HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 846
Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 167/20, Urteil v. 28.04.2021, HRRS 2021 Nr. 846
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 25. November 2019 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit
a) der Angeklagte J. B. freigesprochen wurde,
b) der Angeklagte M. M. in den Fällen 7 und 8 der Anklageschrift freigesprochen wurde,
c) die Angeklagten M. B., E. B. und M. M. verurteilt sind (die Angeklagten M. B., E. B. in den Fällen 6 bis 13 der Anklageschrift, der Angeklagte M. M. in den Fällen 9 bis 13 der Anklageschrift).
2. Auf die Revision des Angeklagten M. B. wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft und er verurteilt ist, im gesamten Strafausspruch und hinsichtlich der Einziehungsentscheidungen mit den diesbezüglichen Feststellungen aufgehoben.
3. Auf die Revision der Angeklagten E. B. und M. M. wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es sie betrifft und sie verurteilt sind, im Ausspruch über die Einziehung von Betäubungsmitteln, Anbauutensilien und Werkzeugen sowie von Mobiltelefonen und anderen elektronischen Datenträgern/Speichermedien mit den diesbezüglichen Feststellungen aufgehoben.
4. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
5. Im Umfang der Aufhebungen wird das Verfahren zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat die Angeklagten M. B. und E. B. unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen verurteilt, den Angeklagten M. B. zu fünf Jahren Gesamtfreiheitsstrafe, den Angeklagten B. zu einer solchen von drei Jahren und zehn Monaten. Den Angeklagten M. M. hat es unter Freisprechung im Übrigen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu zwei Jahren und zehn Monaten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Es hat die Einziehung näher bezeichneter „Betäubungsmittel, Anbauutensilien und Werkzeuge“ sowie „Mobiltelefone und andere elektronische Datenträger/Speichermedien“ angeordnet, ebenso die Einziehung des Wertes von Taterträgen, gegen den Angeklagten M. B. in Höhe von 84.480 €, gegen den Angeklagten E. B. in Höhe von 3.600 € und gegen den Angeklagten M. M. in Höhe von 500 €.
Den Angeklagten J. B. hat es freigesprochen und bestimmt, dass er für die Dauer der erlittenen Untersuchungshaft zu entschädigen sei.
Gegen ihre Verurteilung wenden sich die Angeklagten M. B., E. B. und M. M. mit ihren auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen, die sie mit Verfahrensbeanstandungen und der Sachrüge begründet, dass das Landgericht den Angeklagten J. B. insgesamt, den Angeklagten M. M. in den Fällen 7 und 8 der Anklageschrift teilweise freigesprochen hat, und dass es die Angeklagten M. B., E. B. und M. M. nicht wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 1 BtMG „zumindest hinsichtlich der Anklagepunkte Ziffern 9-13“ verurteilt hat. Sie rügt ferner die konkurrenzrechtliche Bewertung in den Fällen 6 bis 13 der Anklageschrift. Zugleich hat sie gegen die Entschädigungsentscheidung sofortige Beschwerde eingelegt.
Das Landgericht hat betreffend die Angeklagten M. B., E. B. und M. M. folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. Spätestens Anfang des Jahres 2017 fasste der Angeklagte M. B. den Entschluss, sich durch den Anbau von Cannabispflanzen in einer Indoorplantage und den Verkauf der Ernteerträge eine Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. Zur Bewirtschaftung der Plantage wollte er Personen anwerben, denen er dort Wohnraum zur Verfügung stellt und die er hinsichtlich des Anbaus entsprechend anleitet oder anweist bzw. anleiten oder anweisen lässt. In Umsetzung dieses Tatplans übernahm er im Februar 2017 ein am Rande von B. gelegenes Anwesen mit mehreren, untereinander verbundenen Gebäuden. Dort errichtete er im sogenannten Wohnhaus mehrere Schlaf- und Wohnräume. Die Räume eines anderen, durch eine abschließbare Türe abgetrennten Gebäudeteils (sog. Plantagenhaus) baute er - allein oder mit anderen - sukzessive durch Anbringen von Dämmmaterial, einer automatisierten Be- und Entlüftung, Beheizung und Beleuchtung usw. zu einer hochprofessionellen Indoorplantage mit Werkstatt, Düngemittellager und Abstellraum aus. Ab dem 23. Dezember 2017 wurden zu unterschiedlichen Zeitpunkten Cannabispflanzen eingebracht, die innerhalb von jeweils zehn Wochen zur Erntereife heranwuchsen und die mindestens 20 Gramm getrocknetes Blütenmaterial pro Pflanze mit einem Wirkstoffgehalt von 15,12 % Delta-9-Tetrahydrocannabinol erbrachten bzw. erbracht hätten. Bis zu der am 4. Mai 2018 erfolgten Durchsuchung des Anwesens kam es im Einzelnen zu folgenden Anbauvorgängen:
a) Fälle 6. bis 8. der Anklageschrift Der Angeklagte M. B. pflanzte allein oder mit unbekannt gebliebenen Dritten in unterschiedlichen Räumen des Plantagenhauses am 23. Dezember 2017 insgesamt mindestens 707 Cannabispflanzen, am 23. Januar 2018 mindestens 530 und 1. Februar 2018 mindestens 171. Bereits im Dezember 2017 hatte sich der Angeklagte B. bereit erklärt, gegen eine monatliche Vergütung von 1.200 € an der professionellen Aufzucht der Pflanzen mit dem Ziel des gewinnbringenden Verkaufs der Erträge vor Ort mitzuwirken. Er reiste am 10. Februar 2018 nach Deutschland und übernahm ab dem Folgetag die Pflege der bis dahin angebauten Cannabispflanzen und erntete bis zum 12. April 2018 die erntereif gewordenen 1.408 Pflanzen. Gemeinsamem Tatplan entsprechend veräußerte der Angeklagte M. B. den gesamten Ertrag zu einem Preis von mindestens 3 € je Gramm.
b) Fälle 9. und 10. der Anklageschrift Am 23. März 2018 und am 12. April 2018 baute der Angeklagte B. im Zusammenwirken mit dem Angeklagten M. B. in verschiedenen Räumen des Plantagenhauses insgesamt mindestens 1.154 Cannabispflanzen zum späteren gewinnbringenden Verkauf an. Geplanter Erntetermin war der 21. Juni 2018; es wäre ein Ertrag von insgesamt 23.080 g Blütenmaterial erzielt worden.
Spätestens ab dem 15. April 2018 beteiligte sich auch der Angeklagte M. am Cannabisanbau. Ihm oblag die regelmäßige Bewässerung, Düngung und Beobachtung der angebauten Cannabispflanzen und gegebenenfalls deren Besprühen mit Schädlingsbekämpfungsmitteln. Er beteiligte sich ferner daran, zusammen mit dem Angeklagten B. weitere Anbauräume herzurichten. Von dem ihm versprochenen Lohn hat er 500 € als Vorschuss erhalten.
c) Fälle 11. und 12. der Anklageschrift Am 30. April 2018 bauten die Angeklagten M. B., B. und M. „im weiteren bewussten und gewollten Zusammenwirken“ mindestens 530 Cannabispflanzen an, deren geplanter Erntetermin der 9. Juli 2018 war. Nach dem 15. April 2018 bauten sie weitere 380 Pflanzen an, deren Erntetermin nicht feststellbar war. Insgesamt wäre ein Ernteertrag von 18.200 Gramm reines Blütenmaterial erzielt worden.
d) Fall 13. der Anklageschrift Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor dem 4. Mai 2018 zogen die Angeklagten in einem hierfür speziell ausgestatteten Raum (sog. Anzuchtraum) 877 Setzlinge auf, die für die weitere Aufzucht in der Plantage und dem Verkauf der so erzielten Ernte bestimmt waren.
2. Die Strafkammer hat die oben genannten Fälle a) bis d) als jeweils eine Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewertet, weil davon auszugehen sei, dass die Ernten aus den jeweiligen Anbauvorgängen vermischt und gemeinsam verkauft worden seien. Dies ergebe sich für die ersten drei Anbauvorgänge aus einer Großbestellung von Verpackungsmaterial im April 2018, für die nachfolgenden Anbauvorgänge daraus, dass sie jeweils zwei zu zeitlich eng beieinanderliegenden Erntezeitpunkten führten bzw. führen sollten, und schließlich aus dem gemeinsamen Anbau etwa gleich großer Setzlinge. In allen Fällen hätten die Angeklagten M. B., E. B. und M. M., soweit sie beteiligt waren, als Mittäter zusammengewirkt.
3. Vom Vorliegen einer Bande im Sinne des § 30a Abs. 1 BtMG vermochte sich die Strafkammer nicht zu überzeugen. Insoweit fehle es an einem auf eine gewisse Dauer angelegten Zusammenschluss von mindestens drei Personen. Zwar hätten die Angeklagten B. und M. - in Absprache mit dem Angeklagten M. B. - ab dem 15. April 2018 die Anbautätigkeiten arbeitsteilig vorgenommen, jedoch nach ihrer unwiderlegten Einlassung im Mai 2018 die Plantage wieder verlassen und an der Aufzucht späterer Anpflanzungen nicht mehr mitwirken wollen.
Den Angeklagten M. B. und B. lag darüber hinaus zur Last, bereits im Jahr 2017 Cannabispflanzen im Anwesen in B. angebaut zu haben (Fälle 1. bis 5. der Anklageschrift). Insoweit hat das Landgericht die Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, ebenso den Angeklagten M., soweit ihm mit der zugelassenen Anklage vorgeworfen worden war, bereits ab dem 18. März 2018 und damit auch an der Aufzucht der in den Fällen 6 bis 8 der Anklage genannten Pflanzen beteiligt gewesen zu sein. Es hat seine Einlassung, sich erst ab Mitte April in B. aufgehalten zu haben, für nicht zu widerlegen erachtet [UA 78].
Dem Angeklagten J. B. lag zur Last, sich ab dem 1. Mai 2015 in dem Tatobjekt aufgehalten und dort den betriebenen Cannabisanbau mit seiner Arbeitsleistung unterstützt zu haben. Hierfür habe er vom Angeklagten M. B. - seinem Neffen - vorab 10.000 € erhalten, die - wie er wusste - aus dem Betäubungsmittelhandel stammten.
Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte J. B. ab 3. April 2018 mehrere Telefonate mit dem Angeklagten M. führte und diesen um Geld bat, dass er am 29. April 2018 nach Deutschland flog und sich seit 1. Mai 2018 im Tatobjekt aufgehalten hat, ihm dort ein Bett zugewiesen war und er an mehreren Gegenständen, darunter einer Schaufel und Einweghandschuhen, DNA-Spuren hinterließ. Es hat den Angeklagten J. B. aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, weil es sich weder davon zu überzeugen vermochte, welche Arbeiten an welchem Tag er in der Plantage ausführte, noch davon, dass ihm die bei der Durchsuchung in den frühen Morgenstunden des 4. Mai 2018 in einem Kopfkissen aufgefundenen 10.000 € gehörten oder zugedacht waren.
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben im Umfang der Anfechtung mit der Sachrüge Erfolg. Auf Verfahrensbeanstandungen kommt es daher nicht an.
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sind ausweislich ihres Antrags und ihrer Begründung insoweit beschränkt, als der Freispruch der Angeklagten M. B. und B. in den Fällen 1 bis 5 der Anklageschrift und der des Angeklagten M. in Fall 6 der Anklageschrift vom Rechtsmittelangriff ausgenommen ist. Die Beschränkung ist wirksam. Im Übrigen sind die Rechtsmittel unbeschränkt eingelegt. Sie wenden sich gegen die verbleibenden Freisprüche und den gesamten Schuldspruch in den Fällen 6 bis 13 der Anklageschrift; in diesen Fällen beanstandet sie unter anderem die konkurrenzrechtliche Bewertung durch das Landgericht.
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sind begründet.
1. Der Freispruch des Angeklagten J. B. hat keinen Bestand.
a) Die Urteilsgründe genügen schon nicht den an ein freisprechendes Erkenntnis gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO zu stellenden Anforderungen (vgl. dazu nur BGH, Urteile vom 1. August 2018 - 5 StR 30/18 mwN; vom 24. April 1990 - 4 StR 24/90, BGHSt 37, 21, 22; Senat, Urteil vom 2. April 2014 - 2 StR 554/13, NStZ 2014, 419, 420 mwN).
aa) Auch bei freisprechenden Urteilen kann der Tatrichter aus sachlich-rechtlichen Gründen unter den Umständen des konkreten Falles verpflichtet sein, Feststellungen zu Werdegang, Vorleben und Persönlichkeit eines Angeklagten zu treffen. Dies kommt namentlich dann in Betracht, wenn dahingehende Feststellungen für die Beurteilung des Tatvorwurfs eine Rolle spielen können und deshalb zur Überprüfung des Freispruchs durch das Revisionsgericht auf Rechtsfehler hin notwendig sind. In einem solchen Fall bliebe der Freispruch ohne Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen nicht in jeder Hinsicht nachvollziehbar und das Urteil deshalb lückenhaft (vgl. dazu BGH, Urteile vom 13. Oktober 1999 - 3 StR 297/99, NStZ 2000, 91; vom 14. Februar 2008 - 4 StR 317/07, NStZ-RR 2008, 206, 207 und vom 11. März 2010 - 4 StR 22/10, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 16 mwN).
bb) So verhält es sich im vorliegenden Fall. Denn nach den Urteilsfeststellungen bestand einerseits der Tatplan des Angeklagten M. B. darin, fortlaufend Personen für die Mitarbeit auf der Plantage anzuwerben, andererseits hatte der Angeklagte J. B., zu dem auch familiäre Beziehungen bestanden, zuvor schon für den Angeklagten gearbeitet, um Geld von diesem zu erhalten. Es ist daher naheliegend und hätte von der Strafkammer in den Blick genommen werden müssen, dass sich der Aussagegehalt der vor dem 1. Mai 2018 innerfamiliär geführten Gespräche, die die Urteilsgründe lediglich auszugsweise mitteilen (namentlich das vom Angeklagten M. B. geäußerte Ansinnen, sein Onkel solle als Gegenleistung für erbetenes Geld für ihn arbeiten) erst vor dem Hintergrund der persönlichen Verhältnisse des Angeklagten J. B., dessen Lebenslauf, Werdegang und Persönlichkeit erschließt. Feststellungen hierzu, die die Strafkammer bei ihrer Würdigung berücksichtigt haben könnte, fehlen.
b) Die Urteilsgründe lassen darüber hinaus besorgen, dass die Würdigung der für und gegen eine Tatbeteiligung des Angeklagten J. B. sprechenden Umstände auf einer verkürzten Betrachtung der Umstände des Falles beruht. Nach den Urteilsfeststellungen verursachte der Angeklagte J. B. im Zeitraum zwischen 1. und 4. Mai 2018 DNA-Spuren an einer Kaffeetasse in einem Raum mit den für den Plantagenbetrieb genutzten Erdsäcken, ferner an einer Getränkeflasche in der Werkstatt, an einer weiteren im Gang vor dem Raum mit den Erdsäcken, darüber hinaus an einem Schaufelstiel und an zwei im Plantagenhaus gefundenen Einweghandschuhen, die der Angeklagte „sehr wahrscheinlich“ getragen hat. Hieraus will die Strafkammer „keinen zwingenden Schluss“ darauf ziehen, dass der Angeklagte J. B. Arbeiten in der bereits betriebenen Plantage seines Neffen durchgeführt habe. Abgesehen davon, dass Schlussfolgerungen nicht zwingend sein müssen, es vielmehr genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN; Senat, Urteil vom 5. April 2017 - 2 StR 593/16 Rn. 11), lassen die Urteilsgründe eine nachvollziehbare Würdigung des DNA-Befunds vor dem Hintergrund und im Zusammenspiel mit den weiteren Feststellungen vermissen. Insofern hätte die Strafkammer näher als geschehen in den Blick nehmen und erörtern müssen, dass der Angeklagte M. B. zu einer Bezahlung seines Onkels, des Angeklagten J. B., nur nach Erbringung von Arbeitsleistungen bereit war, er ihn schon kurz nach dessen Eintreffen in Deutschland zu der 450 km entfernt gelegenen Plantage gefahren hatte, dort neben den hochprofessionellen Aufzuchträumen auch Schlaf- und Aufenthaltsräume für mehrere Personen errichtet worden und alle weiteren dort anwesenden Personen mit dem Betrieb der Plantage betraut waren.
2. Auch der Freispruch des Angeklagten M. in den Fällen 7 und 8 der Urteilsgründe hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Soweit das Landgericht allein aufgrund der Einlassungen der Angeklagten B. und M. festgestellt hat, letzterer habe nicht vor dem 15. April 2018 auf der Plantage gearbeitet, erweist sich die Beweiswürdigung auch eingedenk des nur eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsumfangs (vgl. Senat, Urteil vom 23. Juli 2008 - 2 StR 150/08, wistra 2008, 398; Urteil vom 5. April 2017 - 2 StR 593/16, aaO) als durchgreifend rechtsfehlerhaft.
a) Einlassungen eines Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine objektiven Anhaltspunkte gibt, sind nicht ohne weiteres als „unwiderlegbar“ hinzunehmen und den Feststellungen zu Grunde zu legen. Vielmehr sind sie - nicht anders als andere Beweismittel - insbesondere auf ihre Plausibilität und anhand des übrigen Beweisergebnisses auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Geschehensabläufe zu unterstellen, für deren Vorliegen es außer der nicht widerlegbaren, aber auch durch nichts gestützten Angaben des Angeklagten keine Anhaltspunkte bestehen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 18. August 2009 - 1 StR 107/09, NStZ-RR 2010, 85, 86 f.; Senat, Urteil vom 22. Mai 2019 - 2 StR 353/18 Rn. 40; BGH, Beschluss vom 12. November 2019 - 5 StR 451/19, NStZ-RR 2020, 52).
b) Gemessen daran ist die Beweiswürdigung des Landgerichts rechtsfehlerhaft. Aus den Urteilsgründen ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Einlassungen der Angeklagten M. und B. zur Ankunft des M. auf der Plantage den Feststellungen zugrunde gelegt werden konnten, obgleich die Strafkammer deren Angaben im Übrigen - insbesondere auch zu Art und Umfang der Tätigkeit auf der Plantage - als nicht glaubhaft gewertet hat.
aa) Soweit das Landgericht als Beleg für die Richtigkeit der Angaben des B. dessen Aussage in einem Chat vom 23. April 2018 gewertet hat, er sei jetzt „allein mit einem hier, der gekommen ist“, nimmt sie nicht erkennbar in den Blick, dass sich diese Aussage nicht nur auf eine unbekannte Person namens „P. “, sondern mindestens ebenso gut auf den Angeklagten M. beziehen konnte, diese Aussage also keinen objektiven Anhaltspunkt für die Richtigkeit der Angaben der Angeklagten M. und B. zu liefern vermag.
bb) Die Strafkammer hat zwar gesehen, dass für eine Mitwirkung des Angeklagten M. schon vor dem 15. April 2018 sprechen kann, dass sich an drei an Plantagentüren angebrachten Zetteln mit Daten, die Anpflanzungen dem 23. März 2018 betreffen, DNA-Spuren des Angeklagten M. befanden. Indes ist ihre weitere Annahme, es sei „nicht unwahrscheinlich“, dass diese Zettel erst nach diesem Tag angebracht worden waren, ohne tatsächlichen Anhalt und vor dem Hintergrund der festgestellten Professionalität des Plantagenbetriebs und der dabei zu Tage getretenen akribischen Buchhaltung des Angeklagten M. B. auch nicht naheliegend. Eine tragfähige Gesamtwürdigung, die nicht nur das einzelne für oder gegen eine Tatbeteiligung des Angeklagten M. vor dem 15. April 2018 sprechende Indiz in den Blick nimmt, sondern auch die von der Gesamtheit dieser Indizien vermittelte Beweislage, lassen die Urteilsgründe vermissen. Dass aus dem Auffinden der Zettel - wie die Strafkammer meint - „nicht zwingend der Schluss“ gezogen werden könne, diese seien am 23. März angebracht worden, stünde der für eine tatrichterliche Überzeugungsbildung ausreichenden Möglichkeit, dass dies so war, jedenfalls nicht entgegen.
3. Das angefochtene Urteil hält auch insoweit rechtlicher Nachprüfung nicht stand, als die Angeklagten M. B., E. B. und M. M. in den Fällen 6 bis 13 der Anklageschrift verurteilt sind. Zwar ist die Strafkammer zutreffend davon ausgegangen, dass der Begriff der Bande in §§ 30, 30a BtMG den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraussetzt, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbstständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstypus zu begehen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 23. April 2009 - 3 StR 83/09 Rn. 9). Indes kann ihre Annahme, am Vorliegen einer Bande fehle es, weil der Angeklagte M. als mögliches drittes Bandenmitglied lediglich in der Zeit zwischen Mitte April und Mitte Mai - und damit nicht für eine gewisse Dauer - an der Aufzucht der Cannabispflanzen beteiligt gewesen sei, keinen Bestand haben. Die Dauer der Mitwirkung des Angeklagten M. ist aus den oben zu 2. genannten Gründen nicht tragfähig belegt.
4. Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung. Um dem neuen Tatgericht umfassende eigene, widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen, hebt der Senat die Feststellungen auch insoweit auf, als die Angeklagten M. B., E. B. und M. M. in den Fällen 6 bis 13 der Anklageschrift verurteilt sind. Die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen 6 bis 13 der Anklageschrift entzieht auch den Strafaussprüchen und den Einziehungsentscheidungen die Grundlage.
Mit der Aufhebung des den Angeklagten J. B. betreffenden Freispruchs ist die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Entscheidung über die Entschädigung des Angeklagten gegenstandslos (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2018 - 4 StR 364/17, Rn. 11).
Für die neue Verhandlung weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
a) Eine Bandenabrede im Sinne des § 30a Abs.1 BtMG setzt nicht voraus, dass sich alle Beteiligten persönlich absprechen und untereinander kennen; vielmehr kann sie auch durch aufeinander folgende Vereinbarungen entstehen. Insbesondere kann die Bandenabrede dadurch zu Stande kommen, dass sich zwei Personen einig sind, künftig im Einzelnen noch ungewisse Straftaten mit zumindest einem dritten Beteiligten zu begehen, und der von der Absprache informierte Dritte sich der Vereinbarung ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten anschließt (BGH, Urteil vom 23. April 2009 - 3 StR 83/09 Rn. 9 mwN). Das neue Tatgericht wird gegebenenfalls Gelegenheit haben, näher als geschehen die Anhaltspunkte für weitere Beteiligte in den Blick zu nehmen, wie etwa die Beteiligung einer als (vermeintlichem) Vermieter des Anwesens in B. auftretenden Person oder Telefonate des Angeklagten M. B., in denen dieser Arbeiten an der von ihm aufgebauten Cannabisplantage als „Baustelle“ bezeichnet, auf der „seine Leute jetzt langsam selbständig arbeiten“ und bald „Prozente“ bekämen.
b) Das neue Tatgericht wird gegebenenfalls auch die Konkurrenzen erneut in den Blick zu nehmen haben. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen in der Zuleitungsschrift des Generalbundesanwalts.
Die Revision des Angeklagten M. B. erzielt den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen hat die auf die Sachrügen veranlasste umfassende Nachprüfung des angefochtenen Urteils keine Rechtsfehler zum Nachteil dieses Angeklagten ergeben.
1. Der Beschwerdeführer hat seine Revision zwar auf die Einziehungsentscheidungen beschränkt. Diese Beschränkung ist indes nicht wirksam, weil schon nach dem Revisionsvorbringen die Einziehungsanordnungen nicht losgelöst vom übrigen Urteilsinhalt beurteilt werden können.
2. Der Strafausspruch kann hinsichtlich des Angeklagten M. B. keinen Bestand haben. Mit Recht rügt die Revision, dass die Strafkammer nicht erkennbar bedacht hat, dass die Einziehung von Tatmitteln den Charakter einer Nebenstrafe hat und die Baugeräte und -materialien, deren Einziehung angeordnet wurde, und deren Beschaffung allein vom Angeklagten M. B. finanziert wurde, insgesamt einen nicht unbeträchtlichen Wert haben [UA 39/40]. Wird dem Angeklagten ein Gegenstand von nicht unbeträchtlichem Wert entzogen, so ist dies als bestimmender Gesichtspunkt für die Bemessung der daneben zu verhängenden Strafe und insoweit im Wege einer Gesamtbetrachtung der den Täter treffenden Rechtsfolgen angemessen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. März 2019 ? 3 StR 522/18, NStZ 2020, 214; vom 4. März 2020 - 5 StR 20/20; Senat, Beschluss vom 5. Februar 2020 - 2 StR 517/19, NStZ-RR 2020, 146, 147). Dies hat die Strafkammer verabsäumt.
3. Auch die Einziehungsentscheidungen halten sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Der Einziehung des Wertes von Taterträgen legt die Strafkammer bezüglich des Angeklagten M. B. zugrunde, dass der in den Fällen 6 bis 8 der Anklage erzielte Ernteertrag für 3 € pro Gramm verkauft worden war. Dieser Preis wird einerseits mit der - rechtsfehlerfrei begründeten - hohen Qualität der angebauten Pflanzen begründet, zum anderen mit Erkenntnissen aus einem Chat, den der Angeklagte M. B. mit einem anderen über An- und Verkaufspreise geführt hat. Der darin höchste genannte Kilogrammpreis ist indes „2000“. Dieser Widerspruch wird in den Urteilsgründen nicht aufgelöst.
b) Der Senat hebt auch den auf § 74 StGB gestützten Ausspruch über die Einziehung von Betäubungsmitteln, Anbauutensilien und Werkzeugen sowie von Mobiltelefonen und anderen elektronischen Datenträgern/Speichermedien insgesamt auf. Den Urteilsgründen ist schon nicht zu entnehmen, dass sich die Strafkammer ihres Ermessens bei der Einziehung von Tatmitteln bewusst war (vgl. Senat, Beschluss vom 23. September 2020 - 2 StR 393/19 Rn. 12 mwN). Auch ist nicht festgestellt, dass die einzuziehenden Gegenstände als Tatmittel verwendet wurden. Für Aquariumheizstäbe, einen Videorecorder, eine E-Gitarre oder Mobiltelefone, zu denen die Strafkammer feststellt, diese seien verwendet worden, um über das Internet an Sportwetten teilzunehmen, ist dies sogar eher fernliegend. Es ist auch nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, aus einem in den Urteilstenor übernommenen Sicherstellungsverzeichnis diejenigen Einziehungsgegenstände herauszusuchen, bei denen eine Verwendung als Tatmittel naheliegt.
4. Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung.
Die auf die Revisionen der Angeklagten E. B. und M. M. veranlasste Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen diese Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler erbracht. Insbesondere ist die Bewertung der Strafkammer, der Angeklagte M. habe sich als Mittäter (und nicht lediglich als Gehilfe) am Anbau der gewinnbringend zu verkaufenden Cannabispflanzen beteiligt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Auch die Einziehung des Wertes von Taterträgen hat Bestand. Die Strafkammer hat rechtsfehlerfrei begründet, dass der Angeklagte B. 3.600 € als Lohn und der Angeklagte M. 500 € als Vorschuss für ihre Tatbeteiligung erhalten haben. Indes ist die Einziehung von Betäubungsmitteln, Anbauutensilien und Werkzeugen sowie von Mobiltelefonen und anderen elektronischen Datenträgern/Speichermedien aus den oben C.I.3.b) genannten Gründen aufzuheben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen.
HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 846
Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß