HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 272
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 394/21, Beschluss v. 12.01.2022, HRRS 2022 Nr. 272
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 25. Mai 2021 aufgehoben
im gesamten Strafausspruch, jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten;
im Ausspruch über die Einziehung des sichergestellten Bargelds mit den zugehörigen Feststellungen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt und neben den sichergestellten Betäubungsmitteln auch das beim Angeklagten aufgefundene Bargeld eingezogen. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge hat hinsichtlich des Schuldspruchs keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
2. Der Strafausspruch hält dagegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil das Landgericht eine mögliche Strafmilderung nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG nicht erwogen hat, obwohl es sich ausweislich der Urteilsgründe zu einer ausdrücklichen Erörterung gedrängt sehen musste.
a) Der Angeklagte machte nach den Feststellungen bereits im Ermittlungsverfahren Angaben zur arbeitsteiligen Vorgehensweise der Bande, zur Rolle der Mitangeklagten und eines gesondert Verfolgten sowie zur Anzahl und Menge der Betäubungsmittellieferungen nach B. Diese Einlassung wiederholte der Angeklagte in der Hauptverhandlung (UA S. 11 ff.). Hierauf hat das Landgericht die Verurteilung der lediglich teilgeständigen Mitangeklagten gestützt (UA S. 13 ff.).
Es hat einen minder schweren Fall gemäß § 30a Abs. 3 BtMG verneint und der Strafbemessung den Strafrahmen des § 30a Abs. 1 BtMG zugrunde gelegt. Eine weitere Strafmilderung nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG ist nicht erörtert worden. Bei der Verneinung eines minder schweren Falles und bei der Strafzumessung im engeren Sinne hat die Strafkammer jedoch zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er die Taten bereits im Ermittlungsverfahren umfassend eingeräumt und auch Tatbeiträge von anderen Beteiligten benannt hat, was zu deren Überführung beigetragen hat (UA S. 22).
b) Die Nichterörterung von § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG ist danach rechtsfehlerhaft. Nach den Urteilsgründen lag es nahe, dass der Angeklagte durch die freiwillige Benennung weiterer Bandenmitglieder gemäß § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG dazu beigetragen hat, die Taten über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus aufzuklären (BGH, Beschlüsse vom 11. November 2021 - 4 StR 134/21, juris Rn. 12; vom 20. August 2014 - 1 StR 390/14, juris Rn. 4; vom 31. August 2010 - 3 StR 297/10, juris Rn. 2 f.; vom 23. Oktober 2008 - 3 StR 413/08, NStZ-RR 2009, 58 f.).
c) Auf dem dargelegten Rechtsfehler beruht der Strafausspruch. Zwar hat das Landgericht zugunsten des Angeklagten sein Geständnis und die Aufklärungshilfe berücksichtigt. Die Urteilsgründe lassen jedoch nicht erkennen, dass es die Möglichkeit geprüft hat, aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen des § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG minder schwere Fälle nach § 30a Abs. 3 BtMG zu bejahen oder die Strafe dem nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen zu entnehmen (BGH, Beschlüsse vom 11. November 2021 - 4 StR 134/21, juris Rn. 12; vom 31. August 2010 - 3 StR 297/10, juris Rn. 2 f.). Dies zwingt zur Aufhebung sämtlicher verhängten Einzelstrafen und des Gesamtstrafenausspruchs. Die strafzumessungsrelevanten Feststellungen können bestehen bleiben, da ausschließlich ein Rechtsanwendungsfehler vorliegt. Weitere, zu diesen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen kann das neue Tatgericht treffen.
3. Auch die Anordnung der Einziehung des sichergestellten Bargelds hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Nach den von der Strafkammer getroffenen Feststellungen erlangte der Angeklagte von den Hintermännern neben einem „nicht näher feststellbaren Eurobetrag als Entlohnung“ einen ebenfalls „nicht genau spezifizierbaren Eurobetrag“ zur Begleichung der Betäubungsmittellieferungen aus den Niederlanden. Insgesamt verfügte der Angeklagte „diesbezüglich“ über Bargeld in Höhe von 62.375 €, 17.100 Tschechische Kronen und 2,7 Millionen Vietnamesische Dong, die er in der von ihm bewohnten Wohnung aufbewahrte (UA S. 9 f.). Im Rahmen der Begründung der Einziehungsentscheidung wird ausgeführt, dass es sich bei dem sichergestellten Bargeld „um Erlöse aus Betäubungsmittelgeschäften bzw. Entlohnung für die Tätigkeit des Angeklagten handelte bzw. es sich um Geld handelt, mit dem zu erwerbende Betäubungsmittel bezahlt werden sollten“ (UA S. 29).
Durch diese - teils widersprüchliche - Begründung ist nicht hinreichend belegt, dass es sich bei den eingezogenen Bargeldbeträgen um Erträge aus den abgeurteilten Taten nach § 73 Abs. 1 StGB handelt.
Auch sind den Feststellungen die Voraussetzungen für eine erweiterte Einziehung der Bargeldbeträge nicht zu entnehmen. Die Anwendung des § 73a Abs. 1 StGB setzt voraus, dass die Herkunft des Einziehungsgegenstandes aus rechtswidrigen Taten feststeht und eine sichere Zuordnung, insbesondere zu den abgeurteilten Taten, ausweislich des Gesamtzusammenhangs nach Ausschöpfung aller Beweismittel ausgeschlossen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. September 2021 - 3 StR 158/21, juris Rn. 11; vom 8. September 2021 - 3 StR 179/21, juris; vom 19. August 2020 - 3 StR 219/20, juris Rn. 7 mwN). Aus den Urteilsgründen ergibt sich gerade nicht, dass die Bargeldbeträge aus anderen rechtswidrigen Taten herrühren und eine sichere Zuordnung zu den abgeurteilten ausscheidet.
Ferner belegen die Feststellungen nicht die Voraussetzungen einer Einziehung als Tatmittel gemäß § 74 Abs. 1 StGB. Die Einziehung von Geld als Tatmittel im Sinne von § 74 Abs. 1 StGB, welches für den Erwerb von Betäubungsmitteln bestimmt ist, kommt nur in Betracht, wenn der jeweilige konkrete Geldbetrag zur Durchführung weiterer Betäubungsmittelgeschäfte bestimmt war und diese Geschäfte wiederum Gegenstand der Anklage sind (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 23. April 2020 - 1 StR 99/20, juris Rn. 17 f.; vom 23. Oktober 2019 - 4 StR 538/18, juris Rn. 10; vom 7. Mai 1997 - 1 StR 217/97, NStZ-RR 1997, 318). Vorliegend hat die Strafkammer weder festgestellt, dass der Angeklagte das Bargeld für ein konkretes Betäubungsmittelgeschäft erhalten hat, noch war ein solches Geschäft Gegenstand des Verfahrens.
HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 272
Bearbeiter: Christian Becker