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HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 630

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 70/25, Beschluss v. 08.04.2025, HRRS 2025 Nr. 630


BGH 2 StR 70/25 - Beschluss vom 8. April 2025 (LG Aachen)

Adhäsionsentscheidung (Feststellung: zukünftige immaterielle Schäden, Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgelds).

§ 406 StPO; § 253 BGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 10. Oktober 2024 im Adhäsionsausspruch aufgehoben, soweit die Ersatzpflicht des Angeklagten für künftige immaterielle Schäden des Adhäsionsklägers festgestellt worden ist; insoweit wird von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abgesehen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels, die dem Neben- und Adhäsionskläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen und die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Ferner hat es den Angeklagten dazu verurteilt, an den Adhäsionskläger einen Geldbetrag in Höhe von 10.020 Euro nebst Zinsen zu zahlen, und festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, dem Adhäsionskläger auch jeglichen künftigen aus der Tat entstehenden materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat im Adhäsionsausspruch in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Die Nachprüfung des Urteils zum Schuld-, Straf- und Maßregelausspruch hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

2. Auch die Adhäsionsentscheidung ist weitgehend frei von Rechtsfehlern. Hingegen hält die Feststellung der Ersatzpflicht des Angeklagten für alle zukünftigen immateriellen Schäden des Adhäsionsklägers rechtlicher Überprüfung nicht stand. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt:

„Die Adhäsionsentscheidung der Kammer ist nicht frei von Rechtsfehlern, soweit sie eine Ersatzpflicht des Revisionsführers ‚für jeglichen auch künftigen […] immateriellen Schaden‘ festgestellt hat […]. Verlangt der Geschädigte für erlittene Verletzungen ein Schmerzensgeld, so werden durch den Klageantrag nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgelds alle diejenigen Schadensfolgen erfasst, die entweder bereits eingetreten und objektiv erkennbar sind oder deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden kann (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Juli 2024 - 2 StR 192/24, Rn. 6; vom 6. Oktober 2021 - 6 StR 389/21, Rn. 3; vom 22. Oktober 2019 - 2 StR 397/19, Rn. 8). Eine darüberhinausgehende Feststellungsklage erfordert deshalb die Wahrscheinlichkeit der Entstehung anderer als bereits bei der Bemessung der Schmerzensgelder in den Blick genommener zukünftiger immaterieller Schäden. Darzulegen ist die Möglichkeit eines zukünftigen Schadenseintritts, wobei eine bloß abstrakt-theoretische Möglichkeit nicht genügt; erforderlich ist vielmehr, dass aufgrund konkreter Anhaltspunkte bei verständiger Würdigung mit dem Eintritt eines zukünftigen Schadens wenigstens zu rechnen ist (vgl. BGH a.a.O.).

Nach diesen Maßstäben tragen die Urteilsgründe den Feststellungsanspruch lediglich hinsichtlich zukünftiger materieller Schäden des Adhäsionsklägers mit Blick darauf, dass er - bei Urteilsverkündung - noch nicht wieder in der Lage (gewesen) sei, seinem Beruf nachzugehen, und seine Traumatherapie noch andauert(e) […]. Die Urteilsgründe enthalten indes keine Hinweise auf die Wahrscheinlichkeit anderer zukünftiger immaterieller Schäden als derjenigen, die die Kammer bereits bei der Bemessung des dem Adhäsionskläger zuerkannten Schmerzensgeldes in den Blick genommen hat. Ihre Ausführungen beschränken sich insoweit auf die bloße Feststellung, der Revisionsführer hafte auch für ‚zukünftige Schäden des Adhäsionsklägers, welche derzeit noch nicht absehbar, aber sicher zu erwarten‘ seien […].

Der Adhäsionsausspruch ist daher insoweit aufzuheben. Danach ist auszusprechen, dass von einer Entscheidung abzusehen ist, weil der Antrag insoweit unbegründet erscheint (§ 406 Abs. 1 Satz 3 StPO; vgl. BGH, Beschluss vom 13. März 2024 - 2 StR 238/23, Rn. 11).“ Dem tritt der Senat bei.

3. Der geringe Teilerfolg der Revision lässt es nicht unbillig erscheinen, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels, den besonderen Kosten des Adhäsionsverfahrens und den notwendigen Auslagen des Adhäsions- und Nebenklägers zu belasten.

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 630

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede