HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 492
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 262/18, Beschluss v. 18.10.2018, HRRS 2019 Nr. 492
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 5. Februar 2018 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitstrafe von vier Jahren verurteilt; von seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat es abgesehen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB ist in mehrfacher Hinsicht durchgreifend rechtsfehlerhaft.
a) Das sachverständig beratene Landgericht hat einen Hang des Angeklagten, Betäubungsmittel im Übermaß zu sich zu nehmen (vgl. zu den Voraussetzungen BGH, Urteile vom 10. November 2004 - 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210; vom 15. Mai 2014 - 3 StR 386/13, juris Rn. 10; Beschlüsse vom 1. April 2008 - 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198, 199; vom 14. Dezember 2005 1 StR 420/05, NStZ-RR 2006, 103; vom 2. April 2015 - 3 StR 103/15, juris Rn. 5), verneint, obwohl sich dessen Vorliegen hier schon angesichts der getroffenen Feststellungen zu seinem Konsumverhalten aufdrängte. Danach konsumierte der Angeklagte bereits als Schüler Amphetamin und Cannabis, absolvierte vier Therapien im Rahmen des § 35 BtMG - zuletzt im Jahre 2013 - und brach eine Maßregel nach § 64 StGB wegen Rückfalls in den Drogenkonsum ab. Nach einer mehrwöchigen Abstinenzphase im Winter 2016/17 konsumierte er bis zu seiner Verhaftung ca. 6 bis 7 g Amphetamin und 8 g Marihuana je Woche. Vor diesem Hintergrund ist die Erwägung des Landgerichts, ein Hang habe lediglich bis 2008 - nicht aber zur Tatzeit - vorgelegen, nicht tragfähig und widerspricht den Feststellungen im Rahmen der persönlichen Verhältnisse, wonach erst 2013 eine Therapie auf der Grundlage des § 35 BtMG zum Erfolg geführt habe.
b) Das Landgericht ist zudem von einem zu engen und deshalb rechtsfehlerhaften Verständnis von dem erforderlichen symptomatischen Zusammenhang zwischen Hang und Anlasstaten ausgegangen. Insoweit gilt:
Nach ständiger Rechtsprechung ist nicht erforderlich, dass der Hang die alleinige Ursache für die Anlasstat ist. Vielmehr ist ein solcher Zusammenhang bereits dann zu bejahen, wenn der Hang neben anderen Umständen mit dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte erhebliche rechtswidrige Taten begangen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2009 - 3 StR 191/09, BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 5; Beschluss vom 19. April 2018 3 StR 24/18, juris Rn. 5). Eine Mitursächlichkeit für die verfahrensgegenständlichen Taten oder ihr Ausmaß und die Befürchtung, dass ein solcher Einfluss des Hanges auch in Zukunft zu erwarten ist, genügt. Dieser Zusammenhang liegt bei Delikten, die begangen werden, um Rauschmittel selbst oder Geld für ihre Beschaffung zu erlangen, nahe (vgl. BGH, Urteile vom 22. Juni 2017 - 1 StR 652/16, BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 6; vom 8. Dezember 2016 - 1 StR 351/16, juris Rn. 28). Ein aus den Taten bzw. Taterträgen bedienter Eigenkonsum genügt für die Annahme eines solchen Zusammenhanges, auch wenn der Täter in erster Linie des wirtschaftlichen Vorteils wegen Handel mit Rauschgift betreibt (BGH, Urteil vom 22. Juni 2017 1 StR 652/16, juris Rn. 21 für einen wöchentlichen Eigenkonsum von 3 g synthetischer Cannabinoide und 5 g Amphetamin).
Von diesen Grundsätzen hat sich das Landgericht in rechtsfehlerhafter Weise gelöst und die Mitursächlichkeit des Hangs verneint, obwohl der Angeklagte nach den getroffenen Feststellungen im November 2016 von dem Mitangeklagten Amphetamin (entweder 0,5 Liter Amphetaminöl oder 1,25 kg daraus hergestelltes Amphetamin) erwarb, von dem 10% für den Eigenkonsum mit Freunden vorgesehen waren und mithin auch seiner Suchtbefriedigung dienten. Es liegt nach den getroffenen Feststellungen auf der Hand, dass der arbeitslose Angeklagte seinen Konsum - zuletzt ca. 6 bis 7 g Amphetamin und 8 g Marihuana je Woche - aus den Einnahmen seines Betäubungsmittelhandels bestritt und ein ausreichender Zusammenhang zwischen Hang und Straftaten besteht.
2. Anhaltspunkte dafür, dass der mehrfach und überwiegend einschlägig vorbestrafte Angeklagte nicht gefährlich im Sinne des § 64 Satz 1 StGB ist, sind nicht ersichtlich. Da auch die für die Anordnung der Maßregel erforderliche Erfolgsaussicht (§ 64 Satz 2 StGB), zu der sich das Urteil nicht verhält, nicht von vornherein ausscheidet, muss über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt - wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden.
Dem steht nicht entgegen, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5, 9; Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 5 StR 485/07, NStZ-RR 2008, 107); er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen.
HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 492
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2019, 140
Bearbeiter: Christian Becker