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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 717

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 463/23, Beschluss v. 21.03.2024, HRRS 2024 Nr. 717


BGH 3 StR 463/23 - Beschluss vom 21. März 2024 (LG Düsseldorf)

Einziehung (notwendige Feststellungen zum Verbleib sichergestellter Tatbeute); Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (keine Zurechnung des Verschuldens eines Verteidigers).

§ 73 Abs. 1 StGB; § 73c StGB; § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB; § 44 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Soweit eine Sicherstellung von Bargeld als Tatbeute durch Ermittlungsbehörden erfolgte, sind für eine sachgemäße Anwendung der Einziehungsvorschriften in §§ 73 ff. StGB grundsätzlich auch Feststellungen zum Verbleib der Tatbeute erforderlich.

2. Ist das sichergestellte Bargeld weiterhin gegenständlich und gesondert - etwa als Asservat der Justiz - vorhanden, unterliegt es als solches der vorrangigen gegenständlichen Einziehung nach § 73 Abs. 1 StGB und nicht der Einziehung des Wertes von Taterträgen. Ist das Bargeld zwischenzeitlich an einen Geschädigten zurückgegeben, scheidet eine Einziehungsanordnung wegen dieser Tatbeute gemäß § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB aus.

3. Für eine Einziehung des Wertes von Taterträgen i.S. des § 73c StGB ist nach einer Sicherstellung nur Raum, sofern das Geld nach seiner Sicherstellung auf ein Konto der Justizkasse eingezahlt wurde.

Entscheidungstenor

1. Dem Angeklagten C. wird auf seinen Antrag und seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 13. Juli 2023 gewährt.

2. Auf die Revisionen der Angeklagten N. und C. wird das vorbezeichnete Urteil, auch soweit es die Mitangeklagten H., Q. und G. betrifft,

a) in den Schuldsprüchen dahin geändert, dass die Angeklagten und Mitangeklagten jeweils statt des „gemeinschaftlichen“ Diebstahls des Diebstahls schuldig sind;

b) aufgehoben, soweit hinsichtlich des Falls II. 3. der Urteilsgründe gegen die Angeklagten N. und C. sowie den Mitangeklagten H. und G. die Einziehung des Wertes von Taterträgen jeweils in Höhe von 7.000 € und gegen den Angeklagten N. sowie die Mitangeklagten H. und Q. die Einziehung des Wertes von Taterträgen jeweils in Höhe von (weiteren) 969 € angeordnet worden ist; jedoch werden die jeweils zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat die beiden Angeklagten und die drei Mitangeklagten jeweils wegen „gemeinschaftlichen“ Diebstahls in einer unterschiedlichen Zahl von Fällen zu (Gesamt-)Freiheitsstrafen verurteilt und gegen jeden die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten haben - unter Erstreckung auf die nichtrevidierenden Mitangeklagten gemäß § 357 Satz 1 StPO - den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Dem Angeklagten C. ist antragsgemäß Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionsbegründungsfrist zu gewähren. Zwar macht sein Verteidiger geltend, er habe die Revisionsrechtfertigung dem Landgericht innerhalb der Revisionsbegründungsfrist elektronisch übermittelt. Indes ist ein Eingang der Rechtsmittelschrift nicht zu verzeichnen; diese ist erstmals mit dem hilfsweise gestellten Wiedereinsetzungsantrag des Angeklagten zu den Verfahrensakten gelangt. In einem solchen Fall ist Raum für eine Wiedereinsetzung und kann - anders als in dem Fall, dass der Schriftsatz eingegangen ist und nur nicht behebbare Zweifel ob der rechtzeitigen Einreichung bestehen (vgl. insofern BGH, Beschlüsse vom 4. März 2021 - 5 StR 575/20, juris Rn. 7; vom 11. Oktober 2017 - 5 StR 377/17, juris Rn. 1) - ein fristgemäßer Eingang nicht zugunsten des Angeklagten unterstellt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 6. November 1998 - 3 StR 511/97, NStZ 1999, 372 f.; KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 341 Rn. 21 a.E.). Den Angeklagten trifft an der Fristversäumung kein Verschulden; solches seines Verteidigers ist ihm nicht zuzurechnen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. November 2023 - 3 StR 80/23, juris Rn. 4; vom 17. Dezember 2020 - 3 StR 423/20, NStZ 2021, 245 Rn. 9). Die Wochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO, für die es auf den Zeitpunkt ankommt, zu dem der Angeklagte selbst Kenntnis von der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist erlangt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. November 2023 - 3 StR 80/23, juris Rn. 4; vom 17. Oktober 2023 - 3 StR 197/23, juris Rn. 4), ist eingehalten worden.

2. Die umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils aufgrund der erhobenen Sachrügen hat zu den Schuld- und Strafaussprüchen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben; auch soweit gegen den Angeklagten N. keine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist, lässt das Urteil einen Rechtsmangel nicht erkennen.

Der Senat fasst jedoch die Schuldsprüche dahin neu, dass die Angeklagten und Mitangeklagten jeweils statt des „gemeinschaftlichen“ Diebstahls des Diebstahls (in der in der Urteilsformel aufgeführten Anzahl von Fällen) schuldig sind. Denn die mittäterschaftliche Begehungsweise ist im Tenor nicht zu kennzeichnen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Juli 2022 - 3 StR 11/22, juris Rn. 3; vom 27. Januar 2021 - 3 StR 416/20, juris Rn. 4; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 260 Rn. 24 mwN).

3. Dagegen halten die Einziehungsentscheidungen der revisionsrechtlichen Kontrolle nicht stand, soweit hinsichtlich des Falls II. 3. der Urteilsgründe gegen die Angeklagten N. und C. sowie die Mitangeklagten H. und G. die Einziehung des Wertes von Taterträgen jeweils gesamtschuldnerisch in Höhe von 7.000 € und gegen den Angeklagten N. sowie die Mitangeklagten H. und Q. die Einziehung des Wertes von Taterträgen jeweils gesamtschuldnerisch in Höhe von (weiteren) 969 € angeordnet worden ist (VI. 1. und VI. 2. der Urteilsformel).

a) Nach den zum Fall II. 3. der Urteilsgründe vom Landgericht getroffenen Feststellungen zerstörten die Angeklagten N. und C. sowie die Mitangeklagten H. und G. in der Nacht auf den 14. November 2022 aufgrund eines gemeinsamen Tatplanes und konzertiert handelnd eine Fensterscheibe einer Spielhalle, drangen durch den so geschaffenen Zugang in das Gebäude ein und öffneten unter Einsatz eines akkubetriebenen hydraulischen Spreizers gewaltsam einen Wechselgeldautomaten, während der ebenfalls tatbeteiligte Nichtrevident Q. absprachegemäß die Tatörtlichkeit von außen absicherte.

Dem aufgebrochenen Automaten entnahmen der Angeklagten N. und die Mitangeklagten H. und G. Bargeld in Höhe von 7.000 €, das sie in einem Rucksack verstauten, den sie anschließend dem Angeklagten C. übergaben, um die Beute später untereinander aufzuteilen und für sich zu verwenden. Während der gemeinsamen Wegfahrt der Angeklagten N. und C. sowie der Mitangeklagten H. und G. vom Tatort in einem Pkw zählten die vier das erlangte Geld.

Der Angeklagte N. und der Mitangeklagte H. nahmen zudem während des Tatgeschehens einen in den Räumlichkeiten befindlichen Tresor an sich, in dem sich weiteres Bargeld in Höhe von 969 € befand. Den ungeöffneten Tresor luden sie in den Pkw des Mitangeklagten Q., mit dem dieser sodann allein den Tatort verließ. Der Tresor sollte später aufgebrochen werden, um das in diesem erwartete Bargeld für eigene Zwecke zu verwenden.

Kurze Zeit später hielt die Polizei beide Fahrzeuge an und stellte den Tresor mitsamt Inhalt sicher. Der Mitangeklagte G. konnte zunächst fliehen, wurde aber alsbald ebenfalls festgenommen. Dabei wurde in seiner Kleidung das entwendete Bargeld aus dem Geldwechselautomaten (7.000 €) bis auf einen Betrag von 10 €, den der Mitangeklagte G. zwischenzeitlich ausgegeben hatte, aufgefunden und von der Polizei einbehalten.

b) Zwar erlangten die Angeklagten und die Mitangeklagten durch die Tat jeweils Bargeld in der Höhe, in der das Landgericht gegen sie in Bezug auf dieses Geschehen die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet hat. Jedoch lassen die Urteilsgründe nicht erkennen, was mit dem erbeuteten Geld nach dessen polizeilicher Sicherstellung geschah, insbesondere, ob es auf ein Justizkonto eingezahlt wurde und damit für eine gegenständliche Einziehung nach § 73 Abs. 1 StGB nicht mehr zur Verfügung gestanden hat.

Angesichts dessen hat der Generalbundesanwalt - diesbezüglichen Revisionsvortrag der Verteidigung eines Angeklagten aufgreifend - geltend gemacht, die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73 Abs. 1 i.V.m. § 73c Satz 1 StGB hinsichtlich der Beute aus der Tat II. 3. der Urteilsgründe könne keinen Bestand haben.

c) Dem kann sich der Senat nicht verschließen.

Sollte das von der Polizei sichergestellte Bargeld (6.990 € und 969 €) weiterhin gegenständlich und gesondert - etwa als Asservat der Justiz - vorhanden sein, unterläge es als solches der (vorrangigen) gegenständlichen Einziehung nach § 73 Abs. 1 StGB und nicht der Einziehung des Wertes von Taterträgen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 31. August 2022 - 4 StR 153/22, juris Rn. 9, 13; vom 4. März 2021 - 5 StR 447/20, wistra 2021, 318 Rn. 7). Sollte es zwischenzeitlich an die Geschädigte zurückgegeben worden sein, schiede eine Einziehungsanordnung wegen dieser Tatbeute gemäß § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB aus (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2021 - 1 StR 364/21, juris Rn. 15). Für die vom Landgericht angeordnete Einziehung des Wertes von Taterträgen wäre hinsichtlich der vorgenannten Beträge nur Raum, sofern das Geld nach seiner Sicherstellung auf ein Konto der Justizkasse eingezahlt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 25. August 2021 - 3 StR 148/21, BGHR StGB § 73c Satz 1 Unmöglichkeit 1 Rn. 3 ff.). Der Verbleib der Tatbeute aus dem Fall II. 3. der Urteilsgründe ist daher näher aufzuklären.

Zwar ist die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen gegen die Angeklagten N. und C. sowie die Mitangeklagten H. und G. in Höhe eines Teilbetrages von 10 € nach dem Vorstehenden nicht zu bemängeln; der Senat hebt die den Fall II. 3. der Urteilsgründe betreffende Einziehungsentscheidung gleichwohl - dem Antrag des Generalbundesanwalts entsprechend - ohne Differenzierung auf, um dem Tatgericht des zweiten Rechtsgangs insofern eine einheitliche neue Entscheidung zu ermöglichen.

Die bislang getroffenen Feststellungen sind von dem Rechtsmangel nicht betroffen; sie haben mithin Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht wird ergänzende Feststellungen zum Verbleib des sichergestellten Bargelds zu treffen haben.

4. Die übrigen Einziehungsaussprüche halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

5. Im Umfang der Aufhebungen bedarf die Sache der neuen Verhandlung und Entscheidung.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 717

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede