hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 941

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 87/22, Beschluss v. 17.01.2023, HRRS 2023 Nr. 941


BGH 2 StR 87/22 - Beschluss vom 17. Januar 2023 (LG Kassel)

BGHSt; Besetzungseinwand (Vortragserfordernisse; Rügepräklusion: Voraussetzungen, Vorabentscheidungsverfahren, Erlass vor der Urteilsverkündung, Auslegung, Entstehungsgeschichte, Normzweck, Recht auf den gesetzlichen Richter, Wettlauf der Rechtsmittelgerichte, Bekanntmachung der Vorabentscheidung; Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten: Befugnis zur Einlegung eines Rechtsmittels, Erklärungswert der Zustimmung; Revisionsvorbringen: Umfang; Änderung des Geschäftsverteilungsplans: Recht auf den gesetzlichen Richter, Beschleunigungsgrundsatz, generelle Geltung, Umverteilung während des laufenden Geschäftsjahres, Effizienz des Geschäftsablaufs, umfassende Dokumentation und Darlegung der Gründe, Überlastungsanzeige, Entlastung durch einen dritten Spruchkörper, Überlastung, einzelnes Umgangsverfahren, Anzahl anhängiger Verfahren, Gegenüberstellung von Eingängen und Erledigungen); Menschenhandel (Befördern: Herbeiführung eines Ortswechsels, geraume Zeit, Fahrten innerhalb eines bereits bestehenden Ausbeutungsverhältnis, zeitnahes Zurückbringen, Systematik, Schritt unmittelbar nach der Anwerbung des Opfers, faktisches Unter-Kontrolle-Bringen, Anwesenheit des Täters, Zurechnung, bloße Organisation des Transports; Weitergabe; Anwerben; Beherbergen; auslandsspezifische Hilfslosigkeit: maßgebliche Entscheidungskriterien, Persönlichkeitsstruktur, Gesamtwürdigung; Gewerbsmäßigkeit); Urteilsgründe (auslegungsbedürftige Tatbestandsmerkmale: Definition, Subsumtion, Klarheitsgebot).

Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG; § 338 Nr. 1 StPO; § 222b StPO; § 257c StPO; § 267 StPO; § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG; § 232 Abs. 1 StGB

Leitsätze

1. Eine Entscheidung des Rechtsmittelgerichts im Sinne von § 222b Abs. 3 StPO präkludiert den Besetzungseinwand in der Revision gemäß § 338 Nr. 1 2. Halbsatz Buchst. b) StPO nur dann, wenn sie vor Urteilsverkündung erlassen und dem Rügeführer bekanntgemacht wurde. (BGHSt)

2. „Befördern“ im Sinne des § 232 Abs. 1 StGB setzt die Herbeiführung eines Ortswechsels voraus; tatbestandsmäßig ist ein Handeln des Täters nur dann, wenn das Tatopfer für wenigstens geraume Zeit an einen anderen als den bisherigen Aufenthaltsort verbracht wird. Fahrten, die innerhalb eines bereits bestehenden Ausbeutungsverhältnisses durchgeführt werden und die von vorneherein darauf angelegt sind, das Tatopfer sehr zeitnah an ihren länger währenden Aufenthaltsort zurückzubringen, sind kein „Befördern“ im Sinne des § 232 StGB. (BGHSt)

3. Einem Angeklagten bleibt grundsätzlich die Befugnis zur Einlegung eines Rechtsmittels und zur Erhebung von Verfahrensrügen uneingeschränkt erhalten, auch wenn dem Urteil eine Verständigung vorausgegangen ist; die Zustimmung zu einer Verständigung führt grundsätzlich nicht zum Verlust einzelner prozessualer Rechte. Es ist einem Angeklagten, der einen Besetzungseinwand angebracht hat, unbenommen, sich für den Fall, dass der Einwand erfolglos bleibt, ein aus seiner Sicht bestmögliches Verfahrensergebnis anzustreben. (Bearbeiter)

4. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG steht einer Änderung des zuständigen Spruchkörpers auch für bereits anhängige Verfahren jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Neuregelung generell gilt, also etwa außer mehreren anhängigen Verfahren auch eine unbestimmte Vielzahl künftig eingehender Sachen erfasst, und dies nicht aus sachwidrigen Gründen geschieht. In Ausnahmefällen kann sogar eine Änderung des Geschäftsverteilungsplans zulässig sein, die ausschließlich bereits anhängige Verfahren überträgt, wenn nur so dem Beschleunigungsgebot insbesondere in Haftsachen angemessen Rechnung getragen werden kann. (Bearbeiter)

5. Jede Umverteilung während des laufenden Geschäftsjahres, die bereits anhängige Verfahren erfasst, muss geeignet sein, die Effizienz des Geschäftsablaufs zu erhalten oder wiederherzustellen. Änderungen der Geschäftsverteilung, die hierzu nicht geeignet sind, können vor Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG keinen Bestand haben. Einfachrechtlich folgt dieses Erfordernis aus § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG, da Änderungen der Geschäftsverteilung, die nicht der Erhaltung oder Wiederherstellung der Effizienz eines Spruchkörpers dienen, nicht im Sinne dieser Vorschrift „nötig“ sind. (Bearbeiter)

6. Da eine Überleitung bereits anhängiger Verfahren, bei denen schon eine anderweitige Zuständigkeit konkretisiert und begründet war, in die Zuständigkeit eines anderen Spruchkörpers erhebliche Gefahren für das verfassungsrechtliche Gebot des gesetzlichen Richters in sich birgt, bedarf es in solchen Fällen einer umfassenden Dokumentation und Darlegung der Gründe, die eine derartige Umverteilung erfordern und rechtfertigen, um den Anschein einer willkürlichen Zuständigkeitsverschiebung auszuschließen. Denn ob ein Präsidiumsbeschluss den genannten Anforderungen entspricht, unterliegt der vollen Überprüfung durch das Revisionsgericht. Die Regelungen der Zuständigkeit sind, anders als deren Anwendung, nicht lediglich am Maßstab der Willkür, sondern auf jede Rechtswidrigkeit hin zu überprüfen. (Bearbeiter)

7. Der Änderungsgrund muss daher stets im Beschluss des Präsidiums, einer darin in Bezug genommenen Überlastungsanzeige oder einem Protokoll der entsprechenden Präsidiumssitzung festgehalten werden, damit überprüfbar ist, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die nur ausnahmsweise zulässige Änderung der Geschäftsverteilung vorlagen, wobei die Begründung so detailliert sein muss, dass eine Prüfung der Rechtmäßigkeit möglich ist. (Bearbeiter)

8. Eine Überlastung im Sinne des § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG liegt vor, wenn über einen längeren Zeitraum ein erheblicher Überhang der Eingänge über die Erledigungen zu verzeichnen ist, sodass mit einer Bearbeitung der Sache innerhalb eines angemessenen Zeitraums nicht zu rechnen ist und sich die Überlastung daher als so erheblich darstellt, dass der Ausgleich nicht bis zum Ende des Geschäftsjahres zurückgestellt werden kann. (Bearbeiter)

9. Indessen kann sich auch aus der Belastung mit einem einzelnen Umfangsverfahren eine Überlastung nach § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG ergeben. Es kommt für die Feststellung einer Überlastung im Sinne der Vorschrift nicht allein auf die Anzahl anhängiger Verfahren an. Gerade bei umfangreichen Verfahren aus dem Bereich des Staatsschutzes, des Wirtschaftsstrafrechts oder der organisierten Kriminalität können im Einzelfall etwa die Breite der Tatvorwürfe, die Zahl der Verfahrensbeteiligten und der Umfang der zu erhebenden Beweismittel die Durchführung von Hauptverhandlungen erfordern, die es aufgrund ihres Ausmaßes für längere Zeit nicht zulassen, dass sich der betroffene Spruchkörper mit anderen Verfahren befasst. Eine Gegenüberstellung von Eingängen und Erledigungen mag - etwa bei Spruchkörpern mit hohen Eingangs- und Erledigungszahlen - als aussagekräftiger Indikator der tatsächlichen Beanspruchung herangezogen werden, als alleiniges Kriterium ist sie jedoch untauglich. Die Belastung von Spruchkörpern, die aufgrund ihres Zuständigkeitszuschnitts regelmäßig mit nur wenigen, dafür aber umfangreichen Verfahren befasst sind, wird mit einer rein quantitativen Betrachtung nicht hinreichend abgebildet. Maßgebend für die Frage der Überlastung kann insoweit nur sein, ob innerhalb eines angemessenen Zeitraums mit einer Bearbeitung der gegenständlichen Verfahren durch den Spruchkörper gerechnet werden kann. (Bearbeiter)

10. Tatbestandsmäßig im Sinne des § 232 Abs. 1 StGB ist das Herbeiführen eines Ortswechsels nur dann, wenn der Täter selbst anwesend ist oder ihm die Anwesenheit eines Mittäters oder Tatmittlers zuzurechnen ist. Die bloße Organisation des Transports genügt für die Annahme einer Täterschaft nicht, vielmehr muss der Täter selbst die Kontrolle über das Opfer behalten. (Bearbeiter)

11. Eine Weitergabe meint die eine kontrollierte Übergabe an eine dritte Person zum Zwecke der Beförderung oder Verwendung unter Verschiebung des von einer gemeinsamen Kontrolle gekennzeichneten Obhutsverhältnisses auf einen Dritten. (Bearbeiter)

12. Ein „Anwerben“ im Sinne des § 232 Abs. 1 StGB erfordert ein aktives Tätigwerden des Täters, der die treibende Kraft für das Zustandekommen der Vereinbarung sein muss. Der Abschluss eines Vertrages auf die Initiative einer anderen Person, die nicht überredet werden muss, stellt keine Anwerbung in diesem Sinne dar. (Bearbeiter)

13. „Beherbergen“ ist die mindestens vorübergehende Unterkunftsgewährung in Räumlichkeiten gleich welcher Art. Nicht notwendig ist, dass die überlassene Räumlichkeit im Eigentum des Täters steht. Ausreichend ist, dass er die entsprechenden Räumlichkeiten (z.B. durch Anmietung) in zurechenbarer Weise dem Tatopfer als Unterkunft zur Verfügung gestellt hat. (Bearbeiter)

14. Maßgebliche Entscheidungskriterien, ob eine auslandsspezifische Hilflosigkeit vorliegt, bilden unter anderem mangelhafte bzw. nicht vorhandene Deutschkenntnisse, die Verfügungsmöglichkeit über Barmittel, das Maß der Überwachung durch den und das Ausmaß der persönlichen Abhängigkeit von dem Täter sowie die Möglichkeit, die Bundesrepublik wieder zu verlassen, die dann eingeschränkt sein kann, wenn der Täter die Ausweispapiere der eingereisten Frauen an sich genommen hat. Ein automatischer Schluss aus dem Vorliegen eines oder mehrerer dieser Kriterien auf die auslandsspezifische Hilflosigkeit kann jedoch nicht gezogen werden. Der Tatrichter muss nicht zuletzt unter dem in der Hauptverhandlung gewonnenen Eindruck von der Persönlichkeitsstruktur der jeweiligen Frauen die maßgeblichen Gesichtspunkte gegeneinander abwägen und eine Gesamtwürdigung sämtlicher objektiver und subjektiver Umstände vornehmen. (Bearbeiter)

15. Zwar ist das Tatgericht verfahrensrechtlich lediglich dazu verpflichtet, das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz in den Urteilsgründen zu bezeichnen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz StPO), um jegliche Zweifel an den anzuwendenden Normen auszuschließen und die revisionsgerichtliche Kontrolle zu ermöglichen. Es dürfen aber keine Zweifel verbleiben, ob das Tatgericht die sich aus den getroffenen Feststellungen ergebenden rechtlichen Fragen erkannt und zutreffend beurteilt hat. Bei auslegungsbedürftigen Tatbestandsmerkmalen kann es erforderlich sein, diese zunächst näher zu definieren und dann eine Subsumtion vorzunehmen. Dieses aus dem Klarheitsgebot resultierende Erfordernis, soll den Adressaten der Urteilsbegründung ermöglichen, die rechtliche Bewertung nachzuvollziehen und überprüfen zu können. (Bearbeiter)

Entscheidungstenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 28. September 2021 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen „Vergewaltigung sowie gewerbsmäßigen Menschenhandels in Tateinheit mit Zuhälterei und gefährlicher Körperverletzung“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und fünf Monaten und die Angeklagte I. wegen „gewerbsmäßigen Menschenhandels in Tateinheit mit Zuhälterei“ zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Zudem hat es gegen die Angeklagten als Gesamtschuldner „die Einziehung eines Geldbetrages“ in Höhe von 35.537,50 € angeordnet.

Hiergegen richten sich die Revisionen der beiden Angeklagten, mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts, der Angeklagte K. auch die Verletzung formellen Rechts rügen. Beide Rechtsmittel haben Erfolg.

A.

Zur Revision des Angeklagten K.

Die Revision des Angeklagten K. hat mit der Verfahrensrüge Erfolg, mit der er die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des erkennenden Gerichts (§ 338 Nr. 1 StPO) beanstandet.

I.

Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

1. Nach dem Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts für das Jahr 2021 waren die 6. und 10. Strafkammer für erstinstanzliche, allgemeine Straf- wie auch für Schwurgerichtsverfahren zuständig. Das den Angeklagten betreffende Verfahren fiel in die Zuständigkeit der 10. Strafkammer als allgemeine Strafkammer.

2. Am 19. August 2021 beschloss das Präsidium des Landgerichts eine unterjährige Änderung der richterlichen Geschäftsverteilung.

a) Anlass hierfür war zum einen die Erhöhung der richterlichen Arbeitskraft im Umfang von 0,5 Arbeitskraftanteilen zum 1. September 2021, mit der das Präsidium die in allgemeinen Erwachsenenstrafsachen tätigen Strafkammern „stärken“ wollte. Zum anderen war die 6. Strafkammer, wie das Präsidium feststellte, überlastet im Sinne von § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG. Da deren Vorsitzender und die beiden Beisitzer nur mit einem Teil ihrer Arbeitskraft Mitglied dieser Strafkammer waren, sollte statt einer personellen Aufstockung dieses Spruchkörpers die 10. Strafkammer durch „eine über die bisherige Befassung mit Schwurgerichtssachen hinausgehende verstärkte Befassung“ mit solchen Verfahren zur Entlastung der 6. Strafkammer beitragen; eine Übertragung von Schwurgerichtsverfahren auf eine mit solchen Verfahren bislang nicht befasste Strafkammer wurde im Hinblick auf die Konzentrationsmaxime (§ 74 Abs. 2 GVG) abgelehnt. Neben der Freistellung der 6. Strafkammer von neu eingehenden Schwurgerichtsverfahren wurden zum 1. September 2021 zudem die nach dem 22. Februar 2021 eingegangenen und am 31. August 2021, 24 Uhr, bei der 6. Strafkammer noch anhängigen Schwurgerichtsverfahren gegen Erwachsene auf die 10. Strafkammer übertragen.

b) Für die ausweislich des Änderungsbeschlusses „dann gebotene Entlastung der 10. Strafkammer von der Bearbeitung erstinstanzlicher allgemeiner Erwachsenenstrafsachen“ sollte die arbeitskraftmäßige Stärkung der anderen Kammern sorgen. Hierzu wurde die Zuständigkeit der 9. Strafkammer, die bislang ausschließlich als kleine Strafkammer tätig war, auf erstinstanzliche, allgemeine Strafsachen ausgeweitet, die Kammer zudem im Vorsitz auf eine volle Arbeitskraft aufgestockt und mit zwei Beisitzern mit jeweils anteiligen Arbeitskraftanteilen ausgestattet.

Das Präsidium führt weiter aus: „Um der 10. Strafkammer die verstärkte Bearbeitung von Schwurgerichtssachen und insbesondere auch die Förderung von Verfahren, die durch die 6. Strafkammer nicht gefördert werden können, zu ermöglichen, ist eine Freistellung von erstinstanzlichen allgemeinen Erwachsenen-Strafsachen nicht ausreichend, die 10. Strafkammer ist vielmehr insbesondere von solchen Verfahren zu entlasten, die entweder bereits terminiert sind oder in Kürze zur Terminierung anstehen.“ Weiter heißt es: „Eine Entlastung der 10. Strafkammer kann dabei zulasten der 9. Strafkammer erfolgen, die angesichts der geplanten arbeitskraftmäßigen Aufstockung sofort und unabhängig von Neueingängen tätig werden könnte.“ c) Neben Änderungen der Turnusregelungen wurde entschieden, dass aus dem in der 10. Strafkammer am 31. August 2021, 24 Uhr, vorhandenen Bestand an erstinstanzlichen, allgemeinen Erwachsenenstrafsachen, die Verfahren mit den Zählkartenendziffern 0, 6, „4 und 7“ - soweit sie nach dem 31. Dezember 2020 eingegangen sind - und 5 - soweit sie vor dem 31. Dezember 2020 eingegangen sind -, zum 1. September 2021, 0.00 Uhr, auf die 9. Strafkammer übergeleitet werden. Von der Übertragung ausgenommen wurden „neben solchen Verfahren, in denen die Hauptverhandlung vor der 10. Strafkammer bis zum 31. August 2021 begonnen hat, solche Verfahren, in denen aufgrund entsprechender bis zum 18. August 2021 ergangener Terminverfügung die Hauptverhandlung vor der 10. Strafkammer im Zeitraum vom 1. bis 10. September beginnen soll.“ 3. Auf Basis dieser Regelung ging die Zuständigkeit für das den Angeklagten betreffende Verfahren zum 1. September 2021 von der 10. auf die 9. Strafkammer über. Die infolge der Zuständigkeitsänderung erforderlich werdende neue Besetzungsmitteilung durch die 9. Strafkammer wurde dem Verteidiger des Angeklagten am 3. September 2021 zugestellt.

4. Mit Verteidigerschreiben vom 10. September 2021, taggleich bei Gericht eingegangen, erhob der Angeklagte einen Besetzungseinwand. Er begründete diesen mit einer fehlenden hinreichend substantiierten Darlegung der Überlastung der 6. Strafkammer. Zudem und insbesondere sei eine Überlastung der 10. Strafkammer weder festgestellt noch dargelegt. Inwieweit diese aufgrund der Verfahrensübernahme(n) von der 6. Strafkammer ihrerseits überlastet sei, sei ebenfalls nicht ersichtlich.

5. Die 9. Große Strafkammer wies den Besetzungseinwand mit Beschluss vom 13. September 2021 mit der Begründung zurück, dass sämtliche unterjährigen Änderungen der Geschäftsverteilung allein durch den Personalzuwachs im richterlichen Bereich gerechtfertigt seien, legte die Sache mit Verfügung vom 14. September 2021 dem Oberlandesgericht Frankfurt a.M. zur Entscheidung vor, setzte die Hauptverhandlung, in deren Verlauf es zu einer Verständigung (§ 257c StPO) kam, fort und verkündete am 28. September 2021 das angefochtene Urteil; die Hauptverhandlung endete an diesem Tag um 12.20 Uhr.

6. Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. verwarf mit Beschluss vom 28. September 2021 den Besetzungseinwand des Angeklagten als unbegründet; der Beglaubigungsvermerk durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle wurde tags darauf angebracht. Die Übersendung des Beschlusses per Fax an das Landgericht erfolgte ebenfalls am 29. September 2021. Dem Verteidiger ging der Beschluss erstmals am 4. Oktober 2021 zu.

II.

Der Angeklagte ist vorliegend nicht gehindert, die vorschriftswidrige Gerichtsbesetzung mit der Revision geltend zu machen. Das Tatgericht hat dem form- und fristgerecht erhobenen Besetzungseinwand (nachfolgend 1.) nicht abgeholfen und damit zurückgewiesen, eine Entscheidung des Rechtsmittelgerichts im Sinne des § 338 Nr. 1 2. Halbsatz Buchst. b) StPO liegt nicht vor (nachfolgend 2.).

1. Der Angeklagte hat binnen Wochenfrist (§ 222b Abs. 1 Satz 1 StPO) und in der Form des § 222b Abs. 1 Satz 4 StPO einen Besetzungseinwand erhoben. Dieser genügt auch den daran zu stellenden, grundsätzlich den Vortragserfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechenden Begründungsanforderungen (hierzu vgl. BVerfG, NStZ-RR 2022, 76; BGH, Urteile vom 7. September 2016 ? 1 StR 422/15, Rn. 29 mwN, BGHR StPO § 222b Abs. 1 Satz 2 Präklusion 4; vom 29. Oktober 2021 - 5 StR 443/19, NStZ-RR 2022, 77, 78; vom 7. April 2021 - 1 StR 10/20; BT-Drucks. 19/14747, S. 29; KK-StPO/Gmel, 9. Aufl., § 222b Rn. 8 mwN). Ausgehend von dem wörtlich wiedergegebenen Präsidiumsbeschluss vom 19. August 2021, dem auch der Inhalt der Schreiben des Vorsitzenden der 6. Strafkammer und die für die Entscheidungen über den Besetzungseinwand wesentlichen Zuständigkeitsregelungen des Landgerichts zu entnehmen sind, wurde beanstandet, eine Überlastung der 6. und der 10. Strafkammer sei weder gegeben noch sei eine solche ausreichend dokumentiert. Damit hat der Angeklagte alle Tatsachen vorgebracht, die ihm zu den Hintergründen der unterjährigen Änderung der Geschäftsverteilung zugänglich waren; er war nicht gehalten, seinerseits nicht dokumentierte Tatsachen zur Belastungssituation der vom Präsidiumsbeschluss betroffenen Kammern zu ermitteln und vorzutragen (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2009 ? 3 StR 376/08, BGHSt 53, 268, 281).

2. Eine die Rügepräklusion begründende Entscheidung des Rechtsmittelgerichts im Sinne des § 338 Nr. 1 2. Halbsatz Buchst. b) StPO liegt nicht vor. Der Beschluss des Oberlandesgerichts ist jedenfalls nicht vor Urteilsverkündung dem Beschwerdeführer bekannt gemacht worden.

a) Eine die Rügepräklusion begründende Entscheidung des Rechtsmittelgerichts im Sinne des § 338 Nr. 1 2. Halbsatz Buchst. b) StPO setzt zunächst voraus, dass sie vor Urteilsverkündung erlassen ist (vgl. Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 338 Rn. 20; KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 338 Rn. 14; BeckOK StPO/Wiedner, 46. Ed., § 338 Rn. 17).

Nach ihrem Wortlaut enthalten weder § 222b Abs. 3 StPO noch § 338 Nr. 1 2. Halbsatz Buchst. b) StPO eine Vorgabe, bis zu welchem Zeitpunkt das Rechtsmittelgericht seine Entscheidung zu treffen hat oder bis zu welchem Zeitpunkt es hierzu befugt ist. Daraus kann indes nicht abgeleitet werden, dass das Rechtsmittelgericht mit einer Entscheidung nach § 222b Abs. 3 StPO unbegrenzt eine Rügepräklusion herbeiführen kann. Vielmehr ist § 338 Nr. 1 2. Halbsatz Buchst. b) StPO dahingehend auszulegen, dass die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung auch dann gestützt werden kann, wenn das Tatgericht ein Urteil fällt, bevor durch das Rechtsmittelgericht eine Entscheidung über die form- und fristgerechte Besetzungsrüge getroffen wurde.

(1) Bereits aus der Entstehungsgeschichte der Regelungen zum Vorabentscheidungsverfahren ergibt sich, dass aus der Urteilsverkündung durch das Tatgericht die Erledigung des erstinstanzlichen Besetzungseinwandes und damit des noch nicht beendeten Vorabentscheidungsverfahrens folgt (vgl. zur Erledigung KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 338 Rn. 14; BeckOK StPO/Wiedner, 46. Ed., § 338 Rn. 17; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 338 Rn. 20).

Denn ausdrücklich erörtert wurde im Gesetzgebungsverfahren die Frage, ob das Tatgericht ein Urteil verkünden darf, solange über den Besetzungseinwand noch nicht entschieden ist. Der Erkenntnis, dass Entscheidungsreife vor dem Tatgericht eintreten kann, ehe das Vorabentscheidungsverfahren beendet ist, folgte das Bestreben, die damit einhergehenden Zuständigkeitsprobleme zu vermeiden; der Referentenentwurf sah daher vor, in § 222b Abs. 3 Satz 2 StPO-E zu regeln, dass das Tatgericht „bis zur Entscheidung über den Besetzungseinwand kein Urteil verkünden“ darf. Da mit einer solchen Regelung aber Verfahrensverzögerungen befürchtet worden waren, fand die Vorschrift keinen Eingang in die Strafprozessordnung (vgl. BT-Drucks. 19/14747, S. 30). Vielmehr sollte nach Auffassung des Gesetzgebers das Tatgericht mit der Verkündung des Urteils nicht zuwarten müssen, bis das Rechtsmittelgericht eine Entscheidung getroffen hat. Einem Angeklagten sollte es in diesen Fällen indes unbenommen bleiben, eine potentiell vorschriftswidrige Besetzung im Rahmen der Revision zu rügen; das Vorabentscheidungsverfahren habe sich mit der Verkündung des tatrichterlichen Urteils erledigt (vgl. BT-Drucks. 19/14747, S. 30).

(2) Dass eine Entscheidung des Rechtsmittelgerichts nach Urteilsverkündung eine Präklusion nicht herbeizuführen vermag, steht im Einklang mit dem durch das Regelungsgefüge der §§ 222a, 222b StPO, § 338 Nr. 1 StPO verfolgten Normzweck.

Durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2121) und die Einführung eines Vorabentscheidungsverfahrens für den Besetzungseinwand, einhergehend mit der Neuregelung der Besetzungsrüge in § 338 Nr. 1 StPO, sollte das gesetzgeberische Ziel, zeitnah Rechtssicherheit über die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts zu schaffen, weiter gestärkt werden (vgl. KK-StPO/Gmel, 9. Aufl., § 222a Rn. 1a). Es soll vermieden werden, dass eine Hauptverhandlung im Falle einer Besetzungsrüge, der das Tatgericht nicht abhilft, von Vornherein unter dem „Damoklesschwert“ einer Aufhebung im Revisionsverfahren steht, und den bei begründeter Besetzungsrüge eintretenden Erschwernissen der Wahrheitsfindung durch Zeitverlust begegnet werden (vgl. BT-Drucks. 19/14747, S. 29). Diese Zwecke können aber allein dann erreicht werden, wenn über den Besetzungseinwand vor der Urteilsverkündung entschieden wird. Andernfalls bestünde der mit Rechtsunsicherheiten behaftete Gesetzeszustand unter Auswechslung des zur Entscheidung berufenen Gerichts fort, dessen Beendigung gerade erstrebt wurde.

(3) Auch aus dem grundrechtsgleichen Recht auf eine Entscheidung durch den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ergibt sich, dass die Präklusionswirkung des § 338 Nr. 1 StPO nicht eintritt, wenn das Rechtsmittelgericht bis zur Urteilsverkündung keine Entscheidung im Sinne des § 222b Abs. 3 StPO getroffen hat. Allein eine solche Auslegung ist geeignet, den Anforderungen an eine klare und abstrakt-generelle Zuständigkeitsordnung gerecht zu werden und im Voraus den Richter zu bezeichnen, der für die Entscheidung zuständig ist.

Im Ausgangspunkt bestimmt § 121 Abs. 1 Nr. 4 GVG in den Fällen des § 222b Abs. 3 Satz 1 StPO zwar die Oberlandesgerichte als zuständig für Einwände gegen die Besetzung einer Strafkammer und somit zum gesetzlichen Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Diese Zuständigkeit schränkt § 338 Nr. 1 2. Halbsatz Buchst. b) StPO aber ein und begründet, anknüpfend an die Voraussetzung, dass das Rechtsmittelgericht „nicht nach § 222b Abs. 3 entschieden hat“, eine Zuständigkeit des Revisionsgerichts. Dass damit allein gemeint sein kann, dass das Rechtsmittelgericht nicht bis zur Urteilsverkündung entschieden hat, ergibt sich bereits daraus, dass andernfalls nach der gesetzgeberischen Konzeption ab Urteilsverkündung und nachfolgend eingelegter Revision unter Erhebung einer Besetzungsrüge zwei Rechtsmittelgerichte parallel zuständig wären. Ein „Wettlauf der Rechtsmittelgerichte“ ohne klare Abgrenzung der jeweiligen Zuständigkeiten wäre die Folge, ein mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht zu vereinbarendes Ergebnis.

b) Hiervon ausgehend führt die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. nicht zur Präklusion der Rüge nach § 338 Nr. 1 2. Halbsatz StPO.

aa) Es ist bereits nicht ersichtlich, dass die auf den 28. September 2021 datierte Entscheidung des Oberlandesgerichts vor der Urteilsverkündung erlassen wurde, die an diesem Tag spätestens um 12.20 Uhr endete. Eine Uhrzeitangabe enthält der Beschluss nicht; der Beglaubigungsvermerk der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle auf der Beschlussabschrift wurde am 29. September 2021 angebracht.

bb) Dies bedarf vorliegend indes keiner näheren Untersuchung. Denn eine die Rügepräklusion herbeiführende Entscheidung des Rechtsmittelgerichts im Sinne des § 338 Nr. 1 2. Halbsatz Buchst. b) StPO erfordert neben ihrem Erlass vor Urteilsverkündung auch, dass diese dem Rügeführer vor Urteilsverkündung bekanntgemacht wurde. Hieran fehlt es. Die Bekanntmachung gegenüber dem Angeklagten erfolgte erst am 4. Oktober 2021.

Zwar ordnet das Gesetz weder in § 222b Abs. 3 StPO noch in § 338 Nr. 1 StPO ausdrücklich eine Bekanntmachung der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts an, noch knüpft es hieran den Eintritt der Präklusionswirkung. Die durch das Vorabentscheidungsverfahren verfolgten Zwecke können aber nur dadurch erreicht werden, dass die - dann abschließende - Entscheidung über den Besetzungseinwand den Verfahrensbeteiligten auch bekannt gemacht ist. Mit dem Vorabentscheidungsverfahren soll dem Angeklagten die Möglichkeit eröffnet werden, seinen Anspruch auf Gewährleistung des gesetzlichen Richters bereits vor Ende der Hauptverhandlung abschließend überprüfen zu lassen (vgl. BT-Drucks. 19/14747, S. 29). Er soll Rechtssicherheit über die Vorschriftsmäßigkeit der Besetzung erhalten (vgl. BT-Drucks. 19/14747, S. 30). Wird dies trotz eines form- und fristgerecht erhobenen Besetzungseinwands verabsäumt, bleibt dem Angeklagten die Klärung im Revisionsverfahren erhalten. Um hierüber sachgerecht entscheiden zu können, muss ihm die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts vor Urteilsverkündung als dem für den Lauf der Rechtsmitteleinlegungsfrist maßgeblichen Zeitpunkt bekannt sein. Es wäre mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar, dem Angeklagten das mit Kosten verbundene Risiko einer in Unkenntnis der ergangenen Entscheidung eingelegten Revision aufzubürden, obgleich sein Besetzungseinwand bereits vor Urteilsverkündung zurückgewiesen worden war. Ebenso wenig ist ihm zuzumuten, sich für den Fall einer dem Besetzungseinwand stattgebenden Entscheidung des Rechtsmittelgerichts, der die Revision gegen das gleichwohl ergangene Urteil begründen würde, auf einen (an Fristen gebundenen) Wiedereinsetzungsantrag verweisen zu lassen, weil er nicht das mit einem Kostenrisiko verbundene Rechtsmittel eingelegt hatte.

III.

Die Rüge nicht vorschriftsmäßiger Besetzung ist in zulässiger Weise ausgeführt.

1. Dem steht nicht entgegen, dass der Angeklagte noch vor der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts über seinen Besetzungseinwand einer Verständigung nach § 257c StPO zugestimmt hat.

a) Hierin liegt für sich genommen kein zur Unzulässigkeit der Verfahrensrüge nach § 338 Nr. 1 StPO führendes widersprüchliches Verhalten. Einem Angeklagten bleibt grundsätzlich die Befugnis zur Einlegung eines Rechtsmittels und zur Erhebung von Verfahrensrügen uneingeschränkt erhalten, auch wenn dem Urteil eine Verständigung vorausgegangen ist; die Zustimmung zu einer Verständigung führt grundsätzlich nicht zum Verlust einzelner prozessualer Rechte (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2011 - 3 StR 196/11, BGHSt 57, 3, 4 f.; MüKo-StPO/Jahn/Kudlich, § 257c Rn. 209; BeckOK StPO/Eschelbach, 46. Ed., § 257c Rn. 51.1). Es ist einem Angeklagten, der einen Besetzungseinwand angebracht hat, unbenommen, sich für den Fall, dass der Einwand erfolglos bleibt, ein aus seiner Sicht bestmögliches Verfahrensergebnis anzustreben.

b) Der Zustimmung zu einer Verständigung nach § 257c StPO kann auch kein Erklärungswert dahin beigemessen werden, der Angeklagte wolle seine ausdrücklich kundgetane Auffassung, die Strafkammer sei nicht vorschriftmäßig besetzt, aufgeben. Vielmehr kann die Zustimmung zu einer Verständigung auf verschiedenen Gründen beruhen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2011 - 3 StR 196/11, BGHSt 57, 3, 5; BeckOK StPO/Eschelbach, 46. Ed., § 257c Rn. 51.1 a.E.; a.A. Löwe-Rosenberg/Jäger, StPO, 27. Aufl., § 222b Rn. 3; MüKo-StPO/Arnoldi, § 222b Rn. 18; SSW-StPO/Grube, 5. Aufl., § 222b Rn. 5).

c) Ob dessen ungeachtet der Beschwerdeführer bei einer Verfahrensrüge nach § 338 Nr. 1 StPO den Inhalt einer getroffenen Verständigung so genau mitteilen muss, dass das Revisionsgericht prüfen kann, ob der Angeklagte seinen Besetzungseinwand zurückgenommen oder einen Verzicht auf diesen erklärt hat (vgl. zu den vor einer Verständigung erhobenen Verwertungswidersprüchen BGH, Beschluss vom 23. März 2022 - 6 StR 611/21), kann dahinstehen. Beides kann der Senat nach dem unwidersprochenen Revisionsvortrag ausschließen. Danach ergibt sich aus der Replik des Verteidigers vom 22. September 2021 gegenüber dem Oberlandesgericht auf eine Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft zum Besetzungseinwand, dass er auch nach der am 16. September 2021 getroffenen Verständigung das Tatgericht für fehlerhaft besetzt erachtet hat. Die Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft (vgl. Nr 162 RiStBV) ergibt nichts Gegenteiliges.

2. Das Revisionsvorbringen genügt im Übrigen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO jedenfalls insoweit, als eine unzureichende Dokumentation zur Rechtmäßigkeit der unterjährigen Änderung der Geschäftsverteilung gerügt ist. Zwar hat die Revision den Jahresgeschäftsverteilungsplan des Landgerichts nicht vorgelegt (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 15. Juni 2005 - 5 StR 191/05). Dies war hier aber entbehrlich. Denn die Rüge mangelnder Dokumentation (zur Maßgeblichkeit der Rügerichtung vgl. auch BGH, Beschluss vom 16. Juni 2021 ? StB 25 und 26/21, NStZ 2021, 762) kann der Senat allein anhand des von der Revision mitgeteilten Änderungsbeschlusses (und den aus diesem ersichtlichen Überlastungsanzeigen und Zuständigkeitsregelungen des Landgerichts) beurteilen. Bei der hier gegebenen Sachlage würde es die aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO folgenden Pflichten überspannen, vom Angeklagten zu verlangen, dass er für das Revisionsverfahren darüber hinaus alle Tatsachen ermitteln (und vortragen) müsse, die eine Überlastung der Strafkammern begründen oder widerlegen (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2009 - 3 StR 376/08, BGHSt 53, 268, 281).

IV.

Die Rüge ist auch begründet. Der Beschluss zur unterjährigen Änderung des Geschäftsverteilungsplans lässt die erforderliche umfassende Dokumentation der Gründe vermissen, die das Präsidium zu der Übertragung des Verfahrens auf die 9. Strafkammer bewogen haben. Es kann daher nicht geprüft werden, ob dem Angeklagten entgegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG der gesetzliche Richter entzogen wurde.

1. Aus der Garantie des gesetzlichen Richters in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG folgt, dass Regelungen, die der Bestimmung des gesetzlichen Richters dienen, im Voraus so eindeutig wie möglich festlegen müssen, welcher Richter zur Entscheidung im Einzelfall berufen ist. Auch die die gesetzlichen Bestimmungen ergänzenden Regelungen in den Geschäftsverteilungsplänen der Gerichte müssen im Voraus generell-abstrakt die Zuständigkeit der Spruchkörper festschreiben, damit die einzelne Sache „blindlings“ aufgrund allgemeiner, vorab festgelegter Merkmale an den entscheidenden Richter gelangt und so der Verdacht einer Manipulation der rechtsprechenden Gewalt ausgeschlossen wird (vgl. BVerfG, NJW 2017, 1233, 1234; BGH, Urteil vom 7. April 2021 - 1 StR 10/20).

Gemäß § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG darf das Präsidium die nach Absatz 1 Satz 1 dieser Vorschrift getroffenen Anordnungen im Laufe des Geschäftsjahres ändern, wenn dies etwa wegen Überlastung eines Spruchkörpers nötig wird. Die Vorschrift muss eng ausgelegt und entsprechend angewendet werden. Eine nachträgliche Änderung der Geschäftsverteilung kann nicht nur zulässig, sondern verfassungsrechtlich geboten sein, wenn nur auf diese Weise die Gewährung von Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit, insbesondere eine beschleunigte Behandlung von Strafsachen, erreicht werden kann (vgl. BVerfG, NJW 2017, 1233, 1234). Das Beschleunigungsgebot lässt jedoch das Recht auf den gesetzlichen Richter nicht vollständig zurücktreten. Vielmehr besteht Anspruch auf eine zügige Entscheidung durch diesen. Daher muss in derartigen Fällen das Recht des Angeklagten auf den gesetzlichen Richter mit dem rechtsstaatlichen Gebot einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege und dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgrundsatz zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. April 2022 - StB 13/22; vom 25. März 2021 - 3 StR 10/20).

Nach diesen rechtlichen Maßstäben steht Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG einer Änderung des zuständigen Spruchkörpers auch für bereits anhängige Verfahren jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Neuregelung generell gilt, also etwa außer mehreren anhängigen Verfahren auch eine unbestimmte Vielzahl künftig eingehender Sachen erfasst, und dies nicht aus sachwidrigen Gründen geschieht (vgl. BVerfG, NJW 2017, 1233, 1234). In Ausnahmefällen kann sogar eine Änderung des Geschäftsverteilungsplans zulässig sein, die ausschließlich bereits anhängige Verfahren überträgt, wenn nur so dem Beschleunigungsgebot insbesondere in Haftsachen angemessen Rechnung getragen werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 25. März 2021 - 3 StR 10/20 mwN).

Jede Umverteilung während des laufenden Geschäftsjahres, die bereits anhängige Verfahren erfasst, muss geeignet sein, die Effizienz des Geschäftsablaufs zu erhalten oder wiederherzustellen. Änderungen der Geschäftsverteilung, die hierzu nicht geeignet sind, können vor Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG keinen Bestand haben. Einfachrechtlich folgt dieses Erfordernis aus § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG, da Änderungen der Geschäftsverteilung, die nicht der Erhaltung oder Wiederherstellung der Effizienz eines Spruchkörpers dienen, nicht im Sinne dieser Vorschrift „nötig“ sind (vgl. zu alldem BGH, Beschlüsse vom 25. März 2021 - 3 StR 10/20; vom 12. Januar 2016 - 3 StR 490/15; Senat, Beschluss vom 10. Juli 2013 ? 2 StR 116/13, NStZ 2014, 226, 227 mwN).

2. Da eine Überleitung bereits anhängiger Verfahren, bei denen schon eine anderweitige Zuständigkeit konkretisiert und begründet war, in die Zuständigkeit eines anderen Spruchkörpers erhebliche Gefahren für das verfassungsrechtliche Gebot des gesetzlichen Richters in sich birgt, bedarf es in solchen Fällen einer umfassenden Dokumentation und Darlegung der Gründe, die eine derartige Umverteilung erfordern und rechtfertigen, um den Anschein einer willkürlichen Zuständigkeitsverschiebung auszuschließen (vgl. BVerfG, NJW 2009, 1734, 1735; BGH, Urteile vom 7. April 2021 - 1 StR 10/20; vom 9. April 2009 ? 3 StR 376/08, BGHSt 53, 268, 273; Beschlüsse vom 25. März 2021 - 3 StR 10/20; vom 12. Januar 2016 - 3 StR 490/15; vom 12. Mai 2015 - 3 StR 569/14, BGHR GVG § 21e Abs. 3 Änderung 9). Denn ob ein Präsidiumsbeschluss den genannten Anforderungen entspricht, unterliegt der vollen Überprüfung durch das Revisionsgericht. Die Regelungen der Zuständigkeit sind, anders als deren Anwendung, nicht lediglich am Maßstab der Willkür, sondern auf jede Rechtswidrigkeit hin zu überprüfen (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom 24. März 2016 - 2 StR 344/14, BGHR GVG § 21e Abs. 3 Verhinderung 1; Senat, Beschluss vom 10. Juli 2013 - 2 StR 116/13, NStZ 2014, 226, 227; zusammenfassend, aber an diesem Prüfungsmaßstab zweifelnd BGH, Beschluss vom 25. März 2021 - 3 StR 10/20; Beschluss vom 21. April 2022 - StB 13/22).

Der Änderungsgrund muss daher stets im Beschluss des Präsidiums, einer darin in Bezug genommenen Überlastungsanzeige oder einem Protokoll der entsprechenden Präsidiumssitzung festgehalten werden, damit überprüfbar ist, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die nur ausnahmsweise zulässige Änderung der Geschäftsverteilung vorlagen, wobei die Begründung so detailliert sein muss, dass eine Prüfung der Rechtmäßigkeit möglich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2016 ? 3 StR 516/15; Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl., § 21e Rn. 115).

3. Diesen Anforderungen wird der Präsidiumsbeschluss vom 19. August 2021 nicht in vollem Umfang gerecht. Zwar ist die Überlastung der 6. Strafkammer aufgrund der im Einzelnen dargelegten Terminierungslage ausreichend dokumentiert, hingegen nicht der mit der Überleitung anhängiger Verfahren von der 10. auf die 9. Strafkammer einhergehende weitere Eingriff in den gesetzlichen Richter.

a) Wird ein Spruchkörper durch einen anderen Spruchkörper entlastet und tritt dadurch nun dessen eigene Überlastung ein, kann dieser durch einen dritten Spruchkörper entlastet werden. Ist eine direkte Übertragung der Verfahren von dem eigentlich überlasteten auf einen dritten Spruchkörper nicht möglich, ist es einem Präsidium unbenommen, Verfahren auf einen „zwischengeschalteten“ Spruchkörper - hier eine zweite als Schwurgericht zuständige Strafkammer - zu übertragen. Eine zeitgleiche Änderung der Geschäftsverteilung zur Entlastung auch dieses Spruchkörpers ist aber nur dann möglich, wenn infolge der Verfahrensübernahme nunmehr bei diesem eine Überlastungssituation entsteht. Denn wegen des Gewichts des Jährlichkeitsprinzips setzen alle Änderungen voraus, dass die Einbeziehung anderer Spruchkörper zur Lösung des neu entstandenen Problems erforderlich ist (vgl. SK-StPO/Velten, 5. Aufl., § 21e GVG, Rn. 41); die Auswirkungen eines Änderungsanlasses sind - wie stets - so gering wie möglich zu halten (vgl. Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl., § 21e Rn. 111). Dies ist entsprechend zu dokumentieren.

b) Diesen Anforderungen an eine umfassende Dokumentation und Darlegung einer Überlastung genügt die Begründung des Präsidiums mit Blick auf die 10. Strafkammer und die unterjährige Umverteilung einzelner (zumal bereits terminierter) Verfahren nicht.

aa) Eine Überlastung im Sinne des § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG liegt vor, wenn über einen längeren Zeitraum ein erheblicher Überhang der Eingänge über die Erledigungen zu verzeichnen ist, sodass mit einer Bearbeitung der Sache innerhalb eines angemessenen Zeitraums nicht zu rechnen ist und sich die Überlastung daher als so erheblich darstellt, dass der Ausgleich nicht bis zum Ende des Geschäftsjahres zurückgestellt werden kann.

bb) Indessen kann sich auch aus der Belastung mit einem einzelnen Umfangsverfahren eine Überlastung nach § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG ergeben. Es kommt für die Feststellung einer Überlastung im Sinne der Vorschrift nicht allein auf die Anzahl anhängiger Verfahren an. Gerade bei umfangreichen Verfahren aus dem Bereich des Staatsschutzes, des Wirtschaftsstrafrechts oder der organisierten Kriminalität können im Einzelfall etwa die Breite der Tatvorwürfe, die Zahl der Verfahrensbeteiligten und der Umfang der zu erhebenden Beweismittel die Durchführung von Hauptverhandlungen erfordern, die es aufgrund ihres Ausmaßes für längere Zeit nicht zulassen, dass sich der betroffene Spruchkörper mit anderen Verfahren befasst. Eine Gegenüberstellung von Eingängen und Erledigungen mag - etwa bei Spruchkörpern mit hohen Eingangs- und Erledigungszahlen - als aussagekräftiger Indikator der tatsächlichen Beanspruchung herangezogen werden, als alleiniges Kriterium ist sie jedoch untauglich. Die Belastung von Spruchkörpern, die aufgrund ihres Zuständigkeitszuschnitts regelmäßig mit nur wenigen, dafür aber umfangreichen Verfahren befasst sind, wird mit einer rein quantitativen Betrachtung nicht hinreichend abgebildet. Maßgebend für die Frage der Überlastung kann insoweit nur sein, ob innerhalb eines angemessenen Zeitraums mit einer Bearbeitung der gegenständlichen Verfahren durch den Spruchkörper gerechnet werden kann (vgl. zu alldem BGH, Beschluss vom 25. März 2021 - 3 StR 10/20, BGHR GVG § 21e Abs. 3 Änderung 14).

cc) Die Nachprüfung, ob bei der 10. Strafkammer eine Überlastung in diesem Sinne vorgelegen hat, ist dem Senat nicht möglich. Der Präsidiumsbeschluss legt nicht dar, aus welchen Gründen es dieser Strafkammer nicht möglich gewesen sein soll, das den Angeklagten betreffende Verfahren zu verhandeln. Insbesondere bleibt unklar, wie viele Verfahren auf die 10. Strafkammer übergeleitet wurden und wie sich der Gesamtbestand an Verfahren nach Entlastung der 6. Strafkammer bei der 10. Strafkammer und die jeweilige Terminierungslage darstellten. Daher ist weder aus der Erhöhung der richterlichen Arbeitskraft bei der 9. Strafkammer noch aus der Übernahme anhängiger Schwurgerichtsverfahren durch die 10. Strafkammer nachvollziehbar, wodurch sich die Übertragung von Verfahren von der 10. auf die 9. Strafkammer im beschlossenen Umfang rechtfertigt. Auch kann nicht nachvollzogen werden, inwiefern durch die Nutzung von „Terminlücken“ eine Überlastung beseitigt oder eine Verfahrensförderung bewirkt wird, zumal wenn - wie hinsichtlich dieses Verfahrens - zwischen dem durch das Präsidium gewählten Stichtag (1. September 2021) und dem Beginn der Hauptverhandlung (14. September 2021) nur zwei Wochen lagen. Eine effektivere Förderung einschließlich der Terminierung übernommener Schwurgerichtsverfahren erscheint vor dem Hintergrund einzuhaltender Ladungsfristen (§ 217 Abs. 1 StPO) nicht ohne Weiteres plausibel.

Zu genauer Darlegung bestand auch deswegen Anlass, weil sich die vom Präsidium gewählte Neuregelung zwar dem Grunde nach an allgemeinen, sachlich-objektiven Kriterien orientiert, von der Übertragung anhängiger Verfahren indes solche ausnimmt, in denen bis zum 31. August 2021 die Hauptverhandlung begonnen hat. Eine noch mehrere Tage „offene“ Stichtagslösung kann je nach Sachlage aber geeignet sein, die generell-abstrakte Zuständigkeitsbegründung zu verhindern; eine Delegation der Entscheidung über die Geschäftsverteilung an die Spruchkörper, die gerade Adressaten der generell-abstrakten Zuständigkeit sein sollten, wäre mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar (vgl. auch BGH, Beschluss vom 27. Januar 2020 ? 1 StR 622/17, BGHR StPO § 338 Nr. 1 Geschäftsverteilungsplan 7).

B.

Zur Revision der Angeklagten I.

Die Revision der Angeklagten I. hat mit der Sachrüge Erfolg. Die Feststellungen tragen eine Verurteilung nach § 232 Abs. 1 Satz 1 StGB nicht, was zur Aufhebung des Urteils insgesamt führt.

I.

Nach den Feststellungen des Landgerichts reiste die Nebenklägerin erstmals im Jahr 2016 nach Deutschland ein und arbeitete für eine Person namens „M.“ circa acht Monate in einem Bordell. Im Anschluss ging sie zunächst wieder nach Bulgarien, kehrte aber mit einem Bekannten nach Deutschland zurück, wo sie ab März 2017 für eine andere Person erneut als Prostituierte arbeitete, mit der sie ihre Einnahmen hälftig teilte. Ende April 2017 eröffnete ihr eine Person namens „E. “, sie könne in dem durch die Angeklagten gemeinsam betriebenen Bordell - wo sich Frauen aus Bulgarien ohne Arbeitserlaubnis aufhielten, die der Prostitution nachgingen - ebenfalls auf dieser Basis als Prostituierte arbeiten.

Dieses Bordell betrieben die Angeklagten „jedenfalls“ von Juni 2019 bis zum 26. November 2019 aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses, um ihren Lebensunterhalt aus den Einnahmen zu bestreiten. Im Tatzeitraum waren die Nebenklägerin und zwei weitere Prostituierte für die Angeklagten tätig, eine davon nur für eine Woche. Diese beiden Frauen arbeiteten auf der Basis der hälftigen Teilung ihrer Einnahmen, während die Nebenklägerin mit Ausnahme von 50 € pro Woche, die dem Erwerb persönlicher Gegenstände wie Zigaretten oder Kosmetika dienten, „jedenfalls“ im Tatzeitraum sämtliche Einnahmen an die Angeklagten abgeben musste. Die aus Bulgarien stammenden Prostituierten wohnten in Wohnungen „des nebenan gelegenen Hausanwesens“. Die sexuellen Dienstleistungen erbrachten sie in dem Bordellbetrieb, im Rahmen von Hausbesuchen und zeitweise in zwei von den Angeklagten angemieteten, sogenannten Terminwohnungen.

Die Angeklagten führten den Betrieb arbeitsteilig. Der Angeklagte K. gab den Prostituierten Ort, Zeit und Ausmaß der Dienstleistung vor, nahm die eingenommenen Gelder entgegen und verwaltete sie. Er hielt die Prostituierten zur Arbeit an, drohte diesen im Weigerungsfall oder wandte körperliche Gewalt an. Die Angeklagte I. übernahm die Telefonvermittlung und Terminvergabe einschließlich der Preisabsprachen, falls die Deutschkenntnisse der Prostituierten dies erforderten. Die für die Zuführung der Prostituierten zu Hausbesuchen erforderlichen Fahrdienste übernahm der gesondert Verfolgte A. und, wenn dieser verhindert war, die Angeklagte I. „in Einzelfällen“. Diese war auch zuständig für die Bewerbung der Dienstleistungen der Prostituierten auf einer Internetseite und nahm die eingenommenen Gelder entgegen, wenn der Angeklagte K. verhindert war. Die Angeklagte I. vereinbarte auch die Termine für die Nebenklägerin während deren Arbeitszeit von 10.00 bis 0.00 Uhr. Ablehnen konnte die Nebenklägerin einen Termin nur im Krankheitsfall.

Tatplangemäß nahm der Angeklagte K. der Nebenklägerin ihren bulgarischen Pass ab und verwahrte ihn derart, dass diese keinen Zugriff auf ihn hatte. Sie erhielt ihn nur zur Übernachtung bei einem Freier oder gemeinsamen Casinobesuchen mit dem Angeklagten K. Die Nebenklägerin sprach „unzureichend“ Deutsch, hatte keine sozialen Kontakte außerhalb des Prostitutionsgewerbes in Deutschland, zudem keine finanziellen Mittel, weshalb ihr eine Rückkehr nach Bulgarien ebenso wenig möglich war wie eine Rückzug aus dem Bordellbetrieb. Des Weiteren lebte ihre damals 5-jährige Tochter mit ihrem Einverständnis in Bulgarien bei den Eltern eines Freundes des Angeklagten K., einer Person namens „Me.“. Dieser bekam als Gegenleistung von dem Angeklagten K. einen Audi A4, einen Audi A8 und monatliche Zahlungen von 400 €. Die Zahlungen erhielt er von der Nebenklägerin zurück, wobei diese Gelder nicht aus den Einnahmen der Prostitution stammten.

Der Angeklagte K. sprach mit Billigung der Angeklagten I. immer wieder Todesdrohungen gegenüber der Nebenklägerin aus, um ihr Ausscheiden aus dem Betrieb zu verhindern. Als im November 2019 eine der drei Prostituierten den Bordellbetrieb verließ, äußerte er der Nebenklägerin gegenüber, er werde ihre Tochter auch zu einer Prostituierten machen, sollte sie die Prostitutionstätigkeit für ihn aufgeben. Die Nebenklägerin nahm diese Drohungen ernst, auch aufgrund der über „Me.“ tatsächlich gegebenen Einflussnahmemöglichkeit des Angeklagten auf ihre Tochter. Sie hatte große Angst und wagte nicht, für sie festgelegte Termine abzusagen oder sich dem Bordellbetrieb zu entziehen.

II.

Diese Feststellungen tragen nicht die Verurteilung der Angeklagten I. wegen (mittäterschaftlich mit dem Angeklagten K. begangenen) gewerbsmäßigen Menschenhandels. Nach § 232 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB macht sich unter anderem strafbar, wer eine Person unter Ausnutzung ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Zwangslage oder ihrer Hilflosigkeit, die mit dem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, anwirbt, befördert, weitergibt, beherbergt oder aufnimmt, wenn diese Person bei der Ausübung der Prostitution oder bei der Vornahme sexueller Handlungen ausgebeutet werden soll. Dies wird durch die Urteilsgründe nicht belegt.

1. Die Urteilsgründe lassen schon nicht erkennen, welche der in § 232 Abs. 1 Satz 1 StGB genannten tatbestandlichen Handlungen das Tatgericht aufgrund welcher Erwägungen der Verurteilung zugrunde gelegt hat.

a) Zwar ist das Tatgericht verfahrensrechtlich lediglich dazu verpflichtet, das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz in den Urteilsgründen zu bezeichnen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz StPO), um jegliche Zweifel an den anzuwendenden Normen auszuschließen und die revisionsgerichtliche Kontrolle zu ermöglichen (vgl. SK-StPO/Velten, 5. Aufl., § 267 Rn. 42). Es dürfen aber keine Zweifel verbleiben, ob das Tatgericht die sich aus den getroffenen Feststellungen ergebenden rechtlichen Fragen erkannt und zutreffend beurteilt hat (vgl. Senat, Beschluss vom 10. November 2022 - 2 StR 92/21; Löwe-Rosenberg/Stuckenberg, StPO, 27. Aufl., § 267 Rn. 82; KK-StPO/Bartel, 9. Aufl., § 267 Rn. 50). Bei auslegungsbedürftigen Tatbestandsmerkmalen kann es erforderlich sein, diese zunächst näher zu definieren und dann eine Subsumtion vorzunehmen (vgl. BeckOK StPO/Peglau, 46. Ed., § 267 Rn. 37). Dieses aus dem Klarheitsgebot resultierende Erfordernis, soll den Adressaten der Urteilsbegründung ermöglichen, die rechtliche Bewertung nachzuvollziehen und überprüfen zu können (vgl. KMR-StPO/Stuckenberg, 66. Lfg., § 267 Rn. 60).

b) Dem werden die Urteilsgründe nicht gerecht. Die rechtliche Würdigung erschöpft sich in der Mitteilung, dass der Verurteilung § 232 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) StGB zugrunde liegt. Indes sieht der vom Landgericht angewendete gesetzliche Tatbestand mehrere auslegungsbedürftige tatbestandliche Handlungen vor, die Subsumtion hierunter ergibt sich nach den Feststellungen auch nicht von selbst. Auch nach Heranziehung der Urteilsformel und unter Berücksichtigung des Zusammenhangs der Urteilsgründe bleibt zweifelhaft, welche Tatbestandsvariante das Gericht als erfüllt angesehen hat.

2. Die von der Strafkammer getroffenen Feststellungen belegen in objektiver Hinsicht keine der in § 232 Abs. 1 Satz 1 StGB genannten Tathandlungen.

a) Für eine „Weitergabe“ der Nebenklägerin durch die Angeklagten, die eine kontrollierte Übergabe an eine dritte Person zum Zwecke der Beförderung oder Verwendung unter Verschiebung des von einer gemeinsamen Kontrolle gekennzeichneten Obhutsverhältnisses auf einen Dritten meint (vgl. BT-Drucks. 18/9095, S. 24; LK-StGB/Kudlich, 13. Aufl., § 232 Rn. 24; MüKo-StGB/ Renzikowski, 4. Aufl., § 232 Rn. 50), fehlt ein Anhaltspunkt.

b) Der Tathandlung des „Anwerbens“ steht entgegen, dass die bereits in Deutschland tätige Nebenklägerin aktiv und freiwillig auf die Angeklagten zuging, um in deren Betrieb der Prostitution nachzugehen. Denn ein „Anwerben“ im Sinne des § 232 Abs. 1 StGB erfordert ein aktives Tätigwerden des Täters, der die treibende Kraft (vgl. LK-StGB/Kudlich, 13. Aufl., § 232 Rn. 21) für das Zustandekommen der Vereinbarung sein muss. Der Abschluss eines Vertrages auf die Initiative einer anderen Person, die - wie hier - nicht überredet werden muss, stellt keine Anwerbung in diesem Sinne dar (vgl. MüKo-StGB/Renzikowski, 4. Aufl., § 232 Rn. 48; SSW-StGB/Zimmermann, 5. Aufl., § 232 Rn. 10).

c) Die Feststellungen belegen auch kein „Aufnehmen“ oder „Beherbergen“ im Sinne des § 232 Abs. 1 Satz 1 StGB.

„Beherbergen“ ist die mindestens vorübergehende Unterkunftsgewährung in Räumlichkeiten gleich welcher Art (vgl. BT-Drucks. 18/9095, 23; LK-StGB/ Kudlich, 13. Aufl., § 232 Rn. 25; Schönke/Schröder/Eisele, 30. Aufl., § 232 Rn. 25). Nicht notwendig ist, dass die überlassene Räumlichkeit im Eigentum des Täters steht. Ausreichend ist, dass er die entsprechenden Räumlichkeiten (z.B. durch Anmietung) in zurechenbarer Weise dem Tatopfer als Unterkunft zur Verfügung gestellt hat.

Ob die „Aufnahme“ ein auf längere Dauer angelegtes Gewähren von Wohnung (vgl. Fischer, StGB, 70. Aufl., § 232 Rn. 25 in Abgrenzung zum „Beherbergen“ als vorübergehendes Gewähren von Wohnung) oder - näherliegend - eine Empfangnahme des „gehandelten“ Opfers an einem Zwischen- oder Zielort und einer damit einhergehenden Kontrollausübung über dasselbe erfordert (vgl. BT-Drucks. 18/9095, S. 24; Schönke/Schröder/Eisele, 30. Aufl., § 232 Rn. 26; hierzu LK-StGB/Kudlich, 13. Aufl., § 232 Rn. 26), bedarf hier keiner Entscheidung. Denn beides ist nicht belegt.

Die Strafkammer hat weder ausdrücklich festgestellt, dass die Angeklagten selbst der Nebenklägerin Wohnraum zur Verfügung gestellt haben, noch, dass sie unter Kontrollausübung durch die Angeklagten empfangen worden wäre. Dass die im Bordellbetrieb beschäftigten Frauen „in Wohnungen des nebenan gelegenen Hausanwesens“ - und damit direkt neben dem Bordellbetrieb auf demselben Grundstück gelegen - wohnten, vermag nicht die Feststellung zu ersetzen, dass dieser Wohnraum auch tatsächlich durch die Angeklagten zur Verfügung gestellt wurde. Es bleibt offen, wem diese Wohnungen gehörten, wer sie angemietet hatte und sie insbesondere den Frauen einschließlich der Nebenklägerin zur Verfügung stellte. Dass es zu Aufenthalten der Nebenklägerin in den Terminwohnungen gekommen wäre, mag naheliegen, ist aber (ungeachtet der Frage, ob kurze Aufenthalte in diesen für ein „Beherbergen“ überhaupt ausreichen könnten; ablehnend für Aufenthalte von wenigen Stunden SSW-StGB/ Zimmermann, 5. Aufl., § 232 Rn. 13; befürwortend für Nachtlager SK-StGB/ Noltenius/Wolters, 9. Aufl., § 232 Rn. 10; LK-StGB/Kudlich, 13. Aufl., § 232 Rn. 25) ebenfalls nicht festgestellt und lässt sich auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen.

d) Schließlich belegen die Feststellungen kein „Befördern“ im Sinne des § 232 Abs. 1 StGB. Als tatbestandliche Handlung kommen nach den bislang getroffenen Feststellungen allein Fahrten in Betracht, mit denen die Nebenklägerin vom Bordell zu Hausbesuchen und zeitnah zurück gefahren wurde.

aa) „Befördern“ im Sinne des § 232 Abs. 1 StGB setzt die Herbeiführung eines Ortswechsels voraus (vgl. Schönke/Schröder/Eisele, 30. Aufl., § 232 Rn. 23; LK-StGB/Kudlich, 13. Aufl., § 232 Rn. 23; MüKo-StGB/Renzikowski, 4. Aufl., § 232 Rn. 49; SSW-StGB/Zimmermann, 5. Aufl., § 232 Rn. 11). Tatbestandsmäßig ist ein Handeln des Täters nur dann, wenn das Tatopfer für wenigstens geraume Zeit an einen anderen als den bisherigen Aufenthaltsort verbracht wird.

Die der Umsetzung der Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates dienenden §§ 232 ff. StGB orientieren sich nach der gesetzgeberischen Konzeption chronologisch am Ablauf des Menschenhandels, wobei die hier maßgebliche Vorschrift des Menschenhandels (§ 232 StGB) vorbereitende Handlungen wie die „Rekrutierung“ und den Weitertransport der Opfer im Vorfeld der eigentlichen Ausbeutung erfassen soll, während in §§ 232a, 232b StGB das Veranlassen zur Aufnahme einer Tätigkeit und in §§ 233, 233a StGB die nachlaufende Ausbeutung unter Strafe gestellt wird (vgl. Schönke/Schröder/Eisele, 30. Aufl., § 232 Rn. 7; LK-StGB/Kudlich, 13. Aufl., § 232 Rn. 2; Matt/Renzikowski/Petzsche, 2. Aufl., § 232 Rn. 3). Dieser Systematik folgend ist das „Befördern“ der unmittelbar „nach der Anwerbung des Opfers“ folgende Schritt, mit dem das Opfer dem Ziel seiner späteren Ausbeutung näher gebracht werden soll (vgl. BT-Drucks. 18/9095, S. 24); regelmäßig sind mit dieser Tathandlung „Transportvorgänge über längere Zeit“ (vgl. SSW-StGB/Zimmermann, 5. Aufl., § 232 Rn. 11), grenzüberschreitende Sachverhalte oder sogar Schleusungsvorgänge verbunden (vgl. den Sachverhalt bei BGH, Beschluss vom 27. Mai 2020 - 5 StR 35/20; BeckOK StGB/Valerius, 55. Ed., § 232 Rn. 15). Das mit § 232 Abs. 1 StGB sanktionierte Unrecht besteht darin, dass die Tathandlungen darauf abzielen, eine Person faktisch unter Kontrolle zu bringen, um sie auszubeuten (vgl. SSW-StGB/Zimmermann, 5. Aufl., § 232 Rn. 8). Hiervon ausgehend sind Fahrten der festgestellten Art, die - wie von der Strafkammer ebenfalls angenommen - innerhalb eines bereits bestehenden Ausbeutungsverhältnisses durchgeführt werden und die von vornherein darauf angelegt sind, das Tatopfer sehr zeitnah an ihren längerwährenden Aufenthaltsort zurückzubringen, kein „Befördern“ im Sinne des § 232 StGB.

bb) Tatbestandsmäßig ist das Herbeiführen eines Ortswechsels überdies nur dann, wenn der Täter selbst anwesend ist oder ihm die Anwesenheit eines Mittäters oder Tatmittlers zuzurechnen ist (vgl. Schönke/Schröder/ Eisele, 30. Aufl., § 232 Rn. 23; LK-StGB/Kudlich, 13. Aufl., § 232 Rn. 23; MüKo-StGB/Renzikowski, 4. Aufl., § 232 Rn. 49; SSW-StGB/Zimmermann, 5. Aufl., § 232 Rn. 11). Die bloße Organisation des Transports genügt für die Annahme einer Täterschaft nicht, vielmehr muss der Täter selbst die Kontrolle über das Opfer behalten (vgl. Schönke/Schröder/Eisele, 30. Aufl., § 232 Rn. 23; LK-StGB/Kudlich, 13. Aufl., § 232 Rn. 23; MüKo-StGB/Renzikowski, 4. Aufl., § 232 Rn. 49).

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen lässt sich bezogen auf die Angeklagte I. der allgemein gehaltenen Feststellung nicht entnehmen, dass die erforderlichen Fahrdienste für die Zuführung „der Prostituierten zu den Hausbesuchen“ durch einen gesondert Verfolgten ausgeführt wurden und nur, wenn dieser verhindert war, die Angeklagte I. die Fahrten „in Einzelfällen“ übernahm. Da außer der Nebenklägerin im Tatzeitraum zu jeder Zeit mindestens eine weitere Prostituierte in dem Bordellbetrieb der Angeklagten tätig war, bleibt offen, ob „die Einzelfälle“, in denen die Angeklagte I. als Fahrerin agierte (nach ihrer Einlassung in weniger als zehn Fällen), tatsächlich Fahrten mit der Nebenklägerin beinhalteten. Die Urteilsgründe verhalten sich auch nicht zur Rolle des gesondert Verfolgten A. .

3. Die Urteilsgründe belegen ferner keine der in § 232 Abs. 1 Satz 1 StGB vorausgesetzten Tatsituationen des Opfers. Feststellungen zu einer persönlichen oder wirtschaftlichen Zwangslage der Nebenklägerin hat die Strafkammer nicht getroffen. Soweit die Strafkammer eine auslandsspezifische Hilflosigkeit der Nebenklägerin im Blick hatte, lassen die Urteilsgründe eine für diese Annahme erforderliche Gesamtwürdigung sämtlicher objektiver und subjektiver Umstände vermissen.

Maßgebliche Entscheidungskriterien, ob eine auslandsspezifische Hilflosigkeit vorliegt, bilden unter anderem mangelhafte bzw. nicht vorhandene Deutschkenntnisse, die Verfügungsmöglichkeit über Barmittel, das Maß der Überwachung durch den und das Ausmaß der persönlichen Abhängigkeit von dem Täter sowie die Möglichkeit, die Bundesrepublik wieder zu verlassen, die dann eingeschränkt sein kann, wenn der Täter die Ausweispapiere der eingereisten Frauen an sich genommen hat (vgl. Senat, Urteil vom 15. Juli 2005 ? 2 StR 131/05, NStZ-RR 2007, 46, 47). Ein automatischer Schluss aus dem Vorliegen eines oder mehrerer dieser Kriterien auf die auslandsspezifische Hilflosigkeit kann jedoch nicht gezogen werden (vgl. MüKo-StGB/Renzikowski, 4. Aufl., § 232 Rn. 41). Der Tatrichter muss nicht zuletzt unter dem in der Hauptverhandlung gewonnenen Eindruck von der Persönlichkeitsstruktur der jeweiligen Frauen die maßgeblichen Gesichtspunkte gegeneinander abwägen und eine Gesamtwürdigung sämtlicher objektiver und subjektiver Umstände vornehmen (vgl. Senat, Urteil vom 15. Juli 2005 ? 2 StR 131/05, NStZ-RR 2007, 46, 47; Fischer, StGB, 70. Aufl., § 232 Rn. 7).

Dies hat die Kammer versäumt, obwohl besonderer Anlass hierzu bestand. Zwar sprach die Nebenklägerin nach den Feststellungen kaum Deutsch und der Angeklagte K. hatte ihr den Reisepass für die überwiegende Zeit abgenommen. Die Strafkammer hat aber nicht erkennbar in den Blick genommen, dass sich die Nebenklägerin wiederholt zur Ausübung der Prostitution und im Tatzeitraum bereits seit über zwei Jahren in Deutschland befand; Feststellungen zu ihrer Situation seit Mai 2017 sind nicht getroffen. Auch war es der Nebenklägerin möglich, dem Angeklagten K. nicht unerhebliche Geldbeträge für die Betreuung ihrer Tochter in Bulgarien zu zahlen, die ausdrücklich nicht aus den Einnahmen der Prostitution stammten. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Nebenklägerin über anderweitige finanzielle Mittel verfügte, was mit der von der Strafkammer angenommenen Hilflosigkeit nicht ohne nähere Begründung in Einklang zu bringen wäre.

III.

Das angefochtene Urteil kann daher auch hinsichtlich der Angeklagten I. keinen Bestand haben; der Rechtsfehler muss die Aufhebung der für sich genommen rechtsfehlerfreien Verurteilung der tateinheitlich verwirklichten Zuhälterei nach sich ziehen (§ 353 Abs. 1 StPO). Der Senat hebt die der Verurteilung zugrundeliegenden Feststellungen insgesamt auf, schon um dem neuen Tatrichter umfassende eigene, in sich widerspruchsfreie Feststellungen zur ermöglichen.

IV.

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen der Zuschrift des Generalbundesanwalts zur Einziehungsentscheidung hin und bemerkt ergänzend:

Gewerbsmäßigkeit im Sinne von § 232 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter in der Absicht handelt, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen; liegt ein solches Gewinnstreben vor, ist schon die erste der ins Auge gefassten Tathandlungen als gewerbsmäßig zu werten (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urteil vom 10. November 2021 ? 2 StR 433/20; Beschluss vom 2. Februar 2011 ? 2 StR 511/10, NStZ 2011, 515, 516). Nicht ausreichend ist indes, dass der Täter einer Tat nach § 232 StGB sich aus zukünftigen Prostitutionseinkünften eine dauerhafte Einnahmequelle verschaffen will; erforderlich ist vielmehr die Absicht wiederholter Tatbegehung. Dass der Angeklagte bei Begehung der Tat nach § 232 Abs. 1 Satz 2 StGB in Wiederholungsabsicht gehandelt hat, bedarf der Feststellung (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2008 ? 4 StR 327/08 mwN).

HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 941

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede