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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 170

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 563/18, Urteil v. 11.09.2019, HRRS 2020 Nr. 170


BGH 2 StR 563/18 - Urteil vom 11. September 2019 (LG Hanau)

Begehen durch Unterlassen (Garantenstellung aufgrund: Zugehörigkeit zu einer Gefahrengemeinschaft, tatsächlicher Übernahme kraft Kenntnis von Hilfsbedürftigkeit, abgebrochener Hilfeleistung, Ingerenz nach Abgabe nicht regulierter Rauschmittel, Eröffnung einer Gefahrenquelle bei eigenmächtigem Verhalten eines Dritten; eigenverantwortliche Selbstgefährdung).

§ 13 Abs. 1 StGB; § 323c Abs. 1 StGB; § 212 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft kann gegenseitige Hilfspflichten und damit eine Garantenstellung begründen, wenn darüber hinaus erkennbar eine Schutzfunktion gegenüber Hilfsbedürftigen aus der Gruppe übernommen wird. Davon abzugrenzen sind lose Zusammenschlüsse etwa von Zechkumpanen oder auch von Rauschgiftkonsumenten, bei denen es regelmäßig an der Übernahme einer Beistandspflicht fehlen wird. Auch dass sich mehrere Personen zufällig in derselben Gefahrensituation befinden, begründet noch nicht die Annahme einer gegenseitigen rechtlichen Pflicht zur Unterstützung.

2. Grund für eine Garantenstellung ist das Einstehenmüssen aufgrund einer tatsächlichen Übernahme von Verantwortung. Diese Voraussetzungen werden nicht ersetzt durch die bloße Kenntnis von Hilfsbedürftigkeit, die lediglich Pflichten nach § 323c StGB begründet. Soweit eine besondere Kenntnis über den Grad und das Ausmaß der Gefahr besteht, hat dies lediglich Einfluss auf das Maß dessen, was der nach § 323c StGB Hilfeleistungspflichtige zu unternehmen hat.

3. In einer ersten Hilfeleistung liegt keine konkludente Zusage, sich weiter um den Geschädigten zu kümmern, wenn sich sein Zustand nicht bessert. Allein daraus, dass jemand einem Hilfsbedürftigen beisteht, ergibt sich - jedenfalls dann, wenn damit keine wesentliche Veränderung der Situation des Hilfsbedürftigen eingetreten ist - noch keine Garantenpflicht zur Vollendung einer begonnenen Hilfeleistung.

4. Eine Garantenstellung kann sich auch aus einem pflichtwidrigen gefährdenden Vorverhalten ergeben. Voraussetzung für eine strafrechtliche Verantwortlichkeit ist allgemein nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass ein pflichtwidriges Vorverhalten die nahe Gefahr des Eintritts des konkreten tatbestandsmäßigen Erfolgs verursacht. Im Zusammenhang mit der Abgabe von Betäubungsmitteln bzw. der Unterstützung des Konsums von Rauschgift durch einen Dritten hat der Bundesgerichtshof angenommen, dass dies jedenfalls dann pflichtwidrig ist, soweit dies strafbar ist.

5. Eine generelle Verpflichtung des Eigentümers eines weder vom Betäubungsmittel- noch vom Arzneimittelgesetz erfassten Mittels, besondere Vorkehrungen gegen selbstschädigenden Missbrauch zu treffen, führte zur Auferlegung von Verpflichtungen, die die freie Verfügbarkeit konterkarieren.

6. Ein nicht pflichtwidriges Verhalten, das zwar kausal eine Gefahr herbeiführt, die unmittelbar aber erst durch das verantwortungsvolle Handeln eines Dritten begründet wird, kann nicht zu einer Garantenstellung führen. Die Strafrechtsordnung verlangt grundsätzlich nur, dass jeder sein Verhalten so einrichtet, dass er selbst Rechtsgüter nicht gefährdet, nicht aber auch darauf, dass andere dies nicht tun.

7. Die Eröffnung der Gefahrenquelle muss die „nahe liegende Gefahr“ hervorrufen, dass Rechtsgüter anderer Personen verletzt werden. Daran fehlt es, wenn eine eingeräumte unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf den an sich gefährlichen Gegenstand nicht besteht, der Zugriff im Gegenteil sogar verweigert wird und im Übrigen nicht voraussehbar ist, dass ein anderer den Gegenstand gleichwohl an sich nehmen wird.

Entscheidungstenor

1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Hanau vom 9. Mai 2018 werden verworfen.

2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Revisionsverfahrens und die hierdurch den Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe

Das Landgericht hat alle Angeklagten wegen unterlassener Hilfeleistung verurteilt, den Angeklagten K. H. zusätzlich wegen eines tateinheitlich begangenen Diebstahls. Die Angeklagten K. und S. H. wurden (jeweils unter Einbeziehung von Vorverurteilungen) zu Einheitsjugendstrafen von zwei Jahren und neun Monaten bzw. einem Jahr und zehn Monaten, letztere zur Bewährung ausgesetzt, verurteilt. Gegen den Angeklagten A. hat es einen Dauerarrest verhängt, die Angeklagten Z. und As. hat es verwarnt und ihnen Auflagen erteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft bleiben ohne Erfolg.

I.

1. Am 27. April 2016 begaben sich die Angeklagten K. H. und A. spontan in die Wohnung des Onkels des Angeklagten H. Dort saß dieser, der Zeuge B., zusammen mit dem Zeugen D. zusammen und trank Bier. Die Angeklagten begaben sich direkt in das Schlafzimmer und riefen von dort den erheblich angetrunkenen Zeugen B. herbei. Sie boten ihm an, einen von dem Angeklagten A. hergestellten Joint mit Spice zu rauchen. Dieser enthielt den Wirkstoff 5FADB, ein synthetisches Cannabinoid, der um Vieles wirksamer ist als normales THC. In Verbindung mit Alkohol verstärken sich dessen Wirkungen, was zum Tatzeitpunkt weder in der Wissenschaft und erst recht nicht in der Öffentlichkeit bekannt war. Innerhalb von ca. zwei Minuten nahm der Zeuge drei bis vier Züge, wobei er bereits nach der ersten Inhalation stark husten musste. Nach dem letzten Zug nahmen die Angeklagten den Joint wieder an sich und verließen rasch die Wohnung. Der Zeuge B. fühlte sich zunehmend schlechter, schaffte es aber noch, ins Wohnzimmer zum Zeugen D. zurückzugehen. Dort brach er auf dem Sofa zusammen. Er litt an Hustenanfällen, starker Luftnot und Schwindel, zudem wurde ihm nach kurzer Zeit schwarz vor Augen. Der Zeuge D. sah, dass B. verdrehte Augen und Schaum vor dem Mund sowie eine nach hinten gerollte Zunge hatte. D. zog instinktiv die Zunge aus dem Rachen, woraufhin sich B. stark erbrach. D. holte die Schwester des Zeugen B., eine Krankenschwester, aus der Nebenwohnung herbei, die den schlechten Zustand ihres Bruders erkannte und ihm einen Finger in den Hals steckte, woraufhin er erneut erbrach. Nach Versorgung mit nassen Tüchern war B. nach ca. 15 bis 20 Minuten wieder ansprechbar, aber eine halbe Stunde noch wie „benebelt“. Von diesen Vorgängen hatten die Angeklagten keine Kenntnis. Ihnen war nicht bewusst, welche negativen gesundheitlichen Folgen der Konsum des von dem Angeklagten A. hergestellten Joints mit dem Wirkstoff 5FADB haben kann.

2. Am Abend des gleichen Tages trafen sich alle Angeklagten in der Wohnung von A., um dort zu „chillen“. Alkohol wurde nicht getrunken. Als ihnen langweilig wurde, verließen sie die Wohnung und liefen, jeweils mit Mobiltelefonen ausgerüstet, in G. umher. Zwischen 0.00 und 0.30 Uhr befanden sie sich auf dem Gelände der Kreisrealschule und trafen dort zufällig auf den Geschädigten M., der allen Beteiligten, bis auf den Angeklagten As., bekannt war. Alle Angeklagten erkannten, dass M., der eine Blutalkoholkonzentration von 2,26 Promille hatte, erheblich alkoholisiert war. Er lief taumelnd, seine Aussprache war beeinträchtigt, er lispelte und lallte. S. H. fragte ihn noch, ob „alles gut“ sei, was dieser bejahte. In der Folge stand M. mit den Angeklagten K. und S. H. und A. zusammen, während die Angeklagten Z. und As. sich ein bis zwei Meter davon entfernt aufhielten. S. H. und M. rauchten zunächst eine Zigarette. Der Angeklagte K. H. holte nun einen Joint mit Spice hervor, der wieder vom Angeklagten A. hergestellt war und den Wirkstoff 5FADB enthielt, und rauchte nach dem Anzünden einige Züge hiervon. Auch S. H. nahm zwei bis drei Züge und reichte den Joint seinem Bruder zurück, der nochmals mehrfach daran zog. Der Geschädigte M. fragte, ob er den Joint auch einmal haben könne. Die Angeklagten K. und S. H. folgten dieser Bitte nicht. Sie hatten zwar keine Kenntnis von gesundheitlich negativen Folgen des Joints, wussten aber, dass es - wie ihnen A. gesagt hatte - „starkes Zeug“ war. M. rief „Kindergarten“ in Richtung der Angeklagten, nahm dem Angeklagten K. H. eigenmächtig den Joint aus der Hand und rauchte einen Zug. Danach ging er einen Schritt zurück und nahm einen zweiten Zug. Sodann machte er einen Schritt nach vorne und ging unter dem vernehmbaren Ausspruch „Ups“ zunächst auf die Knie, bevor er nach vorne auf die Wiese fiel und regungslos liegen blieb.

Die Angeklagten waren schockiert und rannten einige Meter davon. S. H. beschloss aber sodann, nach dem Geschädigten zu schauen, und lief zu ihm zurück. M. begann zu würgen und erbrach sich ein erstes Mal. S. H. brachte ihn in eine „Art stabile Seitenlage“ und rief seinen Bruder K. herbei, der ihm dabei helfen sollte. Dieser kam der Aufforderung seines Bruders nach und hob M. nach oben, worauf dieser ein zweites Mal stark erbrach. Ein drittes Mal erbrach sich der Geschädigte, nachdem ihn K. und S. H. umgedreht hatten. M. war nicht ansprechbar. K. H. nutzte diesen Umstand aus und nahm M. dessen Geldbörse und eine Metalldose mit Zigaretten weg. Die Angeklagten beschlossen, dem Geschädigten M. keine weitere Hilfe, etwa durch einen Notruf, zukommen zu lassen, da sie im Hinblick auf den von dem Geschädigten konsumierten Joint und das von dem Angeklagten Z. mitgeführte Gras strafrechtliche Konsequenzen fürchteten. K. H. fertigte um 0.30 Uhr ein kurzes Video von dem Geschädigten M. und äußerte dazu: „Ich hab dem sein Leben gerettet, Alter“. Die Angeklagten begaben sich anschließend in eine Spielothek, die die Angeklagten Z. und As. bereits nach circa zehn Minuten wieder verließen, um nach Hause zu fahren. Die anderen Angeklagten gingen 30 Minuten nach ihrem Eintreffen wieder. Auf dem Nachhauseweg kamen sie nochmals an der Kreisrealschule vorbei, wo der Geschädigte M. unverändert an der gleichen Stelle lag. S. H. schaute nach ihm und stellte fest, dass er noch immer gleichmäßig atmete. Die Angeklagten erkannten weder den tödlichen Ausgang des Geschehens noch nahmen sie seinen Tod billigend in Kauf. Eine Kenntnis von einer tödlichen Wirkung des Joints hat das Landgericht ausgeschlossen, da die Angeklagten S. und K. H. mehrfach selbst an dem Joint gezogen hatten, was sie ansonsten definitiv unterlassen hätten.

Zwischen 2.00 und 6.10 Uhr, vermutlich aber spätestens um 4.00 Uhr, am 28. April 2016 verstarb der Geschädigte M. an einem zentralen Regulationsversagen, verursacht durch eine Mischintoxikation von Alkohol und dem synthetischen Cannabinoid 5FADB sowie einer bestehenden Vorerkrankung, einer angeborenen Koronaranomalie. Der Geschädigte wurde gegen 6.10 Uhr tot aufgefunden. Bei unverzüglichem Absetzen eines Notrufs unmittelbar nach dem Zusammenbruch des Geschädigten wäre eine Rettung zwar möglich, aber nicht überwiegend wahrscheinlich gewesen.

II.

Die Revisionen der Staatsanwaltschaft bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.

1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist hinsichtlich der Angeklagten A. sowie K. und S. H. unbeschränkt eingelegt. Bezüglich der Angeklagten As. und Z. ist sie - wie sich aus der Auslegung der Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft ergibt - unbeschadet des umfassenden Aufhebungsantrags und der allgemein erhobenen Sachrüge auf den Strafausspruch beschränkt.

Die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch ist wirksam. Es liegen keine Umstände vor, aus denen sich ausnahmsweise eine untrennbare Verknüpfung von Schuld- und Straffrage ergibt.

2. Die Überprüfung der angegriffenen Entscheidung hat Rechtsfehler zum Vorteil der Angeklagten nicht ergeben. Es ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden, dass das Landgericht sämtliche Angeklagte lediglich wegen unterlassener Hilfeleistung gemäß § 323c StGB verurteilt hat. Nach den getroffenen Feststellungen kommt weder eine Strafbarkeit wegen (vollendeten oder versuchten) Totschlags oder fahrlässiger Tötung durch Unterlassen noch wegen Aussetzung mit Todesfolge in Betracht. Auf der Grundlage dieser rechtlichen Würdigung ist auch der Strafausspruch nicht zu beanstanden.

a) Der Senat lässt dahinstehen, ob die von der Revision angegriffene Beweiswürdigung des Landgerichts zur Ablehnung des Tötungsvorsatzes Rechtsfehler aufweist und ob es in den Urteilsgründen an einer hinreichenden Darlegung der Angaben der Sachverständigen zu deren Schlussfolgerung fehlt, dass auch bei einem sofortigen Absetzen des Notrufs eine Rettung des Geschädigten nicht hinreichend wahrscheinlich gewesen wäre. Denn eine weitergehende Strafbarkeit der Angeklagten wegen eines Tötungsdelikts durch Unterlassen und wegen Aussetzung mit Todesfolge gemäß § 221 Abs. 3 StGB i.V.m. § 221 Abs. 1 Nr. 2 StGB kommt mangels einer Garantenstellung nicht in Betracht. Die Angeklagten A. sowie K. und S. H. sind auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt Garanten für das Leben des Geschädigten M. gewesen.

b) Eine Garantenstellung ergibt sich weder aus der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft (dazu unter II. 2.b. aa) und bb)) noch aus einem pflichtwidrigen gefährdenden Vorverhalten (dazu II.2.b. cc) und dd)) und auch nicht aus der Schaffung oder Unterhaltung einer Gefahrenquelle (dazu II.2.b. ee) und ff)).

aa) Die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft kann gegenseitige Hilfspflichten und damit eine Garantenstellung begründen, wenn darüber hinaus erkennbar eine Schutzfunktion gegenüber Hilfsbedürftigen aus der Gruppe übernommen wird (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2007 ? 5 StR 324/07, NStZ 2008, 276, 277 mwN zur Rspr.). Davon abzugrenzen sind lose Zusammenschlüsse etwa von Zechkumpanen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 1954 ? 1 StR 612/53, NJW 1954, 1047, 1048) oder auch von Rauschgiftkonsumenten (vgl. OLG Stuttgart NJW 1981, 182), bei denen es regelmäßig an der Übernahme einer Beistandspflicht fehlen wird. Auch dass sich mehrere Personen zufällig in derselben Gefahrensituation befinden, begründet noch nicht die Annahme einer gegenseitigen rechtlichen Pflicht zur Unterstützung (vgl. Schönke/Schröder/Bosch, StGB, 30. Aufl., § 13, Rn. 24). Erforderlich ist auch hier die tatsächliche Übernahme einer Schutzfunktion, wobei diese noch nicht darin liegt, dass jemand in Erfüllung seiner Hilfeleistungspflicht nach § 323c StGB einem Hilfsbedürftigen beisteht (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1974 ? 4 StR 529/74, BGHSt 26, 35, 39).

bb) Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung kommt die Annahme einer Garantenstellung nicht in Betracht. Dies betrifft sämtliche Zeitpunkte, an denen mögliche Unterlassungsvorwürfe anknüpfen könnten.

(1) Das bloße Zusammenstehen in nächtlicher Runde und auch das gemeinsame Rauchen einer Zigarette lässt - vergleichbar der Rechtsprechung zu Zech- oder Konsumgemeinschaften - noch keine Gefahrengemeinschaft entstehen, die die Gewähr für gegenseitige Hilfe und Fürsorge in bestimmten Gefahrenlagen einschließt. Dies gilt ungeachtet des erkennbaren Zustands des Geschädigten, dessen Wahrnehmung allenfalls eine Hilfeleistungspflicht nach § 323c StGB, aber keine strafrechtliche Haftung im Sinne von § 13 StGB auslöst.

(2) Dass in dieser Runde schließlich der den Wirkstoff 5FADB enthaltende Joint geraucht wurde, ändert an dieser Einschätzung nichts. Dies gilt vor allem deshalb, weil sich die Angeklagten K. und S. H. darauf beschränkten, selbst einige Züge zu nehmen, und es ablehnten, den Geschädigten selbst rauchen zu lassen. Es handelt sich bei der zusammenstehenden Gruppe allenfalls um eine bloße Konsumgemeinschaft, die Garantenpflichten nicht begründen kann.

(3) Der Umstand, dass die Angeklagten es ablehnten, dem Geschädigten den Joint zum Rauchen zu überlassen, stellt sich nicht als Übernahme von Verantwortung dar, die weitergehende Schutzpflichten auslösen könnte. Es handelt sich bei der Zurückweisung dieses Ansinnens lediglich um ein von der Rechtsordnung anderweit gefordertes Verhalten, das in diesem Augenblick der Vermeidung einer strafrechtlichen Haftung aus Ingerenz bzw. einer Verantwortlichkeit für eine Gefahrenquelle dient. Hätten die Angeklagten dem Geschädigten den Joint überlassen, hätten sie sich mit Blick auf dieses Verhalten nach diesen Grundsätzen zu verantworten gehabt. Aus ihm lassen sich aber keine Rückschlüsse ziehen, dass die Angeklagten damit weitergehende Verantwortung für den Geschädigten übernehmen wollten.

(4) Soweit der Geschädigte im Folgenden dem Angeklagten K. H. den Joint abnahm und anschließend einige Züge rauchte, begründet auch dies unter dem Gesichtspunkt einer Verantwortlichkeit für den Geschädigten keine Garantenstellung der Angeklagten. Drittverhalten ist insoweit nicht geeignet, eine Einstandspflicht der Angeklagte mit Gewähr für gegenseitige Hilfe und Fürsorge entstehen zu lassen. An dieser Bewertung ändert auch nichts der Umstand, dass der Geschädigte anschließend als Folge des Rauchens zusammengebrochen ist, das Bewusstsein verloren und sich erbrochen hat. Grund für eine Garantenstellung ist das Einstehenmüssen aufgrund einer tatsächlichen Übernahme von Verantwortung, an der es fehlt. Diese Voraussetzungen werden nicht ersetzt durch die bloße Kenntnis von Hilfsbedürftigkeit, die lediglich Pflichten nach § 323c StGB begründet. Soweit eine besondere Kenntnis über den Grad und das Ausmaß der Gefahr besteht, hat dies lediglich Einfluss auf das Maß dessen, was der nach § 323c StGB Hilfeleistungspflichtige zu unternehmen hat.

(5) Schließlich ist der Umstand, dass die Angeklagten, insbesondere S. H., Maßnahmen zur Rettung des Geschädigten unternommen haben und noch einmal nach Verlassen der Spielothek zu ihm zurückgekehrt sind, um nach ihm zu schauen, nicht geeignet, Garantenpflichten auszulösen. In der ersten Hilfeleistung liegt keine konkludente Zusage, sich weiter um den Geschädigten zu kümmern, wenn sich sein Zustand nicht bessert. Bei dem Tun der Angeklagten handelt es sich vielmehr allein um die (ungenügende) Erfüllung der ihnen aus § 323c StGB obliegenden Pflicht, nicht um die Übernahme der Obhut. Allein daraus, dass jemand einem Hilfsbedürftigen beisteht, ergibt sich - jedenfalls dann, wenn damit wie hier keine wesentliche Veränderung der Situation des Hilfsbedürftigen eingetreten ist (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 1993 ? 1 StR 264/93, NJW 1993, 2628) - noch keine Garantenpflicht zur Vollendung einer begonnenen Hilfeleistung (so ausdrücklich schon BGH, Urteil vom 5. Dezember 1974 ? 4 StR 529/74, BGHSt 26, 35, 39). Wollte man dies anders beurteilen, bedeutete dies eine nicht nachvollziehbare Schlechterstellung desjenigen, der immerhin Maßnahmen zur Rettung ergreift, mögen sie auch letztlich ungenügend sein, gegenüber demjenigen, der gar nicht erst tätig wird.

cc) Eine Garantenstellung kann sich auch aus einem pflichtwidrigen gefährdenden Vorverhalten ergeben. Voraussetzung für eine strafrechtliche Verantwortlichkeit ist allgemein nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass ein pflichtwidriges Vorverhalten die nahe Gefahr des Eintritts des konkreten tatbestandsmäßigen Erfolgs verursacht (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 23. September 1997 ? 1 StR 430/97, NStZ 1998, 83, 84; Senat, Urteil vom 16. Februar 2000 ? 2 StR 582/99, StV 2001, 616). Im Zusammenhang mit der Abgabe von Betäubungsmitteln bzw. der Unterstützung des Konsums von Rauschgift durch einen Dritten hat der Bundesgerichtshof angenommen, dass dies jedenfalls dann pflichtwidrig ist, soweit dies strafbar ist (vgl. Senat, Urteil vom 9. November 1984 ? 2 StR 257/84, BGHSt 33, 66; BGH, Urteil vom 27. Juni 1984 ? 3 StR 144/84, NStZ 1984, 452; siehe auch BGH, Urteil vom 29. April 2009 ? 1 StR 518/08, BGHSt 53, 288, 291). Die strafrechtliche Verantwortlichkeit (auch im Sinne einer Ingerenzhaftung) entfällt bei eigenverantwortlich gewollter und verwirklichter Selbstgefährdung. Dies wird grundsätzlich nicht von den Tatbeständen eines Körperverletzungs- oder Tötungsdelikts erfasst, wenn sich das mit der Gefährdung vom Opfer bewusst eingegangene Risiko realisiert. Wer eine solche Gefährdung veranlasst, ermöglicht oder fördert, kann daher nicht wegen eines Körperverletzungs- oder Tötungsdelikts verurteilt werden; denn er nimmt an einem Geschehen teil, welches - soweit es um die Strafbarkeit wegen Tötung oder Körperverletzung geht - kein tatbestandsmäßiger und damit kein strafbarer Vorgang ist (grundlegend BGH, Urteil vom 14. Februar 1984 ? 1 StR 808/83, BGHSt 32, 262; BGH, Urteil vom 11. Dezember 2003 ? 3 StR 120/03, NJW 2004, 1055).

Maßgebliches Abgrenzungskriterium zwischen strafloser Beteiligung an einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung bzw. -verletzung und einer - grundsätzlich tatbestandsmäßigen - Fremdgefährdung oder -verletzung eines anderen ist damit die Trennungslinie zwischen Täterschaft und Teilnahme. Liegt die Tatherrschaft über die Gefährdungshandlung nicht allein bei dem Gefährdeten, sondern zumindest auch bei dem sich hieran Beteiligenden, begeht dieser eine eigene Tat und kann nicht aus Gründen der Akzessorietät wegen fehlender Haupttat des Geschädigten straffrei sein (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2003 ? 3 StR 120/03, NJW 2004, 1055 zur Übergabe von Heroin; siehe auch BGH, Urteil vom 14. Februar 1984 ? 1 StR 808/83, BGHSt 32, 262 zur Besorgung einer für den Konsum von Heroin benötigten Spritze; ferner zur Überlassung von Heroin statt Kokain BGH, Urteil vom 29. April 2009 ? 1 StR 518/08, BGHSt 53, 288). Eine strafrechtlich relevante Handlungsherrschaft kann einem Täter gleichwohl dann zuwachsen, wenn und soweit die Freiverantwortlichkeit des Selbstgefährdungsentschlusses beeinträchtigt ist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Täter kraft überlegenen (Fach-)Wissens das Risiko besser erfasst als der Selbstgefährdende, insbesondere dann, wenn das Opfer einem Irrtum unterliegt, der seine Selbstverantwortlichkeit ausschließt oder es infolge einer Intoxikation zu einer Risikoabwägung nicht mehr hinreichend in der Lage ist (BGH, Beschluss vom 11. Januar 2011 ? 5 StR 491/10, BGH NStZ 2011, 341; siehe ferner BGH, Urteil vom 29. April 2009 ? 1 StR 518/08, BGHSt 53, 288, 290; Urteil vom 27. November 1985 ? 3 StR 426/85, NStZ 1986, 266). Trotz eigenverantwortlicher Selbstgefährdung kann sich eine Garantenpflicht ergeben, wenn das an sich pflichtwidrige Vorverhalten, etwa das strafbare Überlassen eines Heroingemischs, die dann z.B. mit einer Bewusstlosigkeit eintretende Gefahrenlage herbeiführt. Die Straflosigkeit eines Tuns/Unterlassens bei eigenverantwortlicher Selbstgefährdung schließt es nicht aus, Garantenpflichten für den Zeitpunkt zu begründen, in dem sich das Risiko erkennbar verwirklicht (BGH, Urteil vom 27. Juni 1984 ? 3 StR 144/84, NStZ 1984, 452; Senat, Urteil vom 9. November 1984 ? 2 Str 257/84, NJW 1985, 690, 691).

dd) An dieser Rechtsprechung gemessen liegt eine Garantenstellung aus Ingerenz nicht vor. Es ist - vor dem Konsum durch den Geschädigten als maßgeblichem Zeitpunkt für eine Unterlassensstrafbarkeit - kein pflichtwidriges Vorverhalten gegeben, das mit der naheliegenden Gefahr des Eintritts des tatbestandsmäßigen Erfolgs des Todes verbunden gewesen wäre.

(1) Die Herstellung und Weitergabe des Joints durch A. an K. H. stellt schon kein pflichtwidriges Verhalten dar. Er gab dabei den Hinweis, dass es sich um „starkes Zeug“ handele; der Konsum von Spice mit dem Wirkstoff 5FADB war zu diesem Zeitpunkt auch nicht mit Strafe belegt, so dass sich hieraus jedenfalls die Pflichtwidrigkeit nicht ergeben kann. Dass mit dem Konsum von Rauschmitteln grundsätzlich Gefahren verbunden sind, vermag allein die Pflichtwidrigkeit des Handelns nicht zu begründen. Ungeachtet dessen war mit der weit im Vorfeld des späteren Tatgeschehens erfolgten Übergabe an K. H. auch keine nahe Gefahr des Eintritts eines tatbestandsmäßigen Erfolgs verbunden.

(2) Soweit K. H. auf dem Gelände der Kreisrealschule den Joint herausholte, von diesem einige Züge nahm und den Joint auch seinem Bruder zum Konsum überreichte, stellt auch dies - insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die Angeklagten als Konsumenten frei verantwortlich und ohne Einschränkung ihrer Entscheidungsfreiheit handelten - noch kein pflichtwidriges Handeln dar. Auch insoweit lag keine nahe Gefahr des Eintritts eines tatbestandsmäßigen Erfolgs (des Todes) vor. Die in diesem Zusammenhang erfolgende Wegnahme des Joints durch den Geschädigten stellt sich (trotz seiner vorangegangenen Frage nach dem Joint) als ein überraschendes und nicht vorhersehbares Tun dar, das den Angeklagten nicht zuzurechnen ist (vgl. zur Ablehnung einer nahen Gefahr durch nicht vorhersehbares Verhalten eines Mittäters bei pflichtwidrigem Vorverhalten BGH, Urteil vom 23. September 1997 ? 1 StR 430/97, NStZ 1998, 83, 84; Beschluss vom 23. Mai 2000 ? 4 StR 157/00, NStZ 2000, 583; Urteil vom 24. September 1998 ? 4 StR 272/98, NJW 1999, 69, 72). Überdies kann ein nicht pflichtwidriges Verhalten, das zwar kausal eine Gefahr herbeiführt, die unmittelbar aber erst durch das verantwortungsvolle Handeln eines Dritten begründet wird, nicht zu einer Garantenstellung führen (BGH, Urteil vom 23. September 1997 ? 1 StR 430/97, NStZ 1998, 83, 84). Die Strafrechtsordnung verlangt grundsätzlich nur, dass jeder sein Verhalten so einrichtet, dass er selbst Rechtsgüter nicht gefährdet, nicht aber auch darauf, dass andere dies nicht tun.

(3) Weiteres (positives) Tun vor der Wegnahme bzw. dem Konsum des Joints durch den Geschädigten liegt nicht vor. Selbst wenn man die Ablehnung der Übergabe des Joints als positives Tun verstehen würde, ist insoweit jedenfalls kein pflichtwidriges Verhalten anzunehmen. Diese Verweigerung dient insoweit gerade der Vermeidung einer Ingerenzhaftung, die anzunehmen wäre, hätten die Angeklagten dem alkoholisierten Geschädigten von sich aus oder auf Aufforderung hin den Joint überlassen bzw. übergeben.

(4) Das nachfolgende Verhalten, etwa die Nichtverhinderung der Wegnahme oder ein mögliches Herausgabeverlangen, stellt sich nicht als positives Tun dar, sondern lediglich als ein Unterlassen. Es könnte insoweit nur von strafrechtlicher Relevanz sein, wenn schon zu diesem Zeitpunkt eine Garantenstellung (aus einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt) bestünde. Dies ist aber nicht der Fall.

(5) Weiteres Verhalten der bis zu diesem Zeitpunkt nicht pflichtwidrig handelnden Angeklagten nach dem Konsum bzw. dem Zusammenbruch des Geschädigten führt zu keiner Garantenstellung aus Ingerenz. Soweit dieses zwar pflichtwidrig ist, weil die Angeklagten ihrer Hilfeleistungspflicht nach § 323c StGB nicht genügen, vermag dies eine Ingerenzhaftung nicht (mehr) zu begründen (vgl. Senat, Urteil vom 10. Juni 1952 ? 2 StR 180/52, BGHSt 3, 65, 67; BGH, Urteil vom 26. Oktober 1982 ? 1 StR 413/82, NJW 1983, 350, 351).

ee) In Abgrenzung zu einer Unterlassensstrafbarkeit aus Ingerenz, die ein pflichtwidriges Vorverhalten voraussetzt, ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass jeder, der eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält, die nach Lage der Verhältnisse erforderlichen Vorkehrungen zum Schutz anderer Personen zu treffen hat (BGH, Urteil vom 13. November 2008 - 4 StR 252/08, BGHSt 53, 38, 41 f; siehe auch Senat, Urteil vom 21. Dezember 2011 - 2 StR 295/11, NStZ 2012, 319 m. Anm. Murmann NStZ 2012, 387; BGH, Beschluss vom 5. August 2015 - 1 StR 328/15, BGHSt 61, 21, 23 m. krit. Anm. Jäger, JA 2016, 392; Schiemann, NJW 2016, 178; Puppe, ZIS 2013, 46; BGH, Urteil vom 22. November 2016 ? 1 StR 354/16; NStZ 2017, 223, 225). Die entsprechende Pflicht beschränkt sich auf das Ergreifen solcher Maßnahmen, die nach den Gesamtumständen zumutbar sind und die ein verständiger und umsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um Andere vor Schäden zu bewahren. Eine aus der Zuständigkeit für eine Gefahrenquelle folgende Erfolgsabwendungspflicht gemäß § 13 Abs. 1 StGB besteht allerdings lediglich dann, wenn mit der Eröffnung der Gefahrenquelle die nahe liegende Möglichkeit begründet wurde, dass Rechtsgüter anderer Personen verletzt werden können. In welchem Umfang die Erfolgsabwendungspflicht besteht, bestimmt sich nach dem Grad der Gefahr. Die Anforderungen an den für die Gefahrenquelle Zuständigen sind umso höher, je größer bei erkennbarer Gefährlichkeit einer Handlung die Schadenswahrscheinlichkeit und Schadensintensität sind (BGH, Beschluss vom 5. August 2015 - 1 StR 328/15, BGHSt 61, 21, 23 mwN).

ff) An diesen Grundsätzen gemessen fehlt es auch insoweit an einer Garantenstellung der drei Angeklagten. Keiner der Angeklagten hat - insoweit unterscheidet sich der zu entscheidende Fall grundlegend von jüngerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in den sog. „Gamma-Butyrolacton“ - (GBL-) Fällen (vgl. Senat, Urteil vom 21. Dezember 2011 ? 2 StR 295/11, NStZ 2012, 319; BGH, Beschluss vom 5. August 2015 ? 1 StR 328/15, BGHSt 61, 21, 24), in denen die Angeklagten jeweils eine ihnen bekannte Gefahrenquelle geschaffen hatten - zum maßgeblichen Tatzeitpunkt eine Gefahrenquelle geschaffen bzw. unterhalten.

(1) Der Angeklagte S. H. hat weder eine Gefahrenquelle geschaffen noch hat er sie unterhalten. Sein Verhalten erschöpfte sich in seiner bloßen Anwesenheit auf dem Gelände der Kreisrealschule und in der kurzfristigen Übernahme des Joints, von dem er einige Züge nahm. Er hatte diesen längst an seinen Bruder K. H. zurückgegeben, der selbst noch mal daran zog, bevor ihm der Geschädigte M. diesen wegnahm und selbst zwei Züge davon nahm. Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit über § 323c StGB für den durch eine eigene Handlung des Geschädigten verursachten Tod hinaus lässt sich daraus nicht ableiten.

(2) Der Angeklagte A. hat zwar ursprünglich eine Gefahrenquelle geschaffen, indem er den Joint mit dem Wirkstoff 5FADB hergestellt und diesen durch Weitergabe an den Mitangeklagten K. H. in den Verkehr gebracht hat. Dabei hatte er allerdings - wie den Urteilsgründen zu entnehmen ist - den Mitangeklagten K. und S. H. mitgeteilt, dass es sich um „Spice“ und „starkes Zeug“ handele, ohne zu diesem Zeitpunkt zu wissen, welche tatsächlichen Gefahren mit dem Genuss des Joints verbunden sein können. Weiter ist zu berücksichtigen, dass es sich zum Tatzeitpunkt um einen Stoff gehandelt hat, der weder vom Betäubungsmittel- noch vom Arzneimittelgesetz erfasst war, und dass deshalb der Umgang mit ihm nicht unter Strafe stand. Eine generelle Verpflichtung des Eigentümers eines solchen Mittels, besondere Vorkehrungen gegen selbstschädigenden Missbrauch zu treffen, führte zur Auferlegung von Verpflichtungen, die die freie Verfügbarkeit konterkarieren (vgl. dazu auch Murmann, NStZ 2012, 387, 388). Insoweit hat der Angeklagte A. im Augenblick der Übergabe an K. H. die einerseits notwendigen, aber auch ausreichenden Maßnahmen ergriffen, um andere vor Schaden zu bewahren. Eine nahe liegende Gefahr, dass Rechtsgüter anderer Personen verletzt werden könnten, wurde deshalb mit der Übergabe des Joints an K. H. nicht begründet.

Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass beide am Tatabend den Onkel des Angeklagten K. H., den Zeugen B., aufgesucht hatten und diesen an einem Joint mit dem Wirkstoff Spice rauchen ließen. Die Mitteilung von K. H. an seinen Onkel, er habe „bombiges Zeug, echt gutes Gras, keine synthetische Scheiße“ dabei, beschreibt mit anderen Worten, dass es sich insoweit um ein hochwirksames Rauschmittel handelt, und stellt grundsätzlich - auch vor dem Hintergrund, dass es hier um eine aktive Weitergabe des Joints an eine dritte Person geht - einen hinreichenden Hinweis auf die Gefährlichkeit des Rauschmittels dar (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 2015 ? 1 StR 328/15, BGHSt 61, 21, 25). Jedenfalls ergab sich für den Angeklagten A. aus dem Besuch des Zeugen B. keine Pflicht zu weiterreichenden Vorkehrungen zum Schutz anderer dritter Personen, zumal beide Angeklagten von den tatsächlich eingetretenen Wirkungen des Stoffes bei diesem nichts mitbekommen hatten.

An dieser Ausgangslage änderte sich für den Angeklagten A. auch nichts, als sie auf dem Gelände der Kreisrealschule auf den Geschädigten M. trafen. Er bemerkte zwar wie die anderen Angeklagten auch dessen Alkoholisierung. Es gab für ihn allerdings keine Anhaltspunkte dafür, dass die Mitangeklagten den Joint an eine dritte Person außerhalb des unmittelbaren Familien- oder Freundeskreises weiterreichen könnten. Vielmehr konnte der Angeklagte A., der den Joint ja selbst nicht mehr im Besitz und insoweit keinen unmittelbaren Zugriff auf diesen hatte, feststellen, dass die Mitangeklagten dem Ansinnen des Geschädigten M., an dem Joint rauchen zu wollen, entgegentraten und der Angeklagte K. H. ihm diesen angesichts seines erkennbar alkoholisierten Zustands nicht übergab. Dass der Geschädigte den Joint nunmehr eigenmächtig an sich nehmen würde, war angesichts des bisherigen Geschehensablaufs und trotz der Bemerkung von M. „Kindergarten“ nicht vorhersehbar. In diesem Augenblick realisierte sich damit nicht die Gefährlichkeit einer Gefahrenquelle oder eines gefährlichen Vorverhaltens, sondern das eigenmächtige Handeln des Tatopfers (vgl. dazu auch im Zusammenhang mit dem sog. „Gamma-Butyrolacton“-Fall des Senats Brüning ZJS 2012, 691, 693). Der Angeklagte A. hatte somit mit seinen Hinweisen auf die Wirksamkeit des in dem Joint erforderlichen Stoffs alle diejenigen Maßnahmen ergriffen, die ein verständiger und umsichtiger Mensch in dieser Situation für ausreichend und notwendig halten durfte, um andere vor Schaden zu bewahren. Es war insoweit nicht mit Blick auf den Schutz des Lebens eines Dritten von der Rechtsordnung geboten, weitere, über die später getroffenen hinausreichenden Maßnahmen zur Rettung des Geschädigten zu ergreifen, nachdem dieser in Eigenmacht den Joint ergriffen und zwei Züge von ihm genommen hatte. Insoweit liegt lediglich ein Unglücksfall vor, der nach § 323c StGB zur Hilfe verpflichtet.

Diese Würdigung gilt namentlich vor dem Hintergrund, dass die im Vergleich zu THC stärkeren Nebenwirkungen des Wirkstoffs 5FADB, insbesondere auch der Umstand, dass sich diese in Verbindung mit Alkohol nochmals drastisch verschärfen, nach den Urteilsfeststellungen jedenfalls den Angeklagten nicht bekannt waren. Wäre dies der Fall gewesen, hätten sich daraus in Ansehung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach die Anforderungen an den für eine Gefahrenquelle Zuständigen um so höher sind, je größer bei erkennbarer Gefährlichkeit einer Handlung die Schadenswahrscheinlichkeit und Schadensintensität sind, schon im Vorfeld des eigentlichen Tatgeschehens eine grundsätzlich erhöhte Erfolgsabwendungspflicht ergeben. Ob angesichts einer solchen, im Zeitpunkt des Geschehens auf dem Gelände der Kreisrealschule fortbestehenden Pflicht weiterreichende Maßnahmen des Angeklagten A. auch nach der Ansichnahme und dem Genuss des Joints durch den Geschädigten M. hätten ergriffen werden müssen, braucht der Senat aber hier nicht zu entscheiden. Denn angesichts des Umstands, dass der Geschädigte den Joint nach der Ablehnung, ihm diesen zur Verfügung zu stellen, eigenmächtig und unangekündigt zum Zwecke des Rauchens an sich nahm, waren hier weitere Sicherungsmaßnahmen des Angeklagten A. (im Vorfeld) nicht geboten. Der Zugriff des Geschädigten auf den Joint bei K. H. stellt keine Realisierung einer durch die ursprüngliche Herstellung des Joints begründeten „nahe liegenden Gefahr“ dar.

(3) Der Angeklagte K. H. befand sich auf dem Gelände der Kreisrealschule im Besitz des Joints mit dem Wirkstoff 5FADB. Er unterhielt damit keine Gefahrenquelle im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Dass er einen objektiv gefährlichen Gegenstand im öffentlichen zugänglichen Bereich einer Schule in der Nacht in den Händen hielt, macht den Joint, den er lediglich seinem Bruder zum Rauchen überließ, noch nicht zu einer „Gefahrenquelle“ für weitere Personen, auch wenn der Geschädigte daneben stand. Die Eröffnung der Gefahrenquelle muss die „nahe liegende Gefahr“ hervorrufen, dass Rechtsgüter anderer Personen verletzt werden. Daran fehlt es, wenn - anders als in den Fällen Senat, Urteil vom 21. Dezember 2011 ? 2 StR 295/11, NStZ 2012, 319 bzw. BGH, Beschluss vom 5. August 2015 ? 1 StR 328/15, BGHSt 61, 21 - eine eingeräumte unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf den an sich gefährlichen Gegenstand nicht besteht, der Zugriff im Gegenteil sogar verweigert wird und im Übrigen nicht voraussehbar ist, dass ein anderer den Gegenstand gleichwohl an sich nehmen wird. Mit der Eigenmächtigkeit eines Dritten, hier des Geschädigten, brauchten die Angeklagten nicht zu rechnen. Bei dieser Sachlage bestand auch keine Rechtspflicht im Sinne von § 13 StGB, den Geschädigten unmittelbar nach dessen Eigenmacht vor dem Joint zu warnen. Es ist schon fraglich, ob diese Warnung den Genuss des Joints durch den Geschädigten noch hätte verhindern können. Jedenfalls bestand keine Verantwortlichkeit des K. H. für eine Gefahrenquelle mit dem für Rechtsgüter Dritter erforderlichen Gefahrenpotential. Auch das Wissen um die Hochwirksamkeit des in dem Joint enthaltenen Stoffs kann dies nicht ersetzen. Die erkennbare Gefährlichkeit einer Handlung lässt nach der Rechtsprechung des BGH bei entsprechender Steigerung von Schadenswahrscheinlichkeit und Schadensintensität die Anforderungen an den für eine Gefahrenquelle Verantwortlichen steigen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 2015 ? 1 StR 328/15, BGHSt 61, 21, 23), setzt damit aber die Verantwortlichkeit für eine Gefahrenquelle voraus und kann sie nicht erst begründen.

3. Auch der Strafausspruch hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.

a) Die Verhängung von Jugendstrafe von zwei Jahren und neun Monaten weist Rechtsfehler zum Vor- oder Nachteil des Angeklagten K. H. nicht auf. Den Urteilsgründen lässt sich entnehmen, dass die einbezogene Jugendstrafe von einem Jahr und zehn Monaten zurzeit vollstreckt wird, also nicht erledigt ist und deshalb einbeziehungsfähig war. Dass die Strafkammer den anzuwendenden Strafrahmen nicht ausdrücklich erwähnt hat, lässt nicht besorgen, sie habe ihrer Entscheidung einen unzutreffenden Strafrahmen zugrunde gelegt. Mit der verhängten Jugendstrafe bewegt sie sich im normalen, auch diesen Fall einschlägigen Strafrahmen des § 18 Abs. 1 Satz 1 JGG; dafür, dass sie den erhöhten Strafrahmen des § 18 Abs. 1 Satz 2 JGG angewendet haben könnte, fehlen Anhaltspunkte in den Urteilsgründen.

b) Auch die gegen S. H. verhängte Jugendstrafe von einem Jahr und zehn Monaten begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Dass die einbezogene Verurteilung des Amtsgerichts Gelnhausen vom 26. Februar 2018 zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten im Urteilszeitpunkt am 9. Mai 2018 noch nicht erledigt war, ergibt sich bereits aus den zeitlichen Abläufen. Soweit die Revision im Übrigen beanstandet, die Strafkammer habe die Bewährungsaussetzung nicht näher begründet, zeigt sie damit einen Rechtsfehler nicht auf. Das Landgericht hat knapp, aber nachvollziehbar, seine Entscheidung begründet.

c) Auch der Rechtsfolgenausspruch im Hinblick auf die Angeklagten A., As. und Z. erweist sich als rechtsfehlerfrei. Ein Vergehen mit vergleichsweise geringem Gewicht wie hier die unterlassene Hilfeleistung kann, selbst wenn es eine folgenschwere Tat darstellt, die „Schwere der Schuld“ im Sinne von § 17 Abs. 2 Alt. 2 JGG regelmäßig nicht begründen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 2004 ? 3 StR 136/04, StV 2005, 66 f.).

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 170

Externe Fundstellen: StV 2020, 373

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner