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HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 276

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 445/22, Beschluss v. 11.01.2023, HRRS 2023 Nr. 276


BGH 3 StR 445/22 - Beschluss vom 11. Januar 2023 (LG Aurich)

Strafzumessung (Begründungserfordernisse bei Verhängung einer gleich hohen Strafe wie im früheren, durch das Revisionsgericht aufgehobenen Urteil); Zurückverweisung an ein zum selben Bundesland gehörendes Gericht gleicher Ordnung.

§ 153 StGB; § 258 StGB; § 26 StGB; § 46 Abs. 1 StGB; § 114 Abs. 1 BRAO; § 354 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

Wird ein Urteil aufgehoben und trifft das neue Tatgericht Feststellungen, welche die Tat in einem wesentlich milderen Licht erscheinen lassen, hält es aber dennoch eine gleich hohe Strafe für erforderlich, so hat es seine Entscheidung eingehend zu begründen. Zwar sind die ursprüngliche Bewertung der Tat und die Strafzumessung in der aufgehobenen Entscheidung kein Maßstab für die neue Strafzumessung. Jedoch hat der Angeklagte einen Anspruch darauf, zu erfahren, warum er für ein wesentlich geringeres Vergehen nun gleich hoch bestraft wird. Gleiches gilt für den Fall, dass sich die mildere Beurteilung aus einem im zweiten Verfahrensgang erstmals festgestellten schuldmildernden Umstand ergibt.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aurich vom 19. September 2022 aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Oldenburg zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage in Tateinheit mit Strafvereitelung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Auf die Revision des Angeklagten hatte der Senat mit Beschluss vom 8. März 2022 (3 StR 398/21) das Urteil unter Aufrechterhaltung der zugehörigen Feststellungen im Strafausspruch aufgehoben, weil das Landgericht bei der Bemessung der Strafe die dem Angeklagten möglicherweise drohenden anwaltsgerichtlichen Sanktionen gemäß § 114 Abs. 1 BRAO nicht in den Blick genommen hatte.

Im zweiten Rechtsgang hat das Landgericht den Angeklagten zu derselben Freiheitsstrafe wie zuvor verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten.

Das Urteil hält materiellrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Wird ein Urteil auf ein Rechtsmittel zugunsten des Angeklagten aufgehoben und trifft das neue Tatgericht Feststellungen, welche die Tat in einem wesentlich milderen Licht erscheinen lassen, hält es aber dennoch eine gleich hohe Strafe für erforderlich, so hat es seine Entscheidung eingehend zu begründen; denn die ursprüngliche Bewertung der Tat und die Strafzumessung in der aufgehobenen Entscheidung sind zwar kein Maßstab für die neue Strafzumessung. Jedoch hat der Angeklagte einen Anspruch darauf, zu erfahren, warum er für ein wesentlich geringeres Vergehen nun gleich hoch bestraft wird (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Juli 2020 - 1 StR 196/20, juris Rn. 6; vom 8. Dezember 2015 - 3 StR 416/15, StV 2017, 34 Rn. 4; vom 28. April 2015 - 3 StR 92/15, NStZ-RR 2015, 207; vom 27. November 2012 - 3 StR 439/12, NStZ-RR 2013, 113 mwN; vom 11. Juni 2008 - 5 StR 194/08, wistra 2008, 386, 387; vom 20. April 1989 - 4 StR 149/89, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 13; vom 20. August 1982 - 2 StR 296/82, NJW 1983, 54). Gleiches gilt für den Fall, dass sich die mildere Beurteilung aus einem im zweiten Verfahrensgang erstmals festgestellten schuldmildernden Umstand ergibt (BGH, Beschluss vom 10. Oktober 1990 - 2 StR 446/90, StV 1991, 19).

Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht. Das Landgericht hat keine Begründung für die Verhängung gleich hoher Strafen gegeben, obwohl es nunmehr zu Gunsten des Angeklagten angenommen hat, dass gegen ihn anwaltsgerichtliche Maßnahmen verhängt werden. Darüber hinaus hat es ausdrücklich ausgeführt, es habe „in besonderem Maße strafmildernd“ berücksichtigt, dass dem Angeklagten der Verlust seiner beruflichen und/oder wirtschaftlichen Basis droht. Trotz dieser - auch aus Sicht der Strafkammer - bedeutsamen neuen Strafmilderungsgründe lassen die Erwägungen zur Strafzumessung nicht erkennen, aus welchen Gründen das Landgericht dennoch auf eine gleich hohe Strafe wie im früheren Urteil erkannt hat.

Wegen des aufgezeigten Rechtsfehlers ist das angefochtene Urteil insgesamt aufzuheben; jedoch können die - ergänzend getroffenen - Feststellungen bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).

2. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Alternative 2 StPO Gebrauch und verweist die Sache an eine Strafkammer des Landgerichts Oldenburg.

HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 276

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede