HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 1056
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 594/19, Beschluss v. 28.07.2020, HRRS 2020 Nr. 1056
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 19. Juni 2019, soweit es sie betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagte der Beihilfe zum Mord in zwei tateinheitlichen Fällen sowie der Brandstiftung schuldig ist,
b) im Ausspruch über die wegen der Beihilfetat verhängten Einzelstrafen und im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen „Beihilfe zum Mord in zwei Fällen sowie wegen schwerer Brandstiftung“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt und Adhäsionsentscheidungen getroffen. Dagegen wendet sich die Angeklagte mit ihrer auf eine Verfahrensbeanstandung und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Die Verfahrensrüge ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet. Auf die Sachrüge hat das Rechtsmittel den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Schuldspruch wegen Beihilfe zum Mord in zwei Fällen und wegen schwerer Brandstiftung hat keinen Bestand; vielmehr hat sich die Angeklagte wegen Beihilfe zum Mord in zwei tateinheitlichen Fällen und wegen Brandstiftung schuldig gemacht.
a) Nach den Urteilsfeststellungen führten jahrelange finanzielle Einbußen bei dem einstmals gut situierten mitangeklagten Ehemann und der Angeklagten zum Insolvenzverfahren und zur Zwangsversteigerung ihres Einfamilienhauses. Obwohl für den 31. August 2018 die Räumung des gemeinsam bewohnten Wohnhauses angeordnet worden war, unternahmen die Eheleute nichts, um nach einer anderen Unterkunft für sich und ihre beiden Kinder zu suchen. In dieser als aussichtslos empfundenen Situation vereinbarte die Angeklagte mit ihrem Ehemann in der Nacht zum 31. August 2018, die Kinder und sodann sich selbst zu töten. Gegen 2.00 Uhr tötete der durch die gemeinsame Vereinbarung in seinem Tatentschluss bestärkte mitangeklagte Ehemann zunächst den 13-jährigen Sohn und sodann die zehnjährige Tochter, indem er jedem der schlafenden Kinder mit einem eisernen Zimmermannshammer mindestens 13 Mal auf den Kopf schlug, ihnen mit einem Jagdmesser mit gezielten Stichen zwischen die Rippen das Herz eröffnete und die Halsschlagader durchschnitt. Die Angeklagte hatte zum Tatzeitpunkt das Haus verlassen, um dem mitangeklagten Ehemann die Tatbegehung zu erleichtern.
Nachdem die Angeklagte zurückgekehrt war, verteilten sie und ihr Ehemann an verschiedenen Stellen im Haus Benzin und flüssigen Grillanzünder, um das ganze Haus durch die Brandlegung zu zerstören. Gegen 6.45 Uhr entzündeten die Angeklagte und ihr Ehemann das in den Kinderzimmern ausgebrachte Benzin, so dass sofort ein Feuer ausbrach, das u.a. die Wandverkleidung erfasste. Die Angeklagte begab sich mit dem Mitangeklagten in die Garage, um sich mit dem Kohlenmonoxid im Abgas eines laufenden Automotors zu vergiften. Dieser Suizidversuch scheiterte jedoch. Auch das Feuer wurde gelöscht.
b) Diese Feststellungen tragen weder die konkurrenzrechtliche Bewertung wegen Beihilfe zum Mord in zwei Fällen noch den Schuldspruch wegen schwerer Brandstiftung.
aa) Die Beihilfehandlungen der Angeklagten stehen nicht im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander. Fördert der Gehilfe durch seine Tatbeiträge im Vorfeld gleichzeitig mehrere rechtlich selbständige Taten des Haupttäters, so liegt für ihn nur eine Tat vor (vgl. nur BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2019 - 4 StR 582/19, juris Rn. 3; Urteil vom 17. Oktober 2019 - 3 StR 521/18, NStZ 2020, 273, 276; weitere Nachweise bei Schönke/Schröder/Heine/Weißer, StGB, 30. Aufl., § 27 Rn. 42). In der rechtlichen Würdigung des Urteils kommt dies zwar zum Ausdruck (UA S. 117), nicht hingegen in der allein maßgebenden Urteilsformel; auch in der Strafzumessung findet diese konkurrenzrechtliche Bewertung keinen Niederschlag (UA S. 119).
bb) Der Schuldspruch wegen schwerer Brandstiftung (§ 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB) ist ebenfalls rechtsfehlerhaft. Der Generalbundesanwalt hat insoweit u. a. zutreffend ausgeführt:
„Die Feststellungen ergeben nicht zweifelsfrei, ob das Haus noch zur Wohnung von Menschen diente, als die Angeklagte und ihr Ehemann es anzündeten. Das Gesetz stellt in § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB auf die tatsächliche Nutzung des Gebäudes als Wohnung ab. Da die Zweckbestimmung „Dienen zur Wohnung“ nur ein tatsächliches Verhältnis umschreibt, kann sie ebenso tatsächlich wieder aufgehoben werden wie sie begründet wurde, und zwar auch durch den nur besitzberechtigten Fremdbesitzer. Eine Aufgabe des Dienens zu dem genannten Zweck wird danach in der Regel anzunehmen sein, wenn das Gebäude - wie hier - von seinen alleinigen Bewohnern in Brand gesetzt wird. Denn mit dem Inbrandsetzen wird regelmäßig der Wille kundgetan, das Gebäude nicht mehr als Wohnung zu benutzen (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Februar 1993 - 2 StR 475/92 -, juris). Die Annahme, dass die Eheleute H. mit dem Inbrandsetzen zugleich die Zweckbestimmung des Hauses aufgeben wollten, könnte hier vor allem deshalb naheliegen, weil sie im Anschluss daran versucht haben, sich das Leben zu nehmen.
Der im Fehlen jeglicher Erörterung zu dieser Frage liegende sachlich-rechtliche Mangel nötigt jedoch nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Denn entgegen dem Revisionsvorbringen belegen die Urteilsgründe, dass sich die Eheleute H. bei der Inbrandsetzung über die Eigentumsverhältnisse an dem Wohnhaus zweifelsohne bewusst waren (UA S. 20 ff. und 35). […] Die Angeklagte hat [sich] daher jedenfalls der Brandstiftung gem. § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB schuldig gemacht.“
c) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich die Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
2. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung der für den Fall der Beihilfe zum Mord in zwei Fällen verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe. Die wegen des Brandstiftungsdelikts verhängte Einzelstrafe kann hingegen bestehen bleiben.
a) Die Aufhebung der tatmehrheitlichen Verurteilung betreffend die beiden Fälle der Beihilfe zum Mord bedingt den Wegfall der dafür verhängten Einzelstrafen „von jeweils“ (UA S. 119) zehn Jahren. Gleichzeitig ist die Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren aufzuheben, denn das Landgericht wollte die „höchste Einzelstrafe“ von zehn Jahren lediglich „mäßig“ erhöhen. Soweit der neue Tatrichter für die nunmehr als Beihilfe zum Mord in zwei tateinheitlichen Fällen gewertete Tat eine neue Einzelstrafe festzusetzen haben wird, ist er durch das Verschlechterungsverbot nicht gehindert, eine höhere Einzelstrafe zu verhängen, wobei die neue Gesamtstrafe nicht höher als die bisherige ausfallen darf (vgl. auch BGH, Beschluss vom 19. November 2002 - 1 StR 313/02, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12).
b) Soweit es das Brandstiftungsgeschehen betrifft, lässt der hinsichtlich des Schuldspruchs aufgezeigte Rechtsfehler den Strafausspruch unberührt. Der Strafrahmen in minder schweren Fällen der Brandstiftung nach § 306 Abs. 2 StGB entspricht dem vom Landgericht angewandten Strafrahmen des minder schweren Falles der schweren Brandstiftung nach § 306a Abs. 3 StGB. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht auf eine geringere Strafe als drei Jahre und sechs Monate erkannt hätte, wenn es sich des aufgezeigten Rechtsfehlers bewusst gewesen wäre.
HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 1056
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2021, 48; StV 2021, 500
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner