HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 215
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 288/19, Urteil v. 09.01.2020, HRRS 2020 Nr. 215
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 13. November 2018, soweit es den Angeklagten P. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf des - gemeinschaftlich mit dem Mitangeklagten B. S. begangenen - zweifachen Mordes aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Den Mitangeklagten hat es wegen Totschlags und Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision gegen den Freispruch des Angeklagten. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.
Dem Angeklagten ist vorgeworfen worden, aufgrund eines gemeinsamen Tatplans gemeinschaftlich mit dem Mitangeklagten zunächst aus Habgier dessen Großvater und anschließend, ebenfalls aus Habgier sowie heimtückisch und, um eine andere Straftat zu verdecken, dessen Großmutter getötet zu haben.
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. Der zur Tatzeit 25 Jahre alte Mitangeklagte tötete am 19. März 2017 seinen Großvater E. S. und seine Großmutter C. S. in deren Wohnhaus.
Die zur Tatzeit 88 Jahre alte C. S. entstammte einer vermögenden Fabrikantenfamilie. Der zur Tatzeit 91 Jahre alte E. S. führte das Familienunternehmen mit großem wirtschaftlichem Erfolg, so dass beide über ein „vielstelliges“ Millionenvermögen verfügten. E. S. war ein sehr emotionaler Mensch, der zu aufbrausendem Verhalten neigte und es nicht ertrug, angelogen oder hintergangen zu werden. Er stellte hohe Erwartungen an andere; Beziehungen zu Personen, die ihn enttäuschten, beendete er abrupt und konsequent. So lehnte er seit Mitte der 1990er Jahre jeden persönlichen Kontakt zu seinem Sohn H. S. - dem Vater des Mitangeklagten - ab, nachdem dieser wegen geschäftlicher Misserfolge bei ihm in Ungnade gefallen war. In der Folgezeit setzte E. S. alle seine Hoffnungen in den Mitangeklagten; in ihm sah E. S. seinen rechtmäßigen Nachfolger im Hause S., seinen „Kronprinzen“, den er an die wesentlichen Aufgaben im Wirtschaftsleben heranführen wollte. Er war gewillt, den Lebensunterhalt seines Enkels zu finanzieren, erwartete indes, dass dieser sein Studium im Bereich Maschinenbau zielstrebig beendete und ein sparsames Leben führte, so wie E. S. es sich selbst und anderen ebenfalls abverlangt hatte. E. und C. S. schenkten dem Mitangeklagten im Laufe der Jahre erhebliche Vermögenswerte, unter anderem mehrere Immobilien sowie Geldbeträge im Gesamtwert von etwa 900.000 €. E. S. setzte den Mitangeklagten überdies zu seinem Alleinerben ein.
Tatsächlich entsprach die Lebensweise des Mitangeklagten den Erwartungen, die sein Großvater an ihn stellte, in keiner Hinsicht. Sein Studium, für das er sich im September 2013 eingeschrieben hatte, hatte er nie ernsthaft betrieben, so dass er bereits zum September 2014 exmatrikuliert worden war. Mit dem ihm zur Verfügung stehenden Geld finanzierte er im Wesentlichen seinen luxuriösen Lebensstil, insbesondere verschiedene hochwertige Fahrzeuge, sowie seine - erfolglosen - Bemühungen, sich mit einer Firma im Strom- und Gasgeschäft selbständig zu machen. Seinen Großeltern spiegelte er indes vor, zielstrebig zu studieren und ein solides, sparsames Leben zu führen.
E. S. erhielt in den Wochen vor der Tat von Dritten Informationen, die seinen seit geraumer Zeit bestehenden Verdacht bekräftigten, dass der Mitangeklagte nicht ordnungsgemäß studiere. Er war darüber erbost und äußerte anderen gegenüber wiederholt, dass sein Enkel beginne, „in die Fußstapfen seines Vaters zu treten“ und von ihm „keinen Pfennig mehr erhalten“ werde, wenn er ihn belüge. Zudem wurde E. S. immer ungehaltener, weil das Finanzamt ihn im Januar 2017 im Hinblick auf unentgeltliche Zuwendungen an den Mitangeklagten zur Abgabe einer Schenkungssteuererklärung aufgefordert hatte und sein Enkel seiner wiederholten Aufforderung, diese Angelegenheit zu klären, nicht nachgekommen war. Am 16. März 2017 forderte er den Mitangeklagten schließlich per E-Mail dazu auf, die Sache bis zum kommenden Sonntag, den 19. März 2017, endgültig zu erledigen. Für diesen Tag war - wie an Sonntagen üblich - vorgesehen, dass der Mitangeklagte seine Großeltern um 16:00 Uhr zum Kaffeetrinken besuchte.
Am späten Vormittag des 19. März 2017 rief der Mitangeklagte den Angeklagten an und verabredete mit ihm, sich am Nachmittag zu treffen. Den Angeklagten hatte der Mitangeklagte Anfang 2015 kennengelernt; der Angeklagte hatte seinerzeit eine Imbissgaststätte betrieben. Zwischen ihnen hatte sich ein freundschaftliches Verhältnis entwickelt. Der Mitangeklagte beschäftigte den Angeklagten schließlich als leitenden Angestellten seiner Firma; unter anderem stellte er ihm einen geleasten Pkw im Wert von mehr als 90.000 € zur alleinigen Nutzung zur Verfügung. Den Großeltern des Mitangeklagten war der Angeklagte unbekannt; er hatte sich nie zuvor in deren Wohnhaus aufgehalten.
Als sich der Mitangeklagte am Nachmittag des 19. März 2017 auf dem Weg zu seinen Großeltern befand, versuchte er mehrmals, den Angeklagten telefonisch zu erreichen. Weil ihm dies nicht gelang, rief er um 16:00 Uhr seine Großeltern an und teilte ihnen mit, dass er sich verspäten werde. Anschließend fuhr er verschiedene Orte an, um nach dem Angeklagten zu suchen. Währenddessen versuchte er weitere Male, den Angeklagten telefonisch zu erreichen. Auch diese Versuche blieben erfolglos, weil der Angeklagte das von ihm genutzte Mobiltelefon am Nachmittag des Tattages ausgeschaltet hatte. Der Mitangeklagte traf den Angeklagten schließlich, als er zu seinen Geschäftsräumen gefahren war. Daraufhin begaben sich beide zum Grundstück der Großeltern des Mitangeklagten. Der Angeklagte befand sich nach 16:30 Uhr in unmittelbarer Nähe des Wohnhauses der Großeltern des Mitangeklagten auf deren Grundstück.
Nachdem sich der Mitangeklagte zunächst mit seinen Großeltern im Obergeschoss des Hauses aufgehalten hatte, begab er sich spätestens gegen 17:00 Uhr mit seinem Großvater in dessen im Erdgeschoss befindliches Schlafzimmer, das E. S. regelmäßig nutzte, wenn er mit seinem Enkel ungestört etwas besprechen wollte. Dort entwickelte sich ein Streitgespräch zwischen beiden, in dessen Verlauf E. S. seinem Enkel deutlich machte, dass er es nicht dulde, von ihm hintergangen zu werden, und ihm einschneidende Konsequenzen in finanzieller Hinsicht ankündigte. Der Mitangeklagte erkannte daraufhin, dass er seinen Großvater „in dessen Reaktionen völlig unterschätzt“ hatte. Aus Wut, Enttäuschung und Verzweiflung über das Verhalten seines Großvaters, „das in seinen Konsequenzen seinem bisherigen Leben die Grundlage entzog“, erfasste er einen in dem Zimmer befindlichen Gegenstand und schlug damit mehrfach auf den Kopf von E. S. ein. Schließlich strangulierte er ihn mit einem langen, schmalen Gegenstand, bis sein Großvater verstarb.
C. S., die sich nach wie vor im Obergeschoss des Hauses aufhielt, hatte von den Ereignissen im Erdgeschoss nichts mitbekommen. Der Mitangeklagte entschloss sich nunmehr, sie ebenfalls zu töten, um die zum Nachteil seines Großvaters begangene Tat zu verdecken. Er begab sich ins Obergeschoss, trat von hinten an seine arg- und wehrlose Großmutter heran und fügte ihr mit dem Gegenstand, mit dem er auch auf E. S. eingeschlagen hatte, ebenfalls schwere Kopfverletzungen zu; als er einige Zeit später bemerkte, dass C. S. noch lebte, erdrosselte er schließlich auch sie. In der Zwischenzeit hatte er verschiedene Räumlichkeiten des Hauses verwüstet, um das Tatgeschehen als Raubmord erscheinen zu lassen.
Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt, nachdem er seinen Großvater getötet hatte, ließ der Mitangeklagte den Angeklagten ins Haus ein. Der Angeklagte zog sich Handschuhe an, um keine Spuren zu hinterlassen, und ging mit dem Mitangeklagten in das Schlafzimmer von E. S. Gemeinsam lagerten sie dessen Leichnam um, indem sie ihn anhoben, vom Bauch auf den Rücken drehten, vom Bett herunternahmen und längs zum Bett auf den Fußboden legten.
Der Mitangeklagte verließ das Haus seiner Großeltern kurz nach 17:30 Uhr. Wann und auf welche Weise der Angeklagte den Tatort verließ, konnte das Landgericht nicht feststellen.
2. Davon, dass der Angeklagte an den Taten des Mitangeklagten beteiligt war, hat sich die Strafkammer nicht zu überzeugen vermocht. Dem liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
Aufgrund der Spurenlage am Tatort stehe zwar fest, dass sich der Angeklagte Handschuhe angezogen und gemeinsam mit dem Mitangeklagten den Leichnam von dessen Großvater umgelagert habe. Sichere Schlüsse auf die konkrete Art seiner Beteiligung als Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) oder als Gehilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) „an dem Tatkerngeschehen“ ließen sich daraus aber nicht ziehen.
Aus der Anwesenheit des Angeklagten zur Tatzeit am Tatort könne nicht auf seine Tatbeteiligung geschlossen werden. Letztlich habe nicht aufgeklärt werden können, warum sich der Angeklagte dort aufgehalten habe. Es sei nicht auszuschließen, dass er den Mitangeklagten begleitet habe, weil beide den weiteren Abend gemeinsam hätten verbringen wollen oder weil der Mitangeklagte gehofft habe, im Falle eines Streits mit seinem Großvater über die Modalitäten der Schenkungssteuer „gewappnet“ zu sein, auf ein eigenes Engagement verweisen und mit dem Angeklagten einen Geschäftspartner präsentieren zu können, der ihn dabei unterstütze, seinem Großvater die Wirtschaftlichkeit seiner Aktivitäten zu erläutern.
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet.
1. Die dem Freispruch des Angeklagten zugrundeliegende Beweiswürdigung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, sich eine Überzeugung von der Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn eine vom Tatgericht getroffene Feststellung „lebensfremd erscheinen“ mag (BGH, Urteil vom 11. Januar 2005 - 1 StR 478/04, NStZ-RR 2005, 147). Die revisionsgerichtliche Prüfung hat sich darauf zu beschränken, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn das Tatgericht überspannte Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 17. November 1983 - 4 StR 375/83, NStZ 1984, 180; Beschluss vom 31. Mai 2016 - 3 StR 86/16, juris Rn. 11). Rechtsfehlerhaft ist die Beweiswürdigung auch dann, wenn eine nach den Feststellungen naheliegende Schlussfolgerung nicht gezogen ist, ohne dass konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen können (BGH, Urteile vom 26. Juni 2003 - 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35 Rn. 7; vom 11. Januar 2005 - 1 StR 478/04, NStZ-RR 2005, 147; vom 13. Dezember 2012 - 4 StR 177/12, NStZ-RR 2013, 117, 118). Das Tatgericht darf bei der Überzeugungsbildung Zweifeln keinen Raum geben, die lediglich auf einer abstrakt-theoretischen Möglichkeit gründen (BGH, Urteile vom 24. Januar 1989 - 1 StR 683/88, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 5; vom 29. April 1998 - 2 StR 65/98, NStZ-RR 1998, 275 mwN; vom 29. September 2016 - 4 StR 320/16, NStZ-RR 2016, 380, 381). Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten Anhaltspunkte erbracht hat (BGH, Urteile vom 26. Juni 2003 - 1 StR 269/02 aaO; vom 11. Januar 2005 - 1 StR 478/04 aaO; vom 12. Februar 2015 - 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148; vom 29. September 2016 - 4 StR 320/16 aaO). Alternative, für den Angeklagten günstige Geschehensabläufe sind erst dann bedeutsam, wenn für ihr Vorliegen konkrete Anhaltspunkte erbracht sind (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 4 StR 177/12 aaO).
Daran gemessen erweist sich die dem Freispruch des Angeklagten zugrundeliegende Beweiswürdigung als durchgreifend rechtsfehlerhaft.
a) Die Strafkammer ist bei ihrer Überzeugungsbildung zugunsten des Angeklagten von Annahmen ausgegangen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis den Urteilsgründen zufolge keine tatsächlichen Anhaltspunkte ergeben hat.
aa) Dies gilt zunächst für die von der Strafkammer in Betracht gezogene Möglichkeit, dass sich der Angeklagte zu dem Grundstück der Großeltern des Mitangeklagten begab, weil er im Anschluss an dessen Besuch bei den Großeltern gemeinsam mit diesem etwas unternehmen wollte.
Hinweise auf eine geplante gemeinsame Unternehmung nach dem Besuch des Mitangeklagten bei seinen Großeltern lassen sich weder den Angaben des Angeklagten noch denjenigen des Mitangeklagten entnehmen. Der Angeklagte hat sich ausweislich der Urteilsgründe lediglich zur Person eingelassen und sich in diesem Zusammenhang auch zu seiner Beziehung zu dem Mitangeklagten geäußert; im Übrigen hat er keine Angaben zur Sache gemacht. Unabhängig davon, ob aus dem Schweigen des Angeklagten zu den Tatvorwürfen ansonsten Schlüsse gezogen werden dürfen, bedeutet dies nicht, dass zu seinen Gunsten von Annahmen auszugehen ist, für die es keine tatsächlichen Anhaltspunkte gibt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 11. Januar 2005 - 1 StR 478/04, NStZ-RR 2005, 147, 148).
Auch der die Tatvorwürfe bestreitende Mitangeklagte hat nicht angegeben, mit dem Angeklagten verabredet zu haben, im Anschluss an seinen Besuch bei den Großeltern gemeinsam etwas zu unternehmen, geschweige denn, dass der Angeklagte ihn im Hinblick auf die geplante Unternehmung zum Grundstück seiner Großeltern begleitet habe. Er hat sich insoweit vielmehr im Wesentlichen wie folgt eingelassen:
Er sei nach dem Besuch bei seinen Großeltern zunächst ungefähr eine Stunde lang „einfach in der Gegend umher“ und dann zu einem seiner Halbbrüder gefahren. Mit diesem habe er sich ein Fußballspiel angesehen; außerdem habe er sich mit seiner Schwägerin unterhalten. Während des Gesprächs mit seiner Schwägerin habe ihn der Angeklagte angerufen, um zu erfahren, warum er versucht habe, ihn telefonisch zu erreichen. Im weiteren Verlauf des Telefonats sei es zu einem Disput über die Arbeitseinstellung des Angeklagten gekommen. Gegen 19:30 Uhr habe er die Wohnung seines Halbbruders verlassen. Schließlich hätten ihn Freunde besucht, mit denen er bis 1:00 Uhr nachts geredet habe (UA S. 102).
Auch sonst haben sich nach den Urteilsgründen keine Umstände ergeben, die darauf hindeuten, dass der Angeklagte und der Mitangeklagte verabredet hatten, den Abend des Tattages gemeinsam zu verbringen. Erst recht ist nichts dafür ersichtlich, weshalb es im Hinblick auf eine gemeinsame Unternehmung am Abend des Tattages erforderlich gewesen sein sollte, dass der Angeklagte den Mitangeklagten zum Grundstück von dessen Großeltern begleitete.
bb) Auch für die von der Strafkammer in Betracht gezogene Möglichkeit, dass sich der Angeklagte auf dem Grundstück der Großeltern des Mitangeklagten aufhielt, weil dieser ihn gegebenenfalls seinem Großvater als Geschäftspartner präsentieren wollte, lassen sich den Urteilsgründen keine Anhaltspunkte entnehmen.
Der Mitangeklagte hat sich im Gegenteil dahin eingelassen, dass er „niemals auf die Idee gekommen“ wäre, seinem Großvater einen Mitarbeiter seiner Firma vorzustellen, „schon gar nicht“ im Hause seiner Großeltern (UA S. 99). Das steht in Einklang mit den vom Landgericht getroffenen Feststellungen. Danach lebten die Großeltern des Mitangeklagten „sehr zurückgezogen“ (UA S. 41). Unangemeldete Besuche „fanden bei ihnen nicht statt"; insbesondere E. S. lehnte unangemeldeten Besuch ab (UA S. 41 f.). Dies war auch dem Mitangeklagten bewusst, weshalb er „in den letzten Jahren nie einen Freund oder Bekannten mit ins Haus seiner Großeltern genommen“ und ihnen selbst seine Freundin nicht vorgestellt hatte (UA S. 42).
Vor diesem Hintergrund erweist sich die Erwägung der Strafkammer, dass der Mitangeklagte den Angeklagten seinem Großvater möglicherweise gleichwohl als Geschäftspartner vorstellen wollte, weil er sich „mit Rücksicht auf die drohende, von ihm zu begleichende Schenkungssteuer und der Kenntnis über seine finanziell beengte Situation in einer für ihn zugespitzten Lebenslage“ befand (UA S. 167), dass er den Angeklagten indes zunächst vor dem Haus warten ließ, „weil es die Großeltern schlicht nicht zuließen, dass eine fremde und zudem noch unangemeldete Person mit in ihre Räumlichkeiten verbracht wurde“ (UA S. 121), als bloße denktheoretische Möglichkeit.
b) Auf dem Rechtsfehler beruht das Urteil. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht ohne die zugunsten des Angeklagten zugrunde gelegten Annahmen, dass sich der Angeklagte zur Tatzeit am Tatort aufhielt, weil er im Anschluss an den Besuch des Mitangeklagten bei dessen Großeltern mit diesem etwas unternehmen oder weil der Mitangeklagte ihn gegebenenfalls seinem Großvater als Geschäftspartner präsentieren wollte, im Hinblick auf die Tatbeteiligung des Angeklagten zu einem anderen Beweisergebnis gelangt wäre. Die Strafkammer hat in der Anwesenheit des Angeklagten am Tatort ein Indiz für seine Tatbeteiligung gesehen (UA S. 165 f.).
Den Ausführungen des Landgerichts zufolge „wirkte“ der Umstand, dass sich der Angeklagte auf dem Grundstück der Großeltern des Mitangeklagten aufhielt, vor dem Hintergrund des sich nachfolgend ereignenden Tatgeschehens „in hohem Maße konspirativ“ (UA S. 121). Gleichermaßen bewertet hat die Strafkammer den Umstand, dass der Angeklagte das von ihm genutzte Mobiltelefon am Nachmittag des Tattages ausgeschaltet hatte, weil dies Raum für die Annahme lasse, dass er seinen Aufenthaltsort dort habe verheimlichen wollen (UA S. 166). In Anbetracht dessen hätte die Strafkammer ohne die rechtsfehlerhaften Erwägungen möglicherweise angenommen, dass sich der Angeklagte im Hinblick auf eine etwaige Tatbeteiligung - sei es als Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) oder als Gehilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) - zum Grundstück der Großeltern des Mitangeklagten begeben hatte.
2. Die Sache bedarf deshalb, soweit es die Tatbeteiligung des Angeklagten betrifft, neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an ein zu demselben Land gehörendes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 StPO).
Das neu zur Entscheidung berufene Landgericht Düsseldorf wird die Sache betreffend den Angeklagten umfassend neu zu verhandeln haben, ohne an die Feststellungen des insoweit rechtskräftigen Urteils gegen den Mitangeklagten gebunden zu sein (vgl. dazu BGH, Urteil vom 24. November 1992 - 5 StR 508/92, BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 19; Beschlüsse vom 3. Juni 1997 - 1 StR 183/97, BGHSt 43, 106, 107 f.; vom 9. März 2010 - 4 StR 640/09, NStZ 2010, 529; LR/Kühne/Gössel/Lüderssen, StPO, 27. Aufl., Einl. Abschn. K Rn. 94; LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 262 Rn. 37; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., Einl. Rn. 170).
Die in der Revisionsinstanz vorgetragenen Rechtsauffassungen geben im Hinblick auf die neue Hauptverhandlung Anlass zu folgendem Hinweis:
Falls das neue Tatgericht eine Tatbeteiligung des Angeklagten wiederum für möglich, aber nicht als erwiesen erachtet und lediglich festzustellen vermag, dass der Angeklagte dem Mitangeklagten beim Umlagern des Leichnams von E. S. half, kommt eine Strafbarkeit des Angeklagten unter dem Gesichtspunkt der (versuchten oder vollendeten) Strafvereitelung (§ 258 StGB) nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht in Betracht. Die Hilfeleistung des Angeklagten beim Umlagern des Leichnams von E. S. könnte zwar zumindest dazu gedient haben, den Mitangeklagten dabei zu unterstützen, die Taten als Raubmord erscheinen zu lassen und dadurch dessen Strafverfolgung zu vereiteln. Einer Postpendenzfeststellung steht aber die mögliche Beteiligung des Angeklagten an der Vortat entgegen. Im Hinblick darauf stellt sich sein Verhalten zugleich als Selbstbegünstigung dar, so dass ihm der persönliche Strafaufhebungsgrund des § 258 Abs. 5 StGB zugutekommt (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 6. Oktober 1988 - 1 StR 564/88, BGHR StGB § 1 Vergleichbarkeit 1; Urteil vom 9. November 2010 - 5 StR 297/10, juris Rn. 25); anderes soll nur dann gelten, falls § 258 Abs. 5 StGB aus besonderen Gründen nicht eingreift, etwa weil die Vortat und die Vereitelungshandlung im Verhältnis von vorheriger Zusage eines falschen Alibis zu deren späterer Einlösung nach der Tat stehen (BGH, Beschluss vom 5. Dezember 1997 - 2 StR 505/97, BGHSt 43, 356, 358). Eine Verurteilung des Angeklagten auf alternativer Grundlage scheidet ebenfalls aus. Für eine Wahlfeststellung zwischen einer Beteiligung an einem Tötungsdelikt und einer Strafvereitelung zugunsten möglicher anderer Täter fehlt es an der erforderlichen rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 - 2 StR 46/10, juris Rn. 26).
HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 215
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2020, 175
Bearbeiter: Christian Becker