HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1141
Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 51/21, Beschluss v. 16.09.2021, HRRS 2021 Nr. 1141
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 15. Juli 2020,
a) soweit es ihn betrifft,
aa) mit den Feststellungen aufgehoben, soweit die Einziehung von Taterträgen
(1) im Fall II.18 der Urteilsgründe und
(2) im Fall II.20 der Urteilsgründe angeordnet worden ist;
bb) dahingehend abgeändert, dass gegen den Angeklagten in den Fällen II.4 bis II.9, II.11 und II.13 bis II.16 der Urteilsgründe die Einziehung von Taterträgen in Höhe von 128.650 €, davon in Höhe 74.300 € als Gesamtschuldner, angeordnet wird.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
b) unter Erstreckung auf den Mitangeklagten N. dahingehend abgeändert, dass gegen ihn in den Fällen II.4 und II.15 der Urteilsgründe die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 68.800 € als Gesamtschuldner angeordnet wird.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen „bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 13 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, falscher uneidlicher Aussage sowie unerlaubten Besitzes zweier halbautomatischer Kurzwaffen in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Munition“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 142.150 € (Fälle II.4 bis II.9, II.11, II.13 bis II.16, II.18 und II.20 der Urteilsgründe) angeordnet, davon in Höhe von 58.800 € (Fall II.4 der Urteilsgründe) gesamtschuldnerisch mit dem nicht revidierenden N. und dem gesondert Verfolgten K. sowie in Höhe von weiteren 10.000 € gesamtschuldnerisch mit N. und hiervon in Höhe von 500 € weiter gesamtschuldnerisch mit dem Mitangeklagten P. (Fall II.15 der Urteilsgründe). Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Die Verfahrensrüge versagt aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts dargestellten Gründen.
2. Die auf die Sachrüge veranlasste Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch sowie zur unterbliebenen Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Hingegen hat die Einziehungsentscheidung nur teilweise Bestand.
a) Die vom Landgericht der Einziehungsentscheidung zugrunde gelegten Einzelbeträge des aus den Taten Erlangten addieren sich nicht auf den eingezogenen Gesamtbetrag von 142.150 €, sondern lediglich auf 133.150 €. Eine Rechtfertigung für die Einziehung eines weiteren Tatertrags in Höhe von 9.000 € ergibt sich auch nicht aus der Gesamtheit der Urteilsgründe. Zwar belegen diese noch, dass die Strafkammer zusätzlich einen Tatertrag in Höhe von 9.000 € aus Fall II.20 der Urteilsgründe einziehen wollte. Den Feststellungen ist jedoch nicht hinreichend deutlich zu entnehmen, dass der Kaufpreis von 9.000 € für die 2 kg Marihuana, die der Angeklagte an P. am 20. Mai 2019 verkaufte, dem Angeklagten tatsächlich zugeflossen ist.
b) Die Feststellungen tragen auch nicht die Einziehung von 4.500 € im Fall II.18 der Urteilsgründe. Danach erhielt der Angeklagte am 16. Mai 2019 von einem unbekannten Lieferanten 1 kg Marihuana, von dem er 100 g an einen unbekannten Abnehmer veräußerte. Eine erfolgreiche Weiterveräußerung der verbliebenen Restmenge ist, worauf der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend hinweist, ebenso wenig festgestellt, wie ein Verkaufspreis und ein Geldzufluss für die veräußerten 100 g Marihuana.
c) Die Rechtsfehler führen zur Aufhebung der Einziehungsentscheidung hinsichtlich dieser beiden Erwerbstaten in Höhe von 13.500 €. Insoweit bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung.
(1) Die Einziehungsanordnung in Höhe der Gesamthöhe von 142.150 € lässt sich entgegen den Erwägungen des Generalbundesanwalts nicht mit der Begründung aufrechterhalten, dass der Angeklagte in anderen Fällen der Urteilsgründe über einen höheren als den von der Strafkammer ihrer Einziehungsentscheidung zugrunde gelegten Tatertrag verfügt habe. Eine solche Verrechnung mit Taterträgen, die aus den vom Generalbundesanwalt dargestellten Gründen möglicherweise bei der Tat II.4 der Urteilsgründe zu Unrecht unberücksichtigt geblieben sind, steht das auch die Einziehungsentscheidung umfassende, tatbezogen zu prüfende Verschlechterungsverbot nach § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Mai 2020 - 3 StR 82/20, juris Rn. 11 mwN).
(2) Nach Aufhebung der Einziehungsentscheidung in Höhe von 13.500 € verbleibt ein Einziehungsbetrag von 128.650 €, wobei der Angeklagte in Höhe von 74.300 € als Gesamtschuldner haftet. Insoweit besteht - wie von der Strafkammer festgestellt und tenoriert - im Fall II.4 der Urteilsgründe mit N. und K. eine Gesamtschuld in Höhe von 58.800 €. Hinzu tritt die gesamtschuldnerische Haftung des N. im Fall II.15 der Urteilsgründe in Höhe von 10.000 €. Um jede Beschwer des Angeklagten bei der Einziehungsentscheidung, die alleine sein Verhältnis zum Staat betrifft (vgl. BGH, Beschluss vom 29. April 2020 - 3 StR 532/19, juris Rn. 25), zu vermeiden, folgt der Senat ferner dem den Angeklagten insoweit begünstigenden Antrag des Generalbundesanwalts (vgl. zur umgekehrten Konstellation BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2018 - 4 StR 392/18, juris Rn. 3 f.) und geht zusätzlich in Fall II.15 sowie Fall II.16 der Urteilsgründe von einer gesamtschuldnerischen Haftung des P. in Höhe der von ihm jeweils entgegengenommenen 5.500 € aus. Soweit dieser bei der Erwerbstat im Fall II.16 der Urteilsgründe neben den Angeklagten als weiterer Gesamtschuldner tritt, bewirkt diese Mithaftung eine Erhöhung der Gesamtschuld auf 74.300 € (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juni 2018 - 4 StR 639/17, juris Rn. 3). Die anteilige gesamtschuldnerische Haftung des Angeklagten hat der Senat im Tenor klargestellt; hierfür ist die Angabe der Namen der jeweiligen Gesamtschuldner nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 7. Juni 2018 - 4 StR 63/18, juris Rn. 16).
d) Im Übrigen hat die Überprüfung der Einziehungsentscheidung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3. Die Erhöhung der gesamtschuldnerischen Haftung im Fall II.15 der Urteilsgründe zu Gunsten des Angeklagten war gemäß § 357 StPO auf den Mitangeklagten N. zu erstrecken, da er in gleicher Weise von der Gesetzesverletzung betroffen ist.
HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1141
Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß