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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 1129

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 153/22, Beschluss v. 31.08.2022, HRRS 2022 Nr. 1129


BGH 4 StR 153/22 - Beschluss vom 31. August 2022 (LG Detmold)

Einziehung des Wertes von Taterträgen.

§ 73c StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten B. gegen das Urteil des Landgerichts Detmold vom 17. Dezember 2021 wird

a) mit Zustimmung des Generalbundesanwalts von der Einziehung des Wertes von Taterträgen gegen den Angeklagten in Höhe von 1.040 Euro abgesehen;

b) das vorbezeichnete Urteil, soweit es den Angeklagten betrifft, wie folgt geändert:

aa) im Schuldspruch dahingehend, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubter Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe, schuldig ist;

bb) im Ausspruch über die Einziehung von Taterträgen im Übrigen dahingehend, dass gegen den Angeklagten B. die Einziehung der sichergestellten 5.730 Euro als Gesamtschuldner sowie die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 115.270 Euro, hiervon in Höhe von 75.270 Euro als Gesamtschuldner, angeordnet wird und die darüber hinausgehende Einziehungsanordnung entfällt.

2. Auf die Revision des Angeklagten H. wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft, im Ausspruch über die Einziehung dahingehend geändert, dass die Einziehung der sichergestellten 3.000 Euro sowie die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 16.000 Euro, jeweils als Gesamtschuldner, angeordnet wird und die darüber hinausgehende Einziehungsanordnung entfällt.

3. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.

4. Der Angeklagte B. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Die Kosten der Revision des Angeklagten H. sowie die diesem dadurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit „Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz“, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Den Angeklagten H. hat das Landgericht wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Ferner hat es Einziehungsentscheidungen getroffen. Hiergegen richten sich die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten, wobei der Angeklagte H. allein die Einziehungsentscheidung des Landgerichts angreift. Die Rechtsmittel erzielen den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg und sind im Übrigen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Revision des Angeklagten B.

a) Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch und zum Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Jedoch ist der Schuldspruch betreffend das durch den Angeklagten im Fall II.1. der Urteilsgründe tateinheitlich verwirklichte Waffendelikt zur Klarstellung dahin zu fassen, dass der Angeklagte insoweit der unerlaubten Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe (§ 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKontrG) schuldig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juni 2004 - 4 StR 150/04, juris Rn. 2). Der Senat sieht, wie bereits das Landgericht, davon ab, die wegen des gleichzeitigen Aufbewahrens mehrerer Kriegswaffen (Gewehr und Munition) bestehende gleichartige Tateinheit (vgl. BGH, Beschluss vom 23. September 1997 - 1 StR 516/96) im Tenor zum Ausdruck zu bringen (§ 260 Abs. 4 Satz 5 StPO). § 265 StPO steht der lediglich die gesetzliche Tatbezeichnung klarstellenden Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen.

b) Auch soweit das Landgericht von der Unterbringung des Angeklagten B. in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat, hat das Urteil Bestand. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts bedurfte die Anordnung der Maßregel keiner ausdrücklichen Erörterung. Angesichts der Urteilsfeststellungen zur Person des Angeklagten musste sich dem Landgericht weder die Möglichkeit eines Hangs noch einer ungünstigen Gefahrenprognose im Sinne des § 64 StGB aufdrängen. Nach den Feststellungen nahm der Angeklagte den regelmäßigen Konsum geringer Mengen Marihuana zur Schmerztherapie nach einem (im Erwachsenenalter erlittenen) Unfall auf. Die - verfahrensgegenständliche - Aufzucht von Marihuana beschloss er aus eigenem Antrieb zu beenden. Nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist davon auszugehen, dass der Angeklagte auch seinen Eigenkonsum spätestens mit Beginn der Untersuchungshaft im Juni 2021 beendete; Anhaltspunkte für hiermit verbundene Entzugserscheinungen sind dem Urteil nicht zu entnehmen. Der voll geständige und schuldeinsichtige Angeklagte bemühte sich zudem, mithilfe einer Schuldnerberatung seine finanziellen Verhältnisse zu ordnen. Schließlich hat das Landgericht immerhin unter dem Gesichtspunkt des § 35 BtMG das Konsumverhalten des Angeklagten erörtert und hierbei erkennen lassen, dass es - vertretbar - angenommen hat, es werde zu einer schädlichen Fortsetzung des Konsums des Angeklagten nicht kommen. Bei dieser Sachlage stellt das Fehlen einer ausdrücklichen Begründung für die Nichtanordnung der Maßregel gemäß § 64 StGB keinen Rechtsfehler dar.

Der auf die Nichtanordnung der Maßregel nach § 64 StGB gestützte Aufhebungsantrag des Generalbundesanwalts hindert den Senat nicht an einer Verfahrensweise nach § 349 Abs. 2 StPO. Dieser Antrag wirkt zulasten und nicht zugunsten des Angeklagten im Sinne des § 349 Abs. 4 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Mai 2022 - 5 StR 475/21; Beschluss vom 10. Februar 2021 - 3 StR 184/20, juris Rn. 12 [insoweit nicht abgedruckt in NStZ 2022, 302] mwN).

c) Demgegenüber kann die Einziehungsentscheidung des Landgerichts gegen den Angeklagten B. nur teilweise bestehen bleiben.

aa) Soweit das Landgericht in seinen den Angeklagten betreffenden Ausspruch über die „gesamtschuldnerische Einziehung von Wertersatz“ den Wert der durch den Angeklagten im Fall II.2. der Urteilsgründe erzielten Taterträge in Höhe von 5.040 Euro einbezogen hat, hat der Senat in Höhe des Teilbetrags von 1.040 Euro mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO aus prozessökonomischen Gründen von der Einziehung abgesehen. Die zugrundeliegenden Urteilsfeststellungen sind insoweit widersprüchlich, als das Landgericht einerseits Einnahmen des Angeklagten aus dieser Tat in Höhe von 5.040 Euro sicher festgestellt hat (UA 7 f.), andererseits „zugunsten der Angeklagten“ von einem „Gesamterlös“ aus dieser Tat in Höhe von lediglich 4.000 Euro ausgegangen ist (UA 17).

bb) Auch im Übrigen hält die Einziehungsentscheidung betreffend den Angeklagten B. sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht vollen Umfangs stand und bedarf der aus der Beschlussformel ersichtlichen Berichtigung (§ 354 Abs. 1 StPO analog).

(1) Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, unterliegt der bei dem Angeklagten aufgefundene Bargeldbetrag in Höhe von 5.730 Euro, der nach den Feststellungen aus den verfahrensgegenständlichen Taten stammte, der gegenständlichen Einziehung gemäß § 73 StGB. Der Senat hat dies im Tenor klargestellt und dabei die vom Landgericht getroffene Gesamtschuldanordnung - die sich ausweislich der Urteilsgründe auch auf den Bargeldbetrag erstreckt - zugunsten des Angeklagten aufrechterhalten.

(2) Weiter rechtsfehlerhaft hat das Landgericht es versäumt, bei der Ermittlung der Höhe der Wertersatzeinziehung (§ 73c StGB) die bei beiden Angeklagten sichergestellten Bargeldbeträge in Höhe von insgesamt 8.730 Euro, die nach den Urteilsfeststellungen aus den verfahrensgegenständlichen Taten stammten und der gegenständlichen Einziehung bei dem jeweiligen Angeklagten unterliegen, von dem Betrag der Wertersatzeinziehung gegen den Angeklagten B. abzuziehen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2022 - 2 StR 51/22, juris Rn. 5; Beschluss vom 24. November 2021 - 4 StR 358/21, juris Rn. 4 mwN). Auf diese Weise hat es diese Taterträge doppelt in Ansatz gebracht und seiner Einziehungsentscheidung erheblich höhere Taterträge zugrunde gelegt, als sie der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen erzielte. Danach erlangte der Angeklagte B. aus den verfahrensgegenständlichen Taten insgesamt mindestens 124.000 Euro und höchstens 125.040 Euro. Somit verbleibt, worauf der Generalbundesanwalt ebenfalls zutreffend hingewiesen hat, nach der gegenständlichen Einziehung von 5.730 Euro bei dem Angeklagten sowie 3.000 € bei dem Mitangeklagten H., die ebenfalls in Abzug zu bringen sind, nur noch ein Betrag von 115.270 Euro, der der Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73c StGB unterliegt. Hinsichtlich des Umfangs der insoweit anzuordnenden gesamtschuldnerischen Haftung folgt der Senat im Ergebnis den Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts, trägt aber dem Umstand Rechnung, dass in Höhe des sichergestellten Geldbetrages (5.730 Euro) die Gesamtschuldanordnung bereits bei der gegenständlichen Einziehung erfolgt ist.

2. Revision des Angeklagten H.

a) Das Rechtsmittel ist wirksam auf die (den Angeklagten betreffende) Einziehungsentscheidung beschränkt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2021 - 3 StR 184/20, juris Rn. 10 mwN). Eine weiter gehende Beschränkung der Revision auf einen bestimmten Einziehungsbetrag durch die Revisionsbegründungsschriften des Verteidigers des Angeklagten ist hingegen nicht wirksam erfolgt. Zur Begründung nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts Bezug.

b) Die Revision erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg und ist im Übrigen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der Ausspruch über die „gesamtschuldnerische Einziehung von Wertersatz in Höhe von 92.730,00 Euro“ wird von den Urteilsfeststellungen zu den vom Angeklagten H. erlangten Taterträgen nur zu einem geringen Teil getragen. Hiernach erlangte der Angeklagte insgesamt 19.000 Euro aus den verfahrensgegenständlichen Taten. Hiervon wurden - wie bereits ausgeführt - 3.000 Euro sichergestellt und unterliegen daher der gegenständlichen Einziehung gemäß § 73 StGB. Als Gegenstand einer Wertersatzeinziehung gemäß § 73c verbleibt mithin, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, der Betrag von 16.000 Euro. Die darüber hinausgehende Einziehungsanordnung hat daher in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO zu entfallen. Die Gesamtschuldanordnung des Landgerichts hat der Senat zugunsten des Angeklagten insgesamt aufrechterhalten.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 4 StPO. Hinsichtlich des Angeklagten B. rechtfertigt es der - auch hinsichtlich des Einziehungsbetrages - nur geringfügige Teilerfolg seiner Revision nicht, ihn auch nur teilweise von der Kosten- und Auslagenlast freizustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Mai 2021 - 5 StR 458/20, NStZ-RR 2021, 229, 230; Beschluss vom 25. Februar 2021 - 1 StR 423/20, NJW 2021, 1829).

Demgegenüber ist die auf die Einziehungsentscheidung beschränkte Revision des Angeklagten H. in einem Maß erfolgreich, dass es der Billigkeit entspricht, die Rechtsmittelkosten der Staatskasse aufzuerlegen, denn der Senat kann ausschließen, dass der Angeklagte sein Rechtsmittel auch eingelegt hätte, wenn das angegriffene Urteil wie die Revisionsentscheidung gelautet hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Mai 2021 - 5 StR 458/20, NStZ-RR 2021, 229, 230 mwN). Eine Änderung der Kostengrundentscheidung des erstinstanzlichen Urteils wegen der Herabsetzung der Einziehungsbeträge in entsprechender Anwendung des § 465 Abs. 2 StPO ist - angesichts des im Verhältnis zum gesamten Gegenstand der erstinstanzlichen Verurteilung relativ geringen Gewichts des Rechtsmittelerfolges - indes auch in Bezug auf den Angeklagten H. unter Billigkeitsgesichtspunkten nicht veranlasst (vgl. zum Ganzen BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2021 - 3 StR 381/21, juris Rn. 22 ff. mwN [insoweit in NStZ-RR 2022, 109 nicht abgedruckt]).

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 1129

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede