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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1324

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 484/23, Beschluss v. 02.07.2024, HRRS 2024 Nr. 1324


BGH 2 StR 484/23 - Beschluss vom 2. Juli 2024 (LG Köln)

Handeltreiben mit Cannabis; Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.

§ 34 KCanG; § 29a BtMG

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 14. August 2023, soweit es ihn betrifft,

a) abgeändert

aa) im Schuldspruch dahin, dass der Angeklagte wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln, Besitz einer verbotenen vollautomatischen Schusswaffe, Handeltreibens mit Cannabis und Besitzes von Cannabis sowie wegen des Besitzes von Betäubungsmitteln schuldig ist,

bb) in der Einziehungsentscheidung dahin, dass die erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 10.010 € angeordnet wird; die weitergehende erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 5.580 € entfällt,

b) aufgehoben im Strafausspruch.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit Besitz einer vollautomatischen Selbstladepistole zum Verschießen von Patronenmunition sowie wegen Besitzes von Betäubungsmitteln“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt, von denen sechs Monate als vollstreckt gelten. Ferner hat es die „erweiterte Einziehung von Taterträgen“ in Höhe von 15.590 € angeordnet. Die auf eine Verfahrensrüge und die ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.

I.

Nach den Feststellungen verfügte der Angeklagte am 1. Juli 2018 in einer unbewohnten Wohnung im Erdgeschoss des Gebäudes M. Straße in L. über 11,6 Gramm Kokain (Wirkstoffgehalt 8,53 Gramm KHC) und 1.626,84 Gramm Marihuana (Wirkstoffgehalt 232,63 Gramm THC). Von dem Kokain waren 4 Gramm und von dem Marihuana 100 Gramm für den Eigenkonsum vorgesehen. Die verbleibenden Mengen dienten dem gewinnbringenden Weiterverkauf. In seiner Wohnung im ersten Obergeschoss im selben Gebäude besaß der Angeklagte ein weiteres Gramm Kokain und 12,24 Gramm Marihuana; beides war ebenfalls für den Eigenkonsum bestimmt. Zudem verwahrte er auf einem Sideboard eine funktionstüchtige vollautomatische Selbstladepistole im Kaliber 9 Millimeter auf (Fall 1 der Urteilsgründe).

Anlässlich einer weiteren Durchsuchung am 26. November 2018 besaß der Angeklagte in seiner Wohnung 0,43 Gramm Kokain und 19,05 Gramm Marihuana (Fall 2 der Urteilsgründe).

II.

Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.

1. Die auf eine Verletzung des § 261 StPO gestützte Inbegriffsrüge ist bereits unzulässig, weil das aus Sicht der Revision rechtsfehlerhaft gewürdigte Schreiben einer Krankenkasse in der elektronisch übersandten Revisionsbegründung nicht lesbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 3. Oktober 1984 - 2 StR 166/84, BGHSt 33, 44, 45). Im Übrigen ist die Rüge aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts auch unbegründet.

2. Die auf die Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils führt zu der durch das Inkrafttreten des Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 27. März 2024 (BGBl. 2024 Nr. 109) erforderlich gewordenen Neufassung des Schuldspruchs und in dessen Folge zur Aufhebung des Strafausspruchs. Darüber hinaus hat die Einziehungsentscheidung nur teilweise Bestand.

a) Die revisionsrechtliche Nachprüfung des Schuldspruchs hat gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO als im konkreten Fall milder nach Maßgabe des am 1. April 2024 in Kraft getretenen Konsumcannabisgesetzes zu erfolgen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. April 2024 - 1 StR 106/24, NJW 2024, 1968, 1969).

aa) Das vom Landgericht festgestellte Tatgeschehen stellt sich im Fall 1 der Urteilsgründe nunmehr als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG (7,6 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 5,56 Gramm KHC) in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG an weiteren 5 Gramm Kokain zum Eigenkonsum (vgl. zum Konkurrenzverhältnis BGH, Beschluss vom 8. Januar 2015 - 2 StR 252/14, BGHR BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 2 Konkurrenzen 2; BeckOK BtMG/Becker, 23. Ed., § 29a Rn. 32) und dem gemäß § 51 Abs. 1 WaffG verbotenen Besitz einer vollautomatischen Schusswaffe (vgl. zur Tenorierung Pauckstadt-Maihold/Lutz in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 251. EL, WaffG, § 51 Rn. 10; B. Heinrich in Steindorf, WaffG, 11. Aufl., § 51 Rn. 16) sowie dem Handeltreiben mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG (1.626,84 Gramm Marihuana) und dem Besitz von Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b KCanG im Hinblick auf die weiteren 112,4 Gramm Marihuana dar. Tatmehrheitlich hierzu ist der Angeklagte im Fall 2 der Urteilsgründe des Besitzes von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG (0,43 Gramm Kokain zum Eigenkonsum) schuldig. Für den weitergehenden Besitz von 12,24 Gramm Marihuana zum Eigenkonsum ist die Sanktionierung entfallen, weil die Menge nicht unter den Straf- oder Ordnungswidrigkeitentatbestand fällt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. April 2024 - 6 StR 24/24, Rn. 6; vom 6. Mai 2024 - 5 StR 550/23, Rn. 9 und vom 7. Mai 2024 - 5 StR 30/24, Rn. 5).

Der Senat stellt den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 354a StPO um. Die Regelung des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

bb) Die Anwendung der gesetzlichen Neuregelung führt zur Aufhebung der beiden Einzelstrafen und des Gesamtstrafenausspruchs. Der Senat kann in beiden Fällen angesichts des veränderten Schuldumfangs nicht ausschließen, dass die Strafkammer unter Anwendung des Konsumcannabisgesetzes niedrigere Einzel- und eine mildere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte.

b) Die erweiterte Einziehung hat in Höhe von 5.580 € keinen Bestand.

aa) Nach den Feststellungen verfügte der Angeklagte anlässlich eines polizeilichen Einsatzes am 20. Februar 2019 in seinen beiden Hosentaschen über einen Betrag von insgesamt 5.580 €. Hierbei handelte es sich um Bargeld aus Betäubungsmittelgeschäften, wobei die Strafkammer ausschließen konnte, dass dieser Betrag aus den angeklagten bzw. nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellten Taten stammte.

bb) Diese Feststellungen tragen die erweitere Einziehung des sichergestellten Betrages nicht.

(1) Zwar hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei festgestellt, dass dieser Gegenstand aus nicht näher konkretisierbaren rechtswidrigen Taten stammte. Sie hat jedoch übersehen, dass die erweiterte Einziehung von aus nicht verfahrensgegenständlichen Taten erlangten Gegenständen (§ 73a Abs. 1 StGB) voraussetzt, dass diese Vermögenswerte bei der Begehung der Anknüpfungstat im Vermögen des Angeklagten gegenständlich vorhanden waren (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. März 2021 - 5 StR 447/20, Rn. 8 ff.; vom 20. Dezember 2022 - 4 StR 221/22, Rn. 6 und vom 27. März 2024 - 2 StR 501/23, Rn. 5; kritisch BGH, Beschluss vom 27. Juli 2023 - 3 StR 132/23, Rn. 13 ff.).

(2) An einem solchen zeitlichen Zusammenhang zwischen den urteilsgegenständlichen Taten und der Sicherstellung der 5.580 € fehlt es. Der Angeklagte hat die letzte abgeurteilte Anlasstat (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2022 - 4 StR 221/22, Rn. 8) am 26. November 2018 begangen; die Sicherstellung des Betrages erfolgte erst am 20. Februar 2019. Ansatzpunkte, dass er über den in seinen Hosentaschen sichergestellten Geldbetrag bereits am 26. November 2018 verfügte, sind nicht festgestellt. Der Senat schließt aus, dass insoweit ergänzende Feststellungen möglich sind, und lässt die erweiterte Einziehung dieses Betrages entfallen.

c) Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

3. Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung. Die zum Strafausspruch gehörigen Feststellungen werden von der aufgrund der Gesetzesänderung notwendigen Aufhebung des Strafausspruchs nicht berührt und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO); sie können durch solche ergänzt werden, die den bisher getroffenen nicht widersprechen.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1324

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede