HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1378
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, StB 57/24, Beschluss v. 04.09.2024, HRRS 2024 Nr. 1378
Die Beschwerde der Angeklagten gegen den Haftfortdauerbeschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 14. März 2024 wird verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
Die Angeklagte ist aufgrund eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 17. Mai 2023 (2 BGs 608/23) am 31. Mai 2023 festgenommen worden und befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft.
Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, die Angeklagte habe im Zeitraum vom 30. Mai 2020 bis zum 13. September 2021 durch 31 selbständige Handlungen die terroristische Vereinigung im Ausland „Islamischer Staat“ (IS) unterstützt, deren Zwecke und Tätigkeiten darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Völkermord (§ 6 VStGB), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 VStGB) oder Kriegsverbrechen (§ 8 ff. VStGB) zu begehen. Durch ihre Taten habe sie zudem jeweils gegen das Bereitstellungsverbot der im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 139 vom 29. Mai 2002, S. 9) veröffentlichten unmittelbar geltenden Verordnung (EG) Nr. 881/2002 des Rates vom 27. Mai 2002 verstoßen, die der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient.
Der Haftbefehl nimmt eine mutmaßliche Strafbarkeit der Angeklagten gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB, § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Variante 8 AWG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 vom 27. Mai 2002 und der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 632/2013 der Kommission der Europäischen Union vom 28. Juni 2013 (ABl. L 179 vom 29. Juni 2013, S. 85), §§ 52, 53 StGB an.
Der Generalbundesanwalt hat unter dem 27. November 2023 Anklage gegen die Beschwerdeführerin und weitere Personen zum Oberlandesgericht Düsseldorf erhoben.
Der dort mit der Sache befasste 7. Strafsenat (III-7 St 3/23) hat mit Beschluss vom 22. Februar 2024 die Anklage unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen, das Hauptverfahren eröffnet und Haftfortdauer beschlossen.
Der Senat hat mit Beschlüssen vom 13. Dezember 2023 (AK 91-95/23) und 4. April 2024 (AK 33-37/24) im besonderen Haftprüfungsverfahren gemäß §§ 121, 122 StPO jeweils die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet.
Die Hauptverhandlung hat am 17. April 2024 begonnen und dauert gegenwärtig an.
Bislang letztmalig hat der 7. Strafsenat des Oberlandesgerichts durch Beschluss vom 14. März 2024, mit dem die Akten dem Bundesgerichtshof im Haftprüfungsverfahren gemäß §§ 121, 122 StPO vorgelegt worden sind, Haftfortdauer gegen die Angeklagte angeordnet.
Gegen diesen Haftfortdauerbeschluss des Oberlandesgerichts in Verbindung mit dem Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 17. Mai 2023 wendet sich die Angeklagte mit ihrer Haftbeschwerde, die von ihrem Verteidiger unter Bezugnahme auf umfangreiches handschriftliches Vorbringen der Angeklagten vom 1. Juli 2024 in der Hauptverhandlung am 8. August 2024 mündlich erhoben worden ist.
Das Oberlandesgericht hat dem Rechtsmittel mit Beschluss vom 9. August 2024 nicht abgeholfen.
Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die Haftbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.
Die gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde, die dahin auszulegen ist (§ 300 StPO), dass sie sich gegen die zeitlich letzte den Bestand des Haftbefehls betreffende Haft(fortdauer-)entscheidung des Oberlandesgerichts vom 14. März 2024 richtet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. April 2022 - StB 16/22, juris Rn. 7; vom 21. April 2016 - StB 5/16, juris Rn. 8; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 117 Rn. 8), ist unbegründet. Die rechtlichen Voraussetzungen für einen Haftbefehl und dessen Vollzug sind weiterhin gegeben.
1. Gegenstand des Haftbeschwerdeverfahrens sind allein die Tatvorwürfe, die mit dem Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 17. Mai 2023 gegen die Angeklagte erhoben werden.
2. Insofern ist nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand im Sinne eines dringenden Tatverdachts weiterhin von folgendem Sachverhalt auszugehen:
a) Die Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen Irak und die historische Region „ash-Sham“ - die heutigen Staaten Syrien, Libanon und Jordanien sowie Palästina - umfassenden, auf ihrer Ideologie gründenden „Gottesstaat“ unter Geltung der Scharia zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im Irak sowie das Regime des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als „Feind des Islam“ begreift; die Tötung solcher „Feinde“ oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht die Vereinigung als legitimes Mittel des Kampfes an.
Die Führung der Vereinigung, die sich mit der Ausrufung des „Kalifats“ am 29. Juni 2014 von „Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien“ (ISIG) in „Islamischer Staat“ (IS) umbenannte - wodurch sie von der territorialen Selbstbeschränkung Abstand nahm -, hatte seit 2010 bis zu seiner Tötung im Oktober 2019 Abu Bakr al-Baghdadi inne. Die Vereinigung setzte ihre Ziele durch offenen militärischen Bodenkampf im Irak und in Syrien sowie durch Sprengstoff- und Selbstmordanschläge, aber auch durch Entführungen, Erschießungen und spektakulär inszenierte, grausame Hinrichtungen durch. Sie teilte von ihr besetzte Gebiete in Gouvernements ein und errichtete einen Geheimdienstapparat; diese Maßnahmen zielten auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der irakischen und syrischen Armee, aber auch in Gegnerschaft zum IS stehender Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsanspruch des IS in Frage stellten, sahen sich Verhaftung, Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom IS zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus beging der IS immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb seines Machtbereichs Terroranschläge. So übernahm er auch für Anschläge in Europa, etwa in Paris, Brüssel, Nizza und Berlin, die Verantwortung.
Im Irak gelang es dem IS im Jahr 2014, etwa ein Drittel des Staatsterritoriums zu besetzen. Am 10. Juni 2014 erlangte er die Kontrolle über die Millionenstadt Mossul, die bis zu der Offensive der von den USA unterstützten irakischen Armee Ende 2016 der zentrale Ort seiner Herrschaft im Irak war. In den Jahren 2013 und 2014 gelang es dem IS zudem, weite Teile im Norden und Osten Syriens unter seine Gewalt zu bringen.
Seit Januar 2015 wurde die Vereinigung schrittweise erfolgreich zurückgeschlagen. So begann am 16. Oktober 2016 die Rückeroberung von Mossul, die Anfang Juni 2017 abgeschlossen war. Am 27. August 2017 wurde der IS aus seiner letzten nordirakischen Hochburg in Tal Afar verdrängt. Die irakischen Sicherheitskräfte erklärten im Dezember 2017 den Krieg gegen den IS für beendet, nachdem sie in einem letzten Schritt die Kontrolle von Gebieten an der syrisch-irakischen Grenze vollständig zurückerlangt hatten.
Auch in Syrien büßte der IS im Laufe des Jahres 2018 große Gebiete ein. Ende 2018 verblieb ihm nur noch ein kleines Territorium im Raum Baghuz in der Provinz Deir Ezzor, in das sich die IS-Kämpfer zurückziehen konnten. Am 9. Februar 2019 begann die finale Offensive der Syrian Democratic Forces (SDF) um den Ort Baghuz, wobei sie Luftunterstützung durch die Anti-IS-Koalition erhielten. Am 23. März 2019 kapitulierten dort die letzten IS-Kämpfer; tausende von ihnen sowie zehntausende Frauen und Kinder wurden in Gefängnissen und Lagern - etwa in Al-Hol oder Roj im Nordosten Syriens - interniert. Damit brach das territoriale Kalifat des IS mit quasi staatlichen Strukturen zusammen. Weitere Rückschläge erlitt die Vereinigung durch die Tötung ihres Anführers Abu Bakr al-Baghdadi und ihres offiziellen Sprechers in der Nacht vom 26. auf den 27. Oktober 2019 im Rahmen einer US-amerikanischen Militäraktion in der syrischen Provinz Idlib.
Trotz des Zusammenbruchs des Kalifats war der IS als militant-dschihadistische und international agierende Organisation nicht zerstört. Vielmehr verblieb die Vereinigung unter Aufrechterhaltung ihrer ideologischen Ausrichtung in der Folgezeit in ihrem Kerngebiet Syrien/Irak, insbesondere in der syrisch-irakischen Grenzregion sowie der syrischen Wüste. Auch passte sich der IS an die veränderten Rahmenbedingungen an: So benannte er kurz nach der Tötung der beiden Führungspersonen einen neuen Sprecher und einen neuen Emir, setzte seine Propagandatätigkeiten fort und operierte zunehmend aus dem Untergrund heraus. Schätzungen zufolge verfügt er im Kerngebiet weiterhin über 4.000 bis 6.000 aktive Kämpfer. Seit 2019 verübte er mehrere tausend terroristische Anschläge in Syrien und im Irak in Form von Sturm- und Raketenangriffen sowie Selbstmord- und Sprengstoffanschlägen. Derartige militärische Operationen führte er auch in Somalia, Ägypten/Sinai, Jemen, Nigeria, Tschad und Burkina Faso aus. Daneben nahm er gezielt Tötungen und Hinrichtungen von Einzelpersonen wie beispielsweise sunnitischen Stammesältesten, Kämpfern des SDF und solchen des syrischen Regimes vor.
Der IS ist auch weiterhin in der Provinz Idlib aktiv. So gelang es der Vereinigung Ende Dezember 2017 nach tagelangen Kämpfen mit der Hai´At Tahrir Al-Sham (HTS), die in dieser Provinz militärisch, wirtschaftlich und politisch stark vertreten war, dort mehrere Dörfer einzunehmen. Es folgten zahlreiche Kämpfe zwischen beiden Gruppierungen, ohne dass der IS aus der von der HTS kontrollierten Region vollständig verdrängt werden konnte.
Mit der Ausrufung weltweiter Provinzen außerhalb seines ursprünglichen Kerngebiets und fortwährender terroristischer Aktivitäten in zahlreichen Staaten in Afrika und Asien, vor allem in Ägypten/Sinai, West- und Zentralafrika sowie in der Provinz Khorasan bestehend aus den Ländern Afghanistan, Pakistan und Tadschikistan - dort agierend unter der Bezeichnung „Islamischer Staat Provinz Khorasan“ (ISPK) - unterstreicht der IS seinen Anspruch, ein global agierender Akteur zu sein. Erst jüngst hat er sich zu Anschlägen in Europa bekannt, die von Personen verübt wurden, welche über soziale Medien von der Vereinigung angeleitet worden waren.
b) Die in der Bundesrepublik lebende Angeklagte war jedenfalls im Tatzeitraum Anhängerin eines radikal-salafistischen Islam, sympathisierte mit der ausländischen terroristischen Vereinigung IS und unternahm es, diese von Deutschland aus finanziell zu unterstützen. Sie war als Übermittlerin von Geldern an den IS tätig, indem sie im Zeitraum von Mai 2020 bis September 2021 in jedenfalls 31 Fällen für Sammlungskampagnen der gesondert Verfolgten Ö. zugunsten internierter IS-Frauen und für die finanzielle Unterstützung weiterer in Syrien befindlicher IS-Angehöriger Spendengelder entgegennahm und an IS-Mitglieder im (früheren) Herrschaftsgebiet der Vereinigung transferierte beziehungsweise an der Weiterleitung an diese mitwirkte. Es ging dabei vornehmlich um Geldspenden für Frauen, die - wie die Angeklagte wusste - dem IS angehörten und in den von kurdischen Kräften betriebenen Flüchtlingslagern Al-Hol und Roj im Nordosten Syriens interniert waren. Mit den Geldern sollte, was die Angeklagte wusste und durch ihre Mitwirkung unterstützen wollte, eine Ausschleusung von IS-Frauen aus der Haft oder deren Freikauf finanziert beziehungsweise den Internierten ein Leben in den - von einer weitgehenden Selbstorganisation der IS-Insassinnen geprägten - Lagern entsprechend den Vorgaben des IS und unter fortwährender Zugehörigkeit zu der Vereinigung ermöglicht werden. Damit wollte die Angeklagte letztlich von Deutschland aus den IS stärken und den Geldempfängerinnen eine weitere Tätigkeit für die Vereinigung ermöglichen. Insgesamt bewirkte die Angeklagte, dass dem IS mindestens 38.368,08 € zuflossen.
aa) Die gesondert verfolgte, im März 2019 von kurdischen Kräften festgenommene und zu Beginn des Zeitraums der Taten der Angeklagten im kurdischen Lager für gefangen genommene weibliche IS-Angehörige Al-Hol internierte IS-Angehörige Ö. agierte auch aus dem Gefangenenlager heraus weiter als IS-Mitglied. Sie betrieb dort eigene Telegram-Kanäle, unter anderem den Kanal , mit denen sie zu Spenden für den Freikauf von dem IS zugehörigen Insassinnen des Lagers Al-Hol aufrief. Die hierdurch in Deutschland veranlassten Spenden wurden in Absprache zwischen ihr, der Angeklagten und weiteren in Deutschland in die Sammlungskampagnen und den Transfer von Spendengeldern eingebundenen Personen eingenommen und abgewickelt. Ferner bewirkte Ö., die im Lager Al-Hol eine Vormachtstellung gegenüber anderen zum IS gehörenden oder diesem jedenfalls nahestehenden Frauen hatte, mit den erlangten Spendengeldern Ausschleusungen von internierten IS-Frauen aus dem Lager und gab eingeworbene Gelder an inhaftierte Frauen weiter, die dem IS nach wie vor ergeben waren, um einen Beitrag zu deren Lebensunterhalt im Lager zu leisten und sie weiter an die Vereinigung zu binden.
bb) Im Einzelnen wirkte die Angeklagte an folgenden Finanztransaktionen mit:
(1) Am 30. Mai 2020 überwies die Angeklagte einen Geldbetrag in Höhe von 1.900 € von ihrem Girokonto auf ein Bankkonto der A. Y. Diese und ihr Ehemann H. Y. leiteten das Geld in Absprache mit der Angeklagten an Ö. weiter, die es zum - erfolgreichen - Freikauf einer dort internierten IS-Frau verwendete.
(2) Am 8. Juni 2020 überwies die Angeklagte in Absprache mit Ö. erneut einen Geldbetrag (150 €) an A. Y., die diesen wiederum vereinbarungsgemäß an Ö. zur Unterstützung von IS-Lagerinsassinnen in Al-Hol übermittelte.
(3) Am 23. Juli 2020 transferierte die Angeklagte einen Geldbetrag in Höhe von 200 € an die in der Türkei befindliche Finanzmittlerin N., die das Geld vereinbarungsgemäß an das im Lager Al-Hol internierte IS-Mitglied L. weiterleitete.
(4) Die gesondert Verfolgte Ö. betrieb ihren Telegram-Kanal, mit dem sie als IS-Mitglied zu Spenden für dem IS zugehörige Insassinnen von Internierungslagern aufrief, nach ihrem eigenen Freikauf aus dem Lager Al-Hol im Herbst 2020 weiter. Sie nannte in Absprache mit der Angeklagten Spendenwilligen zum Zwecke der Abwicklung von Spenden (auch) einen von der Angeklagten eingerichteten Paypal-Moneypool. Daraufhin überwiesen zahlreiche Einzelpersonen in den Moneypool sowie auf ein Girokonto der Angeklagten Geldbeträge, die für die Sammlungskampagnen der Ö. bestimmt waren. In Abstimmung mit Ö. leitete die Angeklagte in mindestens 16 Fällen (hier II. 2. b) bb) (4) bis (19)) auf diese Weise erhaltenes Geld dergestalt an Ö. weiter, dass sie Beträge über Finanztransferdienstleister an in der Türkei befindliche Finanzmittler transferierte, die von dort aus - erfolgreich - eine Weiterleitung der Spendengelder an das IS-Mitglied Ö. bewirkten.
In diesem Rahmen transferierte die Angeklagte am 23. September 2020 einen Geldbetrag in Höhe von 2.623 € an die Mittelsperson T. .
(5) Am 1. Oktober 2020 transferierte die Angeklagte einen Geldbetrag in Höhe von 166 € an die Mittelsperson D. .
(6) Am 31. Oktober 2020 transferierte sie einen Geldbetrag in Höhe von 49 € an die Mittelsperson A. .
(7) Am 1. Dezember 2020 transferierte sie einen Geldbetrag in Höhe von 2.526,10 € an die Mittelsperson Du. .
(8) Am 12. Dezember 2020 transferierte sie einen Geldbetrag in Höhe von 796 € an die Mittelsperson I. H. und einen weiteren Betrag in Höhe von 845,42 € an die Mittelsperson M. .
(9) Am 23. Dezember 2020 transferierte sie einen Geldbetrag in Höhe von 500 € an die Mittelsperson Ta. .
(10) Am 4. Januar 2021 transferierte sie einen Geldbetrag in Höhe von 400 € an die Mittelsperson A. .
(11) Am 5. Januar 2021 transferierte sie einen Geldbetrag in Höhe von 800 € an die Mittelsperson Mohamad Z. .
(12) Am 6. Januar 2021 transferierte sie einen Geldbetrag in Höhe von 661 € an die Mittelsperson Ha. .
(13) Am 13. Januar 2021 transferierte sie einen Geldbetrag in Höhe von 860,79 € an die Mittelsperson S.
(14) Am 15. Februar 2021 transferierte sie einen Geldbetrag in Höhe von 735,50 € an die Mittelsperson C. .
(15) Am 18. Februar 2021 transferierte sie einen Geldbetrag in Höhe von 1.479,78 € an die Mittelsperson Hü. .
(16) Am 17. April 2021 transferierte sie einen Geldbetrag in Höhe von 891,10 € an die Mittelsperson El. sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 792,10 € an die Mittelsperson E. .
(17) Am 19. April 2021 transferierte sie einen Geldbetrag in Höhe von 200 € an die Mittelsperson I. Ha. .
(18) Am 23. April 2021 transferierte sie einen Geldbetrag in Höhe von 1.196,10 € an die Mittelsperson Al. .
(19) Am 26. April 2021 transferierte sie einen Geldbetrag in Höhe von 643,60 € an die Mittelsperson F. und einen weiteren Betrag in Höhe von 362,10 € an die Mittelsperson Em. .
(20) Weitere Geldbeträge, die sie aufgrund von Spendenkampagnen der Ö. erlangt hatte, übermittelte die Angeklagte in mindestens elf Fällen (hier II. 2. b) bb) (20) bis (30)) dergestalt an Ö., dass sie auf deren Geheiß Überweisungen an V. beziehungsweise B. tätigte, welche die ihren Konten gutgeschriebenen Beträge sodann verabredungsgemäß und erfolgreich an Ö. weiterleiteten.
Dementsprechend überwies sie am 28. August 2020 einen Geldbetrag in Höhe von 2.000 € an V. .
(21) Am 29. Januar 2021 überwies die Angeklagte einen Geldbetrag in Höhe von 6.161,80 € an B. .
(22) Am 12. März 2021 überwies sie einen Geldbetrag in Höhe von 1.662,04 € an V. .
(23) Am 22. März 2021 überwies sie einen Geldbetrag in Höhe von 1.310 € an B. .
(24) Am 31. März 2021 überwies sie einen Geldbetrag in Höhe von 1.996,04 € an V. .
(25) Am 9. April 2021 überwies sie einen Geldbetrag in Höhe von 790,67 € sowie einen weiteren in Höhe von 30,90 € an V. .
(26) Am 12. April 2021 überwies sie einen Geldbetrag in Höhe von 1.370 € an B. .
(27) Am 15. Juni 2021 überwies sie einen Geldbetrag in Höhe von 96,04 € an V. .
(28) Am 4. August 2021 überwies sie insgesamt 4.212 € an B. .
(29) Am 6. September 2021 überwies sie einen Geldbetrag in Höhe von 100 € an B. .
(30) Am 13. September 2021 überwies sie einen Geldbetrag in Höhe von 60 € an B. .
(31) Überdies nahm die Angeklagte am 16. Februar 2021 die Überweisung eines Geldbetrages in Höhe von 100 € durch Se. auf eines ihrer Girokonten entgegen und leitete den Betrag an das in Syrien befindliche IS-Mitglied Do. weiter, für die das Geld bestimmt war und mit dem sie bei ihrer Tätigkeit für die Vereinigung unterstützt werden sollte. Auch dieses Geld erreichte - ebenso wie alle anderen Geldtransfers - die Empfängerin.
3. Der dringende Tatverdacht (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO) begründet sich wie folgt:
a) Die Beurteilung des dringenden Tatverdachts, die das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung vornimmt, unterliegt im Haftbeschwerdeverfahren nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 2024 - StB 22/24, juris Rn. 6; vom 21. September 2020 - StB 28/20, BGHR StPO § 112 Tatverdacht 5 - während Hauptverhandlung; vom 21. April 2016 - StB 5/16, NStZ-RR 2016, 217 mwN). Allein das Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattfindet, ist in der Lage, deren Ergebnisse aus eigener Anschauung festzustellen und zu würdigen sowie auf dieser Grundlage zu bewerten, ob der dringende Tatverdacht nach dem erreichten Verfahrensstand noch fortbesteht oder weggefallen ist. Das Beschwerdegericht hat demgegenüber keine eigenen, unmittelbaren Erkenntnisse über den Verlauf der Beweisaufnahme. Allerdings muss es in die Lage versetzt werden, seine Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten auf einer hinreichend tragfähigen tatsächlichen Grundlage zu treffen, damit den erhöhten Anforderungen, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an die Begründungstiefe von Haftfortdauerentscheidungen zu stellen sind, ausreichend Rechnung getragen werden kann. Daraus folgt indes nicht, dass das Tatgericht alle bislang erhobenen Beweise in der von ihm zu treffenden Entscheidung - hier der Nichtabhilfeentscheidung nach § 306 Abs. 2 StPO - einer umfassenden Darstellung und Würdigung unterziehen muss. Die abschließende Bewertung der Beweise durch das Oberlandesgericht und ihre entsprechende Darlegung ist den Urteilsgründen vorbehalten. Das Haftbeschwerdeverfahren führt insoweit nicht zu einem über die Nachprüfung des dringenden Tatverdachts hinausgehenden Zwischenverfahren, in dem sich das Tatgericht zu Inhalt und Ergebnis aller Beweiserhebungen erklären müsste (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. April 2024 - StB 22/24, juris Rn. 6; vom 21. September 2020 - StB 28/20, BGHR StPO § 112 Tatverdacht 5 - während Hauptverhandlung; vom 29. September 2016 - StB 30/16, NJW 2017, 341 Rn. 5, 7; vom 21. April 2016 - StB 5/16, NStZ-RR 2016, 217 mwN; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 117 Rn. 11a).
Um dem Beschwerdegericht die gebotene eigenverantwortliche Entscheidung zu ermöglichen, bedarf es daher einer - wenn auch knappen - Darstellung durch das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfindet, ob und inwieweit sowie durch welche Beweismittel sich der zu Beginn der Beweisaufnahme vorliegende Verdacht bestätigt oder verändert hat und welche Beweisergebnisse gegebenenfalls noch zu erwarten sind. Es genügt, wenn das erkennende Gericht darlegt, auf welche in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise es den dringenden Tatverdacht stützt. Deren Bewertung bedarf es regelmäßig nicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. September 2020 - StB 28/20, BGHR StPO § 112 Tatverdacht 5 - während Hauptverhandlung; vom 29. September 2016 - StB 30/16, NJW 2017, 341 Rn. 7). Das Beschwerdegericht prüft die Ausführungen zu den Erkenntnissen der Hauptverhandlung auf ihre Nachvollziehbarkeit und Plausibilität (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. September 2020 - StB 28/20, BGHR StPO § 112 Tatverdacht 5 - während Hauptverhandlung; vom 26. Mai 2020 - StB 15/20, juris Rn. 12 f.; vom 2. September 2003 - StB 11/03, BGHR StPO § 117 Begründung 1). Es hat die Beurteilung des dringenden Tatverdachts zu beanstanden, soweit die Würdigung des Tatgerichts offensichtliche Mängel aufweist, welche die Einschätzung der Verdachtslage als unvertretbar erscheinen lassen. Der Haftbeschwerde vermag es indes nicht zum Erfolg zu verhelfen, wenn der Rechtsmittelführer die Ergebnisse der Beweisaufnahme abweichend bewertet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. April 2024 - StB 22/24, juris Rn. 7; vom 29. Oktober 2020 - StB 38/20, juris Rn. 13 mwN).
b) Diesen Anforderungen genügen die ausführlichen Darlegungen des Oberlandesgerichts im Nichtabhilfebeschluss vom 9. August 2024 zum gegenwärtigen Stand der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung und deren vorläufiger Bewertung. Die dortigen Ausführungen zur Annahme eines weiterhin bestehenden dringenden Tatverdachts sind nicht zu beanstanden; auf sie nimmt der Senat Bezug. Danach hat die nahezu abgeschlossene Beweisaufnahme den im Ermittlungsverfahren gewonnenen Erkenntnisstand, auf den der Senat in seinen Haftfortdauerentscheidungen vom 13. Dezember 2023 (AK 91-95/23) und 4. April 2024 (AK 33-37/24) die Annahme dringenden Tatverdachts gestützt hat, ganz weitgehend bestätigt; insofern verweist der Senat zur Begründung des dringenden Tatverdachts ergänzend auf seine diesbezüglichen Ausführungen in der Haftfortdauerentscheidung vom 13. Dezember 2023.
Das Vorbringen der Angeklagten in ihrem Schreiben vom 1. Juli 2024 und dem Schriftsatz des Verteidigers vom 29. August 2024, mit dem ein dringender Tatverdacht in Abrede genommen wird, erschöpft sich demgegenüber im Wesentlichen in einer eigenen Bewertung der bisherigen Beweisaufnahme, ohne Mängel in der vorläufigen Würdigung des Oberlandesgerichts aufzuzeigen, die es unvertretbar erscheinen ließen, den dringenden Tatverdacht weiterhin zu bejahen.
4. In rechtlicher Hinsicht ist nach wie vor auszugehen von einer hochwahrscheinlichen Strafbarkeit der Angeklagten wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland in (jedenfalls) 31 Fällen, jeweils in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Bereitstellungsverbot der im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 139 vom 29. Mai 2002, S. 9) veröffentlichten unmittelbar geltenden Verordnung (EG) Nr. 881/2002 des Rates vom 27. Mai 2002, die der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient, gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, §§ 52, 53 StGB, § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Variante 8 AWG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 vom 27. Mai 2002 und der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 632/2013 der Kommission der Europäischen Union vom 28. Juni 2013 (ABl. L 179 vom 29. Juni 2013, S. 85).
Wegen der Einzelheiten dieser vorläufigen rechtlichen Würdigung nimmt der Senat Bezug auf die diesbezüglichen Darlegungen in seiner auch die Angeklagte betreffenden Haftfortdauerentscheidung vom 13. Dezember 2023 (AK 91-95/23). Die Ausführungen dort unter III. 3. (Rn. 117 ff.) gelten fort.
5. Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von bereits begangenen und künftigen Taten im Zusammenhang mit der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz - als Neufassung einer früheren Verfolgungsermächtigung - am 13. Oktober 2015 erteilt.
6. Es besteht weiterhin der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Es ist gesamtwürdigend wahrscheinlicher, dass sich die Angeklagte - sollte sie auf freien Fuß gelangen - dem Strafverfahren entziehen, als dass sie sich ihm stellen wird. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Ausführungen in ihrem Schreiben an das Oberlandesgericht vom 1. Juli 2024.
Die Angeklagte hat - wie auch das Oberlandesgericht in seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 9. August 2024 dargelegt hat - mit einer längeren, nicht zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe zu rechnen, welche die bisherige Dauer der Untersuchungshaft erheblich übersteigt. Denn bei dem IS handelt es sich - auch zur Tatzeit und, wie nicht zuletzt seine ausgehend vom Gebiet Afghanistans unter der Bezeichnung „Islamischer Staat Provinz Khorasan - ISPK“ entfalteten Aktivitäten zeigen, gegenwärtig - um eine besonders gefährliche und grausam agierende Vereinigung, was Unterstützungsaktivitäten ein besonderes Gewicht verleiht. Dem von der hohen Straf- und weiteren Hafterwartung ausgehenden Fluchtanreiz stehen nach wie vor keine hinreichenden fluchthemmenden Umstände entgegen. Insofern gilt, dass die Annahme von Fluchtgefahr kein sicheres Wissen um die sie begründenden Tatsachen erfordert; es genügt derselbe Wahrscheinlichkeitsgrad wie bei der Annahme des dringenden Tatverdachts (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. September 2022 - AK 27/22, juris Rn. 36; vom 5. Oktober 2018 - StB 43 u. 44/18, juris Rn. 37).
Ausweislich der bereits im Ermittlungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse und der im Nichtabhilfebeschluss des Oberlandesgerichts dargelegten bisherigen Ergebnisse der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung lehnt die Angeklagte (weiterhin) die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik ab und hängt stattdessen einem islamistisch-salafistischen Staatsund Gesellschaftsbild an. Dies spricht gegen eine fluchthemmende Bindung der Angeklagten an Deutschland und begründet einen weiteren Fluchtanreiz.
Zudem verfügt die Angeklagte neben der deutschen über die marokkanische Staatsangehörigkeit und ist der arabischen Sprache mächtig, was ihr eine Aufenthaltnahme im Ausland, namentlich Marokko, deutlich erleichtern würde. Ihre familiären Bindungen in Deutschland haben keine signifikante fluchthemmende Wirkung, was etwa ein missglückter Ausreiseversuch im Mai 2021 zeigt. Für eine Fluchtgefahr spricht weiter, dass sie sich nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand gefälschte Ausweisdokumente beschaffte.
Im Übrigen nimmt der Senat Bezug auf die von ihm geteilten Ausführungen zur Fluchtgefahr im Nichtabhilfebeschluss des Oberlandesgerichts vom 9. August 2024.
Der Zweck der Untersuchungshaft kann unter den gegebenen Umständen nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 Abs. 1 StPO erreicht werden.
7. Die Untersuchungshaft ist schließlich weiterhin verhältnismäßig im Sinne des § 120 StPO (zu den hierfür nach st. Rspr. geltenden Maßstäben s. etwa BGH, Beschluss vom 20. April 2022 - StB 16/22, NStZ-RR 2022, 209, 210 mwN). Insofern ist namentlich zu berücksichtigen, dass das Verfahren durchgängig mit der in Haftsachen gebotenen besonderen Beschleunigung betrieben worden ist und derzeit weiter betrieben wird. Zudem hat die Angeklagte auch unter Berücksichtigung der bisherigen Dauer der Untersuchungshaft im Verurteilungsfall mit einer erheblichen noch zu vollstreckenden Freiheitsstrafe zu rechnen, so dass die Höhe der gegenwärtigen „Nettostraferwartung“ die weitere Untersuchungshaft ebenfalls nicht unverhältnismäßig erscheinen lässt.
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1378
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede