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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 832

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 511/23, Beschluss v. 27.03.2024, HRRS 2024 Nr. 832


BGH 2 StR 511/23 - Beschluss vom 27. März 2024 (LG Meiningen)

Sexueller Missbrauch von Kindern (Urteilsgründe: Konkretisierung von Serientaten, Individualisierung, Anknüpfungspunkte; schwerer sexuelle Missbrauch von Kindern: kinderpornographische Absicht, Verbreiten).

§ 176 StGB; § 176c StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Bei der Aburteilung in Serie begangener sexueller Missbrauchshandlungen dürfen zur Vermeidung unvertretbarer Strafbarkeitslücken an die Individualisierung der einzelnen Taten im Urteil keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden, da eine Konkretisierung der jeweiligen Straftaten nach genauer Tatzeit und exaktem Geschehensablauf oft nicht möglich ist. Das Tatgericht muss sich aber in objektiv nachvollziehbarer Weise zumindest die Überzeugung verschaffen, dass es in einem gewissen Zeitraum zu einer bestimmten Mindestzahl von Straftaten gekommen ist. Entscheidend ist dabei, dass das Gericht von jeder einzelnen individuellen Straftat, die es aburteilt, überzeugt ist. Ist eine Individualisierung einzelner Taten mangels Besonderheiten im Tatbild oder der Tatumstände nicht möglich, sind zumindest die Anknüpfungspunkte zu bezeichnen, anhand derer das Tatgericht den Tatzeitpunkt eingegrenzt hat und auf die sich seine Überzeugung von der Mindestzahl und der Begehungsweise der Missbrauchstaten des Angeklagten in diesem Zeitraum gründet. Dabei sind grundsätzlich bei Verurteilungen, die den sexuellen Missbrauch von Geschädigten über 14 Jahren betreffen, an die Konkretisierung einzelner Handlungsabläufe größere Anforderungen zu stellen als bei Tatserien zu Lasten von Kindern.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 14. August 2023 wird

a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II. 9 der Urteilsgründe verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last,

b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in acht Fällen, davon in fünf Fällen in kinderpornographischer Absicht und in Tateinheit mit Herstellen kinderpornographischer Inhalte, sowie des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen in sechs Fällen schuldig ist.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in neun Fällen (Fälle II. 1 bis II. 9 der Urteilsgründe) sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen in sechs Fällen (II. 10 bis II. 15 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zur Einstellung des Verfahrens im Fall II. 9 der Urteilsgründe gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 StPO, zu einer entsprechenden Anpassung des Schuldspruchs und im Weiteren zu einer Änderung des Schuldspruchs in den Fällen II. 1 bis II. 8 der Urteilsgründe. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

1. Die Jugendkammer hat den Angeklagten in den Fällen II. 1 bis II. 9 der Urteilsgründe wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 Abs. 1 Nr. 1 StGB i.d.F. vom 16. Juni 2021 verurteilt und hierzu folgende Feststellungen getroffen:

a) Am 26. Mai 2022 befanden sich der Angeklagte, der damals 13-jährige J. (geboren am 10. Juli 2008) und der 14-jährige S. (geboren am 21. Juli 2007), hinsichtlich dessen die Strafkammer sowohl in diesem wie auch in den folgenden Fällen gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 StPO die Verfolgung beschränkt hat, in der Wohnung des Angeklagten. Der Angeklagte manipulierte mit einem Massagestab an den Genitalien der beiden Jungen. Er fasste mit der Hand an den Penis von J. Im Weiteren manipulierten die beiden Jungen mit einem Massagestab am Genital des Angeklagten und anschließend dieser erneut an deren Genitalien (Fall II. 1 der Urteilsgründe).

b) Zu einem späteren Zeitpunkt am gleichen Tag befanden sich der Angeklagte, J. und S. wiederum auf dem Sofabett in der Wohnung des Angeklagten. Auf dessen Zeichen manipulierte J. mit seinem Fuß an dem mit einer Unterhose bekleideten Genital des Angeklagten (Fall II. 2 der Urteilsgründe).

c) Am 3. April 2022 manipulierten die beiden Jungen auf dem Sofabett in der Wohnung des Angeklagten mit den Händen teilweise abwechselnd und teilweise gemeinschaftlich am Penis des Angeklagten bis zum Samenerguss (Fall II. 3 der Urteilsgründe).

d) Am 12. März 2022 manipulierten sie auf dem Sofabett des Angeklagten mit einem Werkzeug an dessen Penis bis zum Samenerguss (Fall II. 4 der Urteilsgründe).

e) Am 13. März 2022 manipulierten sie erneut in der Wohnung des Angeklagten an dessen Penis bis zum Samenerguss (Fall II. 5 der Urteilsgründe). Der Angeklagte fertigte in den Fällen II. 1 bis II. 5 der Urteilsgründe heimlich Videoaufnahmen der sexuellen Handlungen, die er abspeicherte.

f) Darüber hinaus kam es in der Zeit von Juli 2021 bis zum 9. Juli 2022 in mindestens drei weiteren Fällen in der Wohnung des Angeklagten zu weiteren sexuellen Handlungen des J., bei denen dieser am Geschlechtsteil des Angeklagten manipulierte (Fälle II. 6 bis II. 8 der Urteilsgründe).

g) Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt zwischen März 2021 und Oktober 2022 fasste der Angeklagte dem am 20. Mai 2010 geborenen Geschädigten B. in seiner Wohnung in sexueller Motivation mit der Hand an dessen bekleidetes Genital (Fall II. 9 der Urteilsgründe).

2. In den Fällen II. 10 bis II. 15 der Urteilsgründe hat die Jugendkammer den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen gemäß § 182 Abs. 2 StGB verurteilt und hierzu folgende Feststellungen getroffen:

a) Am 3. September 2022 befanden sich die Geschädigten S. und M. (geboren am 2. August 2008) in der Wohnung des Angeklagten. Dieser signalisierte den Jugendlichen, dass er sie zu einem Lichterfest nach S. fahren werde, wenn sie ihn zuvor sexuell befriedigten. Daraufhin manipulierte S. auf dem Schlafsofa am Penis des Angeklagten bis zum Samenerguss. Das Versprechen des Fahrdienstes war hier, ebenso in den folgenden fünf Fällen, bestimmend für die Vornahmen der sexuellen Handlungen, was dem Angeklagten bewusst war. Als Belohnung fuhr der Angeklagte die Jugendlichen nach S. (Fall II. 10 der Urteilsgründe).

b) Einige Tage nach dem 3. September 2022 befanden sich S. und M. wiederum in der Wohnung des Angeklagten. Erneut manipulierte S. am Penis des Angeklagten, um als Belohnung hierfür mit M. nach E. gefahren zu werden, was dem Angeklagten auch bewusst war (Fall II. 11 der Urteilsgründe).

c) In der Zeit von August bis Oktober 2022 manipulierte S. in mindestens vier Fällen in der Wohnung des Angeklagten an dessen Penis, um zur Belohnung nach M., E., S. und L. gefahren zu werden. Auch dies war dem Angeklagten bewusst und von ihm beabsichtigt (Fälle II. 12 bis II. 15 der Urteilsgründe).

II.

Das Rechtsmittel des Angeklagten führt zur Einstellung des Verfahrens im Fall II. 9 der Urteilsgründe gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 StPO, einer entsprechenden Schuldspruchanpassung sowie zu einer Schuldspruchverschärfung in den Fällen II. 1 bis II. 8 der Urteilsgründe. Im Übrigen ist es unbegründet.

1. Die erhobene Verfahrensrüge bleibt aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg.

2. Auf Antrag des Generalbundesanwalts stellt der Senat das Verfahren hinsichtlich des Falls II. 9 der Urteilsgründe aus prozessökonomischen Erwägungen gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 StPO ein.

a) Die Strafkammer hat ihre Verurteilung und Strafzumessung in diesem Fall auf § 176 Abs. 1 StGB in der seit 1. Juli 2021 geltenden Fassung gestützt, obwohl die Neuregelung erst innerhalb des von ihr festgestellten Tatzeitraums - März 2021 bis Oktober 2022 - in Kraft trat. Insoweit führt der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend aus:

„Es ist nicht auszuschließen, dass die Kammer bei Kenntnis der Rechtslage zugunsten des Angeklagten von einem Tatzeitpunkt vor dem 1. Juli 2021 ausgegangen wäre und daher gemäß § 2 Abs. 3 StGB den Strafrahmen der alten Gesetzesfassung (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren statt nunmehr Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr) zugrunde gelegt hätte. Insoweit entfällt eine Beschwer des Angeklagten auch nicht etwa deshalb, weil die Kammer übersehen hat, dass es sich bei dem sexuellen Missbrauch im Fall II. 9 der Urteilsgründe um eine Wiederholungstat im Sinn des § 176c Abs. 1 Nr. 1 StGB (bzw. § 176a Abs. 1 StGB in der bis zum 30. Juni 2021 geltenden Fassung) handelt […]. Zwar entspricht der Strafrahmen des § 176a Abs. 1 StGB a.F. (Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr) dem von der Kammer angewandten Strafrahmen (siehe UA S. 25), indes ist nicht gänzlich auszuschließen, dass das Gericht bei Anwendung des früheren Rechts einen minder schweren Fall im Sinne des § 176a Abs. 4 StGB a.F. angenommen und daher einen Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe zugrunde gelegt hätte […].“

b) Der weitergehenden Anregung des Generalbundesanwalts, das Verfahren auch in den Fällen II. 6 bis II. 8 der Urteilsgründe mit Blick auf eine möglicherweise unzureichende Konkretisierung dieser Taten gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 StPO einzustellen, folgt der Senat nicht. Die von der Jugendkammer getroffenen Feststellungen genügen noch den Anforderungen an die Konkretisierung von Serientaten bei sexuellem Missbrauch von Kindern.

aa) Bei der Aburteilung in Serie begangener sexueller Missbrauchshandlungen dürfen zur Vermeidung unvertretbarer Strafbarkeitslücken an die Individualisierung der einzelnen Taten im Urteil keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden, da eine Konkretisierung der jeweiligen Straftaten nach genauer Tatzeit und exaktem Geschehensablauf oft nicht möglich ist. Das Tatgericht muss sich aber in objektiv nachvollziehbarer Weise zumindest die Überzeugung verschaffen, dass es in einem gewissen Zeitraum zu einer bestimmten Mindestzahl von Straftaten gekommen ist. Entscheidend ist dabei, dass das Gericht von jeder einzelnen individuellen Straftat, die es aburteilt, überzeugt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 1996 - 3 StR 518/95, BGHSt 42, 107, 109 f.). Ist eine Individualisierung einzelner Taten mangels Besonderheiten im Tatbild oder der Tatumstände nicht möglich, sind zumindest die Anknüpfungspunkte zu bezeichnen, anhand derer das Tatgericht den Tatzeitpunkt eingegrenzt hat und auf die sich seine Überzeugung von der Mindestzahl und der Begehungsweise der Missbrauchstaten des Angeklagten in diesem Zeitraum gründet (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juni 2001 - 3 StR 166/01, StV 2002, 523 mwN). Dabei sind grundsätzlich bei Verurteilungen, die den sexuellen Missbrauch von Geschädigten über 14 Jahren betreffen, an die Konkretisierung einzelner Handlungsabläufe größere Anforderungen zu stellen als bei Tatserien zu Lasten von Kindern (vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 1996 - 3 StR 518/95, aaO S. 110).

bb) Hieran gemessen erreichen die Feststellungen noch den erforderlichen Konkretisierungsgrad. Die Jugendkammer hat den Tatort, die Tatzeit, die Beteiligten sowie die Modalitäten des sexuellen Übergriffs festgestellt. Hinsichtlich der Anzahl handelt es sich um eine Mindestschätzung. Zwar wird in den Urteilsgründen nicht explizit dargestellt, worauf diese basiert. Der Angeklagte hat allerdings auch die Anzahl der Taten ausdrücklich zugestanden, wobei von den festgestellten mindestens acht Taten fünf videografiert sind.

3. Die Überprüfung des Schuldspruchs in den Fällen II. 1 bis II. 8 sowie II. 10 bis II. 15 der Urteilsgründe hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Hingegen weist der Schuldspruch in den Fällen II. 1 bis II. 8 der Urteilsgründe, worauf der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend hinweist, den Angeklagten begünstigende Rechtsfehler auf. Dies führt neben der aufgrund der Einstellung gebotenen Anpassung des Schuldspruchs zu dessen Verschärfung. Im Einzelnen:

a) Auf der Grundlage der Feststellungen stellen sich die Taten in den Fällen II. 1 bis II. 8 der Urteilsgründe zunächst als schwerer sexueller Missbrauch von Kindern in kinderpornographischer Absicht dar.

aa) Der Angeklagte hat jeweils den Qualifikationstatbestand des § 176c Abs. 1 Nr. 1 StGB verwirklicht, weil er die Taten innerhalb von fünf Jahren nach einer einschlägigen Vorverurteilung beging. Zeiten, in denen er auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt wurde, bleiben dabei außer Betracht (§ 176c Abs. 4 Satz 1 StGB). Danach ist hier maßgeblich, dass der Angeklagte durch das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 7. November 2014 wegen mehrerer Missbrauchstaten verurteilt wurde und sich anschließend bis zum 13. März 2020 in Untersuchungs- bzw. Strafhaft befand. Die Taten in den Fällen II. 1 bis II. 8 der Urteilsgründe beging er innerhalb von fünf Jahren nach seiner Entlassung.

bb) Zusätzlich hat der Angeklagte in den Fällen I. 1 bis II. 5 der Urteilsgründe den Qualifikationstatbestand des § 176c Abs. 2 StGB (schwerer sexueller Missbrauch von Kindern in kinderpornographischer Absicht) verwirklicht. Dieser setzt voraus, dass der Täter oder Teilnehmer des Missbrauchs in der Absicht handelt, die Tat zum Gegenstand eines pornographischen Inhalts (§ 11 Abs. 3 StGB) zu machen, der nach § 184b Abs. 1 oder Abs. 2 StGB verbreitet werden soll. Das Merkmal des „Verbreitens“ ist dabei weiter als in § 184b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB und erfasst sämtliche in § 184b Abs. 1 und Abs. 2 StGB aufgeführten Tathandlungen (vgl. zu § 176a Abs. 3 StGB a.F. BGH, Urteil vom 28. April 2021 - 2 StR 47/20, BGHSt 66, 105, 111). Da die Tatvariante des Herstellens eines kinderpornographischen Inhalts (§ 184b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB) keine weitergehende Verwendungsabsicht voraussetzt, erfüllt ein Beteiligter der Missbrauchstat den Qualifikationstatbestand des § 176c Abs. 2 StGB bereits dann, wenn er den betreffenden Inhalt ausschließlich für den Eigengebrauch anfertigt (vgl. LK-StGB/Hörnle, 13. Aufl., § 176c Rn. 56). Somit ist es in den Fällen II. 1 bis II. 5 der Urteilsgründe ausreichend, dass der Angeklagte das Tatgeschehen jeweils mittels einer „Minikamera“ aufzeichnete.

cc) Hierdurch hat er in den Fällen II. 1 bis II. 5 der Urteilsgründe jeweils tateinheitlich das Verbrechen des Herstellens eines kinderpornographischen Inhalts gemäß § 184b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB begangen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2023 - 3 StR 123/23, juris Rn. 14; vgl. auch zu § 176a Abs. 3 StGB a.F. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2020 - 2 StR 321/19, juris Rn. 26 f.).

b) Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ab.

aa) Der Einstellungsantrag des Generalbundesanwalts in den Fällen II. 6 bis II. 8 der Urteilsgründe steht der Schuldspruchänderung und einer Entscheidung im Beschlusswege nicht entgegen. Denn die Revision des Angeklagten hat auch nach der Auffassung des Generalbundesanwalts im Ergebnis keinen Erfolg (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Juli 2000 - 2 StR 243/00; vom 23. Juli 2015 - 1 StR 279/15, wistra 2015, 476; vom 11. November 2021 - 4 StR 134/21, StV 2023, 538, 540; jew. mwN).

bb) Auch § 265 Abs. 1 StPO hindert die Änderung des Schuldspruchs nicht, da sich der geständige Angeklagte hiergegen nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

cc) Das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO steht der Verböserung des Schuldspruchs ebenfalls nicht entgegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Februar 2020 - 3 StR 313/19, wistra 2020, 286; vom 4. August 2020 - 3 StR 132/20, NJW 2021, 869, 871).

4. Die Überprüfung der Einzelstrafen in den Fällen II. 1 bis II. 8 und II. 10 bis II. 15 der Urteilsgründe hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die Einstellung im Fall II. 9 der Urteilsgründe und der damit verbundene Wegfall der Einzelstrafe in Höhe von einem Jahr und sechs Monaten lässt die Gesamtfreiheitsstrafe unberührt. Der Senat kann angesichts der verbleibenden acht Einzelstrafen von jeweils zwei Jahren und zehn Monaten sowie sechs Einzelstrafen von jeweils einem Jahr und sechs Monaten ausschließen, dass die Jugendkammer bei Wegfall einer Einzelstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf eine niedrigere Gesamtfreiheitstrafe erkannt hätte. Hinzu kommt, dass die Jugendkammer - wie dargelegt - in den Fällen II. 1 bis II. 8 der Urteilsgründe den Anwendungsbereich der § 176c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 (Fälle II. 1 bis II. 8 der Urteilsgründe), § 176c Abs. 2, § 184b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB (Fälle II. 1 bis II. 5 der Urteilsgründe) verkannt und daher zugunsten des Angeklagten jeweils einen zu niedrigen Strafrahmen zugrunde gelegt hat.

5. Auch die nach § 66 Abs. 1 StGB obligatorische Anordnung der Sicherungsverwahrung ist aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts in sachlich-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.

6. Die verbleibende Kostenentscheidung basiert auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 832

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede