HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1124
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 19/23, Beschluss v. 19.07.2023, HRRS 2023 Nr. 1124
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 30. September 2022 aufgehoben
a) soweit eine Entscheidung über die Anrechnung von Leistungen unterblieben ist, die nach der Strafaussetzung zur Bewährung im Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 24. Juni 2020 zur Erfüllung von Auflagen erbracht worden sind,
b) im Ausspruch über die Einziehungsanordnung, soweit die Einziehungsentscheidungen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Schwetzingen vom 17. Juni 2019, dem Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 24. Juni 2020 und dem Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 5. Dezember 2019 in Verbindung mit dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 1. September 2020 (2 StR 264/20) aufrechterhalten wurden.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in drei Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, schuldig gesprochen und ihn „deswegen unter Auflösung der Gesamtgeldstrafe nach dem Beschluss des Amtsgerichts Schwetzingen vom 22.11.2019 und unter Einbeziehung der dort einbezogenen Geldstrafen nach den Strafbefehlen des Amtsgerichts Schwetzingen vom 17.06.2019 (1 Cs 811 Js 12712/19) und des Amtsgerichts Karlsruhe vom 04.06.2019 (17 Cs 130 Js 18379/19), unter Einbeziehung der im Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 24.06.2020 (12 Ls 430 Js 26616/18 jug) verhängten Einzelstrafe und unter Auflösung der im Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 16.02.2021 (5/12 KLs 3626 Js 208082/19 (25/20)) ? in Verbindung mit dem Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 06.04.2022 gebildeten Gesamtstrafe und unter Einbeziehung der dort verhängten Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren verurteilt“. Zudem hat es einen Vollstreckungsabschlag von drei Monaten wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung bestimmt und die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 2.803,96 Euro angeordnet. Außerdem hat es angeordnet, dass „die Einziehungsentscheidungen nach dem Strafbefehl des Amtsgerichts Schwetzingen vom 17.06.2019 (1 Cs 811 Js 12712/19), dem Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 24.06.2020 (12 Ls 430 Js 26616/18 jug) und dem Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 05.12.2019 (5-28 KLs 13/19 ? 3628 Js 208082/19) ? in Verbindung mit dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 01.09.2020 ? 2 StR 264/20)“ aufrechterhalten bleiben.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet.
1. Das Urteil war aufzuheben, soweit eine Entscheidung über die Anrechnung von gemeinnützigen Arbeitsleistungen (37 Stunden) unterblieben ist, die im Rahmen der Strafaussetzung zur Bewährung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 24. Juni 2020 erbracht worden sind. Werden wie hier Strafen nach § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB in eine nicht zur Bewährung ausgesetzte Gesamtfreiheitstrafe einbezogen, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden war, entfällt die ursprünglich gewährte Strafaussetzung zur Bewährung. Das Landgericht war daher gehalten, gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2, § 56f Abs. 3 Satz 2 StGB über die Anrechnung von Leistungen zu entscheiden, die der Angeklagte zur Erfüllung von Auflagen aus dem Bewährungsbeschluss des Amtsgerichts erbracht hat (vgl. BGH, Beschluss vom 15. August 2018 - 4 StR 250/18, juris Rn. 6; zu einem möglichen Anrechnungsmaßstab vgl. BGH, Beschluss vom 2. April 2009 - 2 StR 11/09; Beschluss vom 2. November 2017 - 2 StR 439/17). Eine Berücksichtigung bei der Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe genügt regelmäßig nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2017 ? 1 StR 555/16, NStZ-RR 2017, 199 f.; Beschluss vom 18. Februar 2014 ? 3 StR 442/13, NStZ-RR 2014, 138; Beschluss vom 20. März 1990 ? 1 StR 283/89, BGHSt 36, 378, 381 ff.; jeweils mwN).
2. Zudem steht die Entscheidung des Landgerichts, die im Tenor des Urteils im Einzelnen aufgeführten Einziehungsentscheidungen aufrechtzuerhalten, mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Einbeziehung früherer Entscheidungen nicht in Einklang (vgl. BGH, Beschluss vom 1. August 2019 ? 4 StR 477/18, juris Rn. 17). Denn die Einbeziehung geschieht - trotz des auf die Aufrechterhaltung der früheren Entscheidungen gerichteten Wortlauts des § 55 Abs. 2 StGB - durch das Zusammenzählen der Beträge aus der früheren und der aktuellen Einziehungsentscheidung (vgl. BGH, Beschluss vom 1. August 2019 ? 4 StR 477/18, juris Rn. 17 f.; Beschluss vom 27. Juli 2021 - 3 StR 203/21, juris Rn. 6). Damit wird die Einziehungsentscheidung in dem früheren Urteil gegenstandslos im Sinne des § 55 Abs. 2 StGB und bedarf keiner Aufrechterhaltung; die entsprechende Anordnung entfällt (BGH, Beschluss vom 1. August 2019 ? 4 StR 477/18, juris Rn. 18 f.; Beschluss vom 27. Juli 2021 - 3 StR 203/21, juris Rn. 6; Urteil vom 29. Mai 2008 - 3 StR 94/08, NStZ-RR 2008, 275, 276). An einer demgemäßen Änderung der Einziehungsentscheidung in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO ist der Senat vorliegend gehindert, da das angefochtene Urteil die den einbezogenen Erkenntnissen zu Grunde liegenden Einziehungsbeträge nicht mitteilt.
Die Sache bedarf auch insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.
3. Die weitergehende umfassende Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1124
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede