkeitsstruktur und den durch diese Umstände ausgelösten Straftaten habe bislang noch nicht stattgefunden. Insbesondere habe er auch in der Hauptverhandlung noch das Bild einer einvernehmlichen sexuellen Beziehung mit dem Nebenkläger aufrechterhalten und insoweit keinerlei Einsicht und Problembewusstsein gezeigt.
Trotz dieser für sich genommen bedenklichen Erwägung ist auszuschließen, dass die Strafkammer rechtsfehlerhaft zulässiges Verteidigungsverhalten als Anknüpfungspunkt für die Gefährlichkeit des Angeklagten verwertet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 31. August 2022 - 4 StR 166/22, juris Rn. 4; Urteil vom 25. August 2021 - 3 StR 352/20, StV 2022, 301 Rn. 6, jeweils mwN). Denn nach dem Zusammenhang der Urteilsgründe hat die Strafkammer lediglich auf das Fehlen von gefährdungsmindernden Umständen abgestellt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. August 2021 - 3 StR 352/20, StV 2022, 301 Rn. 7; Urteil vom 19. August 2020 - 5 StR 616/19, juris Rn. 36; Beschluss vom 21. August 2014 - 1 StR 320/14, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 11 Rn. 8). Im Übrigen belegen die zahlreichen weiteren vom Landgericht angeführten Umstände, etwa die frühe einschlägige Delinquenz im jugendlichen Alter und die serienmäßige Begehung von Sexualstraften ohne extrinsische Faktoren über einen längeren Tatzeitraum, in der Gesamtschau die hohe Wahrscheinlichkeit der Begehung schwerer sexueller Missbrauchstaten zum Nachteil von Jungen in Form von Oralverkehr und analer Penetration.
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 451
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede