HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 544
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 249/23, Beschluss v. 20.02.2024, HRRS 2024 Nr. 544
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 9. Februar 2023 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln in sieben Fällen und wegen schwerer Brandstiftung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Außerdem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Schließlich hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die nicht ausgeführte Verfahrensrüge und die allgemeine Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Maßregelentscheidung. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
1. Der Angeklagte betrieb Handel mit Betäubungsmitteln, um sich eine laufende Einnahmequelle zu verschaffen und auch um seinen Eigenkonsum zu finanzieren. Dazu erwarb er Amphetamin von dem gesondert verfolgten M. zum Weiterverkauf und entnahm der erworbenen Betäubungsmittelmenge jeweils etwa 30 g für seinen Eigenkonsum. Im Oktober und November 2017 veräußerte er in zwei Fällen jeweils knapp 500 g Amphetamin, das er von M. gekauft hatte, an den gesondert verfolgten H. gegen Zahlung von 1.000 €. Am 20. Mai, 3. Juni, 12. Juli, 29. Juli und 29. August 2018 verkaufte er jeweils knapp 1 kg Amphetamin an die gesondert verfolgte A. gegen Zahlung von 1.500 € pro Lieferung. Die Schuldfähigkeit des Angeklagten war bei diesen Drogengeschäften nicht erheblich beeinträchtigt.
2. Am 11. Oktober 2018 erfuhr der Angeklagte, dass sein Bekannter Ma. sich bei seiner Freundin P. aufhielt. Er war eifersüchtig und schickte dem Geschädigten Sprachnachrichten, in denen er ankündigte, dessen Bauwagen anzuzünden und ihn zu verprügeln. Auch drohte er mit Gewaltanwendung gegen Dritte. Schließlich kündigte er an, die Polizei über einen Drogenkonsum der Zeugin P. zu informieren. Zusammen mit weiteren Personen erschien er vor deren Wohnung und forderte Ma. dazu auf, herauszukommen, was dieser aber nicht tat. Darauf folgten weitere Sprachnachrichten des Angeklagten mit Drohungen und Beleidigungen. Anschließend begab sich der Angeklagte mit den gesondert verfolgten J. und B. zu dem als Wohnwagen umfunktionierten Bauwagen des Geschädigten. Nachdem die Täter erfolglos versucht hatten, den Wagen umzuwerfen, setzten sie ihn in Brand. Der Angeklagte hatte an diesem Tattag Bier, Amphetamin und Cannabis konsumiert.
Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht ausgeführt und daher unzulässig. Die Sachrüge ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO, soweit sie sich gegen den Schuldspruch, den Strafausspruch und die Einziehungsentscheidung richtet. Sie führt aber zur Aufhebung des Maßregelausspruchs.
1. Die Maßregelanordnung ist an der Neufassung des § 64 StGB durch Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Überarbeitung des Sanktionenrechts - Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt vom 26. Juli 2023 (BGBl. I Nr. 203) zu messen; denn gemäß § 2 Abs. 6 StGB sind Maßregeln der Besserung und Sicherung nach dem Gesetz anzuordnen, das zur Zeit der Entscheidung gilt und eine den Maßregelausspruch betreffende Gesetzesänderung ist nach § 354a StPO auch vom Revisionsgericht zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteile vom 18. Oktober 2023 - 1 StR 214/23; vom 13. Dezember 2023 - 6 StR 142/23; vom 17. Januar 2024 - 5 StR 339/23; vom 11. Januar 2024 - 3 StR 280/23).
2. Diesen Anforderungen, die das Landgericht zum Zeitpunkt seiner Urteilsfassung noch nicht zu beachten hatte, werden die Erwägungen zu der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nicht gerecht.
a) Das Landgericht hat zwar Feststellungen zum Drogen- und Alkoholkonsum des Angeklagten getroffen. Daraus allein sind aber die Kriterien für das Vorliegen eines Hangs des Angeklagten zum Rauschmittelkonsum im Übermaß im Sinne einer Substanzkonsumstörung nicht zu entnehmen. Dasselbe gilt für festgestellte Schicksalsereignisse, wie die seelische Belastung des Angeklagten durch den Tod des Großvaters oder die Trennung der Eltern als Ursachen für eine posttraumatische Belastungsstörung und eine Anpassungsstörung. Eine dauerhafte gesundheitliche Beeinträchtigung des Angeklagten durch den Konsum von Alkohol oder Drogen ist den Urteilsgründen demgegenüber nicht zu entnehmen. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass es bei dem Angeklagten in der Haft „zu keinen wesentlichen Entzugserscheinungen“ kam. Der Hinweis auf ein „Abhängigkeitssyndrom“ zur Tatzeit, das nach Ansicht der Strafkammer zurzeit der Hauptverhandlung nicht überwunden zu sein schien, weil dies allgemein selten vorkomme, und die Bemerkung des Angeklagten bei der Haftprüfung „etwas tun zu müssen“, ergeben keinen ausreichenden Beleg für das Vorliegen einer therapiebedürftigen Substanzkonsumstörung im Urteilszeitpunkt.
b) Eine überwiegende Ursächlichkeit des Hangs für die Begehung der abgeurteilten Taten ist den bisherigen Feststellungen ebenfalls nicht klar zu entnehmen. Für das Brandstiftungsdelikt hat die Strafkammer einen symptomatischen Zusammenhang bereits nach dem damaligen rechtlichen Maßstab nicht als sicher angesehen. Hinsichtlich der Betäubungsmitteldelikte hat sie angemerkt, dass diese „auch“ zur Finanzierung des eigenen Drogenkonsums des Angeklagten gedient haben. Das reicht nicht aus zur Feststellung einer überwiegenden Verursachung jener Taten durch den Hang.
c) Im Übrigen würden die Ausführungen der Strafkammer zur hinreichend konkreten Erfolgsaussicht dem Senat keine abschließende Entscheidung dahin gestatten, dass die Maßregelanordnung unbeschadet der Gesetzesänderung begründet ist. Aus einer erklärten Therapiebereitschaft allein kann nicht der Schluss gezogen werden, dass ein erfolgreicher Abschluss der Therapie zu erwarten ist. Der Angeklagte hat sich zudem nicht ohne Einschränkung dazu bereiterklärt.
3. Die Frage der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bedarf somit erneuter Prüfung und Entscheidung. Der Senat hebt die zugehörigen Feststellungen auf, um dem Tatgericht widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Dezember 2023 - 2 StR 365/23; vom 2. Januar 2024 - 5 StR 512/23; vom 2. Januar 2024 - 5 StR 545/23).
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 544
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede