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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1463

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 140/24, Beschluss v. 30.07.2024, HRRS 2024 Nr. 1463


BGH 2 StR 140/24 - Beschluss vom 30. Juli 2024 (LG Bonn)

Besitz von Cannabis.

§ 34 KCanG

Entscheidungstenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 22. Dezember 2023

a) in den Schuldsprüchen dahin geändert, dass die Angeklagten des Besitzes von Cannabis schuldig sind, und

b) in den Strafaussprüchen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an das Amtsgericht - Strafrichter - Siegburg zurückverwiesen.

2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen „gemeinschaftlichen“ Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge jeweils zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt und Kompensationsentscheidungen getroffen.

Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung sachlichen Rechts rügen. Die Rechtsmittel erzielen den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet.

I.

Nach den Feststellungen des Landgerichts besaßen die Angeklagten am 18. Mai 2020 in ihrer Wohnung gemeinschaftlich eine Gesamtmenge von 515,41 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 43,5 Gramm THC, die zum gemeinsamen Konsum bestimmt war. Dies hat das Landgericht hinsichtlich beider Angeklagter als minder schweren Fall des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bewertet und die Strafe dem Strafrahmen des § 29a Abs. 2 BtMG (Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren) entnommen.

II.

Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Nachprüfung des Urteils führt unter Verwerfung der Rechtsmittel im Übrigen zu einer Änderung der Schuldsprüche und zur Aufhebung der Strafaussprüche.

1. Der Senat ändert die Schuldsprüche wegen des Inkrafttretens des Konsumcannabisgesetzes zum 1. April 2024 wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich ab. Der Straftatbestand des Besitzes von Cannabis nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG ist hier gegenüber demjenigen des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BtMG günstiger und daher gemäß § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO maßgeblich.

Welches Recht gemäß § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO zur Anwendung kommt, ist aufgrund eines konkreten Gesamtvergleichs im Einzelfall zu ermitteln und hängt hier, weil das Landgericht den Strafrahmen des § 29a Abs. 2 BtMG zugrunde gelegt hat, davon ab, ob die Taten nach neuem Recht als besonders schwerer Fall (§ 34 Abs. 3 KCanG) zu werten sind - dann wäre das neue Recht nicht milder und gemäß § 2 Abs. 1 StGB das Tatzeitrecht weiter maßgeblich -oder der Grundstrafrahmen des § 34 Abs. 1 KCanG Anwendung findet. Im letztgenannten Fall ist das neue Recht günstiger (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2024 - 3 StR 164/24, Rn. 15). Bei dieser Entscheidung handelt es sich um einen Strafzumessungsakt, der allein dem Tatgericht obliegt (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juli 2014 - 3 StR 314/13, wistra 2014, 446 Rn. 31; Beschlüsse vom 9. Mai 2017 - 4 StR 366/16, NStZ-RR 2017, 240, 241 f.; vom 28. Mai 2024 - 3 StR 154/24, Rn. 5). Das Revisionsgericht kann den Schuldspruch mithin nur ändern, wenn trotz der hier besessenen nicht geringen Menge ausgeschlossen ist, dass der Tatrichter bei Anwendung des Konsumcannabisgesetzes einen besonders schweren Fall gemäß § 34 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 4 KCanG angenommen hätte (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2024 - 3 StR 164/24, aaO).

Hier kann der Senat entgegen der Rechtsauffassung des Generalbundesanwalts sicher davon ausgehen, dass das Landgericht die Indizwirkung des Regelbeispiels für widerlegt erachtet hätte. Das Landgericht hat einen minder schweren Fall - wenn auch noch unter Geltung des Betäubungsmittelgesetzes - auf der Grundlage zahlreicher gewichtiger strafmildernder Gesichtspunkte angenommen und diesen lediglich die deutliche Überschreitung der nicht geringen Menge gegenübergestellt. Dass die Strafkammer zu Gunsten der Angeklagten - bei Anwendung des Konsumcannabisgesetzes unzutreffend (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Mai 2024 - 6 StR 73/24, Rn. 8) - veranschlagt hat, dass es sich „bei Marihuana um eine weiche Droge“ handele, ändert daran nichts. Aufgrund der sonst von der Strafkammer zugunsten der Angeklagten genannten Umstände und aufgrund der Orientierung der verhängten Freiheitsstrafen am unteren Rand des ermittelten Strafrahmens fiel dieser Gesichtspunkt ersichtlich nicht ins Gewicht.

Der Senat ändert die Schuldsprüche mithin wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich ab. § 265 StPO steht der Änderung der Schuldsprüche nicht entgegen, weil sich die geständigen Angeklagten nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können.

Eine Verurteilung der Angeklagten wegen Erwerbs von Cannabis kommt dagegen - anders als vom Generalbundesanwalt beantragt - nicht in Betracht. Zwar legen die Urteilsgründe nahe, dass die Angeklagten die am 18. Mai 2020 besessene Gesamtmenge zuvor im Rahmen verschiedener Erwerbsvorgänge gekauft haben. Die insoweit getroffenen Feststellungen sind indessen für eine Verurteilung der Angeklagten nach § 34 Abs. 1 Nr. 12 KCanG nicht ausreichend, da ihnen Anhaltspunkte für konkrete Ankäufe nicht zu entnehmen sind (zu § 29 BtMG vgl. Patzak in Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 29 Rn. 892). Der Senat schließt im Hinblick darauf, dass die für eine Verurteilung wegen Erwerbs nicht ausreichenden Feststellungen des Landgerichts zu möglichen Erwerbshandlungen allein auf den Angaben der Angeklagten beruhen, aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung neue oder weitergehende Feststellungen getroffen werden können, die eine Verurteilung wegen Erwerbs tragen.

2. Die Änderung der Schuldsprüche zieht die Aufhebung der Strafaussprüche nach sich. Der Strafrahmen des § 34 Abs. 1 KCanG ist niedriger als der vom Landgericht angewandte Strafrahmen des § 29a Abs. 2 BtMG. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht auf der Grundlage des § 34 Abs. 1 KCanG noch niedrigere Freiheitsstrafen verhängt hätte.

Die zu den Strafaussprüchen gehörigen Feststellungen werden von der Aufhebung der Strafaussprüche nicht berührt und bleiben bestehen (§ 353 Abs. 2 StPO; vgl. auch BGH, Beschluss vom 10. Juli 2024 - 3 StR 164/24, Rn. 18). Gleiches gilt für die für sich rechtsfehlerfreien Kompensationsentscheidungen (BGH, Beschlüsse vom 12. Dezember 2023 - 3 StR 422/23, Rn. 19; vom 20. Juni 2024 - 2 StR 449/23, Rn. 10).

III.

Der Senat verweist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht - Strafrichter - Siegburg zurück (§ 354 Abs. 3 StPO), da dessen Strafgewalt für die Rechtsfolgenerwartung der diesem Verfahren zugrundeliegenden Taten der Angeklagten ausreichend ist.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1463

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede