HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 1352
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 511/19, Urteil v. 30.09.2020, HRRS 2020 Nr. 1352
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 6. Juni 2019 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Hehlerei in zwei Fällen, Beihilfe zum Diebstahl, Beihilfe zum Bandendiebstahl und Beihilfe zur Bandenhehlerei unter Freispruch im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision sowohl gegen den Freispruch als auch gegen den Schuldspruch. Das Rechtsmittel wird nur zugunsten des Angeklagten vom Generalbundesanwalt vertreten und hat in diesem Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
Der Angeklagte lebte während des Tatzeitraums in Litauen. Sein gesondert verfolgter Bruder wohnte in M. und verschaffte sich eine dauerhafte Einnahmequelle durch Autodiebstähle, die er jeweils dergestalt verübte, dass er die Fahrzeuge aufbrach und von einem Mittäter vom Tatort wegfahren ließ.
1. Im Jahr 2015 entwendete der Bruder sieben Fahrzeuge in Nordrhein-Westfalen. Zu den Tatorten fuhr er jeweils mit einem Audi, der dem Angeklagten gehörte. Die Anklage hatte diesem insoweit siebenfachen Bandendiebstahl vorgeworfen (Tatgeschehen zu II.1 der Urteilsgründe). Das Landgericht hat jedoch nicht feststellen können, dass der Angeklagte damals von den Taten seines Bruders wusste und/oder in irgendeiner Weise in diese eingebunden war, und ihn von diesen Vorwürfen freigesprochen.
2. In der Nacht vom 15. auf den 16. Juni 2016 entwendete der Bruder zwei Fahrzeuge in Ma. im Gesamtwert von etwa 10.000 €. Beide Wagen stellte er auf einem Autohof in K. ab. Dort sollten sie abgeholt und auf einem Trailer nach Litauen transportiert werden. Einige Tage später bat er den Angeklagten telefonisch, die genaue Adresse des Stellplatzes in K. für ihn zu recherchieren. Der Angeklagte kam der Bitte nach, wobei er es inzwischen für möglich hielt und billigend in Kauf nahm, dass sein Bruder die Daten zum Transport gestohlener Fahrzeuge nach Osteuropa benötigte. Er schickte die Adresse per SMS, woraufhin der Bruder den Standort an einen litauischen Trailerfahrer weiterleitete. Jener fand aufgrund dieser Information den Autohof, lud die Wagen auf und verbrachte sie nach Litauen. Dort wurden die Fahrzeuge von einer unbekannten Person in Empfang genommen und verwertet (Fall II.2 der Urteilsgründe). Das Landgericht hat dieses Geschehen als Hehlerei gemäß § 259 Abs. 1 StGB in Form der Absatzhilfe gewertet.
3. In der Folgezeit erfuhr der Angeklagte deutlicher von dem Geschäftsmodell seines Bruders. Dieser rief am 1. Juli 2016 erneut aus Deutschland an und fragte den Angeklagten, was er tun solle: Der litauische Trailerfahrer sei fast beim Autohof angekommen, er, der Bruder, verfüge aber derzeit über kein zu transportierendes Diebesgut. Der Angeklagte riet ihm, den Fahrer warten zu lassen. Auf Bitte des Bruders rief er jenen sodann an und sagte ihm, er möge sich gedulden. Am 2. und 3. Juli 2016 entwendete der Bruder jeweils ein Fahrzeug und verbrachte die Wagen nach K. Von dort transportierte sie der Trailerfahrer, der tatsächlich gewartet hatte, nach Litauen (Fall II.4 der Urteilsgründe). Das Landgericht hat diese Tat als Hehlerei gemäß § 259 Abs. 1 StGB gewürdigt.
4. Am 6. Juli 2016 erhielt der Angeklagte einen weiteren Anruf von seinem Bruder. Dieser war mit seinem Wagen auf der Autobahn liegengeblieben und benötigte deshalb Unterstützung vom Angeklagten, der seit vielen Jahren eine Kfz-Werkstatt betrieb und generell stets dazu bereit war, seinem Bruder zu helfen, wenn ihn dieser darum bat. Der Bruder erläuterte am Telefon, dass er unterwegs sei, „um zu arbeiten“, wobei der Angeklagte „wusste, was sein Bruder meinte“. Er vermittelte von Litauen aus das benötigte Ersatzteil und assistierte seinem Bruder anschließend telefonisch bei der Instandsetzung des BMW. Danach fuhr der Bruder mit dem reparierten Wagen nach S. und entwendete dort einen PKW (Fall II.5 der Urteilsgründe). Nach Wertung der Strafkammer ist der Angeklagte wegen dieses Verhaltens gemäß § 242 Abs. 1, § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, § 27 StGB schuldig wegen Beihilfe zum Diebstahl.
5. Vom 11. bis 17. Juli 2016 hielt sich der Bruder in Litauen auf. Als Geschehen zu II.7 der Urteilsgründe hat das Landgericht in diesem Zusammenhang zwei Taten festgestellt:
a) Zum einen wurde „dort … innerhalb der Familie unter Einbeziehung des Angeklagten besprochen“, dass sein Bruder den gemeinsamen Stiefbruder in Spanien abholen und nach Deutschland bringen solle. Zur Abdeckung der Fahrtkosten überwies der Stiefvater mehrere Hundert Euro an den Angeklagten, der das Geld an seinen Bruder weiterleitete und sich im Folgenden mehrfach telefonisch bei diesem danach erkundigte, wie weit die Fahrt nach Spanien gediehen sei. Dabei war dem Angeklagten bekannt, dass seine Brüder in Deutschland gemeinsam Diebstähle begehen werden. Ende Juli 2016 holte der Bruder den Stiefbruder mit dem Auto in Spanien ab und brachte ihn nach M. Beide begingen im August 2016 gemeinsam Autodiebstähle. Abnehmer der Fahrzeuge „sollte … sein bzw. war“ der Stiefvater in Litauen, wobei sich das Urteil nicht dazu verhält, ob der Angeklagte hiervon wusste. Konkret entwendeten die Brüder vier Fahrzeuge im Wert zwischen 4.575 und 8.250 €. Drei der Autos wurden noch in Deutschland polizeilich sichergestellt, das vierte verbrachte der Trailerfahrer von K. nach Litauen, wo es der Stiefvater verwertete. Eine Beteiligung des Angeklagten an den Geschäften ist nicht festgestellt. Gleiches gilt für eine finanzielle Entlohnung. Diese war auch zu keinem Zeitpunkt geplant. Das Landgericht hat diese Tat als Beihilfe zum Bandendiebstahl gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 2, § 27 StGB gewertet.
b) Zum anderen verschaffte sich der Bruder während des genannten Aufenthalts in Litauen im Juli 2016 Papiere, Tür- und Zündschlösser, Schlüssel, Fahrzeugidentifikationsnummern und Kennzeichen verschrotteter Volkswagen. Diese wollte er zur Verschleierung der Identität von zukünftig zu stehlenden Fahrzeugen verwenden. Da er befürchtete, auf der Rückfahrt an der Grenze kontrolliert zu werden, übergab er die Gegenstände dem Angeklagten, der sie mit der Post nach Deutschland schicken sollte. Der Angeklagte wusste um den geplanten Einsatz der Utensilien. Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt nach dem 17. Juli 2016 sandte er sie in einem Paket zu seinem Bruder nach M. Dazu, ob und ggf. in welcher Weise der Bruder die Gegenstände später verwendete, insbesondere im Zusammenhang mit dem Diebstahl der vier genannten Fahrzeuge im August 2016, verhält sich das Urteil nicht. Diese Tat hat die Strafkammer als Beihilfe zur bandenmäßigen Hehlerei gemäß § 259 Abs. 1, § 260 Abs. 1 Nr. 2, § 27 StGB gewürdigt.
1. Das Rechtsmittel ist ausweislich seiner Begründung unbeschränkt eingelegt. Zwar beantragt die Staatsanwaltschaft, das Urteil des Landgerichts „im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben“. In Widerspruch hierzu macht die Revisionsbegründung jedoch maßgeblich Rechtsfehler geltend, die sich auf den Freispruch und den Schuldspruch beziehen (zur wünschenswerten Deckungsgleichheit von Revisionsanträgen und Revisionsbegründung vgl. BGH, Urteil vom 21. September 2017 - 3 StR 288/17, juris Rn. 10 mwN).
2. Soweit sich das Rechtsmittel gegen den Freispruch richtet, ist es erfolglos. Die Überprüfung des Urteils hat keinen durchgreifenden Darstellungsmangel oder Fehler in der Beweiswürdigung erkennen lassen.
Die Urteilsgründe genügen noch den Anforderungen an ein freisprechendes Urteil (vgl. zu diesen etwa BGH, Urteil vom 17. Oktober 2019 - 3 StR 170/19, juris Rn. 9 f. mwN). Zwar soll sich ein strafrichterliches Urteil auf die nach § 267 StPO erforderlichen Ausführungen beschränken, sachlich sein und so abgefasst werden, dass die wesentlichen, die Entscheidung tragenden tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen ohne aufwändige Bemühungen zu erkennen sind (BGH, Urteil vom 21. September 2017 - 3 StR 288/17, juris Rn. 22 mwN). Diesem Erfordernis wird das vorliegende Urteil etwa dadurch nicht in vollem Umfang gerecht, dass es den Ablauf der Hauptverhandlung, das Verhalten der Staatsanwaltschaft und die fachliche Qualität des Urteils einer Parallelkammer darstellt und kommentiert. Alles dies ist sachlich nicht geboten. Außerdem vermengt das Urteil durchweg Feststellungen und Beweiswürdigung.
Im Ergebnis lassen die Urteilsgründe jedoch hinreichend erkennen, dass die Beweisaufnahme keinen Beweisertrag zu den freigesprochenen Anklagefällen ergeben hat. Sie erlauben auch die Prüfung, ob die Strafkammer den festgestellten Sachverhalt erschöpfend gewürdigt hat, ob die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze verstößt oder ob das Landgericht an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt hat (vgl. zu diesen Maßstäben die st. Rspr.; etwa BGH, Urteil vom 9. Januar 2020 - 3 StR 288/19, juris Rn. 19 mwN).
Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend ausgeführt:
„Das Landgericht hat ausführlich begründet, weshalb es sich keine Überzeugung bilden konnte, dass der Angeklagte an den Taten 1.-7. der Anklage (Tatphase I) beteiligt war. Es hat sich eingehend mit der Einlassung des Angeklagten befasst und diese insgesamt nachvollziehbar dargelegt und umfassend gewürdigt (vgl. UA S. 35-39). Darüber hinaus hat die Kammer ihre Überzeugungsbildung auch auf die eingeführten Telefonate zwischen den Tatbeteiligten und dem Angeklagten erstreckt und dabei die Umstände, die ihrer Meinung nach für und gegen die Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten sprechen können, eingehend im Urteil dargelegt und gegeneinander abgewogen (UA S. 39-43). Schließlich hat das Landgericht in die Gesamtwürdigung auch die polizeilichen Erkenntnisse eingestellt (vgl. Aussage des Zeugen KHK H., UA S. 43-46). Insgesamt ist zu erkennen, dass das Landgericht die Beweisumstände zu den verschiedenen Fallkomplexen nicht nur isoliert, sondern in ihrer Gesamtheit gewürdigt und keine für die Überzeugungsbildung wesentlichen Umstände übersehen hat (vgl. hierzu UA S. 46/47). Ferner hat das Landgericht keine überspannten Anforderungen an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt. Seine verbliebenen Zweifel stützen sich nicht auf bloß denktheoretische Möglichkeiten ohne jeden Anhaltspunkt, sondern sind sachlich begründet. So führt das Landgericht jeweils nachvollziehbare konkrete Gründe an, weshalb es sich an belastenden Schlussfolgerungen gehindert sah. Bei dieser insgesamt eingeschränkten Beweislage kann entgegen den Ausführungen der Revision nicht beanstandet werden, das Landgericht habe fehlerhaft den für erwiesen erachteten Sachverhalt nicht dargestellt, um erst daran anschließend darzulegen, weswegen dem Angeklagten für eine Verurteilung erforderliche weitere Tatsachen nicht nachweisbar gewesen sind (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt StPO § 267 Rn. 33); denn hierfür ist von vorneherein kein Raum, wenn sich nach den Urteilsgründen keinerlei Beweisertrag ergeben hat.“ Soweit die Revision „logische Widersprüche“ oder eine „nicht erkennbare Relevanz“ bestimmter Feststellungen und Würdigungen darlegt, ist nicht ersichtlich, dass der Freispruch auf diesen beruht.
3. Das Rechtsmittel fördert auch im Übrigen keine Fehler zugunsten des Angeklagten zutage. Stattdessen ergeben sich Unrichtigkeiten zu seinen Lasten (§ 301 StPO). Keiner der fünf Schuldsprüche hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand.
a) In Fall II.2 ist der für die Absatzhilfe erforderliche Absatzerfolg nicht festgestellt, der eine entgeltliche Übertragung der Verfügungsgewalt auf einen Erwerber voraussetzt (vgl. im Einzelnen BGH, Beschlüsse vom 31. Oktober 2018 - 2 StR 281/18, BGHSt 63, 228 Rn. 15 ff. mwN; vom 22. Oktober 2013 - 3 StR 69/13, BGHSt 59, 40 Rn. 10 ff.). Es ist lediglich bekannt, dass die Fahrzeuge in Litauen verwertet wurden.
Außerdem ist der subjektive Tatbestand einer Hehlerei nicht belegt. Denn dem Urteil lässt sich nicht entnehmen, dass der Angeklagte handelte, um sich oder einen Dritten zu bereichern. Ein eigener finanzieller Vorteil ist ihm aus seinem Verhalten nicht erwachsen. Dazu, ob er die Absicht verfolgte, seinem Bruder einen Geschäftsgewinn zu ermöglichen, also dessen Vermögenslage zu verbessern, verhält sich das Urteil nicht. Hinzu kommt, dass der Bruder als Vortäter des Diebstahls (wohl) nicht „Dritter“ im Sinne des § 259 Abs. 1 StGB ist (vgl. BGH, Urteil vom 18. Mai 1995 - 4 StR 41/95, BGHR StGB § 259 Abs. 1 Absatzhilfe 6; Beschluss vom 13. Januar 2005 - 3 StR 473/04, BGHR StGB § 259 Abs. 1 Vortat 8; MüKoStGB/Maier, 3. Aufl., § 259 Rn. 153 ff.; vgl. aber auch BGH, Urteil vom 7. August 1979 - 1 StR 176/79, NJW 1979, 2621; Schönke/Schröder/ Hecker, StGB, 30. Aufl., § 259 Rn. 44).
Das neue Tatgericht wird die Verwirklichung einer Begünstigung (§ 257 Abs. 1 StGB) und einer Beihilfe zur Geldwäsche (§ 261 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 4 Buchst. a, § 27 StGB) in den Blick zu nehmen haben sowie - soweit täterschaftliches Handeln in Rede steht - die Frage, ob auf die Auslandstat des ausländischen Angeklagten gemäß §§ 3 ff. StGB deutsches Strafrecht anwendbar ist (vgl. zu den Darlegungsanforderungen BGH, Urteil vom 8. März 2012 - 4 StR 629/11, NStZ-RR 2012, 247, 248; Beschluss vom 4. Dezember 2019 - 4 StR 74/19, juris Rn. 22 ff.).
b) Die Verurteilung wegen Hehlerei in Fall II.4 der Urteilsgründe unterliegt der Aufhebung, weil der Angeklagte seine Tätigkeit zu einem Zeitpunkt entfaltete, in dem die von § 259 Abs. 1 StGB vorausgesetzte rechtswidrige Besitzlage noch nicht vorlag. Denn der Bruder hatte die Fahrzeuge noch nicht entwendet, als der Angeklagte ihm seinen Rat erteilte und mit dem Trailerfahrer kommunizierte. Die Hehlerei setzt als sogenanntes Anschlussdelikt aber voraus, dass die Vortat abgeschlossen ist (BGH, Beschluss vom 17. November 2011 - 3 StR 203/11, NStZ 2012, 700). Hier kommt deshalb allenfalls eine Verurteilung des Angeklagten wegen (psychischer) Beihilfe zur Vortat in Betracht.
c) In Fall II.5 der Urteilsgründe hat die Strafkammer das Verhalten des Angeklagten zwar im Ansatz zutreffend als Beihilfe zum Diebstahl gewertet. Allerdings hat sie die subjektiven Voraussetzungen hierfür nicht hinreichend belegt. Denn sie hat nicht bedacht, dass es sich bei der Pannenhilfe für den Bruder um eine familientypische neutrale Handlung gehandelt haben könnte, die keinen ausreichenden Bezug zu dem anschließenden Fahrzeugdiebstahl aufwies. Für die Abgrenzung zwischen Beihilfe und straflosem Alltagsverhalten gilt:
Strafbare Beihilfe ist die vorsätzliche Hilfeleistung zu einer vorsätzlich begangenen Straftat eines anderen (§ 27 Abs. 1 StGB). Hilfeleistung in diesem Sinn stellt jede Handlung dar, die die Herbeiführung des Taterfolgs des Haupttäters objektiv fördert, ohne dass sie für den Erfolg selbst ursächlich sein muss (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 1. August 2000 - 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 109 mwN). Die Hilfeleistung muss nicht zur Ausführung der Tat selbst geleistet werden, es genügt die Unterstützung bei einer vorbereitenden Handlung (BGH, Urteil vom 8. März 2001 - 4 StR 453/00, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 22 mwN). Das kann auch durch äußerlich neutrale Handlungen geschehen (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2017 - 1 StR 56/17, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 35), wie hier durch die Hilfe bei einer Autoreparatur.
Es ist jedoch anerkannt, dass nicht jede Handlung, die sich tatfördernd auswirkt, die Strafbarkeit wegen Beihilfe begründet. Vielmehr bedarf es in Fällen, die sogenannte neutrale Handlungen betreffen, einer bewertenden Betrachtung im Einzelfall. Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen, und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag als Beihilfehandlung einzuordnen. In diesem Fall verliert sein Tun den „Alltagscharakter"; es ist als „Solidarisierung“ mit dem Täter zu deuten und dann nicht mehr als sozialadäquat anzusehen. Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, und hält er es lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko der Begehung einer Straftat durch den von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ (BGH, Beschluss vom 26. Januar 2017 - 1 StR 636/16, NStZ 2017, 461 f. mwN; Urteil vom 19. Dezember 2017 - 1 StR 56/17, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 35 Rn. 18 mwN).
Die Urteilsgründe lassen offen, ob sich das Verhalten des Angeklagten an diesen Maßstäben gemessen als strafbar oder straflos darstellt. Die Feststellungen deuten zwar darauf hin, dass er über den Plan seines Bruders, das reparierte Fahrzeug für die Begehung von Diebstählen zu nutzen („um zu arbeiten“), im Bilde war. Sie belegen aber auch, dass der Bruder mit seinem Wagen auf der Autobahn liegengeblieben und „die Weiterfahrt nicht möglich“ war. Die Reparatur des Fahrzeugs hatte damit nicht ausschließlich den Zweck, eine strafbare Handlung zu ermöglichen, sondern auch denjenigen, sich aus einer misslichen Lage zu befreien und die Fahrt auf der Autobahn fortsetzen zu können. Letzteres wusste der Angeklagte, der seinem Bruder stets in allen Lebenslagen half und dies auch hier als „selbstverständlich“ empfand. Sein Beitrag zur Reparatur des Wagens blieb damit objektiv und subjektiv auch ohne den deliktischen Bezug sinnvoll. In der neuen Hauptverhandlung wird mithin zu klären sein, ob er durch seine Hilfe vorrangig den Täter oder dessen strafbares Tun unterstützen wollte (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2014 - 5 StR 468/12, juris Rn. 28).
d) Die beiden Verurteilungen betreffend das Tatgeschehen zu II.7 der Urteilsgründe haben bereits deshalb keinen Bestand, weil es an Feststellungen zu einer Bandenabrede fehlt. Dass sich wenigstens drei Familienmitglieder anlässlich der Entscheidung, den Stiefbruder nach Deutschland zu holen, zu einer gemeinsamen fortgesetzten Verübung von Diebstählen verbunden hätten, teilt das Urteil nicht mit. Erst recht verhält es sich nicht dazu, ob der Angeklagte in entsprechende Abreden eingebunden war und eine künftige dauerhafte Beteiligung zusagte. Dies wäre aber erforderlich gewesen, denn die Bandenmitgliedschaft ist ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 20. Februar 2013 - 3 StR 24/13, BGHR BtMG § 30a Abs. 1 Bandenmitglied 1 Rn. 4; vom 19. Oktober 2006 - 4 StR 393/06, NStZ 2007, 526). Die Bandenmitgliedschaft des Angeklagten lässt sich auch nicht dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen, zumal er nicht vom Erlös profitieren sollte und keine Feststellungen dazu getroffen sind, ob er wusste, dass seinem Stiefvater die Rolle des Verwerters der entwendeten Fahrzeuge zufiel. Die Ausführungen der Strafkammer, man könne „hier in der Tat von einer Familienbande sprechen“, der Angeklagte „sah sich insoweit als Mitglied des Familienverbundes“, sind zum Beleg der Bandenabrede jedenfalls nicht ausreichend.
Was das - für sich genommen neutrale und familientypische - Weiterleiten von Geld und die Telefonate mit dem Bruder anlässlich dessen Fahrt nach Spanien angeht, fehlt es wie in Fall II.5 an Feststellungen zum voluntativen Element des Gehilfenvorsatzes.
Hinsichtlich der Verurteilung wegen Beihilfe zur (Banden-)Hehlerei durch das Versenden des Pakets nach Deutschland gelten die unter II.3.b) dargelegten Grundsätze entsprechend: Als der Angeklagte die Utensilien verschickte, waren die Vortaten noch nicht begangen, mithin noch keine rechtswidrigen Besitzlagen an Fahrzeugen eingetreten, auf die sich die Hehlerei hätte beziehen können. Der Bruder wollte das Tarnmaterial vielmehr erst bei künftigen Delikten verwenden. Auch hier kommt allenfalls eine Würdigung als Beihilfe zu den geplanten Diebstählen in Betracht.
Sollte sich in der neuen Hauptverhandlung bezüglich des Tatkomplexes zu II.7 der Urteilsgründe ein strafbares Verhalten des Angeklagten feststellen lassen, wird überdies zu bedenken sein, dass sich beide Beihilfehandlungen naheliegend auf dieselben Haupttaten, nämlich die vier Fahrzeugdiebstähle vom August 2016, bezogen haben könnten. Die bisherigen Feststellungen tragen nicht die Annahme von Tatmehrheit.
4. Die Sache bedarf daher hinsichtlich aller fünf Verurteilungen neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat hebt die insoweit zugrundeliegenden Feststellungen auf (§ 353 Abs. 2 StPO), um dem neuen Tatgericht insgesamt widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 StPO (vgl. BGH, Urteile vom 24. April 2019 - 1 StR 81/18, juris Rn. 39; vom 22. Mai 2003 - 5 StR 520/02, juris Rn. 32).
HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 1352
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2021, 7
Bearbeiter: Christian Becker