HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 666
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 238/23, Beschluss v. 13.03.2024, HRRS 2024 Nr. 666
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 18. Januar 2023
a) im Schuldspruch zu den Fällen II.1 und II.17 der Urteilsgründe dahin geändert, dass der Angeklagte wegen Herstellung kinderpornographischer Schriften und wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit Besitz jugendpornographischer Schriften schuldig ist;
b) im Ausspruch über die Einziehung aufgehoben, wobei die Feststellungen hinsichtlich der Einziehungsanordnung aufrechterhalten bleiben und die Einziehung des Smartphone Galaxy S5 (SMG900F) entfällt;
c) im Adhäsionsausspruch aufgehoben, soweit eine Verpflichtung des Angeklagten zur Zahlung von Schadensersatz für alle künftigen immateriellen Schäden zu Gunsten der Nebenklägerin festgestellt ist; insoweit wird von einer Entscheidung über die Adhäsionsanträge abgesehen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen sowie die in der Revisionsinstanz im Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und notwendigen Auslagen der Adhäsionsklägerin an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Vergewaltigung und mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in sieben Fällen, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in acht Fällen, wegen Herstellens „kinderpornographischer Inhalte“ und wegen des Besitzes „kinderpornographischer Inhalte“ in Tateinheit mit Besitz „jugendpornographischer Inhalte“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es die Einziehung eines Smartphone Galaxy S5 (SMG900F) sowie eines PC HP (Modell: Z440 Workstation) angeordnet. Zudem hat das Landgericht den Angeklagten im Adhäsionsverfahren verurteilt, an die (Neben- und) Adhäsionsklägerin K. Z. ein Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18. Januar 2023 zu zahlen, und festgestellt, dass er verpflichtet ist, der Adhäsionsklägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, die aus dem schweren sexuellen Kindesmissbrauch künftig entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger, Versorgungsamt, Krankenkasse oder andere Dritte übergegangen sind oder übergehen werden. Weiter hat es festgestellt, dass der Anspruch der Adhäsionsklägerin aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung resultiert.
Die gegen dieses Urteil gerichtete, auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat lediglich in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Feststellungen beruhen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung und tragen in allen Fällen den Schuldspruch. Soweit es die Fälle II.1 und II.17 der Urteilsgründe betrifft, war lediglich aus Klarstellungsgründen eine Änderung des Schuldspruchs veranlasst. § 184b StGB betrifft in der angewendeten Fassung nach der gesetzlichen Bezeichnung (s. § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO) kinderpornographische Schriften (nunmehr kinderpornographische Inhalte) (vgl. BGH, Beschluss vom 4. April 2023 - 3 StR 69/23, BeckRS 2023, 9221, Rn. 7).
2. Auch der Strafausspruch weist keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
a) Soweit das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung die Einziehung des Mobiltelefons und des Computers nicht berücksichtigt hat, obwohl die Einziehung von Tatmitteln (§ 74 Abs. 1 StGB) den Charakter einer Nebenstrafe hat und diese bei Gegenständen von nicht unerheblichem Wert grundsätzlich ein bestimmender Gesichtspunkt für die Bemessung der daneben zu verhängenden Strafe und insoweit im Wege einer Gesamtbetrachtung der den Täter treffenden Rechtsfolgen angemessen zu berücksichtigen ist (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 3. Mai 2018 - 3 StR 8/18, NStZ 2018, 526 mwN), kann ausgeschlossen werden, dass das Landgericht ansonsten im Fall II.17 der Urteilsgründe eine geringere Strafe festgesetzt oder eine mildere Gesamtstrafe verhängt hätte.
b) Auch der Ausspruch über die Gesamtstrafe hat Bestand. Zwar hat die Strafkammer erkennbar nicht bedacht, dass durch die Anwendung des § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB die Zäsurwirkung nicht entfällt (vgl. BGH, Urteil vom 12. August 1998 - 3 StR 537/97, BGHSt 44, 179, 184; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 53 Rn. 7 mwN). Zudem kann - entgegen der Ansicht des Landgerichts - auch nicht „zugunsten des Angeklagten“ davon ausgegangen werden, dass sich die verfahrensgegenständlichen Taten, bei denen der Tatzeitpunkt nicht näher hatte konkretisiert werden können, erst nach der Vorverurteilung ereignet hätten. Nach den getroffenen Feststellungen wurden jedenfalls die Taten zu den Fällen II.1 bis II.6 der Urteilsgründe im Zeitraum vom 24. Mai 2018 bis zum 1. November 2019 und damit vor der Verurteilung des Angeklagten durch das Amtsgericht Siegburg am 27. Mai 2020 begangen. Die weiteren Taten wurden jedenfalls vor der weiteren Verurteilung des Angeklagten mit Urteil des Amtsgerichts Siegburg vom 19. August 2021 begangen, da letztmöglicher Tatzeitpunkt nach den Feststellungen der 4. Juni 2021 war.
Die Beschwer eines Angeklagten durch die unterlassene Einbeziehung von Einzelstrafen kann aber entfallen, wenn eine Zäsurwirkung für eine einzubeziehende Verurteilung hätte beachtet werden müssen und deshalb mehrere Gesamtstrafen zu bilden gewesen wären (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2006 - 2 StR 63/06, NStZ-RR 2006, 232; Urteil vom 14. Januar 2016 - 4 StR 437/15, juris Rn. 6). Das ist hier der Fall. Das Landgericht hätte danach zwei Gesamtstrafen bilden müssen, weil dem Urteil des Amtsgerichts Siegburg vom 27. Mai 2020 Zäsurwirkung zukommt.
3. Dagegen hält die Einziehungsentscheidung rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Das Landgericht hat die Anordnung der Einziehung damit begründet, dass sich auf den eingezogenen Gegenständen kinderpornographisches Material befinde. Nach den Urteilsfeststellungen zu Fall II.17 der Urteilsgründe befinden sich die kinder (und jugend-)pornographischen Bilder jedoch nicht auf dem eingezogenen Smartphone Galaxy S5, sondern auf zwei sichergestellten PCs Dell Optiplex 760 und HP Z440. Die im Fall II.1 der Urteilsgründe von dem Angeklagten hergestellten Bilder wurden auf seinem Tablet abgespeichert, das ihm zwischenzeitlich entwendet wurde. Zu dem Mobiltelefon hat die Strafkammer dagegen festgestellt, dass sich darauf Aufnahmen der Nebenklägerin in sexuell aufreizender Pose befinden, die der Angeklagte im Jahr 2019 gefertigt hat und die nicht Gegenstand der Anklage sind. Damit kommt eine Einziehung des Smartphones im subjektiven Verfahren nicht in Betracht; die Anordnung hat daher zu entfallen.
b) Aber auch die auf § 184b Abs. 6 Satz 2 (in der Fassung vom 30. November 2020) i.V.m. § 74 Abs. 1 und 2 StGB gestützte Einziehung des Computers HP Z440 hat keinen Bestand. Zwar ist bei einer Verurteilung gemäß § 184b Abs. 4 StGB aF wegen Sichverschaffens oder Besitzes kinderpornographischer Schriften eine Einziehung des für den Speichervorgang verwendeten Computers nebst Zubehör nach § 74 Abs. 1 StGB als Tatmittel möglich, während nach § 184b Abs. 6 Satz 1 StGB nur die Beziehungsgegenstände der Tat - hier also die Festplatten des zur Bildspeicherung genutzten Gerätes - zwingend einzuziehen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2012 - 4 StR 657/11, NStZ 2012, 319 mwN). Das Landgericht hat indes nicht erkennbar beachtet, dass die Einziehung des Computers nach § 74 Abs. 1 StGB im pflichtgemäßen Ermessen des Tatgerichts steht. Außerdem fehlen Feststellungen dazu, ob es technisch möglich ist, die Dateien in einer Weise von der Festplatte zu löschen, dass sie nicht mehr wiederhergestellt werden können.
4. Schließlich ist auch die Adhäsionsentscheidung des Landgerichts nicht frei von Rechtsfehlern. Verlangt der Geschädigte für erlittene Verletzungen ein Schmerzensgeld, so werden nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes davon alle Schadensfolgen erfasst, die entweder bereits eingetreten und objektiv erkennbar sind oder deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden kann (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 10. Juli 2018 - VI ZR 259/15, NJWRR 2018, 1426, 1427 mwN; Beschlüsse vom 23. April 2019 - 2 StR 79/19, BeckRS 2019, 23110, und vom 22. Oktober 2019 - 2 StR 397/19, NStZ-RR 2020, 53). Hinweise auf die Wahrscheinlichkeit anderer als bereits bei der Bemessung des Schmerzensgeldes in den Blick genommener zukünftiger immaterieller Schäden enthalten die Urteilsgründe nicht. Der Feststellungsausspruch ist insoweit aufzuheben. Danach ist auszusprechen, dass von einer Entscheidung abzusehen ist, weil der Antrag insoweit unbegründet erscheint (§ 406 Abs. 1 Satz 3 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 666
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede