HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 446
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 453/23, Beschluss v. 24.01.2024, HRRS 2024 Nr. 446
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 15. November 2022 dahin geändert
a) im Schuldspruch, dass der Angeklagte der Zwangsprostitution in Tateinheit mit ausbeuterischer Zuhälterei, der Körperverletzung sowie der Verbrauchsüberlassung von Betäubungsmitteln schuldig ist;
b) im Einziehungsausspruch, dass gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 8.320 € angeordnet wird.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Zwangsprostitution in Tateinheit mit Zuhälterei, vorsätzlicher Körperverletzung und unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln unter Einbeziehung der Strafe aus einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Ferner hat es eine Anrechnungsentscheidung in Bezug auf erbrachte Bewährungsleistungen nach § 58 Abs. 2 Satz 2 StGB i.V.m. § 56f Abs. 3 Satz 2 StGB getroffen, einen Betrag in Höhe von 8.320 € als Tatertrag eingezogen und festgestellt, das Verfahren habe unangemessen lange gedauert. Gegen das Urteil wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die nicht ausgeführte allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt zu einer geringfügigen Änderung des Schuldspruchs und einer klarstellenden Neufassung des Ausspruchs über die Einziehung. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Schuldspruch hinsichtlich des abgeurteilten Betäubungsmitteldelikts hält der sachlichrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen übergab der Angeklagte der Nebenklägerin, die für ihn als Prostituierte tätig war, anlässlich eines Beisammenseins, bei dem beide Betäubungsmittel zu sich nahmen, etwa ein Gramm Kokain zum sofortigen Verbrauch. Die Nebenklägerin konsumierte das Kokain sogleich.
b) Hierdurch hat sich der Angeklagte, anders als von der Strafkammer angenommen, nicht wegen Abgabe von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG, sondern wegen Verbrauchsüberlassung von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b Alternative 2 BtMG strafbar gemacht.
Eine Abgabe von Betäubungsmitteln im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG ist jede Gewahrsamsübertragung an eine andere Person zur freien Verfügung. An einer solchen fehlt es, wenn Betäubungsmittel - wie hier - zum sofortigen Gebrauch an Ort und Stelle hingegeben werden; in dieser Konstellation ist vielmehr der Tatbestand des Überlassens zum unmittelbaren Verbrauch gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b Alternative 2 BtMG erfüllt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. März 2022 - 6 StR 14/22, juris Rn. 2; vom 8. Februar 2022 - 3 StR 458/21, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 1 Verbrauchsüberlassung 1 Rn. 7; vom 23. März 2021 - 3 StR 19/21, NStZ 2022, 301 Rn. 8; Urteil vom 22. November 2016 - 1 StR 329/16, juris Rn. 23; Beschlüsse vom 14. April 2015 - 5 StR 109/15, NStZ-RR 2015, 218; vom 8. Juli 1998 - 3 StR 241/98, NStZ-RR 1998, 347; Patzak/Volkmer/Fabricius, BtMG, 10. Aufl., § 29 Rn. 830, 1205 ff.; MüKoStGB/O?lakc?o?lu, 4. Aufl., § 29 BtMG Rn. 842; Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 29 Rn. 1542 f.).
c) Der Senat ändert den Schuldspruch daher in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO wie aus der Beschlussformel ersichtlich, wobei er überdies den Schuldspruch wegen Zuhälterei angesichts der Verurteilung des Angeklagten gemäß § 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB dahin ergänzt, dass der Angeklagte der ausbeuterischen Zuhälterei schuldig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 4. August 2020 - 3 StR 132/20, NJW 2021, 869 Rn. 11), und hinsichtlich der Verurteilung wegen Körperverletzung die unnötige Kennzeichnung der Tat als „vorsätzliche“ entfallen lässt (s. § 260 Abs. 4 Satz 2 StPO; BGH, Beschluss vom 13. Juni 2023 - 3 StR 120/23, juris Rn. 17). § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen. Der Strafausspruch bleibt von der Schuldspruchänderung unberührt; angesichts des unveränderten Strafrahmens und der weiteren Umstände ist auszuschließen, dass die Strafkammer bei zutreffender rechtlicher Würdigung des Betäubungsmitteldelikts für dieses eine geringere Einzelstrafe festgesetzt hätte.
2. Den Ausspruch über die Einziehung präzisiert der Senat in Übereinstimmung mit dem Antrag des Generalbundesanwalts. Nach den von der Strafkammer getroffenen Feststellungen händigte die Nebenklägerin dem Angeklagten im Rahmen des vom Landgericht zutreffend als Zwangsprostitution in Tateinheit mit ausbeuterischer Zuhälterei gewerteten Geschehens Einnahmen aus ihrer Prostitutionstätigkeit in Höhe von 8.320 € aus, die der Angeklagte in der Folgezeit für sich verwendete. Ausweislich der Urteilsgründe hat die Strafkammer insofern - wie es rechtlich geboten gewesen ist - gemäß § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB die Einziehung des Wertes von Taterträgen in dieser Höhe angeordnet. Mit der im Tenor gewählten Formulierung „Ein Betrag in Höhe von 8.320 € unterliegt der Einziehung von Taterträgen“ kommt indes, auch wenn der Wortlaut des § 73c StGB von der Einziehung eines Geldbetrages spricht, nicht hinreichend zum Ausdruck, dass keine Einziehung von gegenständlich sichergestelltem Geld als Tatertrag, sondern eine Wertersatzeinziehung angeordnet worden ist. Denn die Formulierung des Landgerichts ist - missverständlich - angelehnt an die gesetzliche Überschrift des § 73 StGB („Einziehung von Taterträgen“). Der Senat fasst daher in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO den Einziehungsausspruch wie aus der Beschlussformel ersichtlich zur Klarstellung neu. § 265 Abs. 1 StPO steht auch dem nicht entgegen.
3. Ergänzend bemerkt der Senat:
a) Zu Recht hat die Strafkammer eine Anrechnungsentscheidung hinsichtlich vom Angeklagten erbrachter Bewährungsleistungen nach § 58 Abs. 2 Satz 2 StGB i.V.m. § 56f Abs. 3 Satz 2 StGB getroffen. Denn die Vollstreckung der noch nicht erledigten Freiheitsstrafe von elf Monaten aus einer Vorverurteilung des Angeklagten, die von der Strafkammer - wie es geboten gewesen ist - gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB in die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe eingezogen worden ist, war zur Bewährung ausgesetzt worden. Dem Angeklagten waren als Bewährungsauflage Geldzahlungen in Höhe von insgesamt 800 € aufgegeben worden, die er erbrachte.
Werden - wie hier - zur Bewährung ausgesetzte Strafen nach § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB in eine unbedingte Gesamtfreiheitstrafe einbezogen, entfällt die ursprünglich gewährte Strafaussetzung zur Bewährung und ist das Tatgericht gehalten, gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 StGB i.V.m. § 56f Abs. 3 Satz 2 StGB über die Anrechnung von Leistungen zu entscheiden, die der Angeklagte zur Erfüllung von Auflagen aus dem Bewährungsbeschluss erbracht hat (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2023 - 1 StR 116/23, juris Rn. 16; Beschlüsse vom 19. Juli 2023 - 4 StR 19/23, juris Rn. 3; vom 28. Februar 2023 - 2 StR 492/22, juris Rn. 3; vom 18. Februar 2014 - 3 StR 442/13, juris Rn. 3).
b) Soweit die Strafkammer die vom Angeklagten auflagengemäß gezahlten 300 € an eine gemeinnützige Einrichtung angerechnet hat, ist hiergegen von Rechts wegen nichts zu erinnern. Denn § 56f Abs. 3 Satz 2 StGB erfasst durch den Verweis auf § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StGB solche Bewährungsleistungen. Als rechtlich verfehlt erweist sich dagegen, dass die Strafkammer auch eine dem Angeklagten gemäß § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB auferlegte und von ihm erbrachte Entschädigungszahlung (Schmerzensgeld) in Höhe von 500 € an die Geschädigte der urteilsgegenständlichen gefährlichen Körperverletzung in die Anrechnung einbezogen hat. Schadensersatz- oder Entschädigungsleistungen an das Tatopfer gemäß § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB werden von der Anrechnungsverpflichtung des § 58 Abs. 2 Satz 2 StGB i.V.m. § 56f Abs. 3 Satz 2 StGB nicht erfasst; § 56f Abs. 3 Satz 2 StGB nimmt auf § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB nicht Bezug. Mit solchen Zahlungen kommt der Verurteilte nur einer ohnehin bestehenden zivilrechtlichen Zahlungsverpflichtung nach (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Mai 2004 - 3 Ws 581/04, NStZ-RR 2004, 262; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 56f Rn. 18; MüKoStGB/Groß/Kett-Straub, 4. Aufl., § 56f Rn. 34; Schönke/Schröder/Kinzig, 30. Aufl., § 56f Rn. 23).
c) Durch diesen Rechtsfehler ist der Angeklagte indes nicht beschwert.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 4 StPO. Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels lässt es nicht unbillig erscheinen, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten.
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 446
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede