HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 947
Bearbeiter: Christoph Henckel
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 81/18, Urteil v. 24.04.2019, HRRS 2019 Nr. 947
1. Auf die Revision des Angeklagten P. wird das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 11. Juli 2017, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zur versuchten Steuerhehlerei schuldig ist,
b) im Strafausspruch aufgehoben.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil vom 11. Juli 2017, soweit es den Angeklagten J. betrifft, zu dessen Gunsten
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass dieser Angeklagte der Beihilfe zur versuchten Steuerhehlerei schuldig ist,
b) im Strafausspruch aufgehoben.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten P. und die weitergehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft werden verworfen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten P., an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
5. Die Staatskasse hat die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten P. und die nicht revidierenden Mitangeklagten K. und J. jeweils der versuchten Steuerhehlerei schuldig gesprochen. Den Angeklagten P. hat es zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und die nicht revidierenden Angeklagten zu Freiheitsstrafen von jeweils einem Jahr und neun Monaten. Die Strafen hat das Landgericht jeweils zur Bewährung ausgesetzt. Zudem hat es sichergestellte 4,32 Millionen Zigaretten der Marke Red Rock und den PKW Hyundai i10 des Angeklagten P. eingezogen.
Die gegen seine Verurteilung gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten P. hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft ist das Urteil zugunsten des nicht revidierenden Mitangeklagten J. entsprechend abzuändern (§ 301 StPO). Im Übrigen bleiben die Revisionen der Staatsanwaltschaft, die mit der Sachrüge vornehmlich die jeweils unterbliebene zusätzliche Verurteilung der Angeklagten wegen Steuerhinterziehung (K.) beziehungsweise Beihilfe hierzu (J. und P.) rügen, ebenso wie die weitergehende Revision des Angeklagten P. ohne Erfolg.
Nach den Feststellungen des Landgerichts sagte der nicht revidierende Angeklagte K. Anfang Oktober 2016 seinem russischen Bekannten „V.“ auf dessen Bitte zu, nach einem möglichen Lagerplatz zur kurzfristigen Einlagerung von nicht näher bezeichneten Waren Ausschau zu halten. Auf entsprechende Frage des K. erklärte sich der mit ihm befreundete, als selbstständiger Fuhrunternehmer tätige Angeklagte P. bereit, zwei Container für 500 € in E. zur Verfügung zu stellen, was der Angeklagte K. mit der Maßgabe an „V.“ weitergab, dass dieser für die Container 5.000 € (inklusive Kaution) an ihn zu bezahlen habe. Etwas später im Oktober 2016 lagerte „V.“ Kartons mit 4,32 Millionen unverzollten und un-versteuerten Zigaretten russischer Herkunft der in Deutschland nicht legal erhältlichen Marke Red Rock in den Containern ein. Erst als „V.“ dem Angeklagten K. anschließend am selben Tag mitteilte, dass in den Containern Zigaretten aufbewahrt würden, wurde diesem klar, dass es sich um unversteuerte russische Zigaretten handelte, die „V.“ gewinnbringend verkaufen wollte. K., der einen der Schlüssel für die Container erhalten hatte, überprüfte einen der Container im November 2016, da er von einem Leck an dem Container wusste.
Kurz vor Weihnachten 2016 vereinbarten der Angeklagte K. und „V. “, dass K. die Zigaretten nach H. verbringen sollte. Auf Bitte des K. erklärten sich der Angeklagte P. und der mit beiden befreundete Angeklagte J. bereit, ihm bei dem Transport der Zigaretten zu helfen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt klärte K. die Angeklagten P. und J. darüber auf, dass es sich um unversteuerte Zigaretten handelte, die „V.“ gebracht werden sollten, damit dieser die Zigaretten gewinnbringend verkaufen könne. Der getroffenen Vereinbarung entsprechend fuhren der Angeklagte P. als Fahrer und der Angeklagte J. als Beifahrer am 3. Januar 2017 mit einem zuvor von ihnen und einer dritten Person mit den Zigaretten beladenen LKW - vom Zoll observiert - in Richtung H. Zur Tarnung hatte der Angeklagte P. falsche CMR-Papiere ausgestellt, wonach sich auf dem LKW 600 Kartons“ B.“ befinden sollten. K. begleitete den Transport mit dem PKW des Angeklagten P. und stand mit den beiden anderen während der Fahrt in telefonischem Kontakt. Der LKW wurde um 15.30 Uhr vom Zoll einer Kontrolle unterzogen, bei der die geladenen 4,32 Millionen unversteuerten Zigaretten sichergestellt wurden. Nach der Berechnung des Landgerichts betrug die deutsche Tabaksteuer für die Zigaretten ausgehend von einem Mindeststeuersatz von 15,61040 Cent pro Zigarette mindestens 674.369,28 €. Hinsichtlich der durch die vorherige Einfuhr der Zigaretten von Russland in das Gebiet der Zollunion entstandenen und hinterzogenen Einfuhrabgaben hat das Landgericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft gemäß § 154a Abs. 2 StPO von der Strafverfolgung abgesehen.
II. Revision des Angeklagten P.
Der Schuldspruch gegen den Angeklagten P. wegen versuchter Steuerhehlerei hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand; die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen lediglich eine Verurteilung dieses Angeklagten wegen Beihilfe zur versuchten Steuerhehlerei (§ 374 Abs. 1 Variante 4, Abs. 3 AO, §§ 22, 23, 27 StGB).
1. Das Verhalten des Angeklagten P. war nach den Feststellungen des Landgerichts nicht - wie nach § 374 Abs. 1 Variante 4 AO für eine täterschaftliche (versuchte) Absatzhilfe erforderlich - darauf gerichtet, dem Vortäter der Steuerhinterziehung („V. “) Absatzhilfe zu leisten; vielmehr unterstützte der Angeklagte P. lediglich den Angeklagten K. bei dessen Bemühungen um eine Absatzhilfe gegenüber dem Vortäter „V.“ und hat sich daher nur wegen Beihilfe zur versuchten Steuerhehlerei (§ 374 Abs. 1 Variante 4, Abs. 3 AO, §§ 22, 23, 27 StGB) strafbar gemacht.
a) Das Merkmal der Absatzhilfe im Sinne des § 374 Abs. 1 Variante 4 AO erfasst nur solche Handlungen, mit denen sich der Täter an den Absatzbemühungen des Vortäters der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 AO) oder eines Zwischenhehlers in dessen Interesse und auf dessen Weisung unselbständig beteiligt (BGH, Beschluss vom 11. Juni 2008 - 5 StR 145/08 Rn. 5; zu § 259 StGB: BGH, Beschlüsse vom 1. August 2018 - 4 StR 54/18 Rn. 5; vom 4. Dezember 2007 - 3 StR 402/07 Rn. 4 und vom 20. Januar 1999 - 3 StR 571/98 Rn. 3). Der Helfer muss dabei „im Lager“ des Vortäters oder des Zwischenhehlers stehen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juni 2008 - 5 StR 145/08 Rn. 5 mwN; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 259 Rn. 17 mwN) und diesen unmittelbar beim Absetzen unterstützen, wobei ein einvernehmliches Handeln von Absatzhelfer und Vortäter erforderlich ist (vgl. BGH, Urteile vom 17. Juni 1997 - 1 StR 119/97 Rn. 3, BGHSt 43, 110 und vom 21. Juni 1990 - 1 StR 171/90 Rn. 5). Wird dagegen nicht der Vortäter, sondern ein Absatzhehler unterstützt, liegt lediglich eine Beihilfe zu dessen Tat vor (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juni 2008 - 5 StR 145/08 Rn. 5 mwN; Fischer, aaO).
b) So liegt der Fall hier. Den unbekannt gebliebenen Vortäter („V. “) unterstützte der Angeklagte P. weder unmittelbar im gegenseitigen Einvernehmen noch ist er dessen Lager zuzuordnen; vielmehr war der Angeklagte P. lediglich dem Angeklagten K. bei dessen Bemühungen um eine Absatzhilfe gegenüber dem Vortäter „V.“ behilflich, weshalb er nicht (täterschaftlicher) Absatzhelfer im Sinne des § 374 Abs. 1 Variante 4 AO ist, sondern lediglich Gehilfe des - letztlich erfolglosen - Absatzhelfers K. (§ 27 StGB). Dass der Angeklagte P. nach den landgerichtlichen Feststellungen wusste und wollte, dass er mit seiner Förderung der Tat des Angeklagten K. gleichzeitig - notwendigerweise - auch den Vortäter „V.“ beim Absatz der unversteuerten Zigaretten unterstützte, rechtfertigt keine andere Betrachtung, weil sich die vom Vorsatz des Angeklagten P. mitumfasste Unterstützung des Vortäters „V.“ lediglich als Reflex der Unterstützungshandlung gegenüber dem Angeklagten K. darstellt. Insbesondere begründet dieses Vorstellungsbild des Angeklagten P. nicht dessen Zuordnung zum Lager des Vortäters, zumal auch das für eine Absatzhilfe erforderliche Einvernehmen zwischen dem Angeklagten P. und dem ihm völlig unbekannten Vortäter „V.“ fehlt.
c) Da die Zigaretten nicht zu den Abnehmern des „V.“ gelangten, die Absatzhilfe des Angeklagten K. also nicht erfolgreich war, hat das Landgericht zutreffend angenommen, dass die vom Angeklagten P. unterstützte Haupttat des Angeklagten K. lediglich als Versuch der Steuerhehlerei gemäß § 374 Abs. 3 AO, §§ 22 f. StGB) strafbar ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Juli 2016 - 1 StR 108/16 Rn. 17 und vom 6. März 2019 - 3 StR 4/19 Rn. 5 mwN).
2. Der Senat ändert den Schuldspruch selbst in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ab. Die Vorschrift des § 265 StPO steht der Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
3. Die Änderung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich.
Die getroffenen Feststellungen sind jedoch von dem zur Änderung des Schuldspruchs und der Aufhebung des Strafausspruchs führenden Wertungsfehler nicht betroffen und bleiben daher bestehen (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit diese mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
III. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Angeklagten J. führt nach § 301 StPO zu Gunsten des Angeklagten aus den unter II. genannten Gründen zur entsprechenden Änderung des Schuldspruchs gegen diesen Angeklagten und zur Aufhebung des hierauf beruhenden Strafausspruchs. Die getroffenen Feststellungen, die von dem Wertungsfehler nicht betroffen sind, haben auch insoweit Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO).
2. Im Übrigen bleiben die Revisionen der Staatsanwaltschaft ohne Erfolg. Das Urteil weist keinen Rechtsfehler zum Vorteil der Angeklagten auf. Diese haben sich insbesondere jeweils nicht tatmehrheitlich (§ 53 StGB) zur versuchten Steuerhehlerei (Angeklagter K.) bzw. zur Beihilfe hierzu (Angeklagte P. und J.) wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 TabStG oder § 370 Abs. 1 Nr. 3 AO strafbar gemacht. Nach Beendigung des Verbringungsvorgangs fehlt es an der Strafbewehrung etwaiger verbrauchsteuerlicher Erklärungspflichten.
a) Wegen Hinterziehung der Tabaksteuer macht sich derjenige nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 TabStG strafbar, der vorsätzlich seine Verpflichtung, eine Steuererklärung über ins Steuergebiet verbrachte oder versandte Tabakwaren abzugeben, verletzt und hierdurch Steuern verkürzt. Dies ist bei den Angeklagten nicht der Fall, weil sie erst nach der Beendigung des Verbringungsvorgangs Besitz an den unversteuerten Tabakwaren erlangt haben, sie damit nicht Steuerschuldner im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG geworden sind und daher auch nicht nach § 23 Abs. 1 Satz 3 TabStG zur unverzüglichen Abgabe einer Steuererklärung über die Zigaretten verpflichtet waren.
aa) Nach § 23 Abs. 1 Satz 3 TabStG hat der Steuerschuldner über Tabakwaren, für die Tabaksteuer entstanden ist, unverzüglich eine Steuererklärung abzugeben. Die Steuer entsteht nach § 23 Abs. 1 Satz 1 TabStG, wenn Tabakwaren in anderen als den in § 22 Abs. 1 TabStG genannten Fällen entgegen § 17 Abs. 1 TabStG aus dem steuerrechtlich freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaats in das Steuergebiet verbracht oder dorthin versandt werden (gewerbliche Zwecke) und sie erstmals für gewerbliche Zwecke in Besitz gehalten werden. Steuerschuldner dieser Steuer ist dabei gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG, wer die Lieferung vornimmt oder die Tabakwaren in Besitz hält und der Empfänger, sobald er Besitz an den Tabakwaren erlangt hat.
bb) Als Steuerschuldner - und daher ohne unverzügliche Abgabe einer Steuererklärung über die Tabakwaren als strafbar wegen Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 TabStG) - ist danach neben dem Lieferanten der Tabakwaren nur derjenige anzusehen, der vor Beendigung des Verbringungsvorgangs Besitz an den Tabakwaren erlangt hat (vgl. auch Weidemann, wistra 2014, 433; Allgayer/Sackreuther, NZWiSt 2014, 235, 237 f.; a.A. Bongartz, in: Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, 3. Aufl., S. 457 f.; Jäger in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl., § 370 Rn. 400). Der erst nach Beendigung des Verbringungsvorgangs erlangte Besitz an unversteuerten Tabakwaren führt dagegen nicht zur Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung, sondern ist allein über den Straftatbestand der Steuerhehlerei gemäß § 374 Abs. 1 AO strafrechtlich sanktioniert.
(1) Bereits zu der bis 31. März 2010 geltenden Vorgängerregelung des § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG in § 19 Satz 2 TabStG aF hat der Senat entschieden (BGH, Urteil vom 2. Februar 2010 - 1 StR 635/09 Rn. 7 ff. mwN), dass nur derjenige Besitz an Tabakwaren die Steuerschuldnerschaft begründet, der erlangt wurde, bevor der Verbringungs- bzw. Versendungsvorgang beendet ist, bevor also die Tabakwaren in Sicherheit gebracht und „zur Ruhe gekommen“ sind (vgl. auch BGH, Urteile vom 24. Juni 1952 - 1 StR 316/51 Rn. 31, BGHSt 3, 40, 44 und vom 14. März 2007 - 5 StR 461/06 Rn. 40 mwN; Middendorp, ZfZ 2011, 197, 202 f. mwN; Höll, PStR 2011, 50; Leplow, wistra 2014, 421, 423).
(2) Der Senat geht - auch mit Blick auf den geänderten Wortlaut zur Person des Steuerschuldners in § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG - weiterhin davon aus, dass der Besitzer, der seinen Besitz an Tabakwaren erst nach Beendigung des Verbringungsvorgangs von einem anderen Mitgliedstaat in das Steuergebiet erlangt hat, keiner strafbewehrten Erklärungspflicht unterliegt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Juli 2014 - 1 StR 240/14 Rn. 3 und vom 14. Oktober 2014 - 1 StR 521/14 Rn. 18).
(a) Nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG und der Systematik der gesetzlichen Neuregelung in § 23 Abs. 1 TabStG ist nur derjenige Besitzer Steuerschuldner, der Besitz an den Tabakwaren vor der Beendigung des Verbringungs- oder Versendungsvorgangs erlangt hat, also bevor die Tabakwaren nach dem Verbringungs- oder Versendungsvorgang zur Ruhe gekommen sind (vgl. Weidemann, wistra 2014, 433; zum Wortlaut a.A. Middendorp, ZfZ 2011, 197, 202; Höll, PStR 2011, 50, 51). Deutlich wird dies bereits dadurch, dass die Regelung zur Steuerschuldnerschaft in § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG sowohl inhaltlich als auch systematisch unmittelbar an die Regelung zur Entstehung der Steuerschuld in Satz 1 anschließt, die an die Verbringung oder Versendung der Tabakwaren in das Steuergebiet und den damit verbundenen erstmaligen Besitz im Steuergebiet anknüpft. Dieser systematische und inhaltliche Bezug der Regelung zur Person des Steuerschuldners in Satz 2 auf die in Satz 1 geregelte Entstehung des Steueranspruchs bei Verbringung oder Versendung der Tabakwaren ins Steuergebiet und den erstmaligen Besitz zeigt, dass mit Besitz i.S.d. des § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG nur ein Besitz im Zusammenhang mit dem Verbringungsvorgang nach Satz 1 gemeint sein kann. Auch die in Satz 2 gewählte enge sprachliche Verbindung der beiden erstgenannten Handlungsalternativen (Vornahme der Lieferung einerseits und In-Besitz-Halten der Tabakwaren andererseits) durch dasselbe Subjekt „wer“ lässt erkennen, dass hier ein inhaltlicher Konnex besteht und dem Besitz daher nur insoweit Bedeutung zukommen kann, als er im Zusammenhang mit dem Liefervorgang steht. Die dritte Alternative des § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG („der Empfänger, sobald er Besitz an den Tabakwaren erlangt hat“) wäre überdies überflüssig, wenn jeder Besitz unabhängig von seiner Verbindung zum Liefervorgang bereits von der zweitgenannten Alternative erfasst wäre (vgl. auch Allgayer/Sackreuther, NZWiSt 2014, 232, 237).
Ein Bedürfnis für die Regelung der Steuerschuldnerschaft desjenigen Empfängers der Ware, der Besitz erlangt hat, ist nämlich - zur Klarstellung - nur dann erkennbar, wenn nicht ohnehin jeder Besitzer durch die zweitgenannte Alternative („wer die Tabakwaren in Besitz hält“) erfasst ist. Wäre es der Wille des Gesetzgebers gewesen, jeden Besitzer von Tabakwaren - unabhängig von dessen Einbindung in den Liefervorgang - zum Steuerschuldner zu machen, hätte es im Übrigen nahegelegen, dies sprachlich eindeutig zum Ausdruck zu bringen oder zumindest die verschiedenen Anknüpfungspunkte für die Steuerschuldnerschaft entsprechend der Chronologie der tatsächlichen Abläufe in der Rechtswirklichkeit in anderer Reihenfolge aufzuzählen, nämlich diejenigen Personen, die wegen ihrer Einbindung in den Verbringungsvorgang Steuerschuldner sein sollen (Lieferant und Empfänger), zuerst zu nennen und diese gegebenenfalls sprachlich durch ein gemeinsames Subjekt zu verknüpfen, und den Besitzer, der nicht in Verbindung mit dem Verbringungs- oder Versendungsvorgang als Entstehungsgrund für die Steuerschuld stehen muss und über den der Anwendungsbereich der Regelung über den Verbringungsvorgang hinaus deutlich erweitert wird, im Anschluss gesondert zu benennen.
Die Nennung des Empfängers der Lieferung, der Besitz erlangt hat, an letzter Stelle der Aufzählung spricht danach ebenfalls dafür, dass nur derjenige Besitz unter § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG fällt, der bis zum Ende des Verbringungsvorgangs und dem „Zur-Ruhe-Kommen“ der Tabakwaren erlangt wurde (vgl. auch Allgayer/Sackreuther, NZWiSt 2014, 232, 237; Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 63. Lieferung, § 370 AO Rn. 362).
(b) Die historische und die teleologische Auslegung stehen dem genannten Verständnis im Ergebnis nicht entgegen.
Ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs (BR-Drucks. 169/09 S. 1, 135, 144; BT-Drucks. 16/12257 S. 74, 80) zu § 23 TabStG war die neue Systemrichtlinie (Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG, Abl. L 9 vom 14. Januar 2009, S. 12) Anlass und Grund für die Neufassung der Regelung über die Entstehung der Steuerschuld, die Steuerschuldnerschaft und die Erklärungspflicht nach dem Tabaksteuergesetz (vgl. auch Allgayer/Sackreuther, NZWiSt 2014, 232, 237).
(aa) Bereits die Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992, die durch die neue Systemrichtlinie ersetzt wurde (vgl. Erwägungsgrund 1 der neuen Systemrichtlinie), bezweckte, in bestimmtem Umfang den Besitz, den Verkehr und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren zu regeln, um zu gewährleisten, dass der Verbrauchsteueranspruch in allen Mitgliedstaaten unter gleichen Umständen gegeben ist (EuGH, Urteil vom 3. Juli 2014 - C-165/13 Rn. 17). Dabei stand als Zweck der Regelung im Vordergrund, dass auch ohne dem freien Warenverkehr hinderliche systematische Kontrollen durch die nationalen Behörden eine effektive, sichere und einheitliche Durchsetzung der Verbrauchsteuer in allen Mitgliedstaaten ermöglicht werden sollte (EuGH aaO Rn. 26).
Dieser Zweck erforderte es nach der (erst nach Inkrafttreten des § 23 TabStG ergangenen) Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, den Begriff des Besitzers weit zu verstehen, nämlich in dem Sinne, dass jeder Besitzer der Waren auch Steuerschuldner ist (EuGH, Urteil vom 3. Juli 2014 - C-165/13 Rn. 25 zu § 19 TabStG aF; a.A. Middendorp, ZfZ 2011, 197, 202 unter Hinweis auf den Wortlaut des Art. 33 RL 2008/118/EG).
Dieser Rechtsprechung hat sich der Bundesfinanzhof angeschlossen, nachdem er zunächst ebenfalls davon ausgegangen war, dass der Verbringungsvorgang mit dem Zur-Ruhe-Kommen der Tabakwaren endet (vgl. BFH, Beschluss vom 13. Oktober 2005 - VII S 46/05 [PKH] Rn. 20 ff.; anders dann allerdings BFH, Urteil vom 7. März 2006 - VII R 23/04 Rn. 21 ff., BFHE 212, 321, 325 f.), und er die Auslegung des Begriffs des Besitzers nach § 19 Satz 2 TabStG aF offengelassen hatte (BFH, Urteile vom 22. Mai 2012 - VII R 51/11 Rn. 14, BFHE 237, 559, 562 und VII R 50/11 Rn. 15, BFHE 237, 554, 558), jedoch nach Inkrafttreten der Neuregelung in § 23 Abs. 1 TabStG ein weiteres Verständnis des Besitzes im Sinne des § 19 Satz 2 TabStG aF zugrunde legen wollte und die Frage daher dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Entscheidung vorgelegt hatte (vgl. BFH, Beschluss vom 12. Dezember 2012 - VII R 44/11, BFHE 240, 458; Urteil vom 11. November 2014 - VII R 44/11 Rn. 13 ff., BFHE 248, 271, 275 ff.). Er hat insoweit ausgeführt, zur effektiven Auslegung des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 sei es geboten, denjenigen in Anspruch nehmen zu können, in dessen unmittelbarer Obhut sich eine Ware befinde und der deshalb anhand objektiver Umstände relativ leicht ausgemacht und zur steuerrechtlichen Verantwortung gezogen werden könne (BFH, Urteil vom 11. November 2014 - VII R 44/11 Rn. 15, BFHE 248, 271, 276 mwN). Gleichzeitig hat er aber selbst wiederholt zutreffend darauf hingewiesen, dass für die strafrechtliche Auslegung im Lichte des Art. 103 Abs. 2 GG ein anderes Verständnis geboten sein kann (BFH, Urteile vom 11. November 2014 - VII R 44/11 Rn. 18, BFHE 248, 271, 277 und vom 27. November 2014 - VII R 40/12 Rn. 16).
(bb) Die neue Systemrichtlinie verfolgt den Zweck einer effektiven, sicheren und einheitlichen Durchsetzung des Verbrauchsteueranspruchs in den Mitgliedstaaten weiter, wie sich insbesondere aus deren Erwägungsgründen (1) und (8) ergibt. So ist Erwägungsgrund (1) zu entnehmen, dass die bisherige Verbrauchsteuerrichtlinie lediglich wegen erforderlich gewordener Änderungen aus Gründen der Klarheit durch die neue Systemrichtlinie ersetzt wurde, der Regelungszweck aber derselbe geblieben ist. Zweck der Richtlinie ist dabei ausweislich des Erwägungsgrundes (8) insbesondere die Sicherung des freien Warenverkehrs durch Klarstellung auf Gemeinschaftsebene, zu welchem Zeitpunkt die Überführung der verbrauchsteuerpflichtigen Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr erfolgt und wer der Verbrauchsteuerschuldner ist.
Nach Art. 33 Abs. 3 der neuen Systemrichtlinie soll dabei Steuerschuldner diejenige Person sein, die die Lieferung vornimmt oder in deren Besitz sich die zur Lieferung vorgesehenen Waren befinden oder an die die Waren im anderen Mitgliedstaat geliefert werden. Alle Varianten dieser Regelung weisen somit - mehr noch als diejenigen der Vorgängerregelungen in Art. 7 Abs. 3 und Art. 9 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992, zu der die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 3. Juli 2014 - C-165/13 ergangen ist, einen engen Bezug zum Liefervorgang auf; insbesondere die Variante des Besitzes bezieht sich auf die „zur Lieferung vorgesehenen Waren“, was auch unter Berücksichtigung des Art. 33 Abs. 1 der neuen Systemrichtlinie ein Verständnis nahelegt, wonach - entsprechend der Rechtsprechung des Senats - nur der Besitz bis zur Beendigung des Liefervorgangs erfasst sein kann. Der Gerichtshof der Europäischen Union, dem insoweit nach Art. 267 EUV ein Auslegungsmonopol zukommt (vgl. BGH, Beschluss vom 20. November 2008 - 1 StR 354/08 Rn. 12, BGHSt 53, 45, 50), hat indes in seiner Entscheidung vom 3. Juli 2014 - C-165/13 (Rn. 27) sein weites, dem Zweck einer möglichst effektiven Durchsetzung des Steueranspruchs geschuldetes Verständnis vom Begriff des Besitzes - ohne nähere Auseinandersetzung mit deren Wortlaut - durch die Regelung in Art. 33 Abs. 3 der neuen Systemrichtlinie bestätigt gesehen.
(cc) Aus der Begründung des Gesetzentwurfs zur Neuregelung des § 23 TabStG ergibt sich allerdings, dass der nationale Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass die Neuregelung im Wesentlichen der bisherigen Regelung entspricht (BR-Drucks. 169/09 S. 144; BT-Drucks. 16/12257 S. 80). Hieraus ist abzuleiten, dass sich nach der Vorstellung des Gesetzgebers durch die Neuregelung an der bisherigen Rechtslage nichts Wesentliches ändern sollte (vgl. auch Middendorp, ZfZ 2011, 197, 202, 205). Mit Blick auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Hinterziehung von Tabaksteuer lässt sich dies nur in dem Sinne verstehen, dass trotz der Aufnahme der zweitgenannten Alternative des „In-Besitz-Haltens“ von Tabakwaren in die Regelung zur Steuerschuldnerschaft (§ 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG) keine inhaltliche Erweiterung des Kreises der einer Strafdrohung unterworfenen Steuerschuldner erfolgen sollte.
(c) Der Grundsatz der europafreundlichen Auslegung gebietet strafrechtlich keine Auslegung des § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG, die dem erst nach der Neuregelung der Voraussetzungen für die Steuerschuldnerschaft in § 23 Abs. Satz 2 TabStG entwickelten Verständnis des Europäischen Gerichtshofs vom Begriff des „Besitzes“ i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 2 TabStG aF und des ihm folgenden Bundesfinanzhofs entspricht.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kommt den Grundsätzen der Gesetzmäßigkeit und der Bestimmtheit des anzuwendenden Rechts gerade im Strafrecht besondere Bedeutung zu; sie setzen jeder Auslegung von Strafnormen Grenzen (vgl. EuGH, Urteil vom 5. Dezember 2017 - C42/17 Rn. 51 f., 59). Diesen Grundsätzen und dem Zweck der Systemrichtlinie, eine effektive und in allen Mitgliedstaaten einheitliche Erhebung der Verbrauchsteuern zu ermöglichen, ist durch eine streng am Wortlaut des Gesetzes orientierte Auslegung des § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG durch die Strafgerichte Rechnung getragen. Denn die nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs jeden Besitzer von unversteuerten Tabakwaren treffende Steuerschuldnerschaft (BFH, Urteil vom 11. November 2014 - VII R 44/11 Rn. 13 ff., BFHE 248, 271, 275 ff.) ermöglicht dem Fiskus die Erhebung der Tabaksteuer bei jedem, der die Tabakwaren im Steuergebiet in Besitz hat. Die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gebotene effektive Durchsetzung dieses nach dem Verständnis des Bundesfinanzhofs bestehenden Steueranspruchs mittels wirkungsvoller abschreckender Maßnahmen (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 5. Dezember 2017 - C-42/17 Rn. 30; Jäger, Gedächtnisschrift für Joecks, S. 513, 518) ist auch bei der streng am Wortlaut orientierten Auslegung des § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG gewährleistet, weil vorsätzlich steuerrechtswidriges Verhalten eines jeden Besitzers von unversteuerten Tabakwaren strafrechtlich sanktioniert ist, nämlich im Fall des Verbringens in das Steuergebiet nach § 370 Abs. 1 Nr. 3 AO (und nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG als mitbestrafte Nachtat), im Fall des Besitzers, der die Tabakwaren nicht selbst ins Steuergebiet verbringt, aber den Besitz vor Beendigung des Verbringungsvorgangs erlangt, über den Straftatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 TabStG und im Falle eines Besitzers, der den Besitz erst nach Beendigung des Verbringungsvorgangs erhält, über den Tatbestand der Steuerhehlerei (§ 374 Abs. 1 Variante 1, 2 AO).
Mit den Strafnormen des § 370 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AO und des § 374 Abs. 1 Varianten 1, 2 AO wird zwar - zum Schutz desselben Steueranspruchs - unterschiedliches Tatunrecht sanktioniert, nämlich die Verletzung einer eigenen steuerrechtlichen Pflicht des Täters durch die Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AO) einerseits und die Perpetuierung des durch den Vortäter geschaffenen steuerrechtswidrigen Zustands durch den Tatbestand der Steuerhehlerei (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2011 - 1 StR 21/11 Rn. 9 mwN; Urteil vom 7. November 2007 - 5 StR 371/07 Rn. 24) andererseits. Allerdings greifen beide Straftatbestände dergestalt ineinander, dass eine lückenlose strafrechtliche Verfolgung von vorsätzlich steuerrechtswidrigem Verhalten und damit eine effektive Durchsetzung des staatlichen Steueranspruchs gewährleistet ist.
(d) Im vorliegenden Zusammenhang ist der Straftatbestand der Steuerhehlerei (§ 374 AO) aber auch insoweit von Bedeutung, als er bei einer Auslegung des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO und der die hierfür relevanten Erklärungspflichten begründenden Regelungen mit in den Blick genommen werden muss. Eine auch strafrechtlich beachtliche Steuerschuldnerschaft und damit verbundene Erklärungspflicht über die Tabakwaren bei nahezu jedem Besitz würde den gerade zur Sanktionierung einer Aufrechterhaltung steuerrechtswidriger Besitzlagen geschaffenen Tatbestand der Steuerhehlerei weitgehend entwerten, weil kaum besitzlose Verschaffungs- oder Absatzvorgänge vorstellbar sind. Ein solches Auslegungsergebnis entspräche nicht dem Willen des Gesetzgebers, weil durch eine Entgrenzung des Straftatbestands der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO in Verbindung mit den Regelungen über die an den Besitz anknüpfenden verbrauchsteuerlichen Erklärungspflichten für den Straftatbestand der Steuerhehlerei mit seinem spezifischen Wertungssystem für steuerbare Gegenstände kein nennenswerter Anwendungsbereich verbliebe. Dieses Ergebnis tritt dann nicht ein, wenn - wie es für die Tabaksteuer der Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG nahelegt - der erst nach Beendigung des Verbringungsvorgangs erlangte Besitz (in strafrechtlicher Hinsicht) keine Steuerschuldnerschaft begründet und damit allein unter dem Gesichtspunkt der Steuerhehlerei geahndet wird.
Dabei ist auch dem zu beachtenden Grundsatz der gemeinschaftsfreundlichen Auslegung zwecks effektiver Durchsetzung des Unionsrechts Genüge getan, weil strafrechtlich keine Schutzlücken entstehen. Vor dem Hintergrund der Zielsetzungen der Systemrichtlinie ist es ohne Bedeutung, ob die verbrauchsteuerlichen Pflichten über die Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO oder über die Steuerhehlerei gemäß § 374 AO geschützt werden.
cc) Die Angeklagten erlangten an den unversteuerten Zigaretten erst nach deren Einlagerung in den Containern Besitz. In Anbetracht der erheblichen Zeit der Lagerung der Zigaretten in den Containern steht dabei außer Frage, dass diese mit dem Abladen in den Containern zur Ruhe gekommen waren und der Verbringungsvorgang beendet war. Die Angeklagten waren daher nicht nach § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 TabStG als Steuerschuldner zur unverzüglichen Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet; eine Strafbarkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO ist nicht gegeben.
b) Die Angeklagten haben sich auch nicht wegen Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 3 AO strafbar gemacht. Eine Strafbarkeit der Angeklagten nach dieser Regelung scheidet bereits deshalb aus, weil die Norm nur das pflichtwidrige Unterlassen der Verwendung von Steuerzeichen im Rahmen der Überführung der Tabakwaren in den steuerrechtlich freien Verkehr des Steuergebiets unter Strafe stellt (vgl. Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 63. Lieferung, § 370 AO Rn. 360 f. mwN; Middendorp, ZfZ 2011, 197, 204), wie sich aus dem Regelungszusammenhang der § 17 Abs. 1 Satz 3, § 15 Abs. 1, § 21 Abs. 1 und § 23 Abs. 1 Satz 1 TabStG ergibt, wonach die Steuerzeichen verwendet sein müssen, wenn die Steuer entsteht (§ 17 Abs. 1 Satz 3 TabStG), also mit Überführen in den steuerrechtlich freien Verkehr (§ 15 TabStG), der Einfuhr aus einem Drittland ins Steuergebiet (§ 21 Abs. 1 TabStG) oder dem Verbringen oder Versenden der Tabakwaren in das Steuergebiet (§ 23 Abs. 1 Satz 1 TabStG, vgl. Jäger in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl., § 370 Rn. 391). Die Angeklagten waren am Verbringungsvorgang, der mit der Einlagerung in den Containern abgeschlossen war, nicht (vorsätzlich) beteiligt, sondern haben ihre Tatbeiträge in Kenntnis der die Strafbarkeit begründenden Umstände erst nach dessen Beendigung erbracht.
c) Nachdem sich die drei Angeklagten nicht wegen Steuerhinterziehung strafbar gemacht haben, kommt auch eine Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB in Höhe der ersparten Aufwendungen, nämlich der zunächst nicht festgesetzten Tabaksteuer, von vornherein nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 2018 - 1 StR 244/18 Rn. 8).
3. Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 2 Satz 1 StPO. Soweit das Urteil auf die Revision der Staatsanwaltschaft gemäß § 301 StPO teilweise zu Gunsten des Angeklagten J. abzuändern war, fallen die Kosten des Rechtsmittels ebenfalls der Staatskasse zur Last (Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 473 Rn. 15 mwN).
HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 947
Externe Fundstellen: NJW 2019, 3167; StV 2020, 776
Bearbeiter: Christoph Henckel