HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 909
Bearbeiter: Ulf Buermeyer
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 297/10, Beschluss v. 31.08.2010, HRRS 2010 Nr. 909
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 8. April 2010, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch in den Fällen 1, 2 und 6 (II. 1. und II. 3. der Urteilsgründe) sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben; die zugehörigen Feststellungen bleiben aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen (Fälle 1, 2 und 6; II. 1. und II. 3. der Urteilsgründe) sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen (Fälle 3 bis 5; II. 2. der Urteilsgründe) zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Weiter hat es zu seinen Lasten den Verfall von 4.190 € angeordnet. Die wirksam auf den Strafausspruch beschränkte, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; das weitergehende Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Die Bemessung der Einzelstrafen in den Fällen 1, 2 und 6 und der Gesamtstrafe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt:
"Die Strafkammer hat es unterlassen, für die Fälle 1, 2 und 6 ... die Anwendung von § 31 S. 1 Nr. 1 BtMG zu prüfen, obwohl sie sich ausweislich der Urteilsgründe zu einer ausdrücklichen Erörterung gedrängt sehen musste (BGH bei Schoreit NStZ 1987, 64; BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Prüfungspflicht 1; Senat NStZ-RR 2009, 58 f.).
Der Angeklagte wurde am 3. Oktober 2009 aufgrund des Fall 6 betreffenden Tatgeschehens festgenommen, nachdem es zur Sicherstellung von insgesamt 7,2 Kilogramm Marihuana in einem von dem Angeklagten und dem Mitangeklagten S. genutzten Pkw gekommen war (UA S. 11-17). In seiner anschließenden verantwortlichen Vernehmung durch die Polizei gab er an, das aufgefundene Marihuana sei zur Auslieferung an den Mitangeklagten K. bestimmt gewesen. Bereits zuvor habe er schon bei zwei Gelegenheiten - die den Ermittlungsbehörden bis dahin unbekannt waren und vorliegend als Fälle 1 und 2 Gegenstand des Urteils sind - jeweils 5 Kilogramm Marihuana nach vorheriger Bestellung an K. geliefert (UA S. 20-23). Diese Einlassung hat der Angeklagte in der Hauptverhandlung dahingehend klargestellt, dass von dem am 3. Oktober 2009 in dem Pkw aufgefundenen Marihuana ein Anteil von 5 Kilogramm für K. bestimmt gewesen sei. Ansonsten hat er seine Aussage hinsichtlich des Kerngeschehens unverändert wiederholt (UA S. 21-23). Hierauf hat das Landgericht auch die Verurteilung des Mitangeklagten K. - der sich zu Fall 6 lediglich teilgeständig eingelassen und die übrigen Vorwürfe bestritten hatte - gestützt (UA S. 17-27). Dem Angeklagten hat es Rahmen der Strafzumessung überdies ausdrücklich zugute gehalten, dass dieser 'weitreichend zu Tataufklärung (...) beigetragen' habe (UA S. 32). Nach den Urteilsgründen lag es daher nahe, dass der Angeklagte durch die freiwillige Benennung seines Abnehmers K. und der nach Zeit, Menge und Preis konkretisierten Betäubungsmittelverkäufe in den Fällen 1, 2 und 6 gemäß § 31 S. 1 Nr. 1 BtMG dazu beigetragen hat, diese Taten über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus aufzuklären. Zwar hatten die Ermittlungsbehörden im Fall 6 aufgrund der in dem Pkw sichergestellten Betäubungsmittelmenge und den Bekundungen des Zeugen Kö. bereits Hinweise auf eine mögliche Beteiligung K. s als Abnehmer. Dies steht einem durch den Angeklagten auch insoweit herbeigeführten Aufklärungserfolg jedoch nicht entgegen, denn er hat mit seinen Angaben zu K. zumindest eine sicherere Grundlage dafür geschaffen, diesem die Tatbeteiligung nachzuweisen (BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 18, 19 und 25; BGH NStZ-RR 1996, 181, Senat NStZ-RR 2009, 58 f.). ...
Auf dem dargelegten Rechtsfehler beruht der Strafausspruch auch. Zwar hat das Landgericht zugunsten des Angeklagten sein Geständnis und die Aufklärungshilfe berücksichtigt (UA S. 32). Die Urteilsgründe lassen jedoch nicht erkennen, dass es die Möglichkeit geprüft hat, aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen des § 31 S. 1 Nr. 1 BtMG minder schwere Fälle nach § 29a Abs. 2 BtMG zu bejahen oder die Strafe dem nach § 31 S. 1 Nr. 1 BtMG, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen zu entnehmen (BGHR BtMG § 30 Abs. 2 Strafrahmenwahl 2; BGHR BtMG § 31 Ermessen 1; BGH NStZ 1996, 181). Dies zwingt zur Aufhebung der für die Fälle 1, 2 und 6 verhängten Einzelstrafen und damit auch des Gesamtstrafenausspruchs. Die strafzumessungsrelevanten Feststellungen können bestehen bleiben, da ausschließlich ein Rechtsanwendungsfehler vorliegt. ... Weitere, dazu nicht in Widerspruch stehende Feststellungen kann der neue Tatrichter treffen."
Dem schließt sich der Senat an.
HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 909
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2010, 385
Bearbeiter: Ulf Buermeyer