HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 660
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 134/19, Beschluss v. 28.04.2020, HRRS 2020 Nr. 660
1. Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Angeklagte C. im Fall II. 2. der Urteilsgründe wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden ist; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten.
2. Auf die Revision des Angeklagten C. wird das Urteil des Landgerichts Hanau vom 26. November 2018
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen Erpressung und sexueller Nötigung verurteilt ist;
b) aufgehoben, soweit eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis von einem Jahr angeordnet worden ist; diese Maßregel entfällt.
3. Auf die Revision des Angeklagten Z. wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin insoweit entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer zurückverwiesen.
4. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
5. Der Angeklagte C. trägt die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin insoweit im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.
Das Landgericht hat den Angeklagten Z. wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Angeklagten C. hat es unter Einbeziehung von zwei früheren jugendrichterlichen Urteilen wegen Erpressung, Fahrens ohne Fahrerlaubnis und sexueller Nötigung zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt, die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 350 Euro sowie eine Maßregel nach § 69a StGB angeordnet. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, mit denen sie jeweils die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügen. Die Rechtsmittel haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Die Verfahrensrügen haben aus den Gründen der Zuschriften des Generalbundesanwalts keinen Erfolg.
2. a) Soweit der Angeklagte C. im Fall II. 2. der Urteilsgründe wegen (vorsätzlichen) Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG verurteilt worden ist, stellt der Senat das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts aus prozessökonomischen Gründen gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein.
Dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt nicht über eine erforderliche Fahrerlaubnis verfügt hat, ist nicht belegt; es ist indes nicht ausgeschlossen, dass die für eine Verurteilung nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG erforderliche Feststellung noch belegt werden könnte.
b) Die Teileinstellung des Verfahrens hat eine Änderung des Schuldspruchs sowie die Aufhebung des Maßregelausspruchs zur Folge und führt, da die Anordnung einer Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis nach § 69a StGB wegen der von der Einstellung nicht berührten Taten des Angeklagten aus Rechtsgründen nicht in Betracht kommt, zum Entfallen der Maßregel.
Die vom Landgericht verhängte Einheitsjugendstrafe kann trotz der Schuldspruchänderung bestehen bleiben. Der Senat kann im Hinblick auf die Ausführungen der Jugendkammer zu dem bei ihm bestehenden Erziehungsbedarf sowie zum Schuldgehalt der abgeurteilten Straftaten ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Bewertung bzw. ohne den eingestellten Fall auf eine geringere Jugendstrafe erkannt hätte.
c) Die Einziehungsentscheidung begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Der Senat ist durch den Anfragebeschluss des 1. Strafsenats (BGH, Beschluss vom 11. Juli 2019 - 1 StR 467/18, NStZ 2019, 682) nicht gehindert, auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 2019 - 5 StR 95/19, BeckRS 2019, 9584; Beschluss vom 17. Juni 2019 - 4 StR 62/19, BeckRS 2019, 20407 mwN) zu entscheiden (vgl. Senat, Urteil vom 22. September 2016 - 2 StR 27/16, BGHSt 61, 263, 265 mwN).
3. Soweit es den Angeklagten Z. betrifft, hat der Strafausspruch keinen Bestand. Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft die Prüfung unterlassen, ob die Verhängung einer Gesamtstrafe möglich war. Der Angeklagte Z. hat die abgeurteilte Tat am 5. Mai 2017 und damit vor sämtlichen Vorverurteilungen verübt, die dem angefochtenen Urteil zu entnehmen sind. Das Landgericht hat keine Feststellungen zu den Tatzeitpunkten und dem Vollstreckungsstand dieser Vorverurteilungen getroffen (zu den Darstellungsanforderungen siehe BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 - 4 StR 658/10; LK-StGB/Rissing-van Saan/Scholze, 13. Aufl., § 55 Rn. 46a). Soweit diese Vorstrafen zur Zeit des angefochtenen Urteils noch nicht vollstreckt waren, kommt die Bildung einer Gesamtstrafe oder eine Entscheidung nach § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB in Betracht; dies kann der Senat im Hinblick auf die mitgeteilten Urteilsdaten jedenfalls nicht ausschließen. Waren die Strafen dagegen bereits vollstreckt, so wäre vom Tatgericht die Frage eines Härteausgleichs jedenfalls dann zu erörtern gewesen, wenn die Geldstrafen als Ersatzfreiheitsstrafen vollstreckt wurden (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Februar 2016 - 2 StR 31/16, NStZ-RR 2016, 251 mwN). Das Landgericht hat eine solche Prüfung unterlassen. Danach kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei etwaiger Vornahme eines Härteausgleichs eine niedrigere Strafe verhängt worden wäre. Die Frage bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung (vgl. auch Senat, Beschluss vom 25. Februar 2016 - 2 StR 31/16, aaO).
HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 660
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner