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HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 547

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 500/24, Beschluss v. 18.12.2024, HRRS 2025 Nr. 547


BGH 2 StR 500/24 - Beschluss vom 18. Dezember 2024 (LG Kassel)

Gewerbsmäßiger Menschenhandel (Prostitutionseinkünfte als Einnahmequelle).

§ 232 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Gewerbsmäßigkeit im Sinne von § 232 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter in der Absicht handelt, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen; liegt ein solches Gewinnstreben vor, ist schon die erste der ins Auge gefassten Tathandlungen als gewerbsmäßig zu werten. Nicht ausreichend ist indes, dass der Täter einer Tat nach § 232 StGB sich aus zukünftigen Prostitutionseinkünften eine dauerhafte Einnahmequelle verschaffen will; erforderlich ist vielmehr die Absicht wiederholter Tatbegehung. Dass der Täter mit der Intention einer wiederholten Tatbegehung gehandelt hat, muss sich für die Feststellung der Gewerbsmäßigkeit dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen lassen.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 29. April 2024

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte K. der Vergewaltigung und des Menschenhandels in Tateinheit mit Zuhälterei und gefährlicher Körperverletzung und die Angeklagte I. des Menschenhandels in Tateinheit mit Zuhälterei schuldig sind,

b) aufgehoben

aa) betreffend den Angeklagten K. im Einzelstrafausspruch zu Fall III.3 der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch und

bb) betreffend die Angeklagte I. im Strafausspruch,

c) im Einziehungsausspruch dahin ergänzt, dass die Angeklagten als Gesamtschuldner haften.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe

Das Landgericht hatte im ersten Rechtsgang den Angeklagten K. wegen Vergewaltigung sowie wegen gewerbsmäßigen Menschenhandels in Tateinheit mit Zuhälterei und gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und fünf Monaten verurteilt. Die Angeklagte I. hatte es wegen gewerbsmäßigen Menschenhandels in Tateinheit mit Zuhälterei zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hatte. Zudem hatte es gegen die Angeklagten als Gesamtschuldner „die Einziehung eines Geldbetrages“ in Höhe von 35.537,50 Euro angeordnet. Auf die Revisionen der Angeklagten hatte der Senat dieses Urteil mit Beschluss vom 17. Januar 2023 - 2 StR 87/22 (BGHSt 67, 234 ff.) - mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten K. wegen Vergewaltigung (Fall III.2 der Urteilsgründe) und wegen gewerbsmäßigen Menschenhandels in Tateinheit mit Zuhälterei und mit gefährlicher Körperverletzung (Fall III.3 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Angeklagte I. hat es wegen gewerbsmäßigen Menschenhandels in Tateinheit mit Zuhälterei (Fall III.3 der Urteilsgründe) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es erneut zur Bewährung ausgesetzt hat. Zudem hat es gegen beide Angeklagte die „Einziehung des Wertes des Erlangten“ in Höhe von 34.450 Euro angeordnet. Die hiergegen gerichteten Revisionen der Angeklagten, die sie auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts, der Angeklagte K. auch auf die Rüge der Verletzung formellen Rechts stützen, erzielen den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet.

1. Eine zulässige, den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügende Verfahrensrüge ist nicht erhoben.

2. Die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge führt zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderung der Schuldsprüche und dadurch bedingt zur (teilweisen) Aufhebung der Strafaussprüche.

a) Zwar tragen die auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen die Verurteilung des Angeklagten K. wegen Vergewaltigung im Fall III.2 der Urteilsgründe. Auch sind im Fall III.3 der Urteilsgründe hinsichtlich beider Angeklagten die Tatbestandsvoraussetzungen des Menschenhandels (§ 232 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a) StGB) sowie der ausbeuterischen und dirigierenden Zuhälterei (§ 181a Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB) und betreffend den Angeklagten K. die Tatbestandsvoraussetzungen der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB) erfüllt. Indes wird die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten hätten sich im Fall III.3 der Urteilsgründe darüber hinaus des gewerbsmäßigen Menschenhandels im Sinne des § 232 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 StGB schuldig gemacht, von den Feststellungen nicht getragen.

Wie der Senat in seinem Beschluss vom 17. Januar 2023 in vorliegender Sache ausgeführt hat, setzt Gewerbsmäßigkeit im Sinne von § 232 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 StGB voraus, dass der Täter in der Absicht handelt, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen; liegt ein solches Gewinnstreben vor, ist schon die erste der ins Auge gefassten Tathandlungen als gewerbsmäßig zu werten. Nicht ausreichend ist indes, dass der Täter einer Tat nach § 232 StGB sich aus zukünftigen Prostitutionseinkünften eine dauerhafte Einnahmequelle verschaffen will; erforderlich ist vielmehr die Absicht wiederholter Tatbegehung. Dass der Täter mit der Intention einer wiederholten Tatbegehung gehandelt hat, muss sich für die Feststellung der Gewerbsmäßigkeit dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen lassen (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 12. Februar 2019 - 4 StR 374/18, NStZ-RR 2019, 179 f. zu § 232 Abs. 1 Satz 2 StGB aF; vom 1. Juni 2022 - 1 StR 65/22, Rn. 13).

Das ist hier nicht der Fall. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend ausgeführt hat, lässt sich auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen, dass die Angeklagten über die Nebenklägerin hinaus noch weitere Personen im Sinne von § 232 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a) StGB bei der Ausübung der Prostitution ausbeuten wollten. Das Landgericht hat insbesondere nicht festgestellt, dass in dem von den Angeklagten betriebenen Bordell Prostituierte tätig waren oder künftig tätig werden sollten, die ebenso wie die Nebenklägerin zu dem von § 232 StGB geschützten Personenkreis zählten.

b) Der Senat ändert den Schuldspruch daher in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO. Er schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung weitergehende Feststellungen getroffen werden können, die eine Gewerbsmäßigkeit im Sinne von § 232 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 StGB belegen könnten.

c) Wegen der Schuldspruchänderung kann bezüglich des Angeklagten K. der Einzelstrafausspruch im Fall III.3 der Urteilsgründe - und in der Folge der Gesamtstrafenausspruch - ebenso wenig Bestand haben wie der Strafausspruch betreffend die Angeklagte I.. Der Senat kann auch zu ihren Gunsten nicht ausschließen, dass die Strafzumessung zu ihren Lasten von dem aufgezeigten Rechtsfehler beeinflusst ist. Die der Strafzumessung zugrundeliegenden Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht beeinflusst und können bestehen bleiben. Ergänzende, nicht widersprechende Feststellungen sind möglich und im Hinblick auf die für den Angeklagten K. neu zu bildende Gesamtstrafe und einen bezüglich der Angeklagten I. in Betracht kommenden Härteausgleich aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts auch geboten.

3. Der - im Übrigen rechtsfehlerfreie - Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen ist dahin zu ergänzen, dass die Angeklagten als Gesamtschuldner haften. Hiervon ist die Strafkammer zutreffend ausgegangen, sie hat es aber versäumt, dies wie geboten im Urteilstenor zum Ausdruck zu bringen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 27. November 2019 - 2 StR 507/19). Der Senat ergänzt daher die Einziehungsentscheidung in analoger Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich.

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 547

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede