HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 301
Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 148/21, Beschluss v. 04.08.2021, HRRS 2022 Nr. 301
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 2. Dezember 2020 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgerichts hat den Angeklagten wegen Sachbeschädigung unter Einbeziehung weiterer Strafen aus anderen Verurteilungen zu einer Gesamtgeldstrafe von 110 Tagessätzen zu je 10 €, wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, versuchten Diebstahls und Sachbeschädigung in drei Fällen unter Einbeziehung von Strafen aus einer weiteren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat, wegen Sachbeschädigung unter Einbeziehung einer weiteren Strafe aus anderer Verurteilung zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 10 € sowie schließlich wegen versuchter Nötigung in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und unerlaubtem Führen einer Schusswaffe, sowie wegen Sachbeschädigung in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten verurteilt. Es hat zudem eine Entscheidung über Zahlungserleichterungen getroffen und die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
1. a) Das sachverständig beratene Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte - abgesehen von einem Fall des Diebstahls - durchgängig im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit gehandelt habe; die Fähigkeit, das Unrecht der Taten einzusehen oder nach dieser Fähigkeit zu handeln, sei zu keinem der Tatzeitpunkte vollständig aufgehoben gewesen. Zu dieser Einschätzung ist es aufgrund der Krankheitsgeschichte des Angeklagten seit 2016 gelangt. Zwischen dem 7. Juli und dem 20. Juli 2017 sei er erstmals nach PsychKG in stationärer psychiatrischer Behandlung gewesen. Dort sei eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit paranoiden und impulsiven Zügen festgestellt worden. Aufnahmeanlass seien mehrere Straftaten (Bedrohungen gegen seine Lebensgefährtin und zwei Richterinnen sowie Sachbeschädigungen) bei vorliegenden Verschwörungstheorien und finanziellen Problemen gewesen. Ein weiterer stationärer Aufenthalt sei zwischen dem 14. August und dem 10. September 2019 erfolgt. Aufnahmeanlass seien damals wiederholte Drohungen gegenüber Justiz und Ordnungsbehörden, verschickte Drohbriefe, Vandalismus und eine angedrohte Brandstiftung gewesen. Die einweisende Ärztin sei von einer paranoiden Psychose mit Handlungsrelevanz, Drohungen mit Fremdaggression sowie einem fortgesetzten Drogenkonsum ausgegangen. Als Entlassungsdiagnose sei eine wahnhafte Störung, der Missbrauch anderer Stimulanzien sowie der nichtintravenöse Konsum amphetaminhaltiger Stoffe festgehalten.
b) Als Ursache der psychischen Störung des Angeklagten hat die Strafkammer insbesondere ein Geschehen aus dem Jahre 2016 festgestellt. Damals wurde ein von der Fa. P. abgeschlepptes Fahrzeug des Angeklagten, bei dem ein wirtschaftlicher Totalschaden vorgelegen habe, von diesem Unternehmen verwertet, nachdem der Angeklagte - mangels finanzieller Möglichkeiten - die in unbekannter Höhe aufgelaufenen Standkosten zu keinem Zeitpunkt beglichen hatte. Das Landgericht hat nicht feststellen können, ob der Angeklagte zu irgendeinem Zeitpunkt eine Rechnung verbunden mit der Aufforderung zur Begleichung der Standkosten erhalten hatte oder er sonst zur Abholung des Fahrzeugs schriftlich aufgefordert worden war. Einen Verwertungsnachweis hat er aber bislang nicht erhalten. Der Angeklagte äußerte noch in der Hauptverhandlung Zweifel am Vorliegen eines Totalschadens und daran, ob das Fahrzeug, das auch in Einzelteilen verkauft worden sein könnte, verschrottet würde. Wenn er einen Verwertungsnachweis erhielte, sei er nicht mehr ganz so im Ungewissen, ohne solche Dokumente stehe das für ihn jedoch „in den Sternen“. Er mache sich ab und zu nach wie vor Gedanken, dass das Fahrzeug noch immer bei der Fa. P. stehe. Dem Zeugen der Fa. P., der die Verschrottung in der Hauptverhandlung bestätigt hat, glaube er „nicht wirklich“.
Weitere Vorfälle aus den Jahren 2016 und 2017 bilden den weiteren Hintergrund für die psychische Erkrankung des Angeklagten. Nach dessen Überzeugung seien ihm im Rahmen seiner Wohnungsräumung im Jahr 2016 Unterlagen bezogen auf sein Geschäftskonto bei der Sparkasse J. abhandengekommen, die er nachfolgend dort angefordert habe. Es sei sodann von der Sparkasse in Abrede gestellt worden, dass er dort überhaupt ein Konto gehabt habe. Die Verträge seien ihm weder bei der Sparkasse D. noch bei der Sparkasse J. ausgehändigt worden. Die Schuld für die erfolgte Zwangsräumung liege aus der Sicht des Angeklagten bei der Stadtverwaltung J., weil diese ihm während seiner Inhaftierung in den Jahren 2016/2017 einen Kredit für seine aufgelaufenen Mietzinsrückstände verweigert habe.
2. Die Strafkammer ist vom Vorliegen einer wahnhaften Störung als krankhafte seelische Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB ausgegangen. Der Angeklagte leide nicht unter einem generalisierten paranoiden Erleben, vielmehr stehe im Fokus der Verbleib des abgeschleppten PKW, wobei die Störung eine Tendenz aufweise, sich auf andere Institutionen (Banken, Stadtwerke, Jobcenter) auszuweiten. Aufgrund seiner Erkrankung sei hinsichtlich der wahnbehafteten Themen die Fähigkeit zur Realitätsprüfung und zur Ich-Wahrnehmung beeinträchtigt, der Angeklagte neige zu überwertigen Interpretationen die jedoch teilweise korrigierbar seien. Der Angeklagte fühle sich durch andere bedroht und behelligt, in seiner Vorstellung griffen diese Personen in sein Leben ein. Insoweit habe er Beziehungsideen und angedeutete Verschwörungstheorien. Bei den jeweiligen Taten habe sich - mit Ausnahme eines einzigen Falles - (Fall 5 der Urteilsgründe) bei dem Angeklagten jeweils eine deutliche Affektspannung in einer spontanen Aggression gegen Sachen, aber teilweise auch gegen Personen entladen. Er habe krankheitsbedingt unter einer emotionalen Labilisierung und einem Zustand der Erschütterung des Persönlichkeitsgefüges verbunden mit einer Desaktualisierungsschwäche gelitten. Infolge dessen sei seine Fähigkeit, bei den Taten destruktiven Impulsen zu widerstehen bzw. diese zu stoppen, nicht mehr uneingeschränkt erhalten geblieben. Bei durchgehend erhaltener Unrechtseinsicht sei deshalb bei sämtlichen Tatbegehungen (Ausnahme Fall 5 der Urteilsgründe) die Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt. Er habe hingegen bei keiner der Taten in einem akuten psychotischen Verkennungszustand gehandelt. Die Fähigkeit, das Unrecht der Taten einzusehen oder nach dessen Einsicht zu handeln, sei zu keinem der Zeitpunkte vollständig aufgehoben gewesen. So sei auf mehreren Videosequenzen zu erkennen, dass der Angeklagte insbesondere im Rahmen der durchgeführten Sachbeschädigungen durchaus planvoll vorgegangen sei und er hierbei über von ihm offenbar bemerkte Videoüberwachung sogar in eine nonverbale Kommunikation etwa mit den Vertretern der von ihm verhassten Banken und Institutionen habe eintreten wollen. Umgekehrt sei gerade aus den Videos, aber auch bei den Vorfällen bei der Fa. P. eine erhöhte und situationsinadäquate Impulsivität des Angeklagten deutlich geworden.
1. Die Annahme der Strafkammer, die angenommene wahnhafte Störung des Angeklagten habe zu keinem der Tatzeitpunkte zu einem die Schuldfähigkeit ausschließenden Zustand geführt, hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Das Landgericht hat zwar für den Senat im Grundsatz noch nachvollziehbar ausgeschlossen, dass die Fähigkeit, das Unrecht der Taten einzusehen, nicht vollständig aufgehoben gewesen ist. Es hat aber nicht in hinreichender Weise belegt, dass auch die Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln, nicht vollständig aufgehoben gewesen ist. Zur Begründung hat die Strafkammer für alle Taten lediglich ausgeführt, dass der Angeklagte insbesondere im Rahmen der durchgeführten Sachbeschädigungen durchaus planvoll vorgegangen und er hierbei über die von ihm offenbar bemerkte Videoüberwachung sogar in eine nonverbale Kommunikation etwa mit den Vertretern der von ihm verhassten Banken eingetreten sei. Dies allein aber kann die Annahme der Strafkammer, der Angeklagte habe nicht im Zustand des § 20 StGB gehandelt, nicht tragen. Das Landgericht hat insoweit dem im Übrigen nicht im Einzelnen dargelegten Leistungsverhalten des Angeklagten eine Bedeutung zugemessen, die ihm nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Bereich schwerer Persönlichkeitsstörungen nicht zukommt (BGH, Beschluss vom 7. März 2002 -3 StR 335/01, NStZ 2002, 476). Dass eine Tat geplant und gezielt durchgeführt wird, sagt in solchen Fällen nichts Abschließendes über das Hemmungsvermögen eines Angeklagten bei der Begehung einer Tat aus. Auch bei einem geplanten und geordneten Vorgehen kann die Fähigkeit, Anreize zu einem bestimmten Verhalten und Hemmungsvorstellungen gegeneinander abzuwägen und danach den Willensentschluss zu bilden, aufgehoben oder erheblich vermindert sein. Das Tatverhalten wie auch das Verhalten vor und nach der Tat sind wenig aussagekräftig für das Hemmungsvermögen, wenn eine schwere Persönlichkeitsstörung zu diagnostizieren ist (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Januar 2020 - 2 StR 562/19, NStZ-RR 2020, 222, 223; Beschluss vom 16. September 2020 - 2 StR 159/20, StV 2021, 217, 219).
a) Besonderer Würdigung hätten zudem die Taten bedurft, die nach Ansicht der sachverständig beratenen Strafkammer den Ausgangspunkt für die Erkrankung des Angeklagten bildeten. Soweit der Angeklagte in den Fällen 18 und 24 die Räumlichkeiten der Fa. P. aufsuchte und dabei die Herausgabe seines vor Jahren verwerteten PKW forderte, hätte sich vor dem Hintergrund seiner wahnhaften Vorstellung, das Fahrzeug befinde sich noch im Besitz der Fa. P., schon - anders als in den übrigen Fällen - die Erörterung der Frage aufgedrängt, ob der Angeklagte nicht bei diesen Taten unter einer schuldrelevanten Realitätsverkennung gelitten hat. Jedenfalls aber hätte sich das Landgericht angesichts des Umstands, dass der Angeklagte innerhalb kurzer Zeit zum zweiten Mal die Fa. P. aufgesucht und dabei eine Waffe als „Meinungsverstärker“ mitgenommen hatte, um seinem Verlangen nach Herausgabe des Fahrzeugs mehr Ausdruck zu verleihen, erörtern müssen, ob angesichts dieser Steigerung von Tatfrequenz und Tatmitteln das Hemmungsvermögen jedenfalls bei der zweiten Tat bis hin zu ihrem Wegfall weiter reduziert sein könnte. Einem Wahnkranken stehen in Situationen, die durch den Wahn bestimmt sind, Handlungsalternativen praktisch nicht zur Verfügung (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Dezember 2013 - 2 StR 534/13, BGHR StGB § 20 Wahnvorstellungen 1).
b) Hinzu kommt, dass es in einigen anderen Fällen zusätzliche Anhaltspunkte dafür gibt, die für einen Ausschluss der Schuldfähigkeit sprechen könnten. So wird die Stimmung des Angeklagten bei Fall 6 der Urteilsgründe als „ruhig bis hin zu (latent) aggressiv“ beschrieben; für eine normale verbale Kommunikation sei er durchgängig nicht zugänglich gewesen. Im Fall 9 der Urteilsgründe kam der Angeklagte dem vor Ort anwesenden Polizeibeamten etwa „realitätsentrückt“ vor, da seine Äußerungen nicht mit seinem Verhalten korrespondierten. Mögen die genannten Fälle auch Taten betreffen, bei denen Zweifel aufkommen können, ob diese von der angenommenen psychischen Erkrankung des Angeklagten erfasst sind (s. dazu auch unten unter II.3.), hätten diese äußeren Umstände für die Strafkammer auf der Grundlage ihrer Rechtsansicht Anlass sein müssen, sie bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 20 StGB ausdrücklich in den Blick zu nehmen.
2. Dies bedingt die Aufhebung des Schuldspruchs in sämtlichen Fällen, in denen das Landgericht vom Vorliegen einer (lediglich) erheblichen eingeschränkten Schuldfähigkeit des Angeklagten ausgegangen ist. Um dem neuen Tatrichter eine in sich stimmige und widerspruchsfreie Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten für alle Taten zu ermöglichen, hebt der Senat auch den Schuldspruch im Fall 5 der Urteilsgründe sowie auch den Maßregelausspruch auf. Die Sache bedarf insgesamt, zweckmäßigerweise unter Heranziehung eines anderen Sachverständigen, neuer Verhandlung und Entscheidung.
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass vor dem Hintergrund der bisher vom Landgericht angenommenen wahnhaften Störung eingehender als bisher zu prüfen ist, ob in allen abgeurteilten Fällen von einer erheblich eingeschränkten Schuldfähigkeit des Angeklagten ausgegangen werden kann.
a) Die Annahme verminderter Schuldfähigkeit setzt voraus, dass die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Taten infolge eines den Eingangsmerkmalen des § 20 StGB zuzuordnenden psychischen Defekts erheblich vermindert war. Wahnhafte Störungen können sich zwar bei akuten psychotischen Phasen erheblich auf die Schuldfähigkeit - insbesondere das Einsichtsvermögen (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Dezember 2013 - 2 StR 534/13, BGHR StGB § 20 Wahnvorstellungen 1) - auswirken; standen Tatmotiv und -handlung aber nicht in einer direkten Beziehung zum Wahnthema, ist allein aus der Diagnose einer wahnhaften Störung regelmäßig noch keine Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit herzuleiten (s. Senat, NJW 2015, 2055). Angesichts dessen bedarf es näherer Ausführungen zu Umfang und Reichweite des den Angeklagten beherrschenden Wahnthemas. Zentrale Wahnidee beim Angeklagten ist nach den bisherigen Feststellungen die „angenommene Existenz eines zwischenzeitlich vernichteten PKWs“; hinzu kommen auf der Grundlage der Einlassung des Angeklagten als Gegenstand des Wahns Institutionen, die ihn aus seiner Sicht in eine persönliche Misere hineingebracht haben, woraus das Landgericht gefolgert hat, die Störung des Angeklagten weise eine Tendenz auf, sich auf andere Institutionen (Banken, Stadtwerke, Jobcenter) auszuweiten. Auf welche konkreten Institutionen sich die Wahnvorstellung des Angeklagten, der sich durch diese „bedroht und behelligt fühlt“ und darauf mit der Begehung von Straftaten reagiert, im Einzelnen bezieht, bedarf näherer Erläuterung.
Einige der vom Angeklagten begangenen Straftaten dürften jedenfalls nicht ohne nähere Erläuterung den Wahnideen des Angeklagten zuzuordnen sein. So geht es im Fall 6 der Urteilsgründe um einen Vorfall im Zusammenhang mit der Identitätsfeststellung durch in Zivil gekleidete Polizeibeamte. Dabei flüchtete der Angeklagte, nachdem er von ihnen um Herausgabe seines Personalausweises gebeten worden war, und schloss sich im Waschraum der Unterkunft ein. Dort leistete er nach Öffnung der Badezimmertür durch einen der Beamten Widerstand, bevor er schließlich zur Polizeiwache gebracht werden konnte. Anlass für das Tätigwerden der Polizei war zwar ein Anruf des Angeklagten am Vortag bei der Fa. P., mit dem er seinen längst verwerteten PKW herausverlangt und gedroht hatte, mit Steinen zu werfen, wenn man seiner Forderung nicht nachkomme. Insoweit besteht ein mittelbarer Zusammenhang mit dem zentralen Wahnthema des Angeklagten. Ob dieser im zeitlichen Zusammenhang mit dem Vorgehen der Polizeibeamten wusste, warum die Polizei erschienen war, und ob insoweit ein Bezug zur Wahnidee des Angeklagten besteht oder ob sich sein Wahn erweiternd allgemein auch auf Polizeibeamte erstreckt, wird zu erörtern sein. Ähnliches gilt auch für Fall 9 der Urteilsgründe, bei dem es gleichfalls um eine Identitätsfeststellung des Angeklagten durch die Polizei geht, bei der er Widerstand leistete. Schließlich liegt es auch nicht ohne Weiteres auf der Hand, dass Fall 19 der Urteilsgründe im Zusammenhang mit der wahnhaften Störung des Angeklagten steht. Zwar bezieht sich die Tat vordergründig auf eine „Institution“, mit der er angeblich schlechte Erfahrungen gemacht hat: Vom Jobcenter dorthin versandte Bewerbungsunterlagen habe er nicht zurückerhalten. Das Drohschreiben in diesem Fall, mit dem er unter anderem damit drohte, den für ihn zuständigen Mitarbeiter zu töten, falls dieser ihm erneut die „Maßnahme Holz“ anbieten sollte, war nun aber - anders als Sachbeschädigungen gegen andere ihn vermeintlich benachteiligende Institutionen - keine bloße „Racheaktion“ im Hinblick auf wahnhaft angenommene Übergriffe in sein Leben; es verfolgte vielmehr - nachdem der Angeklagte in der Vergangenheit eine Einladung zu einer „Maßnahme Holz“ erhalten hatte - ein konkretes Ziel, nämlich den Mitarbeiter des Jobcenters auf diese Weise zu bewegen, von einem derartigen Angebot zukünftig abzusehen. Ein Zusammenhang dieser Tat mit den Wahnideen des Angeklagten ist damit bisher nicht belegt.
b) Vor dem Hintergrund der nach den bisherigen Feststellungen von der wahnhaften Störung jedenfalls erfassten Anlassdelikte, bei denen es zwar auch um Übergriffe gegen Personen, aber vor allem auch um eine Vielzahl von Sachbeschädigungsdelikten ging, bedarf auch die Gefährlichkeitsprognose, wonach es „beim Krankheitsbild des Angeklagten im Krankheitsverlauf typischerweise zu einem kämpferischen Ausagieren des wahnhaften Empfindens bis hin zu heimtückischen Angriffen auf Personen (bis hin zu Körperverletzungs- und Tötungsdelikten) komme“, einer eingehenden, tatsachenfundierten Begründung.
HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 301
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2022, 102
Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß