HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 20
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 87/24, Beschluss v. 09.09.2024, HRRS 2025 Nr. 20
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 10. Juli 2023, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis in 17 Fällen sowie des Handeltreibens mit Cannabis jeweils in Tateinheit mit Entziehung elektrischer Energie schuldig ist, und
b) im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hatte den Angeklagten im ersten Rechtsgang wegen „gemeinschaftlichen unerlaubten“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und anderem zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat dieses Urteil mit Beschluss vom 22. Januar 2019 - 2 StR 212/18 - mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
Im zweiten Rechtsgang hat das Landgericht den Angeklagten wegen „unerlaubten“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 18 Fällen, davon in 17 Fällen bandenmäßig begangen und jeweils tateinheitlich mit Entziehung elektrischer Energie, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sieben Monaten verurteilt, von denen es vier Monate wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung für vollstreckt erklärt hat. Darüber hinaus hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 241.635,40 € angeordnet, für die der Angeklagte teilweise als Gesamtschuldner haftet. Die hiergegen gerichtete und auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Da sich das Handeln des Angeklagten auf den Umgang mit Cannabis bezog, kann der - nach der zum Urteilszeitpunkt geltenden Gesetzeslage rechtsfehlerfreie - Schuldspruch mit Blick auf das zum 1. April 2024 in Kraft getretene Konsumcannabisgesetz keinen Bestand haben. Danach unterfällt Cannabis nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz, sondern dem Konsumcannabisgesetz. Diese Rechtsänderung hat der Senat gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO zu berücksichtigen. Das neue Recht ist in sämtlichen Fällen milder, weil das Landgericht entweder vom Regelstrafrahmen des § 30a Abs. 1 BtMG oder des § 29a Abs. 1 BtMG ausgegangen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Juni 2024 - 3 StR 158/24, Rn. 5; vom 10. Juli 2024 - 3 StR 164/24, Rn. 13). Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO.
§ 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, da sich der geständige Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
2. Die Änderung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Anwendung der milderen Strafrahmen des § 34 KCanG zu niedrigeren Einzelstrafen und einer milderen Gesamtstrafe gelangt wäre, zumal es das Verschlechterungsverbot zu beachten hatte und damit die Summe der Einzelstrafen für konkurrenzrechtlich richtig als tatmehrheitlich begangen zu bewertende Fälle nicht höher sein durfte als die im ersten Rechtsgang verhängten Einzelstrafen für dort als eine Tat bewertete Fälle (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juli 2010 - 4 StR 164/10, Rn. 15). Die Aufhebung des Strafausspruchs lässt die Kompensationsentscheidung unberührt, die keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufweist (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2023 - 3 StR 422/23, Rn. 19 mwN). Die Feststellungen sind ebenfalls nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
3. Die Einziehungsentscheidung ist von der Schuldspruchänderung ebenfalls nicht betroffen und hält auch im Übrigen rechtlicher Nachprüfung stand. Soweit das Landgericht - rechtsfehlerfrei - das Vorliegen der Voraussetzungen für die Einziehung eines im Eigentum des Angeklagten stehenden Grundstücks als Tatmittel bejaht hat, indes eine Einziehung nicht angeordnet („[v]ersehentlich ... nicht tenoriert“) hat, ist der Angeklagte nicht beschwert, auch wenn damit einhergeht, dass bei der Strafzumessung die Einziehung werthaltiger Tatmittel nicht als bestimmender Strafmilderungsgrund herangezogen werden kann.
4. Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung. Eine Erstreckung der Entscheidung auf die Nichtrevidenten (§ 357 StPO) findet nicht statt. Denn diese beruht nicht auf einer Gesetzesverletzung beim Erlass des Urteils, sondern auf einer nachträglichen, vom Senat gemäß § 354a StPO zu berücksichtigenden Rechtsänderung (vgl. BGH, Beschluss vom 14. August 2024 - 5 StR 174/24, Rn. 11 mwN).
HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 20
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede