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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 789

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 192/23, Beschluss v. 14.03.2024, HRRS 2024 Nr. 789


BGH 2 StR 192/23 - Beschluss vom 14. März 2024 (LG Frankfurt am Main)

Fälschung beweiserheblicher Daten (Stellvertretung: eBay, Zugangsdaten, Aussteller, Gedankenerklärung, Anmeldung mit einem bestehenden Nutzerkonto, unechte Urkunde, Verkaufsangebot, Vertretungsmacht, Identitätstäuschung, Datenurkunde; Urteilsgründe: Tatsachenmitteilung, Daten, Beweiserheblichkeit, Scan, Lichtbild, Zurechenbarkeit); Mittäterschaft; Betrug; Urkundenfälschung (schriftliche Lüge; Bestellung).

§ 269 StGB; § 25 Abs. 2 StGB; § 263 StGB; § 267 StGB; § 267 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Nach § 269 Abs. 1 StGB ist erforderlich, dass bei unterstellter visueller Wahrnehmbarkeit eine unechte oder verfälschte Urkunde vorliegen würde. Eine Urkunde ist unecht, wenn sie über den Aussteller täuscht, eine echte Urkunde ist verfälscht, wenn ihre gedankliche Erklärung so verändert wurde, dass der geänderte Inhalt nicht mehr von dem scheinbaren Aussteller herrührt. Nach einer bloßen Anmeldung mit einem bestehenden Nutzerkonto liegt keine unechte oder verfälschte Urkunde vor, da weder über die Ausstellereigenschaft getäuscht noch eine veränderte gedankliche Erklärung abgegeben wird.

2. Im Grundsatz besteht eine Strafbarkeit nach § 269 StGB, wenn der Täter über online-Plattformen an einen Geschädigten unter dem Namen eines Dritten ein konkretes Verkaufsangebot macht, ohne dazu von dem Dritten bevollmächtigt zu sein. Im Falle der Stellvertretung scheidet eine Strafbarkeit nach § 269 StGB bereits tatbestandlich aus, da bei einem Handeln unter fremdem Namen keine Identitätstäuschung vorliegt. Handelt der Erklärende dagegen ohne Vertretungsmacht, kann der Tatbestand des § 269 Abs. 1 StGB erfüllt sein. Die Erklärung über den Vertragspartner stellt eine beweiserhebliche Tatsache dar. Die Datenurkunde ist im Falle des Fehlens von Vertretungsmacht auch unecht, da über den Aussteller getäuscht wird.

3. Unter den Begriff der Daten im Sinne des § 269 StGB fallen zunächst elektronisch gespeicherte Informationen, auch solche, die magnetisch oder sonst nicht sichtbar oder unmittelbar lesbar gespeichert sind. Im Falle der visuellen Wahrnehmbarkeit ist ein Fall des § 267 StGB gegeben. Beweiserheblich sind die Daten, wenn sie geeignet und bestimmt sind, bei einer Verarbeitung im Rechtsverkehr als Beweisdaten für rechtlich erhebliche Tatsachen benutzt zu werden.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 20. Juli 2022 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

a) soweit es den Angeklagten und den Nichtrevidenten Y. betrifft - in den Fällen II.1, II.2, II.4, II.7 bis II.9 sowie II.11 bis II.16 der Urteilsgründe - im Ausspruch über die Gesamtstrafe und - im Einziehungsausspruch in Höhe der gesamtschuldnerischen Haftung über 191.326,44 €

b) soweit es den Angeklagten betrifft zudem in den Einzelstrafaussprüchen zu den Fällen II.3, II.5, II.6, II.10, II.17 und II.18 der Urteilsgründe.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten S. unter Freisprechung im Übrigen wegen Betrugs in 17 Fällen, davon in zehn Fällen in Tateinheit mit Fälschung beweiserheblicher Daten und in zwei Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Zudem hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 191.326,44 €, in diesem Umfang gemeinschaftlich haftend mit dem Nichtrevidenten Y., angeordnet. Die auf Verfahrensbeanstandungen und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilaufhebung, die in dem aus der Entscheidungsformel ersichlichen Umfang auf den Nichtrevidenten Y. zu erstrecken ist (§ 357 StPO). Im Übrigen erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Das Landgericht hat - soweit hier von Bedeutung - folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

1. Der Angeklagte und der Nichtrevident Y. kamen überein, über Handelsplattformen im Internet Betrugsstraftaten zu begehen, indem sie entweder tatsächlich nicht vorhandene Gegenstände verkauften (Fälle II.1 und II.2 der Urteilsgründe) oder Waren unter Vortäuschung der Zahlungsbereitschaft ankauften, um diese anschließend zu veräußern (Fälle II.4, II.9, II.11 bis II.16 der Urteilsgründe). Der Angeklagte stellte dafür entweder seine eigenen Account- und Kontodaten oder die anderer Personen - jeweils mit deren Kenntnis - dem Nichtrevidenten Y. in dem Wissen zur Verfügung, dass diese zur Begehung von Straftaten verwendet würden. Der Nichtrevident Y. gab die vom Angeklagten erhaltenen Daten an den anderweitig verfolgten B. weiter, der mittels Computerprogrammen gefälschte Überweisungsträger erstellte. Der Angeklagte hatte jedoch von der Beteiligung des B. keine Kenntnis. In diesen zehn Fällen hat das Landgericht den Angeklagten wegen Betruges (§ 263 StGB) in Tateinheit mit Fälschung beweiserheblicher Daten (§ 269 StGB) verurteilt und im Einzelnen festgestellt:

a) Der Nichtrevident Y. täuschte über das Internetportal eBay vor, dem Geschädigten R. unter Verwendung der Personalien, der Bankdaten und des Accounts der Mutter des Angeklagten elf tatsächlich nicht vorhandene Goldmünzen zu verkaufen (Fall II.1 der Urteilsgründe). Der Geschädigte überwies den Kaufpreis in Höhe von 9.185 € auf das Konto der Mutter, nachdem ihm B. eine vom Geschädigten verlangte Ablichtung des Personalausweises und der Bankkarte der Mutter zur Verfügung gestellt hatte. Der Angeklagte hob hiervon 9.000 € ab und überwies den Betrag auf das Konto des Nichtrevidenten Y. .

b) B. und der Nichtrevident Y. spiegelten über das Internetportal eBay-Kleinanzeigen - wiederum unter Verwendung der Personalien, der Bankdaten und des Accounts der Mutter des Angeklagten - dem Geschädigten Sc. vor, ihm 18 tatsächlich nicht vorhandene Goldmünzen zu einem Preis von 8.750 € zu verkaufen (Fall II.2 der Urteilsgründe). Von dem vom Geschädigten auf das Konto seiner Mutter überwiesenen Betrag hob der Angeklagte insgesamt 4.000 € ab, weitere 3.500 € überwies er an Dritte.

c) In den Fällen II.4, II.9, II.11, II.12 und II.14 bis II.16 der Urteilsgründe kauften entweder der Nichtrevident Y. oder B. über die Internetplattformen eBay, eBay-Kleinanzeigen oder mobile.de, im Fall II.13 der Urteilsgründe unmittelbar beim Geschädigten, Gebrauchtwagen oder Elektrogeräte unter Vortäuschung ihrer Zahlungsbereitschaft. In sämtlichen Fällen übersandte B. an die Geschädigten in digitaler Form gefälschte Dokumente, namentlich einen „gefälschten Transaktionsbeleg“ (Fall II.4), „ein Lichtbild eines gefälschten online-Überweisungsbelegs“ (Fall II.9), einen „gefälschten Screenshot einer Überweisungsbestätigung“ (Fälle II.11 bis II.13), einen „gefälschten Überweisungsnachweis“ (Fälle II.14 und II.15) oder ein „Lichtbild über eine vermeintlich getätigte Überweisung“ (Fall II.16).

2. Der Angeklagte beantragte und erhielt gemeinsam mit dem gesondert verfolgten Ar. bei der „A.“ ein Darlehen über 50.722,53 € zur Finanzierung eines PKW Mercedes ML 63 AMG, der bei der „Au.“ erworben werden sollte (Fall II.7 der Urteilsgründe). Die Vertragsverhandlungen über Kauf und Finanzierung erfolgten über den Zeugen Ak., der damit seitens der „Au.“ betraut war. Um eine Kreditwürdigkeit des Angeklagten vorzutäuschen, erstellte dieser mit Wissen des Angeklagten einen fingierten Arbeitsvertrag, der ein tatsächlich nicht bestehendes Arbeitsverhältnis und ein höheres Einkommen als das vom Angeklagten tatsächlich erzielte auswies.

Wie von Anfang an beabsichtigt, zahlten der Angeklagte und Ar. die vereinbarten Dalehensraten nicht. Das erlangte und an die kreditgebende „A.“ sicherungsübereignete Fahrzeug verkauften der Angeklagte, der Nichtrevident Y. und Ar. über eBay-Kleinanzeigen an den Zeugen Br., wobei sie vorspiegelten, dass der Fahrzeugbrief nach Auslösung bei der Bank am nächsten Tag übersandt werde. Der Zeuge Br. veräußerte das Fahrzeug nach Osteuropa weiter. Anschließend verkaufte der Angeklagte das selbe Fahrzeug noch ein weiteres Mal an den Zeugen Sch., der den Wagen nie erhielt, gleichwohl aber den Kaufpreis in Höhe von 4.900 € zahlte.

Die Strafkammer hat den Angeklagten in diesem Fall wegen Betruges zum Nachteil der „A.“ verurteilt, wobei sie davon ausgegangen ist, dass die Inhaberin der Firma „A.“ über die Kreditwürdigkeit des Angeklagten sowie seine Bereitschaft zur Darlehensrückzahlung getäuscht wurde.

3. In Absprache mit dem Angeklagten tätigte der Nichtrevident Y. bei einem Versandhandel am 29. Oktober 2020 vier Bestellungen, wobei er hierzu Kundenkonten und die Kundennummer der Zeugin H. nutzte, die der Angeklagte zuvor in Erfahrung gebracht hatte (Fall II.8 der Urteilsgründe). Um in den Besitz der gelieferten Waren zu kommen, hatte der Angeklagte die Zeugin unter einem Vorwand gefragt, ob er Bestellungen zwecks Entgegennahme an sie übersenden lassen könnte. Dem stimmte die Zeugin zu und übergab dem Angeklagten im Folgenden die an sie gelieferten Sendungen. Dies hat die Strafkammer als Betrug zum Nachteil der Zeugin H. in Tateinheit mit Fälschung beweiserheblicher Daten gewertet.

II.

Die Revision des Angeklagten ist mit der Sachrüge teilweise begründet.

Während den Verfahrensrügen aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts der Erfolg versagt bleibt und die auf die Sachrüge gebotene umfassende Nachprüfung des angefochtenen Urteils zum Schuldspruch in den Fällen II.3, II.5, II.6, II.10 und II.17 der Urteilsgründe keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht hat, kann die Verurteilung des Angeklagten und des Nichtrevidenten Y. in den Fällen II.1, II.2, II.4, II.7 bis II.9 sowie II.11 bis II.16 der Urteilsgründe keinen Bestand haben (nachfolgend 1. bis 3.), ebenso wenig die den Angeklagten betreffenden Einzelstrafaussprüche in den Fällen II.3, II.5, II.6, II.10, II.17 und II.18 der Urteilsgründe (nachfolgend 5.), der Gesamtstrafenausspruch und die Einziehungsentscheidung in Höhe von 191.326,44 € (nachfolgend 4. und 6.).

1. Die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen Fälschung beweiserheblicher Daten (§ 269 StGB) in den Fällen II.1, II.2, II.4, II.9 sowie II.11 bis II.16 der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) In den Fällen II.1 und II.2 der Urteilsgründe bleibt nach den Feststellungen unklar, welche Kenntnis die Mutter des Angeklagten bei der Überlassung der Zugangsdaten hatte. Das lässt besorgen, dass das Landgericht nicht bedacht hat, dass ein Fall der Stellvertretung zum tatbestandlichen Ausschluss von § 269 StGB führt.

aa) Nach § 269 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer zu Täuschung im Rechtsverkehr beweiserhebliche Daten so speichert oder verändert, dass bei ihrer Wahrnehmung eine unechte oder verfälschte Urkunde vorliegen würde, oder derartige Daten gebraucht.

Die Zugangsdaten zu den betreffenden Konten bei eBay und eBay-Kleinanzeigen, bestehend aus Anmeldename und Passwort, sind Daten im Sinne des § 269 StGB (vgl. LK-StGB/Zieschang, 13. Aufl., § 269 Rn. 10 mwN). Zudem sind sie beweiserheblich, da sie im elektronischen Datenverkehr im Zusammenspiel mit weiteren (System-)Daten den Zugriff auf das Nutzerkonto ermöglichen (vgl. SK-StGB/Hoyer, 10. Aufl., § 269 Rn. 6; Gössel/Dölling, Strafrecht Besonderer Teil 1, 2. Aufl., § 52 Rn. 38). Aussteller der Daten in Fällen, in denen die Zugangsdaten zu Verkaufsplattformen vom Nutzer festgelegt werden, ist nach der Verkehrsauffassung in der Regel der jeweilige Nutzer des Accounts, dessen Dateneingabe ihn gegenüber der Plattform legitimiert. Er ist daher als der Erklärende im Rechtsverkehr anzusehen, da von ihm die Gedankenerklärung geistig herrührt (vgl. LK-StGB/Zieschang, 13. Aufl., § 269 Rn. 17 f.; a.A. SSW-StGB/Hilgendorf, 5. Aufl., § 269 Rn. 6).

bb) Allerdings erfüllt nicht bereits die Anmeldung auf dem Internetportal mit dem Namen eines Dritten den Straftatbestand des § 269 StGB. Zwar wird mit der Dateneingabe beim Anmelden eine in Form von Daten verkörperte beweiserhebliche Gedankenerklärung abgegeben, die den Dritten als Aussteller erkennen lässt. Nach § 269 Abs. 1 StGB ist jedoch erforderlich, dass bei unterstellter visueller Wahrnehmbarkeit eine unechte oder verfälschte Urkunde vorliegen würde. Eine Urkunde ist unecht, wenn sie über den Aussteller täuscht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 29. Juni 1994 - 2 StR 160/94, BGHSt 40, 203, 204 mwN), eine echte Urkunde ist verfälscht, wenn ihre gedankliche Erklärung so verändert wurde, dass der geänderte Inhalt nicht mehr von dem scheinbaren Aussteller herrührt (vgl. LK-StGB/Zieschang, 13. Aufl., § 267 Rn. 162; MüKo-StGB/Erb, 4. Aufl., § 267 Rn. 180; jeweils mwN). Nach einer bloßen Anmeldung mit einem bestehenden Nutzerkonto - anders als bei der Einrichtung eines Mitgliedskontos bei eBay unter Angabe falscher Personalien (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juli 2020 - 5 StR 146/19, NStZ 2021, 43, 45) - liegt keine unechte oder verfälschte Urkunde vor, da weder über die Ausstellereigenschaft getäuscht noch eine veränderte gedankliche Erklärung abgegeben wird.

cc) Hingegen besteht im Grundsatz eine Strafbarkeit nach § 269 StGB, wenn der Täter über online-Plattformen an einen Geschädigten unter dem Namen eines Dritten ein konkretes Verkaufsangebot macht, ohne dazu von dem Dritten bevollmächtigt zu sein. Im Falle der Stellvertretung scheidet eine Strafbarkeit nach § 269 StGB bereits tatbestandlich aus, da bei einem Handeln unter fremdem Namen keine Identitätstäuschung vorliegt (vgl. LK-StGB/Zieschang, 13. Aufl., § 269 Rn. 18). Handelt der Erklärende dagegen ohne Vertretungsmacht, kann der Tatbestand des § 269 Abs. 1 StGB erfüllt sein. Die Erklärung über den Vertragspartner stellt eine beweiserhebliche Tatsache dar (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juli 2020 - 5 StR 146/19, NStZ 2021, 43, 45 Rn. 33 ff.). Die Datenurkunde ist im Falle des Fehlens von Vertretungsmacht auch unecht, da über den Aussteller getäuscht wird.

dd) In den Fällen II.1 und II.2 der Urteilsgründe verhalten sich die Urteilsgründe nicht dazu, ob dem Angeklagten durch seine Mutter Vertretungsmacht (einschließlich der Ermächtigung zur Bestellung eines Untervertreters) eingeräumt war, obgleich nach den Feststellungen - insbesondere angesichts der Zugriffsmöglichkeiten auf das Empfängerkonto - nicht ausgeschlossen ist, dass die Mutter des Angeklagten nicht nur Kenntnis von den Straftaten hatte, sondern auch Vollmacht erteilt hat, von der gegenüber dem Vertragspartner Gebrauch gemacht wurde. Die Verurteilung wegen Fälschung beweiserheblicher Daten kann daher keinen Bestand haben. Dies zieht die Aufhebung der für sich gesehen rechtlich nicht zu beanstandenden Verurteilung wegen eines jeweils tateinheitlich begangenen Betruges nach sich (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 2. Februar 2005 - 2 StR 468/04, juris Rn. 28).

b) In den Fällen II.4, II.9 sowie II.11 bis II.16 der Urteilsgründe sind die der Verurteilung wegen Fälschung beweiserheblicher Daten nach § 269 Abs. 1 StGB zugrundeliegenden Feststellungen widersprüchlich und lückenhaft.

aa) Nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen, also das Tatgeschehen, mitteilen, in dem die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Dies muss in einer geschlossenen Darstellung aller äußeren und jeweils im Zusammenhang damit auch der dazugehörigen inneren Tatsachen in so vollständiger Weise geschehen, dass in den konkret angeführten Tatsachen der gesetzliche Tatbestand erkannt werden kann; denn nur dann kann das Revisionsgericht auf die Sachrüge prüfen, ob bei der rechtlichen Würdigung eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 8. März 2022 - 1 StR 483/21, juris Rn. 6).

bb) Nach diesem Maßstab belegen die Urteilsfeststellungen bereits nicht hinreichend, ob es sich bei den gegenständlichen Fälschungen um Datenurkunden im Sinne des § 269 Abs. 1 StGB handelte.

(1) Unter den Begriff der Daten fallen dabei zunächst elektronisch gespeicherte Informationen, auch solche, die magnetisch oder sonst nicht sichtbar oder unmittelbar lesbar gespeichert sind (vgl. MüKo-StGB/Erb, 4. Aufl., § 269 Rn. 13 ff.; LK-StGB/Zieschang, 13. Aufl., § 269 Rn. 8; BT-Drucks. 10/318 S. 33). Im Falle der visuellen Wahrnehmbarkeit ist ein Fall des § 267 StGB gegeben (vgl. LK-StGB/Zieschang, 13. Aufl., § 269 Rn. 9). Beweiserheblich sind die Daten, wenn sie geeignet und bestimmt sind, bei einer Verarbeitung im Rechtsverkehr als Beweisdaten für rechtlich erhebliche Tatsachen benutzt zu werden (BT-Drucks. 10/5058, S. 34; LK-StGB/Zieschang, 13. Aufl., § 269 Rn. 11).

(2) Daran gemessen lassen die Feststellungen die Beurteilung nicht zu, ob die jeweils versandten Belege unter den Datenbegriff fallen.

(a) Die Feststellungen dazu, welche Urkunde „gefälscht“ worden sein soll, sind bereits widersprüchlich. Während die Urteilsgründe einleitend feststellen, dass es Aufgabe des B. war, mittels Computerprogrammen gefälschte Überweisungsträger zu erstellen, heißt es zu den konkreten Fällen, dieser habe Überweisungsbelege (Transaktionsbeleg, Überweisungsbestätigung, Lichtbild über eine vermeintlich getätigte Überweisung) erstellt und übersandt. Überweisungsträger und Überweisungsbestätigung sind indes jeweils verschiedene Belege. Während Aussteller eines Überweisungsträgers, der zur Durchführung einer Überweisung von Geld von einem Bankkonto auf ein anderes verwendet wird, der Überweisende ist, ist dies bei einem Überweisungs- oder Transaktionsnachweis die Bank des Absenders.

(b) Die Urteilsgründe lassen auch nicht erkennen, in welcher Weise die angenommene „Fälschung“ realisiert wurde. Insoweit sind die Feststellungen lückenhaft. Ausgehend von den von der Strafkammer gewählten Begrifflichkeiten (gefälschter Überweisungsbeleg, Lichtbild eines gefälschten online-Überweisungsbelegs, gefälschter Screenshot einer Überweisungsbestätigung, Lichtbild über eine vermeintlich getätigte Überweisung) sind mehrere Varianten der Tatbegehung denkbar, die unterschiedliche rechtliche Bewertungen zur Folge haben.

Sofern B. echte Belege einer Bank einscannte, mittels Software inhaltlich verfälschte, ausdruckte und er von dieser „Vorlage“ Lichtbilder fertigte, die er anschließend versandte, scheidet eine Strafbarkeit nach § 269 Abs. 1 StGB aus, da im Ausgangspunkt zwar eine Urkunde im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB in Rede steht, diese jedoch durch den Scan ihre Urkundsqualität verlor (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 23. September 2015 - 2 StR 434/14, NJW 2016, 884, 886 mwN) und nach Manipulation und Ausdruck nicht wiedererlangte (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 5 StR 488/09, NStZ 2010, 703, 704). Das im Anschluss gefertigte digitale Lichtbild ist zwar ein Datum im Sinne des § 269 Abs. 1 StGB, jedoch keine dem Aussteller der Urkunde zurechenbare Datenurkunde (vgl. MüKo-StGB/Erb, 4. Aufl., § 269 Rn. 25).

Sofern B. eine echte digitale Transaktionsbestätigung nachträglich am Computer veränderte und sodann als Lichtbild bzw. Screenshot versandte oder unmittelbar am Computer die Belege als Komplettfälschung erstellte und diese anschließend ausdruckte und abfotografierte bzw. einen Screenshot fertigte und versandte, käme eine Strafbarkeit nach § 269 Abs. 1 StGB in Betracht.

Eine solche schiede hingegen aus, wenn - wie bei Überweisungsträgern - die übersandten Bestätigungen B. als Aussteller auswiesen, da dann nur eine schriftliche Lüge vorläge, die weder bei § 267 StGB noch bei § 269 StGB tatbestandlich ist (vgl. LK-StGB/Zieschang, 13. Aufl., § 269 Rn. 16).

cc) Die Urteilsgründe belegen auch nicht die Annahme mittäterschaftlichen Handelns des Angeklagten.

(1) Bei Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB, wer seinen eigenen Tatbeitrag leistet und diesen so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst und auch keine Anwesenheit am Tatort; ausreichen kann ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 28. April 2020 - 3 StR 85/20, juris Rn. 4 mwN).

(2) Daran gemessen vermögen die Feststellungen die Annahme mittäterschaftlichen Handelns nicht zu belegen. Den Urteilsgründen ist ein Tatbeitrag des Angeklagten bei den vorgenannten Taten nicht zu entnehmen. Zwar hat er dem Nichtrevidenten Y. im Vorfeld der Taten seine persönlichen Account- und Kontodaten oder die von Dritten zur Verfügung gestellt, die von B. zur Tatbegehung genutzt wurden. Allerdings hat die Kammer ausdrücklich festgestellt, dass der Angeklagte von der Tatbeteiligung des B. keine Kenntnis hatte. Gründe, dessen Handeln dem Angeklagten gleichwohl zuzurechnen, lassen sich den Urteilsgründen bislang nicht entnehmen.

2. Der Schuldspruch im Fall II.7 der Urteilsgründe kann ebenfalls keinen Bestand haben.

a) Die Feststellungen rechtfertigen die Annahme eines Betruges nicht. Die Urteilsgründe lassen schon nicht erkennen, wen der Angeklagte täuschte. Feststellungen dazu, wer für die Bewilligung des Kredites zuständig war, fehlen. Sofern - was nach den Urteilsgründen zumindest denkbar erscheint - die Prüfung der Kreditwürdigkeit und der Zahlungsbereitschaft des Angeklagten alleine dem nach den Feststellungen bösgläubigen Zeugen Ak. oblag, liegt keine Täuschungshandlung im Sinne des § 263 StGB vor (vgl. BGH, Beschluss vom 13. März 2013 - 2 StR 474/12, juris Rn. 12). Aus denselben Gründen ist auch hinsichtlich der Bonität und der Rückzahlungsbereitschaft kein betrugsrelevanter Irrtum belegt.

b) Soweit die Strafkammer im Übrigen von einer tateinheitlich verwirklichten Urkundenfälschung ausgeht, wird dies durch die getroffenen Feststellungen ebenfalls nicht belegt. Die Strafkammer hat lediglich festgestellt, dass der Zeuge Ak. dem Angeklagten einen fingierten Arbeitsvertrag vorlegte, den dieser unterzeichnete, obwohl er tatsächlich nicht bei der genannten Firma beschäftigt war. Aus den Feststellungen ergibt sich nicht, wer Aussteller des Arbeitsvertrages war. So kann nicht beurteilt werden, ob dem Kreditantrag lediglich eine schriftliche Lüge zugrunde gelegt wurde, die nicht tatbestandsmäßig wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 16. April 2015 - 1 StR 490/14, juris Rn. 53). Eine Urkunde ist nur dann unecht, wenn sie über die Identität des Ausstellers täuscht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 29. Juni 1994 - 2 StR 160/94, BGHSt 40, 203, 204 mwN).

3. Auch die Verurteilung im Fall II.8 der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Aus den Feststellungen geht nicht hervor, ob der Angeklagte zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herstellte, eine echte Urkunde verfälschte oder eine unechte oder verfälschte Urkunde gebrauchte (§ 267 Abs. 1 StGB). Denn es ist schon nicht mitgeteilt, ob die Bestellung bei dem Versandhaus telefonisch, schriftlich oder auf elektronischem Weg erfolgte. Die Feststellungen lassen damit nicht die Bewertung zu, ob eine Urkunde Tatgegenstand war, also eine verkörperte Gedankenerklärung, die ihrem gedanklichen Inhalt nach geeignet und bestimmt war, für ein Rechtsverhältnis Beweis zu erbringen, und den Aussteller erkennen ließ (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 19. Februar 1953 - 3 StR 896/52, BGHSt 4, 60, 61; und vom 11. Mai 1971 - 1 StR 387/70, BGHSt 24, 140, 141). Dies bedingt die Aufhebung des Schuldspruchs, auch soweit der Angeklagte tateinheitlich wegen Betrugs verurteilt ist.

4. Die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen II.1, II.2, II.4, II.7 bis II.9 sowie II.11 bis II.16 der Urteilsgründe führt zum Entfallen der in diesen Fällen verhängten Einzelstrafen. Dies entzieht zugleich dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage. In diesem Umfang ist das Urteil auf den von den aufgezeigten Rechtsfehlern in gleicher Weise betroffenen Nichtrevidenten Y. zu erstrecken (§ 357 StPO).

5. Soweit das Landgericht darüber hinaus gegen den Angeklagten eine weitere Einzelstrafe von einem Jahr und sechs Monaten für die „Tat 18“ verhängt hat, muss dies zur Aufhebung dieser Einzelstrafe sowie der gegen den Angeklagten in den Fällen II.3, II.5, II.6, II.10 und II.17 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen führen. Denn es bleibt unklar, ob die Strafkammer lediglich versehentlich eine Einzelstrafe verhängt hat, die entfallen könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 2021 - 2 StR 135/21, juris Rn. 4), oder ob der Strafkammer bei der Listung der Einzelstrafen - die eine Einzelstrafe für Fall II.9 der Urteilsgründe nicht ausweist - ein Fehler unterlaufen ist und daher die Einzelstrafen nicht den in den Urteilsgründen genannten Fällen zuzuordnen sind.

6. Die Aufhebung des angefochtenen Urteils in den Fällen II.1, II.2, II.4, II.7 bis II.9 sowie II.11 bis II.16 der Urteilsgründe muss hier - ebenfalls unter Erstreckung auf den Nichtrevidenten Y. - die Aufhebung auch der Einziehungsentscheidung im Umfang der gesamtschuldnerischen Haftung über 191.326,44 € nach sich ziehen. Der Senat kann die Einziehungsentscheidung hinsichtlich der Fälle II.3, II.5, II.6, II.10 und II.17 der Urteilsgründe nicht aufrechterhalten. Denn die nur als Summe ausgewiesene Einziehungsentscheidung, die weder rechnerisch noch nach ihrer Zusammensetzung nachvollziehbar ist, bietet hierfür keine taugliche Grundlage.

Dagegen hat die Einziehungsentscheidung (nur) zulasten des Nichtrevidenten Y. in den Fällen II.18 und II.19 der Urteilsgründe Bestand. Insofern sind die Voraussetzungen des § 357 StPO nicht erfüllt. Weil nur der von der Einziehungsentscheidung in den Fällen II.18 und II.19 der Urteilsgründe nicht betroffene Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert der die gesamte Einziehungsentscheidung betreffende Aufhebungsantrag des Generalbundesanwalts den Senat nicht, die Einziehungsentscheidung in diesem Umfang bestehen zu lassen.

III.

Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung. Hierzu weist der Senat auf Folgendes hin:

Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben, im Fall II.8 der Urteilsgründe die Tatbestandsmerkmale des § 263 StGB näher als bislang geschehen in den Blick zu nehmen. Die Annahme, der Zeugin H., die nachweisbar nicht Bestellerin war, sei durch die Aushändigung der an sie gelieferten Waren ein (Gefährdungs-)Schaden entstanden, versteht sich nicht von selbst und wird von den bisherigen Feststellungen nicht zweifelsfrei belegt. Gegebenenfalls können - ausgehend vom angeklagten Sachverhalt - Feststellungen zu einem Irrtum auf Seiten des Versandhauses und einem dort eingetretenen Schaden getroffen werden. Im Falle einer automatischen Bearbeitung der Bestellungen mittels Computer ohne unmittelbare Prüfung durch eine natürliche Person käme gegebenenfalls ein Computerbetrug nach § 263a Abs. 1 StGB in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2023 - 2 StR 215/23, juris Rn. 13 mwN).

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 789

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede