HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 718
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 470/23, Beschluss v. 05.02.2024, HRRS 2024 Nr. 718
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 15. August 2023 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht Aurich hatte den Angeklagten mit Urteil vom 3. Juni 2021 wegen Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage in Tateinheit mit Strafvereitelung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Auf seine Revision hatte der Senat mit Beschluss vom 8. März 2022 (3 StR 398/21, NStZ-RR 2022, 133) das Urteil im Strafausspruch unter Aufrechterhaltung der zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Im zweiten Rechtsgang hatte das Landgericht Aurich den Angeklagten mit Urteil vom 19. September 2022 auf Grundlage des rechtskräftigen Schuldspruchs zu derselben Freiheitsstrafe wie zuvor verurteilt. Auf seine Revision hatte der Senat mit Beschluss vom 11. Januar 2023 (3 StR 445/22, NStZ 2024, 154) das Urteil unter Aufrechterhaltung der Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine Strafkammer des Landgerichts Oldenburg zurückverwiesen.
Nunmehr hat das Landgericht Oldenburg den Angeklagten im dritten Rechtsgang zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Hiergegen wendet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Die sachlichrechtliche Nachprüfung des Urteils hat zum noch allein in Rede stehenden Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Das Landgericht hat insbesondere rechtsfehlerfrei den sich aus den §§ 153, 26 StGB ergebenden Strafrahmen zu Grunde gelegt und keine Strafrahmenverschiebung gemäß § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB vorgenommen. Denn das die Strafbarkeit begründende und vom Angeklagten als Anstifter nicht verwirklichte Tatbestandsmerkmal „als Zeuge“ in § 153 StGB ist kein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB, sondern ein tatbezogenes persönliches Merkmal, auf welches die Norm keine Anwendung findet (vgl. ohne ausdrückliche Erörterung BGH, Urteile vom 18. März 1976 - 4 StR 77/76, BGHSt 27, 74, 76; vom 18. Oktober 1978 - 2 StR 368/78, BGHSt 28, 155, 156; vom 5. April 2007 - 4 StR 5/07, wistra 2007, 341, 342; Beschlüsse vom 11. Dezember 2013 - 2 StR 478/13, NJW 2014, 1403; vom 29. August 2017 - 4 StR 116/17, juris Rn. 7 f.).
Hierzu gilt:
1. Im Ausgangspunkt ist zwischen täterbezogenen persönlichen Merkmalen, die als besondere persönliche Merkmale im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB behandelt werden, und tatbezogenen persönlichen Merkmalen, auf welche die Vorschrift keine Anwendung findet, zu unterscheiden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 29. September 1993 - 2 StR 336/93, BGHSt 39, 326, 327 f.; vom 25. Januar 1995 - 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1 f. mwN; vom 23. Oktober 2018 - 1 StR 454/17, BGHSt 63, 282 Rn. 15; Beschluss vom 24. März 2021 - 4 StR 416/20, BGHSt 66, 66 Rn. 8; kritisch Herzberg, ZStW 88 [1976], S. 68, 79 ff.; Geppert, ZStW 82 [1970], S. 40, 57 f.; Langer, FS Lange, 1976, S. 241, 258; vgl. auch Fischer, StGB, 71. Aufl., § 28 Rn. 3 f.).
Die Abgrenzung hängt davon ab, ob das betreffende Merkmal im Schwergewicht die Tat oder die Persönlichkeit des Täters kennzeichnet (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 29. September 1993 - 2 StR 336/93, BGHSt 39, 326, 328; vom 25. Januar 1995 - 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1, 2 mwN; vom 23. Oktober 2018 - 1 StR 454/17, BGHSt 63, 282 Rn. 16; Beschlüsse vom 22. Januar 2013 - 1 StR 234/12, BGHSt 58, 115, 117 f.; vom 24. März 2021 - 4 StR 416/20, BGHSt 66, 66 Rn. 9). Umstände, die eine besondere Gefährlichkeit des Täterverhaltens anzeigen oder die Ausführungsart des Delikts beschreiben, sind in der Regel tatbezogen. Die Einordnung muss in wertender Betrachtung unter Beachtung des Charakters und der Schutzrichtung des jeweiligen Tatbestandes erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 2018 - 1 StR 454/17, BGHSt 63, 282 Rn. 16 mwN).
Im Bereich der durch Pflichten gekennzeichneten Merkmale ist für die Abgrenzung letztlich maßgeblich, welche Art von Pflicht das Merkmal umschreibt. Handelt es sich um eine vorstrafrechtliche Sonderpflicht, wird eher die Persönlichkeit des Täters gekennzeichnet und ist daher das Merkmal täterbezogen.
Handelt es sich dagegen um ein strafrechtliches, an jedermann gerichtetes Gebot, wird eher die Tat gekennzeichnet und ist damit das Merkmal tatbezogen (vgl. BGH, Urteile vom 25. Januar 1995 - 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1, 4 f. mwN; vom 23. Oktober 2018 - 1 StR 454/17, BGHSt 63, 282 Rn. 17 mwN; Beschlüsse vom 22. Januar 2013 - 1 StR 234/12, BGHSt 58, 115 Rn. 8 ff.; vom 24. März 2021 - 4 StR 416/20, BGHSt 66, 66 Rn. 9).
2. Nach diesem Maßstab, der eine dem jeweiligen Tatbestand gerecht werdende Bestimmung des Unrechtsgehalts der Teilnahmehandlung ermöglicht, ist das Merkmal „als Zeuge“ in § 153 StGB ein tatbezogenes persönliches Merkmal, auf welches § 28 Abs. 1 StGB keine Anwendung findet (im Ergebnis ebenso MüKoStGB/Müller, 4. Aufl., Vor § 153 Rn. 19; LK/Wolters/Ruß, StGB, 13. Aufl., Vor § 153 Rn. 7; Schönke/Schröder/Bosch/Schittenhelm, StGB, 30. Aufl., Vor §§ 153 ff. Rn. 42; Fischer, StGB, 71. Aufl., Vor § 153 Rn. 2; Lackner/Kühl/Heger, StGB, 30. Aufl., § 153 Rn. 7; Matt/Renzikowski/Norouzi, StGB, 2. Aufl., Vor § 153 Rn. 3; SSW-StGB/Sinn, 6. Aufl., § 153 Rn. 4; Müller, Falsche Zeugenaussage und Beteiligungslehre, 2000, S. 339 ff.; Grünwald, GS Kaufmann, 1989, S. 555, 563; Heidland, Die besonderen persönlichen Merkmale im Sinne des § 50 Abs. 2 StGB, 1971, S. 93 ff.; Gerl, Die besonderen persönlichen Merkmale im Sinne des § 28 StGB, 1975, S. 147 ff.; Otto, Grundkurs Strafrecht 2, 7. Aufl., § 97 Rn. 31; Stein, Die strafrechtliche Beteiligungsformenlehre, 1988, S. 338; Roeder, ZStW 69 [1957], S. 223, 252; anders dagegen LK/Schünemann/Greco, StGB, 13. Aufl., § 28 Rn. 63 ff.; MüKoStGB/Joecks/Scheinfeld, 4. Aufl., § 28 Rn. 32; NK-StGB/ Vormbaum, 6. Aufl., § 153 Rn. 111; Vormbaum, Der strafrechtliche Schutz des Strafurteils, 1987, S. 282 ff.; NK-StGB/Puppe, 6. Aufl., § 28 Rn. 70; SK-StGB/ Hoyer, 9. Aufl., § 29 Rn. 37; SK-StGB/Zöller, 9. Aufl., Vor § 153 Rn. 10; Deichmann, Grenzfälle der Sonderstraftat, 1994, S. 108 f.; Herzberg, GA 1991, 145, 182; ders., ZStW 88 [1976], S. 68, 103; Langer, FS Wolf, 1985, S. 335, 345 ff.; ders., FS Lange, 1976, S. 241 ff.; Hake, Beteiligungsstrafbarkeit und „besondere persönliche Merkmale“, 1994, S. 111 f.; Hirsch, ZStW 88 [1976], S. 752, 771).
a) Der Wortlaut des § 153 StGB ermöglicht dieses Auslegungsergebnis. Die Formulierung „als Zeuge“ lässt sich ohne Weiteres sprachlich dahin interpretieren, dass sie denjenigen bezeichnet, der in einer zeugenschaftlichen Vernehmung falsch aussagt. So verstanden, kennzeichnet das Merkmal nicht die Persönlichkeit des Täters, es ist vielmehr Element der Deliktshandlung.
b) Dieses Verständnis deckt sich mit der Entstehungsgeschichte der Norm. Das Strafgesetzbuch sah ursprünglich nur die Strafbarkeit der beeidigten Falschaussage vor. Da die ursprünglich obligatorische Beeidigung von Aussagen auf Grund von Neuregelungen in der Straf- und Zivilprozessordnung nicht mehr in jedem Fall erforderlich war, kam es zu straflosen uneidlichen Falschaussagen, weil ein entsprechender Straftatbestand fehlte. Vor diesem Hintergrund wurde durch die Strafrechtsangleichungsverordnung vom 29. Mai 1943 (RGBl. I, 339, 340) der Straftatbestand der falschen uneidlichen Aussage in das Strafgesetzbuch eingefügt. Anlass für dessen Schaffung war mithin allein die Gefahr, die durch unwahre Aussagen von Zeugen (und Sachverständigen) für das Rechtsgut ausgeht, und nicht, dass ihnen eine persönliche Sonderpflicht für das Rechtsgut der Rechtspflege zukommt (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 1966 - 4 StR 178/66, BGHSt 21, 116, 117; Gerl, Die besonderen persönlichen Merkmale im Sinne des § 28 StGB, 1975, S. 148 f.; Heidland, Die besonderen persönlichen Merkmale im Sinne des § 50 Abs. 2 StGB, 1971, S. 94; jeweils mwN).
c) Systematische Erwägungen stützen dieses Auslegungsergebnis.
aa) Dies gilt zunächst mit Blick auf Struktur und Regelungsgehalt von § 154 StGB. Danach macht sich strafbar, wer vor Gericht oder vor einer anderen zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle falsch schwört. Der Täterkreis ist im Gegensatz zu § 153 StGB nicht beschränkt, sondern erfasst neben dem Meineid des Zeugen als Qualifikationstatbestand (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Oktober 1955 - GSSt 1/55, BGHSt 8, 301, 309 ff.; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 154 Rn. 1) unter anderem die beeidete Aussage einer Partei im Zivilprozess nach § 452 Abs. 1 ZPO (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 1968 - 4 StR 562/67, JZ 1968, 570; MüKoStGB/Müller, 4. Aufl., § 153 Rn. 4). Das Gesetz nimmt somit in diesem Zusammenhang keine Strafrahmenabstufung zwischen dem Meineid von Zeugen und von Parteien vor; nach dem Willen des Gesetzgebers verwirklichen sie vielmehr gleichwertiges Unrecht.
Im Fall der Teilnahme am Parteienmeineid gemäß § 154 Abs. 1 StGB ergäben sich aus der Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB beim Zeugen im Rahmen der falschen uneidlichen Aussage gemäß § 153 StGB erhebliche Wertungswidersprüche. Denn es fehlt im Tatbestand des § 154 Abs. 1 StGB, der ausdrücklich nur „falsches Schwören“ voraussetzt, ein besonderes persönliches Merkmal, das den Zivilprozessparteien eine Sonderpflicht zur Wahrheit auferlegt. Zur Vermeidung einer Ungleichbehandlung müsste die Gegenauffassung entweder auf die Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB in Fällen des § 154 StGB gänzlich verzichten oder auch für die Zivilprozesspartei eine Pflichtenstellung hinsichtlich der Wahrheitspflicht annehmen (vgl. Müller, Falsche Zeugenaussage und Beteiligungslehre, 2000, S. 358).
bb) Eine Rechtfertigung für die Abweichung von der vollakzessorischen Zurechnung als Regelfall ergibt sich weiter nicht aus der Strafrahmendiskrepanz zwischen einer Anstiftung zur eidlichen Falschaussage gemäß §§ 154, 26 StGB und der Verleitung zur Falschaussage gemäß § 160 Halbsatz 1 StGB.
Nach § 160 Halbsatz 1 StGB ist strafbar, wer einen anderen zur Ableistung eines falschen Eides verleitet. Die Vorschrift soll die Lücke schließen, die sich daraus ergibt, dass es sich bei den §§ 153 ff. StGB um eigenhändige Delikte handelt, die deshalb nicht in mittelbarer Täterschaft begangen werden können (Schönke/Schröder/Bosch/Schittenhelm, StGB, 30. Aufl., § 160 Rn. 1; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 160 Rn. 2; kritisch Küper, JZ 2012, 992, 996 f.).
Mit Blick darauf, dass sich die Norm ohnehin nicht bruchlos in die Gesetzessystematik der Aussagedelikte einfügt, können Folgerungen aus ihr jedenfalls nicht ohne Weiteres gezogen werden (vgl. Heidland, Die besonderen persönlichen Merkmale im Sinne des § 50 Abs. 2 StGB, 1971, S. 97; Müller, Falsche Zeugenaussage und Beteiligungslehre, 2000, S. 383 f.). So lässt die geringere Strafandrohung in § 160 Halbsatz 1 StGB für den Nichtzeugen, der täterschaftlich auf das Rechtsgut einwirkt, nicht den Schluss zu, dass die bewusste Falschaussage gemäß § 153 StGB eine besondere Pflichtwidrigkeit des zur Aussage Verpflichteten darstellt, in der ein personaler Unwert zu sehen ist, der die Anstiftung zur Falschaussage gemäß §§ 153, 26 StGB strafwürdiger erscheinen lässt als eine Verleitung nach § 160 StGB (aA SK-StGB/Hoyer, 9. Aufl., § 28 Rn. 37; Herzberg, GA 1991, S. 145, 182; ders., ZStW 88 [1976], S. 68, 103 f.; Gallas, FS Engisch, 1969, S. 600, 607 ff., 614 f.; Vormbaum, Der strafrechtliche Schutz des Strafurteils, 1987, S. 283; Deichmann, Grenzfälle der Sonderstraftat, 1994, S. 60 ff.; Hake, Beteiligungsstrafbarkeit und „besondere persönliche Merkmale“, 1994, S. 112). Vielmehr ist der Strafrahmen des § 160 StGB, der den mittelbaren Täter erheblich privilegiert, historisch zu erklären. Er knüpft an die Vorstellung des Meineids als Sakraldelikt an (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Oktober 1955 - GSSt 1/55, BGHSt 8, 301, 309; Urteil vom 13. Juli 1966 - 4 StR 178/66, BGHSt 21, 116, 117). Danach bestand zwischen einem vorsätzlichen Meineid gemäß § 154 StGB und einem nur unvorsätzlichen Falscheid im Sinne von § 160 Halbsatz 1 StGB ein erheblicher Wertungsunterschied. Denn das im sakralen Moment der Vereidigung liegende Schutzgut war im letzteren Fall nicht betroffen. Daher erschien die Verleitung zu diesen Delikten weniger strafwürdig als die Anstiftung zu jenen (MüKoStGB/Joecks/Scheinfeld, 4. Aufl., § 28 Rn. 32; Schönke/ Schröder/Bosch/Schittenhelm, StGB, 30. Aufl., § 160 Rn. 3/4; Fischer, StGB, 71. Aufl., Vor § 153 ff. Rn. 1; Heidland, Die besonderen persönlichen Merkmale im Sinne des § 50 Abs. 2 StGB, 1971, S. 95 ff.; Müller, Falsche Zeugenaussage und Beteiligungslehre, 2000, S. 354 ff., 381 ff.).
d) Das Verständnis als tatbezogenes persönliches Merkmal deckt sich weiter mit der Schutzrichtung des § 153 StGB.
aa) Den Straftatbeständen der §§ 153 und 154 StGB liegt das zum Schutze der Rechtspflege aufgestellte Verbot zugrunde, die Feststellung des Sachverhalts durch unwahre Aussagen zu gefährden. Deshalb ist das die Strafbarkeit begründende Element die unwahre Aussage als solche (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Oktober 1955 - GSSt 1/55, BGHSt 8, 301, 309; Urteile vom 15. Februar 1957 - 1 StR 471/56, BGHSt 10, 142, 143; vom 13. Juli 1966 - 4 StR 178/66, BGHSt 21, 116, 117). Strafgrund des § 153 StGB ist somit nicht die Verletzung einer besonderen, den Täter treffenden Pflicht zur Bewahrung eines ihm anvertrauten Rechtsgutes, wie dies beispielsweise bei der Amtsträgereigenschaft der Fall ist (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 24. Oktober 1990 - 3 StR 196/90, BGHSt 37, 207, 213; vom 25. Januar 1995 - 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1, 4), sondern der objektive Eingriff in das geschützte Rechtsgut. Das Tatbestandsmerkmal „als Zeuge“ kennzeichnet gerade diesen Rechtsgutangriff. Der Teilnehmer wirkt an dieser Rechtsgutverletzung mit. Die hieraus folgende Rechtsgutbezogenheit des Merkmals begründet somit die akzessorische Zurechnung (Schönke/Schröder/Bosch/Schittenhelm, StGB, 30. Aufl., Vor §§ 153 ff. Rn. 42; Geppert, ZStW 82 [1970], S. 40, 71 f.; Müller, Falsche Zeugenaussage und Beteiligungslehre, 2000, S. 342; Grünwald, GS Kaufmann, 1989, S. 555, 559, 563).
bb) Den Zeugen trifft zudem keine besondere Verantwortung für das geschützte Rechtsgut, die einen qualitativen Unterschied zwischen dem Unrecht des Täters einerseits sowie des Teilnehmers andererseits und damit eine Lockerung der vollakzessorischen Zurechnung begründen könnte. Denn das geschützte Rechtsgut der Rechtspflege wird dem Zeugen nicht persönlich „anvertraut“. Der Zeugenbegriff des § 153 StGB ist vielmehr ein formell-prozessualer. Der Status eines Zeugen besteht unabhängig davon, ob dieser Angaben zur Beweisfrage machen kann. Seine Verpflichtung beschränkt sich darauf, zu einem ihm gestellten Beweisthema Tatsachen zu bekunden. Umstände, die mit diesen nicht im Zusammenhang stehen, kann der Zeuge von sich aus nicht zum Gegenstand der Vernehmung machen. Überdies hat er bei der Wahrheitsfindung keine rechtliche, sondern nur eine tatsächliche Stellung. Er erhält keine rechtliche Dispositionsbefugnis über den Inhalt seiner Bekundung und damit über das Rechtsgut, denn die Beweiswürdigung seiner Angaben obliegt allein dem Gericht (MüKoStGB/Müller, 4. Aufl., Vor § 153 Rn. 19; Müller, Falsche Zeugenaussage und Beteiligungslehre, 2000, S. 352; Matt/Renzikowski/Norouzi, StGB, 2. Aufl., Vor § 153 Rn. 3; Gerl, Die besonderen persönlichen Merkmale im Sinne des § 28 StGB, 1975, S. 148; Stein, Die strafrechtliche Beteiligungsformenlehre, 1988, S. 337 f.; aA Langer, FS Wolf, 1985, S. 335, 353 ff.).
cc) Die Formulierung „als Zeuge“ macht darüber hinaus deutlich, dass es sich allein um eine vom Zeugen im Zeitpunkt seiner Vernehmung zu erfüllende Pflicht handelt. Außerhalb der Vernehmung wird er wieder zum „jedermann“, der im selben Umfang wie jede andere Person der Rechtspflege verpflichtet ist (vgl. LK/Wolters/Ruß, StGB, 13. Aufl., Vor § 153 Rn. 7; MüKoStGB/Müller, 4. Aufl., Vor § 153 Rn. 19; Müller, Falsche Zeugenaussage und Beteiligungslehre, 2000, S. 351 f.). So macht sich der Zeuge ohne Weiteres strafbar, wenn er auf andere Weise das Rechtsgut gefährdet, indem er beispielsweise außerhalb des Gerichtsgebäudes auf Zeugen einwirkt, gefälschte Urkunden bei Gericht einreicht oder unwahre Zwischenrufe im Sitzungssaal außerhalb seiner Vernehmung unternimmt. Auch dies unterscheidet Fälle der vorliegenden Art von den durch persönliche Pflichten gekennzeichneten Tatbeständen der Untreue und der Amtsdelikte.
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 718
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede