Bearbeiter: Ulf Buermeyer
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 153/02, Urteil v. 17.10.2002, HRRS-Datenbank, Rn. X
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten W. wird das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 28. November 2001 aufgehoben, soweit es diesen Angeklagten betrifft. Die Feststellungen zum äußeren Sachverhalt bleiben aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten W. sowie die Revision des Angeklagten O. werden verworfen.
3. Die Angeklagten haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten W. wegen Anstiftung zur tateinheitlichen Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, sowie den Angeklagten O. und den Nichtrevidenten S. wegen Beihilfe zur tateinheitlichen versuchten Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und versuchten Brandstiftung jeweils zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Die Vollstreckung aller Strafen hat es zur Bewährung ausgesetzt. Mit ihrer zum Nachteil des Angeklagten W. eingelegten Revision erstrebt die Staatsanwaltschaft die Verurteilung dieses Angeklagten wegen mittäterschaftlicher Begehungsweise. Die Angeklagten W. und O. erstreben mit ihren Revisionen die Aufhebung des Urteils. Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten W. führen zur Aufhebung des Urteils, soweit es diesen Angeklagten betrifft. Im übrigen bleiben sie, ebenso wie die Revision des Angeklagten O., ohne Erfolg.
Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte W. den Entschluß gefaßt, den von Fremdbetrieben genutzten Hallenkomplex eines ihm gehörenden Grundstücks in B. zerstören zu lassen, und deshalb den Nichtrevidenten S. mehrfach gebeten, ihm jemanden zu vermitteln, der gegen Zahlung von Geld die Zerstörung der Hallen übernehmen würde. S. sprach den Angeklagten O. an, der seinerseits in der Ukraine zwei Männer, P. und Ob. , für die Tat gewinnen konnte. Diese kamen nach Deutschland und bereiteten in der Nacht zum 6. August 2000 die Gebäude zur Zerstörung vor. Sie schütteten eine größere Menge Benzin in den Hallen aus, montierten ein Schlauchsystem an die Gasleitung zur Erzeugung eines Luft-Gas-Gemisches und bauten mit Zeitschaltuhren versehene Elektrogeräte auf. Sie setzten diese Vorrichtungen sodann aber nicht in Betrieb, sondern entfernten sich vom Tatort und konnten Deutschland verlassen. Die Vorrichtungen wurden entdeckt und konnten beseitigt werden.
Ein Recycling-Betrieb, der den überwiegenden Teil der Hallenfläche und Büroräume vom Angeklagten angemietet hatte, erlitt durch die Kontaminierung von Kunststoffgranulat mit Benzindämpfen einen Gesamtschaden von 1,6 Mio DM.
1. Die Aufklärungsrüge, mit der die Vernehmung der gesondert Verfolgten P. und Ob. vermißt wird, ist unzulässig, da sie nicht mitteilt, ob und welche Angaben diese Personen gemacht haben; dadurch ist nicht ersichtlich, weswegen sich die Strafkammer zu der Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen.
2. Die Bewertung des Landgerichts, der Angeklagte W. sei Anstifter und nicht Mittäter, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Ob ein Tatbeteiligter als Mittäter eine Tat begeht, ist nach den gesamten Umständen, die von der Verurteilung umfaßt sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte für die Beurteilung können gefunden werden im Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, im Umfang der Tatbeteiligung und in der Tatherrschaft oder wenigstens im Willen zur Tatherrschaft, so daß Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen (st. Rspr.; vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 14). Dabei kann bereits eine Beteiligung an Handlungen im Vorfeld der eigentlichen Tatbestandsverwirklichung ausreichen, um Mittäterschaft zu begründen, sofern sich diese Mitwirkung nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden nicht als bloße Förderung fremden Tuns, sondern als Teil der Tätigkeit aller darstellt (BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 12 m. w. N.). Eine Anwesenheit am Tatort ist für die Annahme der Mittäterschaft nicht erforderlich (BGH NStZ-RR 1997, 260 m. w. N.).
Die tatrichterliche Bewertung über das Vorliegen von Täterschaft oder Teilnahme ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur einer begrenzten revisionsrechtlichen Kontrolle zugänglich (BGH NStZ-RR 2001, 148; 2002, 74). Die Zubilligung eines dem Tatrichter eingeräumten Beurteilungsspielraums mit der Konsequenz, daß die bloße Möglichkeit einer anderen tatrichterlichen Beurteilung das gefundene Ergebnis nicht rechtsfehlerhaft macht, setzt aber eine umfassende Würdigung des Beweisergebnisses als Grundlage der Bewertung voraus (BGH NStZ-RR 2002, 74). Eine solche Würdigung läßt das angefochtene Urteil vermissen.
Das Landgericht hat bei seiner Entscheidung, das Verhalten des Angeklagten als Anstiftung einzustufen, darauf abgestellt, daß der Angeklagte "zwar das überwiegende Interesse" an der von ihm initiierten Tat hatte, jedoch "an der unmittelbaren Tatausführung ... nicht beteiligt" war und keinen "ausschlaggebenden Einfluß" auf das genaue Vorgehen bei der Tat hatte. Dabei hat das Landgericht eine Reihe von gewichtigen Umständen nicht erkennbar in die Abwägung einbezogen. So hatte der Angeklagte die beiden aus der Ukraine stammenden Täter bei ihrer Ankunft im Auto abgeholt und ihnen den Tatort gezeigt, eine Liste mit Gegenständen, die die Täter benötigten, entgegengenommen, die Unterkunft der Täter organisiert und bezahlt; er hatte eine Krankenversicherung für sie abgeschlossen, einen Gebrauchtwagen für sie erworben und bar bezahlt sowie einige Einzelheiten der Tatausführung und den Zeitpunkt, zu dem die Tat stattfinden sollte, mit den Tätern abgesprochen.
3. Die von diesem Abwägungsfehler nicht berührten, rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Sachverhalt können aufrechterhalten bleiben. Der neue Tatrichter kann ergänzende, zu ihnen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen treffen. Soweit die Revision der Staatsanwaltschaft die vollständige Aufhebung des Urteils und damit auch aller Feststellungen erstrebt, bleibt sie daher ohne Erfolg.
1. Die Verfahrensrüge, das Urteil sei nicht fristgerecht zu den Akten gebracht worden, weil der Richter J. das Urteil nicht unterschrieben habe (§ 338 Nr. 7 StPO), versagt. Ihr liegt folgender Verfahrensgang zugrunde: Während des Laufs der Urteilsabsetzungsfrist war einer der Beisitzer, Richter J., mit Ablauf des 31. Dezember 2001 aus allen Kammern am Sitz des Landgerichts in Lüneburg ausgeschieden und ab 1. Januar 2002 jeweils mit der Hälfte seiner Arbeitskraft dem Amtsgericht Celle sowie verschiedenen auswärtigen Strafkammern des Landgerichts Lüneburg am Amtsgericht Celle zugewiesen worden. Der Vorsitzende hat daraufhin am 28. Januar 2002 den folgenden Verhinderungsvermerk unterschrieben: "Ri J. ist versetzt und an der Unterschrift gehindert." Er ist dabei, wie durch seine dienstliche Erklärung bestätigt wird, von der tatsächlichen Verhinderung des Richters zur Unterschriftsleistung ausgegangen. Ein Rechtsfehler kann darin nicht gefunden werden.
Der Wechsel des Dienstortes von Lüneburg nach Celle ist allgemein geeignet gewesen, den Richter von der Unterschrift abzuhalten (vgl. BGHR StPO § 275 Abs. 2 Satz 2 Verhinderung 1; BGH NStZ-RR 1999, 46). Dem innerhalb der Revisionsbegründungsfrist Vorgetragenen kann nicht entnommen werden, daß der Vorsitzende denjenigen Beurteilungsspielraum überschritten hat, der ihm bei der Entscheidung darüber, ob ein Beisitzer aus tatsächlichen Gründen verhindert ist, zugebilligt wird (vgl. BGHR StPO § 275 Abs. 2 Satz 2 Verhinderung 3 unter Hinweis auf Gollwitzer in Löwe-Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 275 Rdn. 48). Der Vortrag, der Richter sei auch noch Ende Januar 2002 häufig am Landgericht in Lüneburg gewesen und habe dort andere Urteile der Strafkammer unterschrieben, ist erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist erfolgt und damit unbeachtlich.
2. Soweit die Revision, teilweise in Verfahrensrügen, teilweise in materiellrechtliche Beanstandungen eingekleidet, die Beweiswürdigung der Strafkammer in Zweifel zieht, zeigt sie keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf.
Gleiches gilt für die geäußerten Bedenken gegen das rechtliche Zusammentreffen von § 306 StGB und § 308 StGB. Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat Bezug auf die Darlegungen, mit denen der Generalbundesanwalt seinen Antrag auf Verwerfung der Revision des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO begründet hat.
3. Die Revision des Angeklagten W. führt allein zur Aufhebung des ihn betreffenden Schuldspruchs. Bei der Verurteilung wegen Anstiftung zur tateinheitlichen Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und Brandstiftung hat das Landgericht nicht berücksichtigt, daß die Haupttäter entgegen der Erwartung des Angeklagten die Tat nicht vollendet haben und der Angeklagte nur hinsichtlich dessen haftet, was tatsächlich verwirklicht wurde. Der Senat kann den Schuldspruch nicht dahin ändern, daß der Angeklagte nur der Anstiftung zur tateinheitlichen versuchten Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und versuchten Brandstiftung schuldig ist, weil die tatrichterliche Beurteilung, der Angeklagte sei Anstifter gewesen, ihrerseits unzureichend begründet ist (vgl. oben I. 2.).
4. In der Aufhebung des Schuldspruchs, der Fehler sowohl zugunsten wie auch zu Lasten des Angeklagten enthält, liegt, weil die Feststellungen zum äußeren Sachverhalt aufrechterhalten bleiben und die Verhängung einer milderen Strafe durch den neuen Tatrichter ausgeschlossen erscheint, kein solcher Erfolg des Rechtsmittels, daß es unbillig wäre, den Angeklagten mit den gesamten Kosten des Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der allgemein erhobenen Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Externe Fundstellen: NStZ 2003, 253
Bearbeiter: Ulf Buermeyer