HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 24
Bearbeiter: Fabian Afshar
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 80/23, Beschluss v. 28.11.2023, HRRS 2024 Nr. 24
1. Der Antrag des Verurteilten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 2. November 2022 wird verworfen.
2. Die Anhörungsrüge des Verurteilten gegen den Senatsbeschluss vom 27. Juni 2023 wird verworfen.
Der Verurteilte hat die Kosten dieses Rechtsbehelfs zu tragen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 27. Juni 2023 die Revision des Verurteilten gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 2. November 2022, mit dem er wegen besonders schwerer Brandstiftung verurteilt worden ist, gemäß § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen, weil das Rechtsmittel nicht fristgerecht begründet worden ist. Denn das angefochtene Urteil ist dem Verteidiger des Angeklagten am 10. Januar 2023 zugestellt worden. Die Revisionsbegründungsschrift ist indes erst am 14. Februar 2023 und damit nach Ablauf der Frist des § 345 Abs. 1 StPO bei Gericht eingegangen. Das Landgericht hat keine Entscheidung nach § 346 Abs. 1 StPO getroffen.
Der Verurteilte hat zum einen mit Verteidigerschriftsatz vom 13. Juli 2023 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz beantragt. Zum anderen hat er mit Schreiben seines Verteidigers vom 17. Juli 2023 Anhörungsrüge (§ 356a StPO) gegen den Senatsbeschluss vom 27. Juni 2023 erhoben. Beide Rechtsbehelfe bleiben erfolglos.
1. Der Wiedereinsetzungsantrag ist unzulässig, weil er den Darlegungserfordernissen des § 45 Abs. 1 StPO nicht genügt.
a) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Satz 1 StPO). Der Antrag ist gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO innerhalb einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Innerhalb der Wochenfrist muss der Antragsteller auch Angaben dazu machen, wann das Hindernis weggefallen ist, das der Fristwahrung entgegenstand, es sei denn, die Einhaltung der Frist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO ist nach Aktenlage offensichtlich. Diese Angabe ist Voraussetzung für die Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Oktober 2023 - 3 StR 197/23, juris Rn. 3; vom 5. September 2023 - 3 StR 256/23, NStZ-RR 2023, 347; vom 17. Dezember 2020 - 3 StR 423/20, NStZ 2021, 245 Rn. 7; vom 14. Januar 2015 - 1 StR 573/14, NStZ-RR 2015, 145). Entscheidend für den Beginn der Wiedereinsetzungsfrist ist der Zeitpunkt, zu dem in der Person des Angeklagten das Hindernis weggefallen ist, mithin in der vorliegenden Konstellation, wann der Verurteilte Kenntnis von der nicht fristgerecht vorgelegten Revisionsbegründung erlangt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Oktober 2023 - 3 StR 197/23, juris Rn. 4; vom 17. Dezember 2020 - 3 StR 423/20, NStZ 2021, 245 Rn. 9; vom 20. November 2019 - 4 StR 522/19, NStZ-RR 2020, 49, 50; vom 26. Juni 2018 - 3 StR 197/18, juris Rn. 3 f.). Dies gilt auch, wenn der Verteidiger eigenes Verschulden geltend macht, das dem Angeklagten nicht zuzurechnen wäre (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Dezember 2020 - 3 StR 423/20, NStZ 2021, 245 Rn. 9; vom 20. November 2019 - 4 StR 522/19, NStZ-RR 2020, 49, 50; vom 2. April 2019 - 3 StR 63/19, juris Rn. 5 f.; vom 26. Juni 2018 - 3 StR 197/18, juris Rn. 3 f.).
b) An einem Vortrag dazu, wann der Verurteilte von der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist erfahren hat, fehlt es.
Eine solche Mitteilung war hier auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Denn die Zuschrift des Generalbundesanwalts an den Senat vom 13. März 2023, mit der die Verwerfung der Revision des Angeklagten als unzulässig gemäß § 349 Abs. 1 StPO beantragt und vorgebracht worden ist, die Revisionsrechtfertigungsschrift sei verspätet beim Landgericht Koblenz eingegangen, ist dem Verteidiger des Angeklagten am 28. März 2023 zugestellt worden. Es erscheint nicht fernliegend, dass dieser den Angeklagten zeitnah über den Antrag des Generalbundesanwalts informiert hat. Hinzu kommt, dass der Beschluss vom 27. Juni 2023, mit dem der Senat die Revision des Verurteilten wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist als unzulässig verworfen hat, am 28. Juni 2023 an den nicht inhaftierten Angeklagten abgesandt worden ist. Bei Zugrundelegung einer normalen Postlaufzeit ist wahrscheinlich, dass er innerhalb der nächsten drei Werktage und damit spätestens am 3. Juli 2023 von diesem Beschluss damit zugleich von der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Kenntnis erlangt hat. Der an den Bundesgerichtshof gerichtete Wiedereinsetzungsantrag ist jedoch erst am 13. Juli 2023 bei diesem eingegangen. Damit liegt kein Fall einer offensichtlichen Einhaltung der Frist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO vor.
Ergänzend nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts zum Wiedereinsetzungsantrag vom 9. Oktober 2023.
2. Die Anhörungsrüge gemäß § 356a StPO vom 17. Juli 2023 gegen den Revisionsverwerfungsbeschluss vom 27. Juni 2023 ist jedenfalls unbegründet, weil es nicht zu einer Verletzung des Anspruchs des Verurteilten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) bei der Revisionsentscheidung gekommen ist. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob der Rechtsbehelf innerhalb der Wochenfrist des § 356a Satz 2 StPO und damit zulässig erhoben worden ist.
Der Generalbundesanwalt hat - wie bereits ausgeführt - mit Zuschrift an den Senat vom 13. März 2023 die Verwerfung der Revision des Angeklagten als unzulässig gemäß § 349 Abs. 1 StPO beantragt und zur Begründung vorgebracht, die Revisionsrechtfertigungsschrift sei verspätet beim Landgericht Koblenz eingegangen. Die Antragsschrift des Generalbundesanwalts ist dem Verteidiger des Angeklagten am 28. März 2023 zugestellt worden. Mithin hatte dieser nahezu drei Monate Gelegenheit zu einer Stellungnahme. Von dieser Möglichkeit hat er jedoch keinen Gebrauch gemacht. Daher hat der Senat bei seiner Entscheidung weder zu berücksichtigendes entscheidungserhebliches Vorbringen des Verurteilten übergangen noch Verfahrensstoff verwertet, zu dem er nicht gehört worden ist, oder in sonstiger Weise seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
Das Vorbringen des Verurteilten zur Begründung seiner Gehörsrüge, das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 2. November 2022 sei rechtsfehlerhaft ergangen, weil bestimmte Zeugen und Sachverständige vom Gericht in der Hauptverhandlung nicht vernommen oder nicht zu allen relevanten Umständen befragt sowie Beweisergebnisse unrichtig gewertet worden seien, ist im Anhörungsrügeverfahren unbehelflich. Denn damit wird kein Verstoß gegen den Anspruch des Verurteilten auf rechtliches Gehör im Revisionsverfahren geltend gemacht. § 356a StPO bezieht sich jedoch allein auf entscheidungserhebliche Gehörsverstöße bei der Entscheidung über die Revision (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2023 - 3 StR 12/22, NStZ-RR 2023, 118; KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 356a Rn. 2 f.; MüKoStPO/Knauer/Kudlich, § 356a Rn. 3; BeckOK StPO/Wiedner, 49. Ed., § 356a Rn. 31). Die Anhörungsrüge nach § 356a StPO dient nicht dazu, jenseits von Gehörsverstößen im Revisionsverfahren eine neuerliche revisionsrechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils zu bewirken (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Januar 2023 - 3 StR 12/22, NStZ-RR 2023, 118; vom 27. September 2022 - 2 StR 112/22, juris Rn. 3; vom 19. Oktober 2021 - 1 StR 519/20, juris Rn. 3; LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 356a Rn. 4; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 356a Rn. 1).
3. Damit verbleibt es bei dem Senatsbeschluss vom 27. Juni 2023.
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 24
Bearbeiter: Fabian Afshar