HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 861
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 532/19, Beschluss v. 29.04.2020, HRRS 2020 Nr. 861
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aurich vom 2. Mai 2019 geändert
im Schuldspruch dahin, dass der Angeklagte schuldig ist
im Fall II. 4. der Urteilsgründe der schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit schwerem Wohnungseinbruchdiebstahl mit Waffen, mit Körperverletzung, mit Sichverschaffen von Betäubungsmitteln und mit Sachbeschädigung,
im Fall II. 7. der Urteilsgründe des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und mit Beleidigung,
in den Fällen II. 8. und 9. der Urteilsgründe zweier Fälle des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte jeweils in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und mit Körperverletzung,
im Ausspruch über die Einziehung dahin, dass die Einziehung der Armbanduhr der Marke „Fossil“ sowie des Wertes von Taterträgen in Höhe von 400 € angeordnet wird und der jeweilige Zusatz „zugunsten von Herrn P.“ entfällt.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung, Wohnungseinbruchsdiebstahls mit Waffen und Sichverschaffen von Betäubungsmitteln“ (Fall II. 4. der Urteilsgründe) „in Tatmehrheit mit Körperverletzung in vier Fällen“ (Fälle II. 1. bis 3. sowie 5. der Urteilsgründe) „in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung“ (Fall II. 6. der Urteilsgründe) „in Tatmehrheit mit tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte in Tatmehrheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung“ (Fall II. 7. der Urteilsgründe) „in Tatmehrheit mit tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung in zwei Fällen“ (Fälle II. 8. und 9. der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und den vorweg zu vollziehenden Teil der Strafe auf zwei Jahre bemessen. Daneben hat es „die Armbanduhr der Marke Fossil … zugunsten von Herrn P. eingezogen“ und „in Höhe eines Betrages von 400,00 Euro … die Einziehung des Wertes des Erlangten zugunsten von Herrn P.“ angeordnet. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat lediglich insoweit einen geringfügigen Teilerfolg, als sie auch zu seinen Gunsten 1 zur Änderung des Schuldspruchs führt. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO; allerdings bedürfen die Einziehungsentscheidungen der Klarstellung.
1. In den Fällen II. 4. sowie II. 7. bis 9. der Urteilsgründe (fortan: Fälle 4, 7, 8, 9) ist der Schuldspruch wie aus der Beschlussformel ersichtlich zu ändern.
a) Fall 4:
aa) Nach den Feststellungen verschaffte sich der Angeklagte am 26. Oktober 2018 gewaltsam Zutritt zu einer Wohnung. Als er an den in seinem Bett schlafenden Bewohner herantrat, bemerkte er auf dem Nachttisch eine Armbanduhr. Er nahm sie an sich, um sie für sich zu behalten. Anschließend gab er dem Schlafenden eine Ohrfeige, wodurch dieser aufwachte, und forderte ihn - wie zuvor geplant - zur Herausgabe von Bargeld und Drogen auf. Dabei drückte er ihm einen Schlüssel in den Rücken, um den Eindruck zu erwecken, es handle sich um ein Messer, das er gegebenenfalls einsetzen werde. Aus Angst vor weiteren Schlägen und dem Einsatz des vermeintlichen Messers händigte der Geschädigte dem Angeklagten 400 € Bargeld und etwa 30 Gramm Marihuana aus.
bb) Das Landgericht hat die Feststellungen dahin gewertet, dass der Angeklagte rechtswidrig und schuldhaft die miteinander idealkonkurrierenden Tatbestände der § 253 Abs. 1, §§ 255, 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB (schwere räuberische Erpressung), des § 223 Abs. 1 StGB (Körperverletzung), des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG (Sichverschaffen von Betäubungsmitteln) sowie der § 242 Abs. 1, § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, Nr. 3, Abs. 4 StGB („Wohnungseinbruchdiebstahls mit Waffen“) verwirklichte. Dies erweist sich als zutreffend. Allerdings ist ein Diebstahl mittels Einbruchs in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung im Sinne des § 244 Abs. 4 StGB aus Gründen der Klarstellung des begangenen Unrechts im Schuldspruch als „schwerer“ Wohnungseinbruchdiebstahl kenntlich zu machen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. März 2020 - 3 StR 599/19, juris mwN).
Des Weiteren hat das Landgericht angenommen, die durch das Aufbrechen der Wohnungstür verwirklichte Sachbeschädigung (§ 303 Abs. 1 StGB) werde von dem schweren Wohnungseinbruchdiebstahl mit Waffen (§ 242 Abs. 1, § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, Nr. 3, Abs. 4 StGB) im Wege der Gesetzeseinheit konsumiert. Dem ist nicht zu folgen; vielmehr stehen diese Delikte ebenfalls in Tateinheit (§ 52 StGB) zueinander (s. BGH, Beschluss vom 27. November 2018 - 2 StR 481/17, BGHSt 63, 253 Rn. 15 ff.).
b) Fälle 7 bis 9:
aa) Nach den Feststellungen erschienen am 28. Oktober 2018 wegen vorangegangener tätlicher Übergriffe des Angeklagten auf ihm unbekannte Personen Polizeibeamte an seiner Wohnanschrift. Der Angeklagte trat ihnen gegenüber aggressiv auf; er sprach Drohungen gegen sie aus und beleidigte sie massiv. Als er abermals „ausrastete“, wurde er von drei Polizeibeamten zu Boden gebracht. Daraufhin trat und schlug er in ihre Richtung (Fall 7). Am 1. November 2018 wurde der Angeklagte anlässlich einer allgemeinen Personenkontrolle wegen eines offenen Haftbefehls von zwei Polizeibeamten festgenommen. Er setzte sich gegen die Maßnahme zur Wehr, indem er um sich trat und seinen Oberkörper mit einer solchen Wucht drehte, dass die beiden Beamten zu Boden fielen. Hierdurch erlitt einer von ihnen leichte Hautabschürfungen an den Händen und am Knie, der andere eine Prellung am Knie (Fall 8). Auf dem Weg zur Polizeiwache versperrte sich der Angeklagte, indem er in Richtung der Polizeibeamten trat und versuchte, sich loszureißen. Als die Beamten ihn zu Boden brachten, biss er einem von ihnen in die Hand, wodurch eine stark schmerzende und blutende Verletzung entstand (Fall 9).
bb) Das Landgericht hat die Feststellungen zutreffend in jedem dieser Fälle als tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte (§ 114 Abs. 1 StGB) und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 Abs. 1 StGB) gewertet, darüber hinaus im Fall 7 als Beleidigung (§ 185 StGB) und in den Fällen 8 und 9 als Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB). Hinsichtlich der Konkurrenzen hat es zu Recht angenommen, dass in diesen drei Fällen die jeweiligen Gesetzesverletzungen in Idealkonkurrenz (§ 52 StGB) zueinander stehen. Der Tatbestand des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte verdrängt weder denjenigen des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte noch denjenigen der Körperverletzung. Hierzu gilt:
(1) Werden durch dieselbe Handlung mehrere Gesetze verletzt, ist grundsätzlich von Tateinheit auszugehen (BGH, Beschluss vom 27. November 2018 - 2 StR 481/17, BGHSt 63, 253 Rn. 18). Auf diese Weise erfüllt der Schuldspruch seine Klarstellungsfunktion, indem er sämtliche verwirklichten Strafnormen ausdrücklich benennt (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Oktober 1992 - GSSt 1/92, BGHSt 39, 100, 109; Urteil vom 30. März 1995 - 4 StR 768/94, BGHSt 41, 113, 116). Die Ausnahme von diesem Grundsatz bilden die Fallgruppen der Gesetzeseinheit. Diese ist gegeben, wenn ein Verhalten zwar mehrere Strafvorschriften erfüllt, zur Erfassung des Unrechtsgehalts der Tat aber die Anwendung bereits eines Tatbestands ausreicht, hinter dem die übrigen Delikte in der Folge zurücktreten (vgl. LK/Rissing-van Saan, StGB, 13. Aufl., Vor § 52 Rn. 107 mwN).
Ob Tateinheit oder Gesetzeseinheit gegeben ist, ist durch wertende Auslegung der in Betracht kommenden Strafnormen zu ermitteln (vgl. LK/Rissing-van Saan, StGB, 13. Aufl., Vor § 52 Rn. 108). Von maßgeblicher Bedeutung für die Abgrenzung sind die Rechtsgüter, gegen die sich der Angriff des Täters richtet, und die Straftatbestände, die zu ihrem Schutz normiert sind. Kennzeichen der Gesetzeseinheit ist es, dass die Verletzung des durch den einen Tatbestand geschützten Rechtsguts eine - wenngleich nicht notwendige, so doch regelmäßige - Erscheinungsform der Verwirklichung des anderen Tatbestands ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Oktober 1992 - GSSt 1/92, BGHSt 39, 100, 108; vom 27. November 2018 - 2 StR 481/17, BGHSt 63, 253 Rn. 18, jeweils mwN). In diesem Sinne liegt Gesetzeseinheit in Form der hier in Betracht zu ziehenden Konsumtion vor, wenn der Unrechts- und Schuldgehalt eines Delikts durch die Bestrafung wegen eines anderen Delikts deshalb hinreichend ausgeglichen wird, weil der verdrängte Tatbestand sich im Regelbild der typischen Begleittat hält und keinen eigenständigen, über die Haupttat hinausgreifenden Unrechtsgehalt aufweist (vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2019 - 3 StR 7/19, NStZ-RR 2020, 176, 177).
(2) Bei sachgerechter Übertragung der aufgezeigten Maßgaben stehen die Tatbestände des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte (§ 114 StGB) und des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB) in der hier vorliegenden Fallgestaltung, in der sich der Täter mittels eines tätlichen Angriffs auf die Beamten gegen eine von diesen ausgeführte Vollstreckungshandlung wendet, in Tateinheit (§ 52 StGB) zueinander (ebenso LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 6. März 2019 - 10 Ns 403 Js 70416/17, NStZ-RR 2020, 39; Lackner/Kühl/Heger, StGB, 29. Aufl., § 114 Rn. 5; Schönke/Schröder/Eser, StGB, 30. Aufl., § 114 Rn. 12; BeckOK StGB/Dallmeyer, 46. Ed., § 114 Rn. 7; Puschke/Rienhoff, JZ 2017, 924, 932; Busch/Singelnstein, NStZ 2018, 510, 11 12 513; Fahl, ZStW 2018, 745, 753 f.; Kulhanek, JR 2018, 551, 558; aA [Konsumtion] SSWStGB/Fahl, 4. Aufl., § 114 Rn. 9; König/Müller, ZIS 2018, 96, 99). Dies ergibt sich - auch mit Blick auf das mit der Neufassung der §§ 113, 114 StGB verfolgte Ziel, den Schutz der Vollstreckungsbeamten zu stärken und bei Angriffen auf ihre Person das Tatunrecht umfassend strafrechtlich abzubilden (vgl. BT-Drucks. 18/11161, S. 1, 8) - insbesondere aus Folgendem:
(a) Der für die Abgrenzung zwischen Ideal- und Gesetzeskonkurrenz bedeutsame Aspekt des Rechtsgüterschutzes (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Oktober 1992 - GSSt 1/92, BGHSt 39, 100, 108; vom 27. November 2018 - 2 StR 481/17, BGHSt 63, 253 Rn. 18, jeweils mwN) legt aus Klarstellungsgründen die Annahme eines tateinheitlichen Zusammentreffens der beiden Tatbestände nahe. Zwar ist ihnen im Ausgangspunkt gemein, dass sie sowohl das kollektive Interesse an der Ausführung der jeweiligen Diensthandlung als auch die individuellen Belange der betroffenen Beamten sichern sollen; jedoch unterscheiden sie sich in der Gewichtung ihrer Ausrichtung auf diese Schutzgüter. Während bei § 113 StGB der Schutz des kollektiven Rechtsguts der Gewährleistung der Vollstreckungshandlung deutlich im Vordergrund steht, ist § 114 StGB mehr dem Schutz der individuellen Rechtsgüter des betroffenen Beamten verpflichtet.
(aa) Zentrales Schutzgut des § 113 StGB ist das kollektive Interesse an der Gewährleistung staatlicher Vollstreckungshandlungen (vgl. Schönke/Schröder/Eser, StGB, 30. Aufl., § 113 Rn. 2 mwN), mithin solcher Diensthandlungen, die im Einzelfall darauf gerichtet sind, einen hoheitlichen Willen gegenüber bestimmten Personen durchzusetzen (s. Fischer, StGB, 67. Aufl., § 113 Rn. 8). Daneben war vor der Neugestaltung der §§ 113, 114 StGB durch das am 30. Mai 2017 in Kraft getretene 52. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches (52. StÄG) betreffend die Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften vom 23. Mai 2017 (BGBl. I [vgl. BGH-Vereinheitlichung] S. 1226) sowohl in der Rechtsprechung als auch im Schrifttum einhellig anerkannt, dass § 113 StGB insbesondere mit Blick auf die Handlungsform des tätlichen Angriffs nach § 113 Abs. 1 Variante 3 StGB aF darüber hinaus die individuellen Belange der betroffenen Beamten erfassen sollte (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 1967 - 4 StR 512/66, BGHSt 21, 334, 365; LK/Rosenau, StGB, 12. Aufl., § 113 Rn. 3 mwN; kritisch MüKoStGB/Bosch, 3. Aufl., § 113 Rn. 1 f.). Dies gilt im Grundsatz nach der Gesetzesänderung fort. Zwar hat der Gesetzgeber im Zuge der Reform gerade die den persönlichen Schutzbereich der Beamten tangierende Handlungsform des „tätlichen Angriffs“ aus dem Tatbestand des § 113 StGB herausgelöst (vgl. BT-Drucks. 18/11161, S. 2, 8 f.). Jedoch bewahrt § 113 StGB ungeachtet dessen auch weiterhin eine doppelte Schutzrichtung, indem er die individuellen Belange der betroffenen Beamten als derjenigen Personen, die zur Ausführung von Vollstreckungshandlungen berufen sind, ebenso im Blick hat. Allerdings steht der Schutz des kollektiven Interesses an der Gewährleistung der Vollstreckungshandlungen im Vordergrund (vgl. Schönke/Schröder/Eser, StGB, 30. Aufl., § 113 Rn. 2; Puschke/Rienhoff, JZ 2017, 924, 929; Busch/Singelnstein, NStZ 2018, 510, 511; Kuhlhanek, JR 2018, 551, 558).
(bb) Demgegenüber zielt § 114 StGB vorrangig auf die individuellen Interessen der handelnden Beamten (vgl. Schönke/Schröder/Eser, StGB, 30. Aufl., § 114 Rn. 1; SSWStGB/Fahl, 4. Aufl., § 114 Rn. 1; Kuhlhanek, JR 2018, 551, 553, 558; aA [ausschließlich Schutz der Individualrechtsgüter] etwa Puschke/Rienhoff, JZ 2017, 924, 929; Satzger in Festschrift Neumann, 2017, S. 1161, 1168, 1170). Bei der Neugestaltung der §§ 113, 114 StGB durch das 52. StÄG hatte der Gesetzgeber die Intention, den Schutz der Beamten als Personen zu stärken (vgl. BT-Drucks. 18/11161, S. 1 f., 8). Demgemäß wurde speziell der diesen persönlichen Schutzbereich tangierende „tätliche Angriff“ zum zentralen Bestandteil des neu gefassten § 114 StGB erhoben (vgl. BT-Drucks. 18/11161, S. 2, 8 f.). Daneben schützt § 114 StGB das kollektive Interesse an der Dienstausübung der betroffenen Vollstreckungsbeamten als Repräsentanten der staatlichen Gewalt. Den Bezug deren individueller Interessen zum überindividuellen Rechtsgüterschutz wollte der Gesetzgeber nicht aufgeben (vgl. BT-Drucks. 18/11161, S. 1, 8 f.), was er nicht nur durch die Ausgestaltung des Tatbestandes, sondern auch durch dessen Verortung im sechsten Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches („Widerstand gegen die Staatsgewalt“) zum Ausdruck gebracht hat.
(b) Insbesondere die Voraussetzungen einer Konsumtion lassen sich nicht bejahen; denn bei wertender Betrachtung stellt der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 StGB keine typische Begleittat des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte nach § 114 StGB dar.
Übereinstimmend mit der voneinander abweichenden Gewichtung der geschützten Rechtsgüter erfassen beide Tatbestände unterschiedliche Angriffshandlungen auf diese Güter und eröffnen dadurch teilweise exklusive Anwendungsbereiche. So erfasst § 114 StGB eine Vielzahl von Fällen, die von § 113 StGB nicht abgedeckt werden. Denn der Gesetzgeber hat bei der Neufassung des § 114 StGB bewusst auf das Erfordernis der Vollstreckungshandlung verzichtet und stattdessen jedes dienstliche Handeln unter den Schutz des Tatbestands gestellt, wie zum Beispiel Streifenfahrten, Radarüberwachungen oder Unfallaufnahmen (vgl. hierzu BT-Drucks. 18/11161, S. 8 f.; Satzger in Festschrift Neumann, 2017, S. 1161, 1169). Das hierdurch eröffnete Spektrum an Fällen, in denen der Vollstreckungsbeamte zwar in Ausübung seines Dienstes tätig wird, aber keinen hoheitlichen Willen gegenüber bestimmten Personen durchsetzt, ist breit.
(3) Darüber hinaus ist das Landgericht in den Fällen 8 und 9 zutreffend davon ausgegangen, dass die Tatbestände des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte (§ 114 Abs. 1 StGB) und der Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) ebenfalls tateinheitlich verwirklicht sind (ebenso Lackner/Kühl/Heger, StGB, 29. Aufl., § 114 Rn. 5; Schönke/Schröder/Eser, StGB, 30. Aufl., § 114 Rn. 12; SSWStGB/Fahl, 4. Aufl., § 114 Rn. 9; Busch/Singelnstein, NStZ 2018, 510, 513; Fahl, ZStW 2018, 745, 755; Kuhlhanek, JR 2018, 551, 558). Die Voraussetzungen der hier allenfalls in Form von Konsumtion in Betracht zu ziehenden Gesetzeseinheit liegen auch in diesem Verhältnis nicht vor. Insbesondere handelt es sich bei der Körperverletzung nicht um eine typische Begleittat des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte. Denn der tätliche Angriff im Sinne des § 114 Abs. 1 StGB setzt weder einen Körperverletzungserfolg noch einen -vorsatz voraus (vgl. Schönke/Schröder/Eser, StGB, 30. Aufl., § 114 Rn. 4 mwN).
cc) Allerdings gibt der Tenor des angefochtenen Urteils die zutreffende rechtliche Würdigung der Strafkammer in den Fällen 7 bis 9 nicht wieder. Sie hat hinsichtlich dieser Fälle - den Angeklagten beschwerend - im Schuldspruch das Konkurrenzverhältnis zwischen den erfüllten Tatbeständen durchgängig mit „Tatmehrheit“ (oder gleichbedeutend mit „und“) bezeichnet und hinsichtlich der Fälle 8 und 9 darin die Verurteilung wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte nicht aufgenommen.
2. Die Vorschrift des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO steht der partiellen Verböserung des Schuldspruchs nicht entgegen (s. BGH, Urteil vom 17. Oktober 2019 - 3 StR 521/18, juris Rn. 53; KKStPO/Gericke, 8. Aufl., § 358 Rn. 18).
Im Ausspruch über die Einziehung von Taterträgen ist die Urteilsformel klarstellend neu zu fassen. Soweit das Landgericht in die Anordnungen den im Fall 4 Geschädigten unter namentlicher Benennung als Begünstigten der Einziehung der Armbanduhr und der Wertersatzeinziehung in Höhe von 400 € aufgenommen hat, hat dieser Zusatz zu entfallen.
1. Die Einziehung des durch oder für die Tat erlangten Gegenstandes (§ 73 Abs. 1 StGB) oder des entsprechenden Geldbetrages (§ 73c StGB) zugunsten des Geschädigten widerspricht der Systematik des neuen Einziehungsrechts. Danach zieht der Staat Taterträge nach eigenem originären Recht ein (vgl. LR/Johann, StPO, 27. Aufl., § 111b Rn. 6; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 63. Aufl., § 459h Rn. 1), mit der Folge, dass in der Entscheidungsformel lediglich der Gegenstand oder Wertersatz anzuführen ist (vgl. Köhler/Burkhard, NStZ 2017, 665, 679). Mit Rechtskraft des Urteils geht das Eigentum an dem eingezogenen Gegenstand oder das eingezogene Recht gemäß § 75 Abs. 1 StGB grundsätzlich auf den Staat über, und die Anordnung der Wertersatzeinziehung begründet einen Titel, aus dem er unmittelbar vollstrecken kann (vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 70 f.; BGH, Beschlüsse vom 5. März 2020 - 1 StR 42/20, juris Rn. 6; vom 25. September 2012 - 4 StR 137/12, NStZ 2013, 401).
Dies gilt auch in den Fällen, in denen dem Verletzten Ansprüche aus der Tat erwachsen sind; seine Entschädigung findet erst im Vollstreckungsverfahren statt (s. BT-Drucks. 18/9525, S. 94). Mit dem Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872 ff.) hat der Gesetzgeber insbesondere das Verfahren der Opferentschädigung neu geregelt. Dabei entschied er sich mit der Streichung des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB aF bewusst gegen das zuvor bestehende Institut der Rückgewinnungshilfe und den bloßen Auffangrechtserwerb des Staates, weil er diese Regelungen als für die Verletzten zu aufwendig und risikobehaftet sowie als langwierig und komplex erachtete (vgl. hierzu BT-Drucks. 18/9525, S. 1 f., 46; LR/Johann, StPO, 27. Aufl., § 111b Rn. 7). Dagegen sollte mit der originären Einziehung der Gegenstände und Rechte „zugunsten“ des Justizfiskus und der Verlagerung der Opferentschädigung in das Vollstreckungsverfahren insbesondere eine Vereinfachung des Entschädigungswesens erreicht und die Gleichbehandlung aller Verletzten sichergestellt werden (s. BT-Drucks. 18/9525, S. 2).
2. Die Frage, wer als Verletzter im Vollstreckungsverfahren vom Staat die Rückgewähr des eingezogenen Gegenstandes oder den Ersatz des Wertes des Erlangten verlangen kann, ist nach Urteilserlass anhand dessen Feststellungen zu beantworten (vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 50; Köhler/Burkhard, NStZ 2017, 665, 679). Denn „Verletzter“ im Sinne der §§ 73 ff. StGB, §§ 459h ff. StPO ist derjenige, dem ein entsprechender Anspruch aus einer Tat erwachsen ist, die im entscheidungserheblichen Zeitpunkt Gegenstand des Urteils mit der abschließenden (Wertersatz-)Einziehungsentscheidung sein muss (s. BT-Drucks. 18/9525, S. 50; KKStPO/Appl, 8. Aufl., § 459h Rn. 2). Damit knüpft die Verletzteneigenschaft an die konkrete Erwerbstat an, so wie sie in den Urteilsgründen festgestellt worden ist (vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 50; Köhler/Burkhard aaO). Diese Feststellungen legen fest, ob überhaupt und gegebenenfalls in welchem Umfang eine Person „verletzt“ ist.
3. Nach alledem ist der Verletzte nicht als Begünstigter der Einziehung in den Urteilstenor aufzunehmen; denn die (Wertersatz-)Einziehung wird stets zugunsten des Staates angeordnet. Überdies besteht kein Anlass, in der Entscheidungsformel deklaratorisch den im Vollstreckungsverfahren nach §§ 459h, 459j oder 459k StPO Anspruchsberechtigten zu bezeichnen, selbst wenn dies - anders als hier - hinreichend klar zum Ausdruck gebracht würde. Ein solches Vorgehen ist jedenfalls geeignet, Missverständnisse hervorzurufen (vgl. Bittmann, NStZ 2019, 447, 453).
Angesichts des geringen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 861
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2020, 243; StV 2021, 571
Bearbeiter: Christian Becker