HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 555
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 398/21, Beschluss v. 08.03.2022, HRRS 2022 Nr. 555
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aurich vom 3. Juni 2021 im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage in Tateinheit mit Strafvereitelung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Verfahrensrüge dringt aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen nicht durch.
2. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des angefochtenen Urteils hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Strafausspruch hält dagegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Hierzu hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:
Die „Strafzumessungserwägungen der Kammer, die sich nur mit der Frage eines Berufsverbots nach § 70 StGB befasst und dessen Verhängung abgelehnt hat, lassen nicht erkennen, ob sie bei der Strafbemessung die - unabhängig von einem Berufsverbot - (möglicherweise) drohenden anwaltsgerichtlichen Sanktionen gemäß § 114 Abs. 1 BRAO in den Blick genommen hat. Die beruflichen Nebenwirkungen einer strafrechtlichen Verurteilung auf das Leben des Angeklagten sind jedenfalls dann als bestimmender Strafzumessungsgrund ausdrücklich anzuführen, wenn dieser durch sie seine berufliche oder wirtschaftliche Basis verliert (BGH, Beschluss vom 11. April 2013 - 2 StR 506/12, NStZ 2013, 522 mwN). Dass dies hier der Fall sein könnte, lässt sich nicht nur nicht ausschließen, sondern ist wahrscheinlich: Nach den Feststellungen ist der Angeklagte jedenfalls bis zum Zeitpunkt des Urteils als Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei, insbesondere auch als Strafverteidiger, tätig gewesen. Dazu, ob dem Angeklagten Maßnahmen nach § 114 Abs. 1 BRAO drohen, verhalten sich die Feststellungen nicht. Angesichts dessen, dass es sich bei der Beteiligung eines Rechtsanwalts, zumal in der Eigenschaft als solchem, an einem Aussagedelikt um einen - wie die Kammer zu Recht ausführt - besonders schwerwiegenden Verstoß gegen eine Berufspflicht handelt, erscheint es naheliegend, dass ihm in Folge der strafgerichtlichen Verurteilung anwaltsgerichtliche Maßnahmen, zumindest ein zeitlich befristetes Vertretungsverbot (§ 114 Abs. 1 Nr. 4 BRAO) oder sogar eine Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft (§ 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO) drohen (vgl. § 113 Abs. 1 BRAO). Bei Aussagedelikten, wie sie hier Gegenstand der Verurteilung sind, ist nach der anwaltsrechtlichen Rechtsprechung die Ausschließung aus der Anwaltschaft sogar der Regelfall, weil ein gravierender Verstoß gegen die Kernpflicht anwaltlicher Tätigkeit vorliegt (vgl. dazu Lubini, NZWist 2020, 178 (181)). Auf Grund dessen droht dem Angeklagten der Verlust seiner beruflichen oder wirtschaftlichen Basis. Daher hätte das Gericht sich mit etwaigen Folgen dieser Art auseinandersetzen und diese ggf. mildernd berücksichtigen müssen.
Die Feststellungen zum Strafausspruch können allerdings bestehen bleiben und dann um weitere - zu etwaigen eingeleiteten anwaltsgerichtlichen Verfahren - ergänzt werden. Denn bisher ist nur festgestellt, dass der Angeklagte bis zum Urteil noch als Anwalt, insbesondere Strafverteidiger tätig war.“
Dem tritt der Senat bei.
HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 555
Bearbeiter: Christian Becker