HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 885
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 165/16, Beschluss v. 26.07.2016, HRRS 2016 Nr. 885
Auf die Revision der Angeklagten Y. wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 29. Oktober 2015, soweit es sie betrifft, - im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagte des besonders schweren Raubes schuldig ist; - im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrecht erhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision der Angeklagten Y. und die Revision der Angeklagten M. werden verworfen.
Die Angeklagte M. hat die Kosten ihres Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Das Landgericht hat die Angeklagten des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen. Gegen die Angeklagte Y. hat es eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten, gegen die Angeklagte M. eine solche von vier Jahren verhängt. Mit ihren hiergegen gerichteten Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel der Angeklagten Y. hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es ebenso wie die Revision der Angeklagten M. aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegten Gründen, die sich der Senat zu Eigen macht, unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Schuldspruch gegen die Angeklagte Y. wegen täterschaftlich begangenen besonders schweren Raubes weist keinen Rechtsfehler auf. Derjenige wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung hält jedoch materiellrechtlicher Prüfung nicht stand; denn die Voraussetzungen der § 224 Abs. 1 Nr. 4, § 25 Abs. 2 StGB sind - anders als bei der Angeklagten M. - durch die Feststellungen nicht belegt.
a) Danach planten die Angeklagten sowie drei männliche Mitangeklagte, den Geschädigten in die Wohnung der Zeugin M. zu locken und ihn dort „abzuziehen“. Der Zeuge sollte schnellstmöglich überwältigt werden; dabei nahmen alle Angeklagten eine körperliche Verletzung des Opfers zumindest billigend in Kauf. Die Angeklagte Y. zog sich noch vor dem Eintreffen des Geschädigten in die Küche der Wohnung zurück, um die Ausführung der Tat den übrigen Angeklagten zu überlassen. Die Angeklagte M. öffnete dem Geschädigten die Wohnungstür, ließ ihn in die Diele eintreten, sicherte die Wohnungstür mit einer Kette, gab das vereinbarte Kommando „Er kommt“ und begab sich in das Schlafzimmer. Daraufhin sprangen die männlichen Mitangeklagten aus ihren Verstecken und überwältigten das Opfer, zerrten es in das Wohnzimmer, bedrohten es u.a. mit einem Messer, fügten ihm Verletzungen zu und nahmen ihm Bargeld sowie mehrere Mobiltelefone ab. Während dieser Zeit ging die Angeklagte M. in das Treppenhaus und versuchte, durch den Lärm aufmerksam gewordene Nachbarn zu beruhigen.
b) Der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB macht sich schuldig, wer die Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begeht. Für eine gemeinschaftliche Tatbegehung ist es nicht erforderlich, dass jeder der Mittäter eigenhändig an der Körperverletzungshandlung teilnimmt; auch kann ein Mittäter (orts-)abwesend sein, vorausgesetzt, dass mindestens zwei weitere Täter dem Opfer gegenüberstehen (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 1999 - 4 StR 312/99, NStZ 2000, 194, 195). Ob ein in diesem Sinne Abwesender Tatbeteiligter der gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung anderer ist, richtet sich nach den allgemeinen Regeln der Mittäterschaft, der Anstiftung oder der Beihilfe (BGH, Beschluss vom 10. Mai 2012 - 3 StR 68/12, NStZ-RR 2012, 270). Somit ist Mittäter im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Ob danach Mittäterschaft anzunehmen ist, hat der Tatrichter aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen; maßgebliche Kriterien sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 17. Oktober 2002 - 3 StR 153/02, NStZ 2003, 253, 254; Beschlüsse vom 2. Juli 2008 - 1 StR 174/08, NStZ 2009, 25, 26; vom 29. September 2015 - 3 StR 336/15, NStZ-RR 2016, 6, 7).
Nach diesen Maßstäben scheidet die Annahme der Mittäterschaft bei der Angeklagten Y. aus. Wenn sie auch billigend in Kauf genommen hatte, dass der Geschädigte bei dem Geschehen körperlich verletzt wird, so galt ihr Tatinteresse doch in erster Linie der Wegnahme des Geldes und sonstiger Wertgegenstände, von der sie wirtschaftlich zu profitieren hoffte, nicht aber den Körperverletzungen des Opfers. Maßgebend kommt hinzu, dass sie an den Körperverletzungshandlungen in keiner Weise beteiligt war, insoweit keine Tatherrschaft hatte und auch ein Wille hierzu nicht festgestellt ist. Die Durchführung und der Ausgang der Tat hingen - bezogen auf die gefährliche Körperverletzung - ebenfalls nicht von ihrem Willen ab.
Demgegenüber beteiligte sich die Angeklagte M. zwar ebenso wenig an den unmittelbaren Körperverletzungshandlungen. Sie leistete jedoch im Gegensatz zu der Angeklagten Y. wesentliche objektive Tatbeiträge auch zu der gefährlichen Körperverletzung, indem sie das Opfer in die Wohnung einließ, die Wohnungstür sicherte, den männlichen Mitangeklagten das vereinbarte Startkommando gab sowie versuchte, die Nachbarn zu beruhigen und damit die Entdeckung der Tat zu verhindern. Dies rechtfertigt bei ihr - bei im Übrigen vergleichbarer Interessenlage - auch insoweit die Annahme der Mittäterschaft.
2. Da auszuschließen ist, dass ein neues Tatgericht Feststellungen treffen könnte, die eine Beteiligung der Angeklagten Y. an der gefährlichen Körperverletzung belegen, ändert der Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch dahin ab, dass bei ihr die tateinheitliche Begehung dieses Delikts wegfällt. Dies bedingt die Aufhebung des sie betreffenden Strafausspruchs, denn das Landgericht hat ausdrücklich die tateinheitliche Verwirklichung der gefährlichen Körperverletzung strafschärfend gewertet. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen werden durch den Aufhebungsgrund nicht berührt; sie können deshalb bestehen bleiben. Das neue Tatgericht kann insoweit ergänzende Strafzumessungstatsachen feststellen, die den bisherigen nicht widersprechen.
HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 885
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2016, 334
Bearbeiter: Christian Becker